Kapitel 19

Mateo

»W o warst du?« Ich umfasse Bennys Kehle und knalle ihn gegen meine Bürowand. »Wo zum Teufel warst du?«, schreie ich ihm ins Gesicht.

»Mateo!« Sonny versucht, mich wegzuziehen, aber ich lasse ihn nicht. Ich schließe meine Hände um Bennys Hals. »Sie wurde fast vergewaltigt, und wo zum Teufel warst du?«

Bennys Augen beginnen sich aus den Höhlen zu wölben, aber er wehrt sich nicht. Er versucht, nach Luft zu schnappen, aber er stößt mich nicht weg und versucht auch nicht, sich zu befreien. Weil er loyal ist. Weil er das schon immer war.

»Scheiße!« Ich lasse endlich los und trete zurück.

Benny beugt sich vor und legt die Hände auf die Knie, während er Luft einsaugt und in Abständen hustet.

Ich kann ihn nicht anschauen. Nicht, ohne gewalttätig werden zu wollen. Stattdessen wende ich mich ab, gehe zur Bar, schnappe mir eine Flasche Whisky und nehme einen großen Schluck, wodurch mein Hals genauso brennt wie mein Herz. Es sollte ein Spiel mit ihr sein. Nur ein Spiel, in dem ich diese hübsche kleine Fontana quäle, bevor ich sie umbringe. Aber jetzt ist es so viel mehr als das. Als ich die Angst in ihren Augen sah, ihr Blut – das Glas zerbricht in meinem Griff. Ich lasse es fallen, und Blut rinnt aus meiner Hand.

»Mateo. Du hast seit drei Tagen kaum geschlafen oder gegessen. Du gehst auf dem Zahnfleisch. Beruhige dich.«

»Ich soll mich beruhigen?« Ich drehe mich um und sehe Sonny an.

Sein Gesicht ist genauso hager wie meines, vielleicht sogar noch hagerer. Er hat sich gerade drei Tage lang mit Bundesbeamten gestritten, während ich geschwiegen und mich geweigert habe, zu kooperieren.

»Ich kann mich nicht beruhigen. Sie ist meine Frau!«

»Es tut mir leid.« Bennys Stimme ist heiser. »Ich dachte, sie wäre bei Lito. Ich wusste nicht, dass …«

»Du hättest es wissen müssen!«, brülle ich.

Er steht wieder gerade und lässt dann den Kopf hängen. »Ja.«

Red liegt auf einer der Couches und sein Blick hüpft zwischen mir und Benny hin und her. »Hör zu, ich liebe es, wenn der Goldjunge hier in Schwierigkeiten gerät, aber wenn er wirklich dachte, dass sie bei Lito ist …«

»Halt dich da raus.« Benny starrt ihn wütend an.

»Okay.« Red schließt die Augen, und sein geschwollenes Gesicht sieht immer noch übel aus.

Im Moment ist generell alles verdammt übel. Die Bundespolizei sitzt mir im Nacken, ich bin keinen Schritt weiter, die Manchellos und Fontanas zu erledigen, und meine Frau ist verletzt und steht unter Medikamenten. Warum zerreißt es mich derart, sie so zu sehen? Ich bin derjenige, der ihr wehtun wollte, um sie den Schmerz spüren zu lassen, den ich gefühlt habe, als mir meine Eltern genommen wurden. Aber zu wissen, dass sie um ihr Leben gekämpft hat, dass sie fast so viel an Gino ausgeteilt hat, wie sie eingesteckt hat – das hätte nie passieren dürfen. Sie sollte hier in ihrem eigenen Haus sicher sein. Die Wut ist zurück und bringt mein Blut zum Kochen, bis ich nicht mehr klar sehen kann.

Ich nehme noch einen Schluck aus der Flasche, dann gehe ich zurück zu Benny.

Er zuckt nicht zurück, versucht nicht, mich aufzuhalten, obwohl er genau weiß, wozu ich fähig bin.

»Wenn ich gewusst hätte, dass Gino eine Bedrohung ist …« Er zuckt mit den Schultern, und ich kann seine Enttäuschung spüren. Und das nicht meinetwegen. Er selbst ist von sich enttäuscht. »Es tut mir leid, Mateo. Ich habe dich enttäuscht. Ich habe sie im Stich gelassen. Ich werde alles tun, was nötig ist.«

Eine Hälfte von mir möchte die Whiskyflasche an der Wand zerbrechen und ihm die gezackte Kante ins Gesicht schlagen, aber das ist nicht ganz die Wahrheit. Ich lenke zu viel von meiner Wut in die falsche Richtung. Benny hat einen Fehler gemacht, aber er ist nicht derjenige, der Lucretia verletzt hat. Das war Gino und … Scheiße, das war zum Teil ich. Ein Teil davon war die Art, wie ich sie behandelt habe, wie ich mit ihr gespielt habe. Diese Erkenntnis liegt mir schwer im Magen und brennt wie Säure. Trotzdem wussten meine Männer, dass sie tabu war. Dass sie meine war.

Ich lege eine Hand auf Bennys Schulter, dann kippe ich sein Kinn zur Seite und betrachte die Spuren, die ich an seinem Hals hinterlassen habe. Scheiße . Ich habe ihm noch nie so wehgetan. Er, Red und Sonny sind meine Brüder, genau wie Lito.

»Ich werde es euch allen jetzt sagen.« Ich trinke die Flasche aus. »Lucretia ist genauso unantastbar wie ich, wie jeder von euch. Ich dachte, ich hätte das meinen Männern klargemacht, als ich sie nach Hause brachte, aber ich schätze, die Botschaft ist nicht angekommen.« Ich werfe die Flasche in den Mülleimer neben meinem Schreibtisch. »Ruft alle Soldaten. Ich will, dass sie in spätestens einer Stunde hier sind. Lasst nur so viele Männer im Einsatz, dass alles sicher ist. Ich will, dass die anderen sehen, was mit jedem passiert, der versucht, meiner Familie etwas anzutun.«

»Bist du sicher, dass du dazu bereit bist?« Sonny zögert mit dem Telefon in der Hand. »Es war eine harte Woche.«

»Ich bin immer bereit für Rache.« Ich gehe aus dem Zimmer, den Flur entlang und durch die Hintertür, während Sonny anfängt, Befehle in sein Telefon zu brüllen.

Selbst mitten in der Nacht dauert es keine halbe Stunde, bis sich meine Soldaten versammelt haben.

Die Pferde in den Ställen wiehern und stampfen nervös, weil sie nicht wissen, warum sich so viele Menschen um sie scharen und leise murmeln.

»Alle mir nach«, rufe ich und öffne die Tür zur Sauna.

Dutzende von Schritten hallen hinter mir, während ich hinabsteige und meine Männer meinem Befehl folgen. Und wenn sie mir nicht schon völlig gehorsam sind, werden sie es bald sein. Ihr Leben wird davon abhängen.

Gino ist in der Nähe der Rückwand gefesselt. Seine nackten Füße berühren kaum das Gitter, während die Fesseln an seinen Handgelenken bis zur Decke reichen. Er hängt da wie ein Stück Fleisch, das geschlachtet werden soll, und seine nackte Haut ist bereits gelblich verfärbt.

Meine Männer stehen in Zweier- und Dreierreihen an der Wand, und alle Augen sind auf mich gerichtet, während ich hin und her gehe.

Gino wimmert, aber der Knebel in seinem Mund hält ihn in Schach.

Als Sonny auf der Treppe erscheint und nickt, weiß ich, dass alle anwesend sind.

Ich bleibe in der Mitte des Raumes stehen und schaue in die Gesichter, in die erschrockenen Augen, auf die Sorgenfalten und in die vor Entsetzen heruntergezogenen Münder.

»Ich müsste das hier nicht tun.« Ich knacke mit den Fingerknöcheln. »Aber ich möchte es.« Ich knöpfe mein Hemd auf, ziehe es aus und gehe zu dem Tisch mit den Instrumenten, die Red an der Seite des Raumes für mich ausgelegt hat. Ich lege mein Hemd weit hinten ab, weit weg von den Blutspuren.

Ich suche mir einen Schraubenzieher aus – einen großen, stumpfen Schlitzschraubenzieher – und gehe zurück in die Mitte des Raumes. Es ist so ruhig. Keiner scheint zu atmen. Die einzigen Geräusche sind Ginos Wimmern und das Plätschern seiner Pisse, als sie auf das Gitter trifft.

»Der Mann hinter mir dachte, er könnte mich bestehlen.« Ich klatsche den Schraubenzieher in meine Handfläche. »Er dachte, er könnte sich etwas nehmen, was ihm nicht gehört.« Die Spannung in mir ist so groß, dass sie eine Stahlstange brechen könnte. »Er hat meine Ehefrau angefasst.«

Die Soldaten scheinen zusammenzuzucken und sich zurückziehen zu wollen.

»Er hat seine Hände auf sie gelegt. Sie hat gegen ihn gekämpft. Er blutet gerade wegen dem, was sie getan hat. Lucretia Milani ist keine verdammte Märchenprinzessin. Sie ist eine Kämpferin. Sie wird nicht zulassen, dass jemand sie oder ihre Familie ausnutzt. Das hat sie bewiesen. Jetzt muss mir jeder von euch beweisen, dass ihr mich versteht. Ihr müsst mir zeigen, dass ihr die Konsequenzen kennt, wenn ihr versucht, mir zu nehmen, was mir gehört, wenn ihr meine Frau anrührt, wenn ihr irgendetwas tut, was mich oder meine Königin entehrt.« Ich gehe zu dem Mann, der mir am nächsten steht, und reiche ihm den Schraubenzieher.

Er nimmt ihn mit zitternder Hand.

»Keiner darf ihn töten!«, rufe ich. »Das werde ich tun. Kein Herz, kein Kopf. Ihr könnt ihn mit einem Treffer in den Magen zum Bluten bringen, aber nicht in die Niere oder Leber.« Ich trete zurück und deute auf Gino. »Fangt an. Beweist eure Loyalität gegenüber mir und meiner Frau.«

Gino schreit durch den Knebel, als der erste Soldat auf ihn zukommt.

Ich sehe mit verschränkten Armen zu, und meine Wut kocht immer noch. Sie wird erst dann nur noch köcheln, wenn Ginos Herzblut an meinen Händen klebt. Aber zuerst wird er leiden. Ich denke, mein Soldat könnte zögern, aber er überrascht mich mit einem schnellen Stich in Ginos Bein. Dann spuckt er noch in Ginos Gesicht, während er sich zurückzieht.

»Der Nächste.« Benny überreicht einem anderen Soldaten ein Springmesser und verteilt dann weitere Waffen, während meine Soldaten Gino in ein groteskes Nadelkissen verwandeln.

Seine Schreie verschmelzen zu einem einzigen gequälten, während sie ihn immer wieder schneiden und stechen. Sie folgen meinen Anweisungen und meiden die großen Arterien, aber als jeder Mann an der Reihe gewesen ist, fehlen Gino Finger, Zehen und die Hälfte seiner Nase.

Benny tritt mit einem Jagdmesser in der Hand vor. »Damit du dir nie wieder Gedanken darüber machen musst, nicht mit ihm zu denken.« Mit einem bösartigen Schnitt trennt er Ginos Schwanz ab. Dann reißt er den Knebel aus Ginos Mund und ersetzt ihn durch das blutige Fleisch. Gino würgt, aber Benny wickelt den Stoff um seinen Kopf und zwingt ihn, seinen Schwanz im Mund zu behalten, auch wenn er versucht, ihn auszukotzen.

Red ist der Nächste, er schneidet ihm die Ohren ab und wirft sie auf den blutigen Rost. Dann rammt Sonny, der schon immer stumpfe Instrumente bevorzugt hat, das Ende eines Hammers in seine Schulter.

Ich drehe mich um und wende mich an die Männer. »Das passiert, wenn ihr euch mit uns anlegt. Versteht ihr das?«

»Ja, Sir!« Die Worte sind eine Wand aus Schall, jeder Mann erklärt seine Loyalität.

Ich gehe zum Tisch, schnappe mir eine Knochensäge und wende mich dann an Gino, während das Feuer in meiner Seele so heiß brennt wie noch nie. »Jetzt bin ich dran.«