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Besitz
Tim Fletcher glitt alles aus den Händen. Natürlich sah man es ihm nicht an. Er war der Kapitän des Footballteams. Die anderen Spieler hängten sich an ihn dran wie dumme Herdentiere und taten, was immer er verlangte. Und erst die Mädchen, oh Mann. Er konnte jede haben, und deshalb entschied er sich für Mary Clark, weil sie eben Mary Clark war. Einfach perfekt, das weibliche Gegenstück zu Tim. Tims Vater besaß eine Bank, also waren sie reich. Sie waren Mitglieder des besten Golfclubs. Alles war genau, wie es sein sollte. So war es schon immer gewesen. Er war ein wandelndes Klischee und stolz darauf.
Und doch …
Er konnte es spüren. Er war nicht so klug wie die Nerds, die immer die Nasen in die Bücher steckten, aber er war auch nicht dumm. Er hatte ein elitäres Verständnis für Machtverhältnisse geerbt.
Und er spürte, wie sich die Macht verlagerte. Zu Zeiten seines Vaters machte man den Abschluss, spielte auf dem College mit dem Ball, erbte Dads Bank und heiratete ein Mädchen, das wie Mom aussah. Die Nerds halfen einem dann als Ärzte, Anwälte und Buchhalter. Sie kamen gut zurecht, aber nicht zu gut. Man redete mit ihnen, während sie die Bücher führten oder die Lunge abhörten, und dann fuhren sie heim in die Vororte, während man selbst in Oak Haven den Golfschläger schwang.
Leider hatte sein Dad Rückschläge hinnehmen müssen. Generationen voll Alkoholismus und Geliebter hatten das Familienvermögen angegriffen, und jetzt lebten sie von den Resten. Die Eltern wahrten den äußeren Schein, aber er hörte sie oft im Nebenzimmer streiten. In der Schule war er immer noch der große Zampano. Trotzdem sah er, wie sich die Welt rings um ihn veränderte. Daheim in Austin. Im Silicon Valley. Die Kinder, die er auf der Turner High dominierte, setzten der Bank seines Dads mit Apps zu, die in Collegezimmern entstanden waren. Was früher funktioniert hatte, galt nicht mehr. Alles war durcheinander. Was zum Teufel sollte nun aus ihm werden?
Er sah Mary zu, die ihre Hausaufgaben machte. Sie wusste nicht, dass er ihr Handy kontrollierte, wenn sie nicht da war. Warum zur Hölle hatte sie nach diesem Loser Charlie Lake gegoogelt? Sie waren schon Jahre nicht mehr in der Studentenvertretung, nachdem er dort hinausgeflogen war. Schon damals hatte Tim ihre Freundschaft mit Argusaugen beobachtet.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte Mary manchmal und legte ihm die sorgfältig manikürten Hände auf die breiten Schultern. »Ich bin mit dir zusammen.«
Aber was tat sie dann jetzt?
Was Tim wollte, nein, was er brauchte , war Kontrolle.
Er schob die silberne Schachtel auf dem Tisch zu Mary hinüber.
»Was ist das?«
»Mach es auf.«
Sie lachte nervös und löste die rote Schleife.
Darin lag ein Armreif aus Rotgold. Er hatte ein kleines Vermögen gekostet.
»Leg ihn an.«
»Tim, das ist verrückt. Es ist nicht einmal unser …«
»Leg ihn an.« Seine Stimme klang nicht mehr ganz so warm.
Mary versuchte, den Armreif um das Handgelenk zu legen, doch ihre Finger zitterten leicht .
»Lass mich das machen.« Sein Daumen bohrte sich in die weiche Mulde neben den zarten Knochen ihres Handgelenks.
Sie zuckte zusammen.
»Entschuldige.« Tim zeigte ihr die Hände. »Große Pranken.« Als es schellte, lächelte er strahlend und stand auf. »Das steht dir ganz wundervoll.«
Er ging zur Tür, vorbei an dem HIV -Poster, auf dem stand, dass Sex mit einer Person bedeutete, Sex mit allen zu haben. »Du bist immer die meine.« Er schenkte ihr sein allerschönstes Grinsen.