Der Morgen, als man mich entließ, war grau, klamm und kühl. Mit der nagelneuen Metallplatte im linken Oberarm war ich fertig zur Abfahrt. Über den nassen Hof wurde ich zum wartenden Krankenwagen getragen. Ich wunderte mich über die ungewohnte Kälte. Man hatte mir ein Hospitalshemd angezogen. Mit dem Tropf an meinem rechten Arm, der mich schon so lange begleitete, wurde ich in den Wagen gehoben. Aus der Horizontalen warf ich einen Blick auf das Gebäude, in dem ich die vergangenen Monate verbracht hatte. Während der Fahrt sah ich durch die oberen Fensterschlitze des Krankenwagens das Auf und Ab der Telegrafendrähte. Die Bäume wischten vorbei.
Der ruhige, freundliche Dr. Maly begleitete den Transport. Er wie auch der Fahrer des Krankenwagens benötigten besondere Papiere für diese Fahrt. Als Bürger der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik mussten ihnen Erlaubnisscheine ausgestellt werden, um das Niemandsland zur Bundesrepublik betreten zu dürfen. Ich war ihr Passagier: eine Deutsche ohne Dokumente.
Unsere Fahrt ging über Plzeň zur tschechischen Grenze in Cheb. Im Niemandsland zwischen den beiden Staaten spielte sich eine groteske Szene ab. Der Krankenwagen stoppte, die hintere Tür wurde geöffnet, Dr. Maly und der Fahrer stiegen aus, um mich herauszuziehen. Die beiden trugen mich auf der Trage mit meinem baumelnden Tropf über einen weiten Platz. Auf halbem Weg blieben sie stehen und setzten die Trage vorsichtig auf dem nassen Asphalt ab. Sie zogen sich zurück und winkten Ade. Da lag ich auf dem Boden unter offenem Himmel, und um mich herum standen sieben tschechische Grenzsoldaten. Jeder von ihnen mit verschränkten Armen, so standen sie da, und blickten auf mich herab. Ich sah empor an ihren schwarzen Stiefeln, ihren grauen Uniformen und in ihre dunklen Gesichter unter dem hellen Himmel. Keiner sagte ein Wort. Nach einer Weile bemerkte ich zwei Männer in weißen Krankenhauskitteln, die sich von der anderen Seite näherten. Das waren westdeutsche Sanitäter. Sie beugten sich zu mir herunter, hoben mich und meinen Tropf von der tschechischen Trage, um mich sorgfältig auf die mitgebrachte bundesdeutsche Trage zu legen. Dann trugen sie mich über die andere Hälfte des weiten Platzes zu ihrem Rotkreuz-Wagen. Die sieben tschechischen Soldaten ließen uns dabei nicht aus den Augen. Als wir in Richtung Bayern abfuhren, durften Dr. Maly und der Fahrer zurückkommen und ihre Trage wieder mitnehmen.