W
enn ich in der Stadt bin, juckt es mich immer. Ich bin das Brummen so vieler Körper nicht gewohnt, den dichten Lärm, den Stau, wie deplatziert ich mich fühle. Ausgeliefert. Verwundbar.
Ich hasse es, verdammt.
Aber ich bin wegen Aria hier. Ich bin mir nicht sicher, wie ich in diese Aufgabe hineingezogen wurde. Die sensiblen Sachen sind eher Dorians Ding, aber ich schätze, es gab Bedenken, dass sie sich aus dem Staub macht. Und, seien wir ehrlich, meine Jagdfähigkeiten übertreffen bei weitem die von Cain und Dorian zusammen.
Bis jetzt zeigt sie keine Anzeichen für eine Flucht. Seit zehn Minuten steht sie auf dem Bürgersteig, starrt auf die Wohnungstür und sagt nichts. Ich weiß, dass Ramos oben auf uns wartet, aber auch wenn ihr Verhalten seltsam ist, will ich sie nicht drängen. Nachdem sie voem Tod des Hexenmeisters erfahren hat und wer Cains wahrer Vater ist, zusammen mit unserer Verbannung aus der Hölle, scheint sie ein wenig aufgewühlt zu sein.
Allerdings habe ich in den letzten Tagen Veränderungen an ihr bemerkt. Morgens, wenn ich neben ihr aufwache, reagiert sie kaum noch auf mich. Ich bin mir nicht sicher, wie ich mich dabei fühle, dass sie mich jetzt so viel leichter akzeptiert.
Ich muss einen Weg finden, um die Träume zu stoppen. Vielleicht höre ich dann auf, mitten in der Nacht in ihr Zimmer zu schlafwandeln.
Ich kann es nicht kontrollieren. Ich verbarrikadiere mich in meinem Zimmer, fessle mich selbst - verdammt, sogar als Aria Möbel vor ihrer Tür hatte - irgendwie führt es mich immer zu ihr. Ich weiß nicht, warum ich es tue oder wie, aber meine Träume handeln immer von der gleichen Person. Serena.
Allein der Gedanke an ihren Namen trifft mich wie eine Flutwelle der Wut. Ein Knurren baut sich in meiner Kehle auf. Ihr Verrat übersteigt alles. Ich habe sie geliebt, erbittert und blindlings, und das war mein Fehler. Aber was sie tat, betraf uns alle. Es ist der Grund, warum wir überhaupt auf diese Ebene verbannt wurden.
Ich werde mir nie verzeihen, dass ich ihr vertraut habe und nicht auf Cain oder Dorians Warnungen gehört habe. Ich war ein Narr. Aber ich werde diesen Fehler nie wieder machen.
„Geht es dir gut?“ Arias süße Stimme holt mich von diesem dunklen Ort zurück, und ich stelle fest, dass sie mich anschaut, wobei sich ihre Stirn in Sorgenfalten legt. „Du schnurrst wie eine Katze.“
Ich schnaube. Schnurren? Ich schnurre nicht.
Das ist eine Beleidigung.
Es ist gut, dass Dorian nicht hier ist, um das zu hören.
Eine bissige Bemerkung liegt mir auf der Zunge, aber ich versuche, nett zu ihr zu sein, also krampft sich stattdessen mein Kiefer zusammen. „Bist du bereit, ins Haus zu gehen?“
Stirnrunzelnd wirft sie einen Blick zur Tür. „Kann ich allein gehen?“
„Die Antwort darauf kennst du doch.“
Sie seufzt schwer, und wieder einmal werde ich daran erinnert, wie klein und zierlich sie neben mir ist.
Sie stößt die Haustür auf, tritt ein und geht auf die Treppe vor ihr zu. Die Farbe blättert von den Wänden ab, und sofort überflutet mich ein Gestank von etwas Verwesendem. Alle Fenster sind versiegelt, die Luft ist abgestanden und faulig, was viel aussagt, wenn man bedenkt, wie widerlich Teile der Hölle riechen.
Ich folge dicht hinter ihr, während sie zwei Treppenstufen auf einmal macht, begierig darauf, Murrays Wohnung zu erreichen. Als wir endlich die oberste Etage erreichen, biegt sie rechts ab und stößt ihre Tür auf, die leicht aufschwingt.
Dorian erklärte, er habe die Küche professionell reinigen lassen, gleich nachdem das Forensik-Team des örtlichen Polizeireviers erklärt hatte, sie bräuchten den Tatort nicht mehr für die Untersuchung. Sie haben anscheinend alle Beweise gesammelt, die sie brauchten, was zu keinen Verhaftungen geführt hat. Also bedeutet das natürlich, dass sie nichts haben.
Scheiß auf den ganzen Untersuchungs-Bullshit. Das hatten wir schon in der Hölle. Schickt Dämonen wie mich aus, um den Schuldigen aufzuspüren und ihn in Stücke zu reißen. Das ist Gerechtigkeit.
Ich lehne meinen Kopf zurück und atme tief ein, in der Hoffnung, irgendeinen Hinweis auf den Geruch eines Eindringlings zu erhaschen, aber bei so viel Fäulnis und hartem Reiniger, der die Luft verbrennt, ist das reine Zeitverschwendung. Ganz zu schweigen von den Dutzenden von Leuten, die mit den polizeilichen Ermittlungen hier durchmarschiert sind. All das zusammen macht das Aufspüren der verantwortlichen Person unmöglich. Im Nachhinein betrachtet, hätte ich in dem Moment hierher kommen sollen, als Murrays Leiche gefunden wurde, aber Voraussicht ist nicht meine Fähigkeit. Es ist die Jagd.
Aria starrt auf eine Stelle bei der Küche, wo ich ein faustgroßes Loch im Putz bemerke. Ich frage mich, woher das kommt, aber Aria verschwindet schnell durch einen Korridor und in ein Zimmer, gerade als Ramos aus einem anderen auf der anderen Seite des Flurs auftaucht. Dann wendet er seine Aufmerksamkeit in meine Richtung und schlendert herüber.
„Hast du etwas Neues gefunden?“, frage ich und senke meine Stimme.
„Nichts. Wer immer vorher hier war, war gründlich.“
Ich starre hinaus ins Wohnzimmer, zu den Glasschiebetüren, die auf einen Balkon mit Blick auf die belebte Straße führen. Ich versuche mir vorzustellen, wie Aria hier lebt, fernsieht und das tut, was normale Menschen tun. Außer, dass sie nicht ganz menschlich ist, nicht mit der Schattenfähigkeit, die sie hat.
Ramos starrt mich an. Richtig, er wartet auf etwas, was er tun kann.
“Lass uns noch eine Durchsuchung machen“, sage ich. „Auch das kleinste Ding kann ein Hinweis sein, also bring alles, was du findest, zurück ins Herrenhaus.“
Ramos nickt. „Natürlich.“ Er dreht sich um und geht ins Wohnzimmer, wo er die Schubladen an einem langen Tisch an der Wand aufzieht.
Nicht sicher, wie ich hier nützlich sein kann, gehe ich auf den Raum zu, in dem Aria verschwunden ist, und trete in den offenen Türrahmen.
Sie kniet neben ihrem Bett und hat die Nachttischschublade geöffnet. Neben ihr steht ein schwarzer Seesack, halb gefüllt mit ihren Habseligkeiten.
Als sie mich wahrnimmt, schaut sie über ihre Schulter und wischt sich die Tränen aus den Augen. „Ich schätze, die Bank wird die Wohnung jetzt zwangsversteigern, also möchte ich so viele meiner Sachen wie möglich zurückholen“
„Womit kann ich helfen?“
Sie schüttelt den Kopf und wendet sich wieder dem zu, was sie in der Hand hält, ihr Kopf neigt sich nach vorne. Sie schnieft, und ich ziehe mich zurück, um ihr Raum und Zeit zum Trauern zu geben. Dies wird ihre einzige Chance sein, so etwas wie einen Abschied von Murray zu bekommen, da Hexenmeister geheime Beerdigungen für einander durchführen. Und Familien sind verboten.
ARIA
S
o sehr mich Murray auch angepisst hat, jetzt, wo ich wieder zu Hause bin, vermisse ich die dümmsten Dinge an ihm. Seine Variante von billigen Makkaroni mit Käse und Maiskörnern aus der Packung. Ich habe immer die Nase gerümpft, aber es war in Ordnung. Und das eine Mal, als er mich an meinem Geburtstag in den Zoo mitnahm. Sicher, er hatte ein geheimes Treffen mit jemandem in der Nähe der Löwenausstellung, aber ich hatte viel Spaß mit Joseline.
Dumme Dinge, die man an jemandem vermisst, aber vielleicht war ich doch nicht so bereit, von zu Hause wegzugehen, wie ich gedacht hatte.
Ich starre auf das Foto von uns dreien im Zoo, auf die Affen im Hintergrund. Joseline posierte und machte ein Peace-Zeichen, während Murray mit den Augen rollte. Er verabscheute Fotos, und es ist das Einzige, was mir von ihm geblieben ist.
Mit zittrigem Atem stecke ich das Foto in meine Tasche, stehe auf und stelle fest, dass alles, was ich besitze, in einen Seesack passt. Irgendwie traurig, wenn man darüber nachdenkt.
Ich schleppe mich hinaus in den Flur, und aus dem Wohnzimmer erreichen mich die Stimmen von Elias und Ramos. Die einzigen Worte, die ich aufschnappe, sind „Aria“ und „Geburtsurkunde“.
Ich bin wie erstarrt und versuche zu entschlüsseln, warum in aller Welt sie die wollen würden? Meine Gedanken kreisen um die Dämonen, die mich ständig nach meinem Schatten fragen, was bedeuten könnte, dass sie etwas über meine Vergangenheit herausfinden wollen. Na dann, viel Glück dabei. Ich hatte noch nie Glück, Informationen von Murray oder dem Pflegesystem zu bekommen. Und ich habe diese Wohnung auf den Kopf gestellt. Zumindest dann, wenn ich in Murrays Zimmer konnte, er schloss es nämlich meistens ab.
Ich hebe meinen Blick auf die Tür gegenüber von meiner, die einen Spalt offen steht. Ein kurzer Blick, um sicherzugehen, dass Elias oder Ramos mich nicht sehen, und ich husche in Murrays Schlafzimmer. Die Kissen und die Matratze sind quer durch den Raum geworfen, Kleidung aus dem Schrank ist überall verstreut, ebenso wie die Bücher aus seinem Bücherregal. Mein Herz krampft sich zusammen, denn ich weiß, dass er es hassen würde, seine Sachen so durcheinander zu sehen.
Ich greife nach unten und sammle ein Buch über Magie aus der Natur ein, dann noch eines und zwei weitere, dann stelle ich sie in das leere Bücherregal. Ich sammle einen weiteren Arm voll und staple sie nebeneinander, mit dem Gefühl, dass es das Mindeste ist, was ich tun kann, um einen Anschein von Normalität zu schaffen. Was lächerlich ist, ich weiß, aber so fühle ich mich besser.
Ich drehe mich um, als die Holzdiele unter meinen Füßen knarrt. Ich werfe einen Blick nach unten und schaue mir den überdurchschnittlich breiten Spalt zwischen den Holzdielen genauer an. Auf den Knien übermannt mich die Neugier, und ich stochere in dem schmalen Spalt herum, wohl wissend, dass Murray gerne Dinge versteckt. Einmal habe ich eine Kreditkarte in meiner Müslischachtel gefunden. Als ich ihn danach fragte, scherzte er nur, dass es das beiliegende Geschenk sei, aber er entriss sie mir schnell.
Ich fahre mit den Fingern den Riss entlang, die Holzdiele hebt sich leicht an, und ich ziehe schnell ein armlanges Stück vom Boden weg.
Da ist ein flaches Loch drin. Es sieht leer aus und es ist nicht staubig, was mir sagt, dass jemand vor nicht allzu langer Zeit hier drin war. Vielleicht hat Murray vermutet, dass ihn jemand tot sehen wollte, also hat er sich beeilt, das zu holen, was er hier versteckt hat? Der Mörder kann es nicht gewesen sein, denn warum sollte er bei dem Zustand des Raumes etwas in einem Geheimfach verstecken?
Ich beuge mich vor, um besser in die Ecken schauen zu können, als etwas Weißes meine Aufmerksamkeit erregt. Schnell stecke ich meine Hand hinein und greife nach einem Umschlag. Darin sind alle möglichen Papiere, ich klappe sie auf und scanne sie, um herauszufinden, was sie sind.
Bankzertifikate für verschiedene Wohnungsadressen im ganzen Land, von Detroit bis Chicago und sogar eine in New Orleans. Sind das Orte, die ihm gehören? Dieser Bastard war so geizig und hat mir nie einen Dollar gegeben, und doch gehörte ihm ... Ich gehe schnell durch die Papiere, um sie zu zählen, als eines meine Aufmerksamkeit erregt.
In der Kopfzeile stand nicht RBD Bank, sondern Saint Charity General Hospital in Centreville, Illinois.
Es ist ein Zahlungsbeleg über die Summe von 18.590 $.
Dann verschlägt es mir den Atem, als ich meinen Namen in der Zeile mit dem gezahlten Betrag sehe.
Aria Cross.
Ich kann mich nicht bewegen oder mir einen Reim darauf machen, was das bedeutet, aber die Zahlung war für mich. Ich scanne den Schein und nehme das Ausstellungsdatum ins Visier.
Vor genau achtzehn Jahren und zwei Wochen. Und neben meinem Namen steht die Uhrzeit: 23:30 Uhr.
Das ist die Zeit meiner Geburt, was ironischerweise das Einzige ist, was Murray mir gesagt hatte. Ich lehne mich zurück, mein Magen schmerzt, denn was ich sehe, ist das Krankenhaus, in dem ich geboren wurde. Ein Hinweis auf meine Vergangenheit.
Wofür genau war die Quittung? Krankenhauskosten, weil meine Mutter mich geboren hatte? Oder war ich krank gewesen? Vielleicht ist meine Mutter nach meiner Geburt gestorben. Aber warum sollte Murray diese Quittung aufbewahren? Welche Bedeutung hat sie?
Mein Magen dreht sich um und Galle kommt mir in den Rachen hoch. Dumpfe Schritte nähern sich dem Raum. Verzweifelt schiebe ich die Holzplatte über das Loch im Boden und stopfe die Papiere in den Umschlag, bevor ich ihn vorne in meine Hose schiebe. Ich bedecke meinen Bauch mit meinem Oberteil, gerade als Elias den Raum betritt.
„Was machst du in diesem Zimmer?“ Seine Stimme wird tiefer.
Ich zucke mit den Schultern und stehe auf. „Ich verabschiede mich.“ Mit gesenktem Kopf gehe ich an ihm vorbei in mein Zimmer, schnappe mir meinen Seesack und gehe zu Ramos ins Wohnzimmer. „Sind wir fertig?“, rufe ich, weil es mich juckt, hier rauszukommen, sofort.
Elias ist mir auf den Fersen, und sein Blick mustert mich, als wolle er in meine Gedanken eindringen. Aber mein Kopf ist nicht in der Lage, das mit jemandem zu teilen, bevor ich nicht genau weiß, wer ich bin. Und wie um alles in der Welt Murray bei mir gelandet ist.
„Du kannst mit mir reden“, versichert mir Elias, der wie ein Berg über mir steht. Der Typ versteht offensichtlich nichts von Sensibilität.
Ich gebe zu, dass der Drang, nachzugeben und mich mit all meinen Problemen an ihn zu wenden, in meinem Kopf herumschwirrt. Aber ich erinnere mich, dass er mit Ramos über meine Geburtsurkunde gesprochen hat, also erzählt er mir auch nicht alles, oder? Und ich werde auch nicht die Erste sein, die etwas verrät, denn ich habe die Agenda der Dämonen noch nicht durchschaut.
Ich entferne mich von dem Duo, das sich nicht zu bewegen scheint, und gehe geradewegs aus der Wohnung und die Treppe hinunter, weil ich frische Luft brauche. Plötzlich fühle ich mich klaustrophobisch und kann nicht atmen, da mich die Realität erdrückt.
Schritte rauschen hinter mir, aber ich bleibe erst stehen, als ich mich an der Wohnungstür vorbeischiebe und auf halber Höhe der Eingangstreppe innehalte. Autos rauschen vorbei, Menschen schlendern den Bürgersteig entlang, ein paar junge Mädchen auf der anderen Straßenseite kichern über etwas. Ich vermisse diese kleinen Dinge, die mich daran erinnern, dass ich hier aufgewachsen bin, dass ich ein Teil der Menschheit bin.
Außer, dass Murray die ganze Zeit ein Geheimnis vor mir hatte. Er wusste, wo ich geboren wurde und vielleicht sogar, wer meine Eltern waren, und jetzt ist er tot und ich kann ihn nichts fragen.
Die Tür hinter mir knarrt auf, gerade als jemand von der Straße her meinen Namen ruft.
„Aria!“ Die vertraute weibliche Stimme ertönt wieder, und ich drehe mich in die Richtung, und sehe Joseline, die mit großen Augen schockiert auf mich zustürmt. Sie hat ihren Rucksack über die Schulter geworfen und trägt eine schwarze Hose und eine weiße Bluse aus dem Kaufhaus, in dem sie arbeitet. Ihr mausblondes Haar ist zu einem engen Pferdeschwanz zurückgebunden, und sie trägt ihren Lieblingslippenstift in Feuerrot.
Mein Herz schlägt mir bis zum Hals, als ich sie sehe, die Augen prickeln vor Tränen, und ich eile zu ihr hinunter, wir beide stoßen zusammen. Sie umarmt mich fest und lässt mich nicht mehr los. Ein Gefühl der Ruhe überkommt mich, und ich halte mich an ihr fest, als könne sie mich irgendwie aus dem Loch ziehen, in das ich gefallen bin.
„Bitte sag mir, dass du zurück bist“, murmelt sie schnell in mein Ohr. „Diese Dämonen... Haben sie dich gehen lassen?“
„Ich habe dich so sehr vermisst“, antworte ich und weiche zurück, meine Hände gleiten in ihre. Ein verzweifeltes Verlangen kräuselt sich in meiner Brust, sie anzuflehen, mir bei der Flucht zu helfen. Aber ich kann nichts sagen, weil ich Elias in meinem Rücken spüre, und ich will meine beste Freundin nicht in meine Albtraumwelt hineinziehen.
„Ich habe gehört, was mit Murray passiert ist. Ein Teil von mir denkt, dass der Drecksack es verdient hat, weil er dich verkauft hat, weißt du? Aber die andere Hälfte...“
Ich nicke, weil ich ihren inneren Kampf verstehe. Ich habe ihn selbst erlebt. Ich starre meine Freundin an, präge mir die süßen Sommersprossen auf ihrer Nase ein, die perfekt geformten Augenbrauen, den leichten Knick in ihrer Unterlippe, wenn sie spricht. Ich möchte mir das alles einprägen, damit ich sie immer bei mir habe.
Sie blickt auf und über meine Schulter, als ein Schatten über uns fällt. Ihre Miene verfinstert sich, und ich spüre, wie ihr Körper zusammenzuckt. Sie ist sich sehr wohl bewusst, dass sie einen Dämon vor sich hat.
„Wir sollten gehen“, sagt Elias, seine Stimme ist kräftig, ohne einen Hauch von Verständnis. In diesem Moment wünschte ich, es wäre Dorian gewesen, der mich hierher gebracht hätte, denn dann wäre er weniger der „Terminator-Bodyguard“ und mehr der „Flirt-Freund“.
Joselines Augen flehen mich an, und ihr Griff wird fester. „Komm mit zu mir, nur kurz, um zu quatschen.“
„Das ist keine gute Idee“, antwortet Elias für mich, und ich versteife mich. Die Leute laufen auf dem Bürgersteig an uns vorbei, die meisten verweilen mit ihren Blicken auf den großen Kerl hinter mir. Er sieht aus wie ein Elefant im Porzellanladen, und als ich einen Blick über die Schulter zu ihm werfe, bemerke ich das Unbehagen in seinem Gesicht. Er hasst es hier, das ist offensichtlich.
„Wir fahren jetzt“, fordert er, als Ramos die Tür der Limousine öffnen will, die ein paar Meter weiter geparkt ist.
„Aria“, beginnt Joseline und zwingt mich dazu, sie anzuschauen. “Ich mache mir Sorgen um dich. Halten sie dich gefangen?“
„Nicht ganz, aber irgendwie schon.“
Elias legt seine schwere Hand auf meine Schulter, und ich schüttle sie ab. „Gib mir eine verdammte Sekunde“, schnauze ich.
Er knurrt leise, woraufhin Joseline zurückweicht.
„Mir geht es gut, ich verspreche es. Und ich werde versuchen, dich öfter anzurufen, okay?“ Mein Versuch, sie zu beruhigen, scheitert; ihre Angst ist spürbar.
Elias nimmt meinen Arm und zieht mich zum Auto. Ich stolpere zurück, meine Hand rutscht aus Joselines. Sie bewegt sich nicht und sagt kein Wort, sondern scheint wie erstarrt auf der Stelle zu stehen. Schuldgefühle nagen an mir, dass ich ihr jemals von den Dämonen erzählt habe. Sie ist eine Hexe mit geringen Fähigkeiten, doch der Anblick eines Dämons macht sie sprachlos.
Ich kann ihr nichts vorwerfen, und ich fühle mich schrecklich, weil ich sie so zurücklasse. Elias stupst mich in Richtung der offenen Tür, aber ich bin wütend, dass er das tut.
Ich schiebe seine Hand weg und knurre: „Ich kann auch alleine einsteigen.“
Ein letzter Blick zu meiner Freundin, bevor ich in die Limousine steige, und tief in mir weiß ich, dass es das letzte Mal sein könnte, dass ich sie sehe. Ich möchte schreien und protestieren, aber was würde mir das bringen? In die Limousine gezerrt und geworfen zu werden, und das Letzte, was ich will, ist, dass sie sich noch mehr Sorgen um mich macht.
Elias schließt die Tür, und ich rolle mich in mich zusammen und starre meiner Freundin nach, während wir wegfahren und das Leben, das ich einmal hatte, zurücklassen.