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Forster«, sagte Angie bedeutungsvoll und hielt den Bleistift über ihren Notiziblock. Ihre dünnen Beine in der blickdichten schwarzen Strumpfhose waren übereinandergeschlagen und lugten unter einem sehr kurzen grauen Rock hervor. Sie zog ihren Rock ein Stück hinunter.

»Wer?«, fragte Peggy.

»Du weißt schon, E.M. Forster.«

»Der hat so was wie Wiedersehen in Howards End geschrieben.«

»Klingt vielversprechend«, sagte Peggy. »Wer war Howard? Und was war das für ein Ende?«

»Das ist ein Haus, Peggy. Und es ist der Titel des Buches.«

»Ach so, ein Haus. Nein, ich glaube, das nehmen wir nicht, sonst könnten wir doch gleich Homes & Gardens lesen. Aber jetzt erzählen Sie doch mal, wie lange sind Sie schon als Hufschmied tätig?« Sie drehte sich zur Seite, um dem kräftigen und unglaublich attraktiven blonden jungen Mann, der neben ihr in einen zierlichen Sessel gequetscht saß, ein gewinnendes Lächeln zu schenken.

Es war eine ungewöhnliche Versammlung, die sich an diesem Abend in Peggys Wohnzimmer eingefunden hatte: Jennie, Angie, ich, die heilige Hilda, Angus, Pete, der Leidenschaftliche Luke und schließlich Simon Devereux, ein schneidiger, weltläufiger Porzellanexperte von Christie’s, mit tiefliegenden Augen und immer feinsten Maßanzügen. Wir waren verwundert gewesen, als Peggy die Gästeliste verkündet hatte, aber Peggy hatte ungerührt entgegnet:

»Kriegt euch wieder ein. Was ist daran so überraschend?«

»Na ja, Simon Devereux, Himmel noch mal. Ich hab doch nicht gedacht, dass du das ernst meinst, Peggy. Und Luke! Was um alles in der Welt hast du zu ihm gesagt? Du kennst ihn doch nicht einmal, du hast ihn noch nie gesehen!«, ereiferte sich Angie.

»Nein, aber seine Nummer steht im Telefonbuch unter Hufschmied, also hab ich ihn einfach angerufen, erklärt, ich wäre ein Freundin von dir, und ihn gefragt, ob er Lust hat, bei unserem Buchclub mitzumachen. Was dachtest du denn?«

Angie war sprachlos. »Aber das muss er doch ziemlich komisch gefunden haben!«

»Falls ja, hat er jedenfalls nichts gesagt. Und wenn es so wäre, müsste er ja nicht kommen, oder? Aber er kommt. Er meinte, er würde gerne mehr lesen und habe in seinem Beruf nicht so viel Gelegenheit dazu.«

»Jetzt denkt er bestimmt, dass ich scharf auf ihn bin und dich auf ihn angesetzt habe!«, fuhr Angie auf.

Peggy riss die Augen auf. »Er kommt her, um Bücher zu lesen, Angie, nicht zu einer Übernachtungsparty. Jetzt reiß dich mal zusammen.«

»Und was hast du zu Simon Devereux gesagt?«, fragte Jennie mit blassem Gesicht und angespannter Miene. »Hast du den auch angerufen?«

»Nein«, seufzte Peggy geduldig. »Wenn ihr’s genau wissen wollt: Ich hab letzten Samstag bei einer Einladung bei den Holland-Hibberts neben ihm gesessen. Und ob ihr’s glaubt oder nicht: Er war ganz wild drauf zu kommen. Konnte gar nicht schnell genug zusagen. Vergesst nicht, er will unbedingt unser nächster Kandidat für die Parlamentswahlen werden und momentan wohnt er noch nicht einmal in diesem Wahlkreis, sondern kommt immer nur zum Wochenende aus Chelsea hier raus. Er betont ständig, dass er sich mehr am Dorfleben beteiligen will, und hat schon bei der Jagd mitgemacht, aber als Mitglied des örtlichen Buchclubs würde er natürlich jede Menge Pluspunkte machen. Er ist übrigens sehr nett und wir haben uns ausgiebig unterhalten. Er hält eisern daran fest, dass er im Falle seiner Wahl nicht zulassen wird, dass die Post hier im Dorf dichtgemacht wird. Ich weiß nicht, worüber ihr euch alle so aufregt. Das war doch unser Plan. Ein bisschen frisches Blut, oder? Ein Teil davon auch noch heiß « Sie zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch in einer dünnen blauen Linie aus.

Und nun saßen wir alle hier in einem ziemlich therapieähnlichen Sitzkreis in Peggys cremefarbenem Wohnzimmer, in dem jede Menge moderne Kunst zwischen die alten Holzbalken gequetscht war. Draußen plätscherte sanft der Regen, während wir beschämt eine Schale mit Doritos herumreichten. Ich blickte verstohlen zu Simon Devereux auf der anderen Seite hinüber. Weltläufig, gutaussehend und elegant in seinem makellosen Anzug mit der gemusterten Seidenkrawatte, war er direkt aus den Auktionsräumen in South Kensington gekommen und machte ein, wie ich fand, leicht amüsiertes Gesicht, während er die Chips weiterreichte. Wie lange er wohl dabeibleiben würde? Das hier hielt er ganz offensichtlich für provinziell, und sobald er es auf seiner To-do-Liste abgehakt hatte, würden wir ihn nur noch von hinten sehen. Ich fragte mich, warum Peggy ihn eingeladen hatte. Neben ihm saß Angus, sein zerfurchtes, markantes Gesicht ein einziges Lächeln, er freute sich offenbar wie ein Schneekönig, dass er mal rauskam, und war schon bei seinem zweiten Glas Muscadet. Neben ihm saß Angie in ihrem sehr kurzen Rock und neben ihr Luke, der wie gesagt ein wenig verlegen, aber hinreißend war, und neben ihm Pete, der mit seinen frisch gewaschenen blonden Haaren ebenfalls umwerfend gut aussah. Viel besser als in der Kirche, fand ich. Besser, wenn er nicht die Augen zumachte und seiner Orgel ekstatische Grimassen schnitt, was ich immer ein wenig lächerlich fand. Aber natürlich konnte es auch ein Klavier sein, wurde mir plötzlich klar. Wenn man das eine spielen konnte, konnte man doch bestimmt auch das andere? Vor meinen Augen entstand ein flüchtiges Bild von uns in einem hübschen, alten Häuschen, Pete spielte Chopin und blickte über die Schulter zu mir her, während ich mit einer Näharbeit am Kamin saß. Hmm, vielleicht doch keine Näharbeit. Und war ein Organist nicht im Grunde das Gleiche wie ein Radfahrer? Irgendwie ein … Nerd? Nun ja, er beschäftigte sich ja wohl nicht Vollzeit damit. Er hatte bestimmt einen richtigen Job. Als was wohl, überlegte ich. Ich hatte das Gefühl, als hätte Angie es mir bereits erzählt, aber ich konnte mich nicht erinnern. Da gab es noch so viel in Erfahrung zu bringen. Aber diesmal würde ich es vorsichtiger angehen. Ich musste meine Neugierde zügeln und nicht wieder gleich zum Sprung auf meine Beute ansetzen. Oh ja, diesmal würde ich mich anschleichen.

»Hilary Mantel ist auch ziemlich gut«, sagte die heilige Hilda gerade, nachdem Angie mit ihrem Forster-Vorschlag gescheitert war.

Ach ja, Hilda. Eigentlich war es ganz gut, dass sie da war. Das bewahrte uns, schon durch die ungerade Zahl an Leuten, die sich ergab, davor, allzu sehr wie eine Partnervermittlung zu wirken. Aber leider war sie übereifrig. Streng und aufrecht saß sie auf ihrem Stuhl, ihre Literaturvorschläge in Form eines Bücherstapels auf dem Schoß. Wir hatten uns noch immer nicht auf ein Buch geeinigt und sie wurde immer schriller.

»Sie hat mit diesem hier letztes Jahr den Booker Prize gewonnen«, erklärte sie wichtigtuerisch. »Aber das wisst ihr natürlich alle.«

Wir murmelten alle zustimmend, während Hilda das Buch an Peggy weiterreichte, die neben ihr saß. Aber Peggys zustimmendes Gemurmel galt noch immer Luke auf ihrer anderen Seite und sie nahm das Buch abwesend entgegen. »Sie sind bestimmt unheimlich stark«, seufzte sie und klapperte mit ihren Augendeckeln. »Sie haben bestimmt immer viel zu nageln.«

Diese Bemerkung hing ziemlich alleine in der Luft. Luke errötete und blickte zu Boden. Hilda räusperte sich ungeduldig.

»Peggy? Was meinst du?«

»Wozu?« Sie wandte sich um.

»Zu dem Buch natürlich.«

Peggy warf einen Blick auf den Band, den sie offenbar in der Hand hielt. »Oh. Oh nein. Viel zu lang. Da kommen wir doch nie durch. Ich glaube sogar, Luke hier ist der Einzige, der das überhaupt hochheben kann!«

Sie reichte es ihm, wobei sie vorgab, unter dem Gewicht fast zusammenzubrechen, und er lachte und stimmte ihr in seinem nordenglischen Tonfall zu, jawohl, das Ding wäre wirklich furchtbar schwer. Angie sah mich an und verdrehte in gespielter Verzweiflung die Augen.

»Wie wär’s, wenn wir für den Anfang etwas Leichteres nehmen würden«, schlug Jennie vor. »Das hier sieht wirklich ein bisschen zu ambitioniert aus, Hilda, obwohl es bestimmt sehr gut ist«, fügte sie beschwichtigend hinzu.

»Es ist erstklassig«, sagte Hilda wichtigtuerisch. »Du hast es doch gelesen, nicht wahr, Pete?«

»Äh, den Anfang«, sagte Pete verlegen.

»Na ja, du hast es ja schon gelesen, Hilda, das gilt also nicht«, bemerkte Angie spitz.

Hilda machte ein betroffenes Gesicht. »Das ist hier doch kein Wettbewerb«, erklärte sie säuerlich.

»Genau«, erwiderte Angie. »Was bedeutet, dass keiner den anderen etwas voraushaben sollte.«

Sie schauten sich böse an.

»Etwas Leichteres wäre vielleicht mehr unser Ding«, warf Angus beruhigend ein, bevor die Sache noch richtig unangenehm wurde, »da stimme ich Jennie zu.« Er strich sich die silbernen Locken zurück, beugte sich eifrig vor und stützte die Lederellbogen seines Tweed-Jacketts auf die Knie. »Ich dachte, Poppy hier hätte gesagt, dass wir Robert Harris lesen. Das wäre doch super!«

»Hast du, Poppy?«, wandte sich Jennie überrascht an mich.

»Also, ich habe nur «

»Das ist keine schlechte Idee«, meinte Simon, der nahtlos in die diplomatische Rolle des künftigen Parlamentsabgeordneten schlüpfte. »Also ich hab sehr viel für Harris übrig. Wie wäre es, wenn wir alle das neueste von seinen Büchern lesen?«

»Ich hab es schon dabei!«, dröhnte Angus erfreut und holte es wie ein Zauberer unter seinem Stuhl hervor. »Bin extra zu Waterstones gegangen.« Er reichte es herum, und während es von Hand zu Hand ging, waren wir anderen enorm erleichtert. Das gefällige Cover und die Aussicht auf einen richtig guten Thriller vor dem Schlafengehen, anstelle eines deprimierenden, intellektuellen Wälzers, waren höchst befriedigend. Luke meinte ebenfalls, das sähe doch toll aus, voller Action und genau das, worauf er so richtig Lust habe; Pete meinte, dieses hier sei das einzige, das er noch nicht gelesen habe, und versicherte Luke, dass wenn man eines gelesen habe, man alle kennen würde, er habe sie komplett gelesen; und Angie, Jennie und ich stimmten überein, dass wir zwar schon jede Menge Frauenromane und Historienschmöker gelesen hatten, aber uns noch nie an diese Männerthemen gewagt und durchaus Lust dazu hatten. Nur Hilda sah aus, als hätte sie an einer Zitrone gelutscht.

»Populäres Lesefutter«, sagte sie naserümpfend, als das Buch zu ihr weitergereicht wurde. Sie betrachtete es abfällig. »Ich dachte, wir würden uns etwas intellektuell Anregenderes vornehmen.«

»Aber es ist nur so bekannt, weil es gut ist«, sagte Jennie. »Wenn es nicht taugte, würde es doch keiner kaufen.«

»Die Beatles waren auch populär«, fügte Angie hinzu. »Und die waren ja nun wirklich total genial.«

»Ja, aber sie haben auch nur Popmusik gemacht«, beharrte Hilda. »Genau wie das hier nur Lesefutter ist.«

Wir schwiegen alle ein wenig beschämt.

»Muss es denn schwierig sein, um gut zu sein?«, fragte ich und war in Gedanken meilenweit entfernt. Ich hatte mich gerade gefragt, ob Pete wohl eine schreckliche Mutter und eine schreckliche Schwester hatte; damit würde ich nicht noch einmal fertig werden. Die Schwiegerfamilie war so wichtig.

»Nein, es muss schwierig sein, damit es exklusiv ist«, sagte Peggy mit einem schmalen Lächeln. Wieder folgte Schweigen.

»So«, Angus stand auf und rieb sich die Hände. »Dann ist ja alles klar. Prima. Ich fahre morgen in die Stadt, hole noch acht Bücher und stecke sie euch allen in den Briefkasten. Peggy, wie wär’s, wenn wir jetzt diese andere Flasche Wein aufmachen? Hier drin ist es ja fast wie in der Wüste Gobi!«

Alle standen auf. Angie und ich reichten die Räucherlachs-Häppchen herum und der Wein floss in Strömen, der Lärmpegel stieg, während sich die Leute unterhielten, erleichtert, dass der eher förmliche Teil des Abends vorbei war. Ja, es dauerte nicht lange und das Ganze hatte sich in eine regelrechte Cocktailparty verwandelt und selbst Hilda wirkte ein wenig angeheitert, besonders seit Simon sich höflich mit ihr unterhielt, aber schließlich gehörte Hildas Familie zu den Honoratioren des Dorfes. Hildas Vater war Richter und Simon brauchte wirklich tatkräftige Unterstützung, um seine Wahl zu sichern.

»Aber werden Sie denn auch im Dorf wohnen?«, fragte Hilda ihn ernst.

»Meine Familie lebt in Wessington.«

»Ja, ich weiß, aber werden Sie selbst hier auch etwas kaufen?«

»Ach, das würde ich gerne und habe es absolut vor, sobald sich mir die Möglichkeit bietet«, versicherte er ihr.

»Sobald er gewählt ist, wird er es als Ferienhaus nutzen«, erklärte Pete mir leise. »Und wo wohnen Sie, Poppy?«

»Genau gegenüber.« Ich deutete durch das Erkerfenster nach draußen. Der Nieselregen hatte ein wenig nachgelassen und die dunkle Nacht hatte sich vor den Scheiben sanft herabgesenkt. Mir war jetzt ganz warm und glücklich zumute. Der Wein floss durch meine Adern und ich war unter Freunden – alte Freunde und hoffentlich auch neue, dachte ich, während ich in Petes grünlich blaue Augen blickte, die so gut zur Farbe seines Pullovers passten. Aber ich war nicht zu weit von zu Hause weg, nicht in allzu unsicherem Gelände.

»Hübsch«, sagte er, offenbar in Bezug auf mein Haus, aber zugleich sah er mich dabei direkt an. »Denken Sie, dass Sie dort wohnen bleiben?«

»Oh ja«, sagte ich überrascht. »Zumindest glaube ich das. Die Kinder sind da zu Hause und wir lieben es.« Es war mir noch gar nicht in den Sinn gekommen, dass ich umziehen könnte. Mein süßes kleines Haus war immer das einzig Erfreuliche an meiner Ehe gewesen, meine Freundinnen in der Nähe zu haben und Jennie sogar nebenan, war für mich der Ausgleich zu Phil. Aber Phil war ja jetzt nicht mehr da und so wurde mir auf einmal bewusst, dass ich mich gar nicht mehr gegen ihn wappnen musste und dass ich mit dem Geld, das ich bald erben würde, jederzeit verkaufen und etwas Größeres oder sogar Schöneres dafür kaufen konnte. Würde ich das wollen?

»Ich hab mich nur gefragt, ob Sie vielleicht noch einmal ganz von vorne anfangen wollen«, sagte Pete vorsichtig, aber sehr nett. Er hatte es ohne jeden Hintergedanken oder unangebrachte Neugier gesagt, beschloss ich.

»Möglich«, antwortete ich. »Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Aber ein neuer Anfang bedeutet ja nicht unbedingt, dass man umziehen muss.«

»Nein«, gab er zu. »Das stimmt. Es kann alles Mögliche bedeuten.«

»Und es ist ja nicht so, dass ich unbedingt umziehen müsste. So als wäre ich hier an diesem Ort von zu vielen schmerzlichen Erinnerungen umgeben, die ich hinter mir lassen müsste«, dachte ich laut vor mich hin.

Er sah mich eindringlich an. »Das gefällt mir an Ihnen, Poppy.«

»Was?«

»Dass Sie es immer so sagen, wie es ist. Geradeheraus.«

»Ich glaube, das ist neu«, erklärte ich ihm. »Ich glaube, ich habe die letzten sechs oder sieben Jahre nie gesagt, wie es wirklich war. Vor allem nicht mir selbst gegenüber. Habe anderen zuliebe immer mit der Lüge gelebt.«

»Sie meinen, Ihrem Mann zuliebe?«

»Ja, Phil, aber letztlich den Kindern zuliebe. Wer will schon ein Boot ins Schwanken bringen, in dem sich das befindet, was er am meisten liebt?«

»Und … glauben Sie, dass Sie ihn je verlassen hätten? Wenn er nicht … Sie wissen schon «

»Gestorben wäre?«, seufzte ich. »Wer weiß? Ich habe es mir auf jeden Fall in Gedanken ausgemalt. Fifty ways to leave your lover und so weiter. Aber ich hatte noch nie ernsthaft in Erwägung gezogen, es auch wirklich zu tun.« Ich zuckte mit den Schultern. »Das sind zwei sehr verschiedene Dinge.« Ich lächelte. »Und ich war eigentlich schon immer eher ein Feigling. Wie ist es denn bei Ihnen, Pete? Haben Sie Familie?«

»Ich habe nur meine Mutter und eine Schwester.«

Mein Lächeln erstarrte.

»Aber ich lebe nicht mit ihnen zusammen. Ich habe eine Wohnung in der Stadt.«

»Gut, gut«, sagte ich, völlig aus dem Konzept gebracht. »Und sind Sie … Stehen Sie sich sehr nahe? Rufen Sie zweimal pro Woche an? Manchmal öfter? Nehmen Sie die beiden mit, wenn Sie sich Polstermöbel kaufen?«

Er runzelte die Stirn. »Gott, nein. Meine Schwester, Nicky, ist viel zu beschäftigt. Sie arbeitet für die Vogue und meine Mum hat absolut null Ahnung von Polstermöbeln. Sie lebt in einem Hotel in Monaco, die meiste Zeit jedenfalls.«

»Hervorragend«, hauchte ich. Diese Chambers-Frauen hörten sich gut an, fand ich.

»Mein Dad hat meiner Mutter vor seinem Tod nahegelegt, dass sie ein stilvolles Leben führen soll. Er hatte so eine Theorie, dass … Meine Güte, was ist das denn?«

Bedauerlicherweise wurde dieser faszinierende Einblick in Petes exotische Familie – wie passte bloß die Orgel da hinein? – durch ein kurzes Klopfen am Fenster unterbrochen. Wir fuhren herum und sahen Sylvia, Angus’ Frau, die bitterböse Blicke zu uns hereinwarf. Ihre Brille glitzerte bedrohlich und die stahlgraue Dauerwelle saß fest auf ihrem Haupt. Angus erbleichte und versteckte instinktiv das Weinglas hinter seinem Rücken. Sie verschwand und dann ertönte laut und schrill die Türglocke. Wir standen allesamt herum wie ungezogene Kinder, während wir hörten, wie Peggy, die an die Tür gegangen war, beruhigend auf sie einredete.

»Tut mir leid, Sylvia, es hat ein bisschen länger gedauert.«

»Aber ihr lest doch noch nicht einmal! Und ihr sitzt nicht im Kreis, steht nur herum und quatscht, als wärt ihr bei einer Cocktailparty. Ich hab zweimal geklingelt!«

»Ja, klar, das ist eben das erste Treffen«, sagte Peggy, »verstehst du? Wir haben Ideen ausgetauscht und hin und her überlegt. Und wir dachten, dass eine entspannte Atmosphäre förderlich wäre.«

»Hallo, Liebling, wie schön. Wart ihr früher mit dem Bridge fertig?« Das war Angus’ angespannte Stimme, er war an die Tür geeilt, um sie zu begrüßen.

»Nein, wir waren nicht früher fertig. Unser Rubber war wie üblich um Punkt acht beendet. Du bist es, der zu spät ist, Angus. Ich hatte gehofft, du würdest die Ofenkartoffeln für mich aufwärmen!«

Weitere Ermahnungen verloren sich im scharfen Herbstwind. Als Peggy die Haustür geschlossen hatte, konnte man noch immer Sylvias wütende Stimme hören, während sie Angus die Straße hinunter, am Weiher vorbei und in Richtung Zuhause abführte.

Peggy kam zurück, um gleich darauf mit Schwung die Vorhänge zuzuziehen. »Dumm von mir, dass ich das nicht schon vorher getan habe«, bemerkte sie. Dann wandte sie sich zu uns um, die Hände in die Hüften gestemmt. »Also, wer hat Lust auf was Schärferes?«

»Was Schärferes?« Jennie runzelte die Stirn.

»Ja klar. Ihr wisst schon, Calvados, Drambuie, irgend so was. Wie sieht es mit Ihnen aus, Luke?«

»Äh, also ich bin nicht sicher, ob ich schon jemals so etwas getrunken habe«, meinte Luke ein bisschen zittrig. »Aber dieser Muscadet ist lecker«, fügte er hastig hinzu, wobei er das Wort mit t aussprach.

»Aber Sie sind doch auch noch nie zuvor Mitglied in einem Buchclub geworden, nicht wahr?«, raunte Peggy und ließ sich aufs Sofa gleiten. Sie klopfte auf den Platz neben sich. »Kommen Sie. Setzen Sie sich.« Er gehorchte ihr wie in Trance. »So viele erste Male an einem Abend. Ach, entschuldige, Angie, war das dein Platz?« Sie rutschte zur Seite, um ihrer erzürnten Freundin Platz zu machen, die nur rasch ins Bad gehuscht war, um ihren Lippenstift nachzuziehen. Peggy hockte sich stattdessen auf die Sofalehne. Zündete sich eine Zigarette an.

»Luke hat mir gerade erzählt, dass er einen Schmiedeofen hinten in seinem Land Rover hat.«

»Ja klar hat er das, schließlich ist er mobiler Hufschmied«, sagte Angie leicht genervt.

»Unglaublich mobil könnte ich mir vorstellen.« Peggy musterte ihn wohlgefällig von Kopf bis Fuß.

»War Sylvia wütend, Peggy?«, fragte Angie nervös. Angie war mit Sylvia zusammen im Kirchengemeinderat und außerdem im weitgehend gleichen Bekanntenkreis, was Dinnerpartys und dergleichen anbetraf.

»Schon ein wenig, aber sie wird es überleben.« Peggy schnippte Asche in den Kamin. »Das muss ja furchtbar heiß da drin werden«, raunte sie Luke zu. »In Ihrem Land Rover. Sehr gemütlich.«

»Na ja, ich bin eigentlich nicht viel da drin, wenn ich nicht gerade fahre. Und dann ist der Ofen natürlich nicht an.« Luke sah jetzt selbst ziemlich erhitzt und vor allem ziemlich verlegen aus.

»Nein, nein, natürlich nicht. Und was machen Sie sonst so, Luke? Abgesehen von Hufeisen? Mit Ihrem Ofen? Also wirklich, Sie haben enorme Oberschenkel. Direkt ein Wunder, dass Sie die hier in den Sessel quetschen können. Was meinten Sie gerade?«

»Äh, hab ich was gesagt?« Luke wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn.

»Ja, wir sprachen darüber, was Sie sonst noch so machen. Abgesehen von Hufeisen.«

»Ach so … Ja, ich mache hier und da auch mal einen schmiedeeisernen Zaun. Aber nicht regelmäßig. Mehr Einzelaufträge und so.«

»Schmiedeeiserne Zäune, ach wirklich?« Peggy riss die Augen weit auf. »Wissen Sie was, ich dachte mir erst neulich, dass ich diesen weißen Staketenzaun vor meinem Haus langweilig finde und mir an der Stelle gut so einen süßen kleinen handgeschmiedeten Zaun vorstellen könnte.« Ihre rauchgrauen Augen blickten unschuldig in die seinen. »Sie könnten nicht zufällig irgendwann nächste Woche mal vorbeikommen und mir ein Angebot machen? Hast du dich verschluckt, Angie?« Sie drehte sich seitwärts, um ihrer Freundin auf den Rücken zu klopfen. Angie, die scheinbar einen Hustenanfall hatte, warf ihr einen vernichtenden Blick zu und stürmte davon, um sich ein Glas Wasser zu holen. Sobald sie weg war, hörte Peggy übergangslos auf Luke anzuflirten und legte mir eine Hand auf den Arm.

»Ich muss schon sagen«, flüsterte sie und nickte zur anderen Seite des Raumes hinüber. »Jennie scheint sich gut zu amüsieren, nicht wahr?«

Ich drehte mich um und sah Jennie neben der Terrassentür stehen und mit Simon reden. Er hatte eine Hand auf den Balken über ihrem Kopf gelegt und neigte sich zu ihr, während sie sich unterhielten. Jennies Wangen waren gerötet, und als sie den Kopf zurückwarf und über etwas lachte, was er gesagt hatte, wurde mir klar, dass ich sie schon lange nicht mehr so gelöst erlebt hatte und dass sie schon lange nicht mehr so hübsch ausgesehen hatte.