Kapitel 32

Lucretia

»O h mein Gott, da sind noch so viele von ihnen.« Ich starre entsetzt auf die Soldaten, die aus den Bäumen ausschwärmen und sich auf Mateo stürzen.

Weitere Rauchbomben explodieren und versperren mir die Sicht.

»Nein!« Ich drücke meine Handfläche auf den Bildschirm.

»Was zum Teufel …?« Lito zeigt auf einen der anderen Monitore.

»Wer ist das?« Ich schlucke heftig, als sich ein Mann hinter dem Wachmann an der Küchentür anschleicht und ihm die Kehle aufschlitzt. »Oh mein Gott!« Ich keuche.

Lito zieht mich in seine Arme. »Wir sind hier in Sicherheit.«

Der Mann betritt die Küche, dann verlieren wir ihn auf den Kameras aus den Augen.

»Er ist im Haus. Er hat sich durch Bennys Sicherheit auf der Rückseite des Hauses geschlichen.« Lito reibt meinen Oberarm und versucht, mich zu wärmen, da ich völlig durchgefroren bin. »Es gibt noch mehr Wachen. Sie werden ihn erwischen, bevor er hier oben ankommt.«

»Was ist, wenn er Carter findet?« Ich habe den Koch seit heute Nachmittag nicht mehr gesehen. »Was, wenn er nicht gegangen ist?«

»Carter wird es gut gehen. Er hat schon einige Male solche Situationen erlebt. Mach dir keine Sorgen.«

Ich möchte Lito glauben, aber ich kann es nicht. Nicht nach dem, was ich gerade gesehen habe. Ich schaue zurück zur Kamera auf dem Vorgarten und suche nach Mateo, aber der Rauch ist immer noch zu dicht. Ich kann nicht sagen, wer steht, wer schießt oder was los ist.

»Ich kann ihn nicht sehen, Lito. Wo ist er?«

Er schaut auf den Monitor. »Ich weiß es nicht, aber wir müssen den Glauben bewahren, okay? Nicht zusammenbrechen, während sie da draußen kämpfen. Die Zähne zusammenbeißen.« Er drückt meinen Arm. »Mein Kiefer tut schon weh, also bin ich dir einen Schritt voraus.«

Ich drehe mich um und starre ihn wütend an.

Er zuckt mit den Schultern, den Blick immer noch auf den Bildschirm vor dem Rasen gerichtet. »Sorry, Humor ist mein Abwehrmechanismus.«

»Es ist alles in Ordnung.« Ich lehne mich an ihn, während wir uns das Video ansehen. Die Lampe auf der Rückseite des Hauses geht aus, und der Bildschirm bleibt schwarz.

»Sie haben sie abgeschossen.« Er geht die anderen Kanäle durch und entscheidet sich für das Foyer.

Ich behalte den Rasen im Auge und hoffe, dass ich Mateo sehen kann. Innerlich wiederholt mein Verstand immer wieder wie ein Gebet Bitte sei nicht tot .

»Scheiße!« Lito zeigt auf die Kamera im Foyer und ich kann sehen, wie der Mann aus der Küche die Treppe hinaufsteigt.

»Es ist Vincenzo!« Ich halte mir den Mund zu.

»Scheiße!« Lito öffnet eine Schublade unter der Überwachungskonsole, holt eine Pistole heraus, lädt sie und reicht sie mir.

»Er kann hier nicht reinkommen, oder?«

»Nein.« Er überprüft seine eigene Pistole und entsichert sie. »Zumindest glaube ich das nicht.«

Kalter Schweiß bricht auf meiner Stirn aus. »Weiß er, dass es diesen Raum gibt?«

»Wahrscheinlich. Es gibt ihn hier schon, seit das Haus gebaut wurde, damals, als unsere Eltern das Sagen hatten.«

»Aber es ist unmöglich, dass er den Code kennt, richtig?«

Lito lässt die Kameras noch einmal durchlaufen und sieht, wie Vincenzo den Flur entlanggeht, direkt auf uns zu. »Er kann ihn nicht wissen.«

»Wurde er jemals geändert?«, frage ich ihn.

Lito streckt eine Hand aus und stößt mich mit dem Rücken in die hintere Ecke. »Ich weiß es nicht.« Dann steuert er auf die Tür zu.

Mit zitternden Händen hebe ich auch meine Waffe.

»Hier.« Er greift hinüber und entsichert sie. »Erschieß einfach nicht mich, okay?«

»Keine falschen Versprechungen.«

Er wirft mir einen skeptischen Blick zu.

»Humor kann auch mein Abwehrmechanismus sein.« Ich zucke mit den Schultern, die Bewegung ist gering und angespannt.

»Wenn sich die Tür öffnet, drückst du einfach den Abzug. Zögere nicht.« Er atmet tief ein und aus.

»Das werde ich nicht.« Ich bin vielleicht keine erfahrene Kämpferin, aber ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um Lito zu schützen. Er ist wie ein Bruder für mich, und ich will keinen weiteren verlieren. Nicht unter meiner Aufsicht.

Das digitale Schloss piept. Vincenzo probiert, den Code einzugeben.

Ich schlucke stark, und meine Arme zittern immer noch, obwohl ich die Tür im Auge behalte.

Die Zahlen piepen wieder und wieder.

»Er weiß ihn nicht.« Lito senkt seine Waffe. »Er kann nicht reinkommen.«

Das Schloss gibt einen langen Piepton von sich.

»Scheiße!« Lito reißt seine Waffe wieder hoch.

Die Tür öffnet sich.

Wir feuern beide.

Aber die Tür öffnet sich nicht ganz, sondern ein Kanister rollt herein. Er spuckt Rauch, der meine Nase, meine Kehle und meine Augen verbrennt.

Ich drücke immer wieder ab, bis ich keine Kugeln mehr habe, dann sinke ich auf die Knie und ziehe mein Shirt bis zu meiner Nase. Es nützt nichts. Alles brennt und sticht.

Jemand ergreift mich, und für einen Moment denke ich, dass es Lito ist, aber dann werde ich aus dem Panikraum in den angrenzenden Kleiderschrank gezerrt.

»Lucretia!« Lito schreit, als Vincenzo die Tür zuschlägt und dann mit dem Gewehrkolben das digitale Tastenfeld zerschlägt.

Ich huste und keuche, meine Augen und meine Nase laufen, als Vincenzo mich auf die Füße reißt und aus dem Schrank zerrt.

Er nimmt seine Gasmaske ab und wirft sie auf den Boden. »Komm schon.« Er zieht mich zur Tür und in den Flur, während ich versuche, mich gegen ihn zu wehren. Aber er packt mich und schleudert mich gegen die Wand. Meine Ohren klingeln, und hinter meiner Stirn explodiert der Schmerz. »Hör auf mit dem Scheiß, Lucretia, oder ich schieße dir in den Kopf – und das war’s.« Er nimmt meinen Arm in einen brutalen Griff und zieht mich mit sich.

»Lass mich los!«, schreie ich. »Mateo!«

»Mateo ist tot.« Er schüttelt mich kräftig. »Also sei ruhig und komm mit.«

»Nein.« Ich versuche, mich zu befreien. »Du lügst.« Ich hole aus und treffe ihn am Kiefer.

Er schreit auf, und ich renne weg. Aber ich bin immer noch halb blind von dem Gas und er erwischt mein Shirt mit einer Hand und reißt mich nach hinten.

Ich schreie, als er mich wieder gegen die Wand drückt. »Letzte Chance. Hör auf, dich zu wehren, oder ich werde dich töten.«

»Lass mich in Ruhe, verdammt nochmal!« Ich schlage wieder nach ihm, aber er blockt ab.

»Blöde Schlampe. Ich habe dich gewarnt.« Er hebt seine Waffe vor mein Gesicht.

»Lass sie gehen.« Mateos Stimme rauscht über mich hinweg wie ein beruhigender Balsam.

»Mateo!«, rufe ich, als Vincenzo mich zurückreißt und mir seine Waffe an den Kopf hält.

Meine Augen sind immer noch tränenüberströmt, aber ich kann Mateo mit einer Waffe in der Hand weiter hinten im Flur ausmachen. »Du bist am Leben.«

»So leicht wirst du mich nicht los, Prinzessin.«

Der arrogante Ton in seiner Stimme ist eher beruhigend als alles andere. Es geht ihm gut. Er ist zu mir gekommen.

»Lass den Scheiß, Junge. Nimm deine Waffe runter – oder ich schieße ihr in den Kopf. Deine Entscheidung.«

Mateo tritt näher.

Vincenzo drückt mich fester an sich, und sein Arm liegt wie ein Schraubstock um meinen Brustkorb. »Versuch es nicht, Mateo.«

»Ich versuche gar nichts. Ich will nur wissen, warum.«

»Warum?« Vincenzo schnaubt spöttisch. »Warum zum Teufel ist das wichtig?«

»Weil ich eine Antwort verdiene.«

»So wie du das Imperium verdient hast, das ich deinem Vater aufgebaut habe?« Vincenzos Tonfall ist von Spott durchzogen. »Du denkst, dein Nachname gibt dir das Recht, zu nehmen und zu nehmen und zu nehmen. Ich hätte dich an dem Tag töten sollen, an dem sie gestorben sind.«

»Warum hast du es nicht getan?« Mateo rückt ein wenig näher.

Vincenzo lacht auf. »Ich schätze, ich bin ein wenig sentimental geworden, als ich im mittleren Alter war. Aber schließlich bin ich zur Vernunft gekommen, und jetzt sind wir hier. So hat es besser funktioniert. Ich habe einen Anteil an dem alten Geschäft bekommen, und jetzt bekomme ich einen Anteil an dem, was du mit deinen eigenen Händen aufgebaut hast. Ich habe die Milani-Familie zu Tode gemolken, und ich muss sagen, ich bin ziemlich stolz darauf. Wie ich immer sage: Arbeite intelligenter, nicht härter. Nimm deine Waffe runter – oder sie ist tot. Ich mache keine Witze, Junge.«

»Ich lege sie weg.« Mateo blickt mich ohne das kleinste bisschen Angst in seinem blutverschmierten Gesicht an. Dann lässt er sich langsam auf den Boden sinken. Genau dann, als die Waffe den Läufer berührt, ruft er: »Jetzt!«

Jemand schlägt von hinten auf Vincenzo ein. Wir fallen beide nach vorn, und dann ertönen zwei ohrenbetäubende Schüsse.

Ich bin tot. Vincenzo hat mir in den Kopf geschossen, und mein Blut strömt heraus, läuft über mein Gesicht und durchweicht mein Shirt.

»Lucretia!«, ruft Mateo, und dann spüre ich seine Hände auf meinen Schultern. Er zieht mich unter Vincenzo hervor. Als er mich in seinen Armen hält, drehe ich mich um und schaue ihn an.

Ich bin nicht diejenige, die erschossen wurde, sondern Vincenzo. Ich bin mit seinem Blut bedeckt.

»Geht es dir gut?« Mateo streicht mir die blutigen Haare aus dem Gesicht und schaut mir in die Augen.

»Ich glaube schon.«

»Und das ist für das Tränengas!« Lito verpasst Vincenzo einen Tritt in die Seite. »Verdammtes Arschloch!«

Mateo sucht mich immer noch nach Wunden ab, und seine Hände fahren durch mein Haar. »Bist du sicher, dass es dir gut geht?«

»Mir geht es gut.« Ich nehme seine Handgelenke und halte sie vor mich. »Was ist mit dir? Und Red? Und Benny?«

»Alles gut. Wir haben die Angreifer vorn abgewehrt, und Benny hält die hinten in Schach. Sie sind jetzt verängstigt. Sie wissen, dass wir Scharfschützen in den Bäumen haben, die sie abknallen, also sind sie viel langsamer geworden.«

»Es ist fast vorbei?«

»Das ist es.« Er küsst meine Hände. »Und dann …« Er grinst. »Dann bringen wir den Kampf zu ihnen.«

Lito tritt wieder gegen Vincenzos leblosen Körper. »Hast du eine Ahnung, wie sehr ich gerade mein Gesicht wegen des verdammten Gases zusammengezogen habe? Ich werde vorbeugendes Botox brauchen!«

Mateo rollt mit den Augen. Ich werfe meine Arme um seinen Hals, und er hält mich fest.

»Ich liebe dich.« Jetzt habe ich noch mehr Tränen, obwohl sie nicht vom Tränengas stammen. Sie sind von Erleichterung und Glück und Liebe .