»M einst du, es ist eine gute Idee, sie einfach herumlaufen zu lassen?« Benny entzündet ein Streichholz, hält es an seine Zigarette und zieht an ihr.
»Wo soll sie denn hin?« Red lehnt sich mit einem Glas Schnaps in der einen und seinem Handy in der anderen Hand auf der Couch zurück.
»Ich weiß es nicht. Aber sie könnte doch versuchen zu fliehen, nehme ich an?« Benny zieht wieder an seiner Zigarette.
»Sie ist eine ängstliche kleine Maus.« Ich zucke mit den Schultern. »Wenn überhaupt, wird sie wieder versuchen, sich vor mir zu verstecken.« Vielleicht möchte ich, dass sie es versucht. Ihr erbärmlicher Versuch gestern Abend war ein lustiges Spiel für mich. Es war leicht, sie aufzuspüren, und dann musste ich nur noch warten. Die Angst in ihren Augen, als sie die Tür öffnete und mich sah – verdammt. Ich ziehe meine Hose zurecht.
Benny und Red tauschen einen Blick aus.
»Haltet die Klappe!« Ich winke irritiert mit einer Hand ab.
»Ich habe nichts gesagt, Chef.« Benny nimmt noch einen Zug und bietet mir die Zigarette an.
Ich schüttele den Kopf. Jeder Mann hat seine Laster, aber Tabak gehört nicht zu meinen.
»Die Jungs wissen, dass sie tabu ist. Sie werden sie nicht anfassen.« Ich beschließe, mir einen Drink zu gönnen, um meine Nerven zu beruhigen.
»Darüber machst du dir Sorgen?« Red wirft Benny einen weiteren Blick mit hochgezogener Augenbraue zu.
»Hör auf mit dem Scheiß!«, fahre ich ihn an und schütte eine ordentliche Menge Whisky in mein Glas.
Red hält sich den Mund zu und tut so, als würde er gähnen, aber ich weiß, dass der Wichser ein Grinsen verdeckt. Ich hätte seinen Arsch in dem Müllcontainer lassen sollen, in dem ich ihn gefunden habe. Buchstäblich.
Ich setze mich an meinen Schreibtisch und nehme einen Schluck Schnaps. Es ist zehn Uhr morgens, und diese Dummköpfe bringen mich schon zum Trinken. Ich weiß, dass ich mich selbst belüge. Es sind nicht die beiden. Es ist sie . Diese verdammte Prinzessin mit den traurigen Augen, die in ihrer Tiefe Feuer entfachen, bevor sie die Flamme löscht. Ich habe alles über sie gelesen, was ich über sie finden konnte – genauso wie über ihre ganze Familie. Obwohl ich zugeben muss, dass ihre Fotos die einzigen sind, die ich eingehend betrachtet habe. Ich habe das Gefühl, ich könnte ihr Gesicht mit geschlossenen Augen skizzieren. Der Gedanke sticht mich wie eine gezackte Klinge in den Bauch, da ich nichts von den Sommersprossen auf ihrem Nasenrücken oder ihrer leicht hochgebogenen Nasenspitze wissen sollte. Ich sollte mich für nichts interessieren, außer dafür, sie leiden zu lassen.
Ich schiebe all diese Bedenken beiseite und wende mich dem Einzigen zu, was meine Nerven beruhigen kann. »Geschäft.« Ich trinke mein Glas aus. »Wo ist meine Kokslieferung?«
»Sitzt vor South Padre fest. Die Kontrollen an der Grenze wurden verstärkt, nachdem sie all die Migranten in dem Sattelschlepper gefunden haben.« Red drückt seine Zigarette aus. »Wir sind aufgeschmissen, bis die Bundespolizei sich zurückzieht.«
»Bring es die Küste hoch. Was ist mit Galveston?«
»Zu gefährlich. Mehr Küstenwache, mehr Probleme. Es ist besser, zu warten.« Red hält seine Hände hoch. »Ich weiß, dass du es hasst, aber es ist, wie es ist. Wenn wir versuchen, die Lieferung weiter nördlich an Land zu bringen, riskieren wir, alles zu verlieren.«
»Gut.« Ich knirsche mit den Zähnen. »Aber wenn du es bis zum Wochenende nicht schaffst, musst du dir etwas anderes einfallen lassen.«
»Ich werde es schaffen.«
»Das Opium wird bereits in Jersey abgeladen«, sagt Benny mit einem breiten Grinsen.
Red starrt ihn wütend an. »Du hast einfach Glück gehabt. Das ist alles.«
»Sag, was du willst, aber ich habe es geschafft. Unser Lager ist voll, und die Chemiker sind gerade dabei, ihre Arbeit zu erledigen. Wir werden das Produkt in weniger als einem Monat auf den Markt bringen.«
»Koks ist mehr wert als dein schwarzer Scheiß«, schießt Red zurück.
»Koks ist nichts wert, wenn es im Meer schwimmt.«
»Arschloch, du hast keine Kreativität, wenn es um …«
»Das reicht!« Ich schlage mit der Hand auf den Schreibtisch.
Sie drehen beide ihre Köpfe zu mir herum.
Ich bin nervös. Es brodelt in mir. Ich tue alles, was ich kann, um nicht an die Frau zu denken, die wahrscheinlich einen weiteren Weg sucht, um sich vor mir zu verstecken.
»Haben wir Rodrigo noch?« Ich fahre mir mit einer Hand durch die Haare.
»Ja. Gerade so. Als ich das letzte Mal nachgesehen habe, hat er noch geatmet.« Red zuckt mit den Schultern. »Ich glaube aber nicht, dass er mehr Informationen hat.«
Ich stehe auf. »Gehen wir in die Sauna.«
Ich weiß, dass sie wieder einen ihrer verdammten Blicke austauschen, aber das ist mir egal. Ich muss mich abreagieren, und das ist eine Möglichkeit, genau das zu tun.
Sie folgen mir durch das Haus auf der Rückseite hinaus, dann durch den hinteren Garten zu den Ställen. Die Pferde betrachten mich misstrauisch, und keines von ihnen ist besonders freundlich, obwohl sie seit Jahren bei mir leben. Vielleicht erkennen sie ein Raubtier, wenn sie eines sehen.
Ich gehe in den letzten Stall und drücke die Metalltür auf, die eine Treppe freigibt, die in die Dunkelheit hinunterführt.
»Hey, bevor du …«, Red räuspert sich, »beschäftigt bist. Könntest du 50.000 Dollar Bestechungsgeld lockermachen?«
»Klar, wenn ich dadurch schneller an mein Koks komme.«
Red nickt und geht zurück zum Haus.
»Auf geht’s!« Benny krempelt bereits seine Ärmel hoch.
Ich schüttele den Kopf. »Mach die Feuerstelle fertig. Ich bringe gleich die Leiche.«
»Klar.« Er stellt keine Fragen. Er weiß es besser. Tatsächlich weiß er genau, was passieren wird.
Ich gehe die Treppe hinunter. Die erfreulichen Geräusche von Angst und Wimmern treffen auf meine Ohren.
»Schön, dass du noch bei uns bist, Rod.« Ich ziehe an der Kette der Glühbirne über mir. Ein niedriger, breiter Raum mit Metallrosten als Boden und irdenen Wänden erscheint vor mir. In meinem Beruf ist ein Ort wie dieser eine Notwendigkeit. Wir nennen ihn die Sauna, obwohl er immer klamm und kalt ist.
Rod liegt auf dem Boden, seine Hände sind mit Klebeband auf dem Rücken gefesselt und sein Gesicht ist geschwollen und verfärbt.
Ich öffne eine kleine Tür auf der rechten Seite, ziehe einen Kleiderbügel heraus und hänge meinen Mantel darüber. Dann ziehe ich mein Hemd aus und hänge es ebenfalls auf.
Rod zittert, und sein klägliches Wimmern wird lauter.
»Waren da noch andere?« Ich schüttele meine Arme aus und mache ein bisschen Schattenboxen, um mich zu lockern.
»Nein!«, schreit er und weicht zurück.
»Das glaube ich dir nicht, Rod.«
»Ich habe euch alles erzählt.« Seine Stimme ist durch seine fehlenden Zähne und kaputten Lippen verzerrt. »Sie war die Einzige.«
Ich hocke mich neben ihm hin. »Es ist nur so, dass Fieslinge wie du nicht nur ein kleines Mädchen anfassen. Ich meine, ich habe keine Universität besucht, Rod, aber ein Kinderficker ändert sich nicht, oder?«
»B-b-b-b-bitte.«
»Ich hätte dich sowieso umgebracht, Rod. Das weißt du doch, oder nicht? Glaubst du, ich lasse zu, dass du einen meiner Soldaten ausschaltest, in sein Haus gehst, seine Frau tötest und seine Tochter vergewaltigst, ohne dass ich das räche?«
»Die Franchesis werden dafür bezahlen, um mich zurückzubekommen. Wenn du nur …«
»Du denkst, ich brauche Geld?« Ich schnalze mit der Zunge. »Das denkst du also?« Ich ergreife seine Haare und hebe ihn mit einer Hand auf die Füße.
Er schreit, und das gequälte Geräusch lindert das Unbehagen in meinem Bauch. »N-n-n-nein!« Sein Blick fällt auf den Schrank in der Ecke.
»Pssst.« Ich schüttele den Kopf und zeige dann auf ihn. »Machst du dir deswegen Sorgen?«
Er blubbert.
»Nein, Rodrigo.« Ich gehe mit ihm rückwärts und ergreife eine der Fesseln, die von der Decke hängen. Als ich seine Arme anhebe, schreit er auf, weil seine Schultern ausgekugelt werden. Ich hänge ihn an die Fesseln und trete zurück.
Als seine Schreie schließlich wieder in ein Schluchzen übergehen, fahre ich fort: »Hab keine Angst. Ich werde keines dieser Werkzeuge gegen dich einsetzen.«
Er schaut mich aus seinen geschwollenen Augen an, und selbst durch das geschundene Fleisch hindurch kann ich einen Hauch von Hoffnung erkennen. Er denkt, dass er eine Chance hat, zu entkommen, dass ich ihn vielleicht gehen lasse. Dass ich aufhören werde, ihn zu verletzen. Ich werde es genießen, diese Hoffnung auszulöschen.
Das ist es, was ich brauche.
Ich hebe meine Fäuste und grunze, als ich seine bereits gebrochene Nase treffe.
Er schreit.
Ich spüre, wie die Spannung von mir abfällt und ein Lächeln über meine Lippen kommt. »Mach dir keine Sorgen, du Stück Scheiße. Ich werde dich mit meinen Händen fertigmachen.«