Kapitel 20

Klong! Sam schlug mit dem Hammer auf den Einhornhelm ein, an dem er gerade arbeitete, als wäre der an allem schuld, was ihm widerfahren war. Statt auf dem Hof seiner Schwester war er wieder in der Waffenschmiede der Einhörner. Warum hatte er auch diesem blöden Einhorn helfen müssen? Er hätte bei Lara bleiben sollen.

Und dann war er plötzlich nicht mehr nur in der Schmiede, sondern gleichzeitig auch draußen auf einem Feld, wo sich ein Einhorn mit kastanienbraunem Fell vor ihm aufbäumte.

Tritt ihm in die Brust, dachte Sam. Hufe, die irgendwie seine waren und irgendwie auch nicht, sausten vor ihm durch die Luft und prallten krachend gegen den Brustpanzer des kastanienbraunen Einhorns.

Verschwinde aus meinem Kopf, knurrte Tordred.

Verschwinde du aus meinem, entgegnete Sam. Zähneknirschend hämmerte er weiter auf das Metall ein. Wenn er sich mit aller Kraft darauf konzentrierte, wo er war und was er gerade tat, konnte er die Bilder aus seinem Kopf verbannen, aber irgendetwas zog und zerrte die ganze Zeit an ihm, als hätte er einen Angelhaken im Bauch. Sobald er seine Gedanken schweifen ließ, fand er sich in Tordreds Kopf wieder, ob er wollte oder nicht.

Und er wollte es definitiv nicht. Für ihn zählte nur eins: am Leben zu bleiben und sich aus allem Ärger rauszuhalten, bis sich die nächste Chance zur Flucht ergab.

Sam zwang sich, jeden einzelnen Hammerschlag bewusst wahrzunehmen, zu spüren, wie der Aufprall durch seinen ganzen Arm ging. Die körperliche Arbeit tat gut, es war fast, als würde sie das Einhorn aus seinem Kopf brennen. Er war so darauf konzentriert, dass er gar nicht merkte, dass er beobachtet wurde. Erst als ein Schatten auf ihn fiel, sah er hoch.

Der Schatten gehörte Geerwald, doch er war nicht allein. Sämtliche Schmiede hatten ihre Arbeit unterbrochen und sich um Sam versammelt.

Sam zog den Kopf ein. Beim letzten Mal war er seiner Strafe für den misslungenen Helm nur wegen des Angriffs des Feuerhufclans entgangen. Was, wenn die Einhörner ihn jetzt in die Minen schickten?

Doch dann sah er sich zum ersten Mal den Helm an, an dem er die ganze Zeit gearbeitet hatte. Vor Schreck ließ er beinahe den Hammer fallen. Die Proportionen waren perfekt: Die Aussparung für das Horn befand sich genau da, wo sie sein sollte, und die Rundungen, in die er seine ganze Wut gesteckt hatte, wirkten elegant und stark zugleich.

Geerwald griff nach dem Helm und drehte ihn hin und her. Er verzog argwöhnisch das Gesicht. »Wie hast du es geschafft, dass er so leicht ist?«

Sam zuckte bloß mit den Schultern, auch wenn er insgeheim glaubte, dass er die Antwort kannte. Es musste irgendwie an dieser seltsamen, ungewollten Verbindung mit Tordred liegen.

Die Frau mit dem krausen schwarzen Haar nahm Geerwald den Helm ab und untersuchte ihn. »Warum hast du dein Talent vor uns verborgen?«, fragte sie.

»Habe ich nicht«, antwortete Sam. »Ehrenwort. Ich … lerne einfach schnell, schätze ich.« Die anderen Waffenschmiede wirkten nicht sonderlich überzeugt, also setzte er ein liebenswertes Lächeln auf. Das hatte ihn zu Hause immer vor Ärger bewahrt, wenn er mal wieder vergessen hatte, seine Aufgaben zu erledigen.

Mit einem Schlag fühlte er sich wieder mehr wie er selbst. Offensichtlich konnte er das hier ja doch – er würde die Einhörner mit seinem Talent als Waffenschmied beeindrucken und damit wären die Minen wahrscheinlich kein Thema mehr. »Dazu gehört noch ein Kettenhemd«, murmelte er zerstreut. Er ging in den hinteren Teil der Schmiede, wo Geerwald an den aufwendigeren Stücken arbeitete. Mit der Hand strich er über die Werkzeuge: lange, schmale Zangen, Hämmer mit zierlichen Köpfen, Spulen mit dickem Draht. Er fand einen Kupferdraht in der passenden Stärke, wählte eine geeignete Zange aus und machte sich am nächstbesten Werktisch an die Arbeit.

Im Grunde war es kaum anders, als Ketten für die filigranen Anhänger seiner Mutter herzustellen, nur dass er viel schneller und leichter vorankam als damals in der Juwelierwerkstatt. Die Glieder des Kettenhemds nahmen Stück für Stück Gestalt an, als wüssten seine Finger von selbst, was sie zu tun hatten. Die Arbeit ging ihm so leicht, so mühelos von der Hand, dass sie fast etwas Beruhigendes hatte. Sam versank in den gleichförmigen Bewegungen, bis er die wartenden Waffenschmiede vollkommen vergaß – und mit ihnen auch alles andere um ihn herum. Alles, was noch zählte, war das wunderschöne Kettenhemd, das vor seinen Augen entstand.

Binnen kürzester Zeit reichte es schon bis auf den Boden. Die einzelnen Glieder funkelten im Licht des Schmiedefeuers. Es war eher ein Cape, breit genug, um den Rücken eines ausgewachsenen Einhorns zu bedecken, und so stark, dass Horn oder Huf eines Angreifers ihm nichts anhaben konnten.

Gute Arbeit, grummelte eine Stimme in seinem Kopf.

Sam zuckte zusammen und beinahe wäre ihm die Zange aus der Hand gefallen. Er war so in seine Aufgabe vertieft gewesen, dass er ganz vergessen hatte, das Einhorn aus seinem Kopf zu verdrängen. Eigentlich hätte ihm Tordreds Meinung egal sein sollen, doch dessen widerwilliges Lob verlieh ihm trotzdem neues Selbstvertrauen.

Anscheinend hatte Geerwald die anderen irgendwann auf ihre Posten zurückbeordert – Sam hatte es nicht mitbekommen –, aber als Sam mit dem Kettenhemd fertig war, versammelten sie sich erneut um ihn und ließen es von Hand zu Hand gehen.

»Ein so filigranes Kettenhemd habe ich noch nie gesehen«, staunte ein älterer Schmied. »Du hast eine echte Gabe, junger Mann.«

Geerwald war der Einzige, der nicht lächelte. »Da steckt garantiert Magie dahinter«, knurrte er und funkelte Sam böse an. »Er kommt aus der Freien Stadt. Die arbeiten da mit allen möglichen miesen Tricks.«

Die anderen lachten. »Unsinn«, meinte der ältere Schmied und winkte ab.

»Geerwald ist ein abergläubischer alter Nörgler«, sagte die schwarzhaarige Frau zu Sam. »Hör nicht auf ihn.«

»Ich verfüge über keine Magie«, versicherte Sam.

Doch als er sah, wie die anderen das Kettenhemd herumgehen ließen, fragte er sich, ob das wirklich stimmte. Vielleicht ist diese Sache mit Tordred ja eine Art Magie. Denn seine neuen, überragenden Juwelierfähigkeiten machten aus ihm nicht nur einen besseren Waffenschmied, er war darüber hinaus auch stärker. Schließlich hätte er nach dem langen Marsch zurück zum Einhornlager eigentlich müde und erschöpft sein müssen. Irgendwas an der Begegnung mit Tordred hatte ihn verändert.

Die anderen waren so entzückt über das Kettenhemd, dass einer der Einhornsoldaten, die sie bewachten, in die Schmiede kam, um nachzusehen, was der Grund für den Trubel war. »Das bekommt Maven«, verkündete er, als er das Kettenhemd sah. Er nickte Sam zu. »Bring es ihr.«

Sam schluckte. Er war nicht gerade scharf darauf, Maven so bald wieder unter die Augen zu treten – nicht mal, um ihr das außergewöhnliche Kettenhemd zu überreichen. Was, wenn sie merkte, dass er gar nicht ausgepeitscht worden war? Außerdem, ging ihm auf, hatte er eigentlich gehofft, dass Tordred es tragen würde. Nicht dass er es verdient hätte, fügte er in Gedanken eilig hinzu. Aber er wagte nicht, sich dem Befehl zu widersetzen. Die anderen Schmiede warfen ihm sogar neidische Blicke zu.

»Vielleicht war es ja doch Magie«, raunte der alte Schmied, der gerade noch so begeistert gewesen war, der Frau zu. Sie nickte, die Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst. Offensichtlich gefiel es ihnen nicht, dass sein Ansehen so schnell gestiegen war.

Sam nahm das Kettenhemd – eigentlich hätte es ihm zu schwer sein müssen, aber er spürte das Gewicht der filigranen Rüstung kaum – und eilte aus der Schmiede. Das Lager wirkte seltsam verlassen.

Ich könnte einfach abhauen, schoss ihm durch den Kopf. Aber was würde das bringen? Ohne Lara würde er sich draußen im Wald kaum zurechtfinden und darüber hinaus würden ihn die Einhörner vermutlich in weniger als einer Stunde wieder einfangen.

Außerdem: Wenn er ständig spüren konnte, wo Tordred sich aufhielt – gerade drängte ihn das komische Ziehen in seinem Bauch, nach rechts zu gehen, hinter die Bäume am Rand des Lagers –, dann konnte Tordred ihn ganz sicher genauso leicht aufspüren. Und nur, weil er Sam davor bewahrt hatte, ausgepeitscht zu werden, war er noch lange nicht sein Freund.

Fragt sich nur, wo Maven jetzt ist, dachte er.

Da lang, antwortete Tordred. Lauf einfach weiter.

Ich dachte, ich soll mich von dir fernhalten?, fauchte Sam in Gedanken. Dann ließ er sich vom Sog ihrer Verbindung – und dem Klang krachender Hufe und scheppernder Rüstungen – zu einem offenen Feld leiten. Kleine Ausschnitte des Geschehens hatte ihm Tordred bereits unfreiwillig übermittelt, deswegen jagte ihm der Anblick der rund hundert Einhörner in voller Rüstung, die sich dort versammelt hatten, keinen ganz so großen Schreck mehr ein. Was er durch Tordreds Augen gesehen hatte, war jedoch bloß militärischer Drill gewesen. Jetzt standen alle in einem Ring um zwei kämpfende Einhörner und feuerten sie lautstark an. Menschliche Sklaven eilten mit Wassereimern herbei, um den Einhörnern etwas zu trinken zu bringen.

Sam versuchte, durch die Menge hindurch einen Blick auf die Einhörner zu erhaschen, die sich in der Mitte ineinander verkeilt hatten. Es handelte sich um einen großen grauen Hengst und eine etwas kleinere schlammbraune Stute. Der graue Hengst setzte seine enorme Kraft geschickt ein. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit rammte er die braune Stute und versuchte, sie in eine Position zu manövrieren, in der er sie mit seinem Horn aufspießen konnte. Doch die braune Stute war überaus wendig und duckte sich jedes Mal weg. Schließlich sprang sie mit einem gewaltigen Satz über den Rücken ihres Gegners und schlitzte ihm mit dem Horn die Flanke auf.

Die anderen Einhörner brüllten und johlten.

»Die Gewinnerin«, verkündete Maven und trat vor. Sie berührte das Horn der braunen Stute mit ihrem eigenen. Den grauen Hengst, der blutend aus dem Ring humpelte, würdigte sie keines Blickes.

Die braune Stute stolzierte zu einer Gruppe Einhörner hinüber, die sie zur Begrüßung anrempelten – anscheinend war das unter ihresgleichen nach gewonnenem Kampf üblich.

Maven stieß ein Brüllen aus und die anderen verstummten. »Tordred, Sohn des Auris, tritt vor.«

Die ausgelassene Stimmung war wie weggeblasen. Tordreds Furcht schwappte durch Sams Körper, als der schwarze Hengst sich aus der Menge löste und auf Maven zuschritt. Sam spürte, dass sich Tordred am liebsten wegdrehen wollte, um Mavens beängstigendem Blick zu entgehen. Doch er hielt den seidig glänzenden Kopf mit dem pechschwarzen Horn hocherhoben und ließ sich nichts anmerken.

»Deine Verletzung hat gezeigt, dass du schwach bist«, sagte Maven. »Wenn du Teil des Eisenhornclans bleiben willst, musst du dich unser würdig erweisen.« Einige der anderen Einhörner stampften zustimmend mit den Hufen. Maven ließ die dumpfen, unheilvollen Schläge verhallen. Dann sprach sie weiter. »Dafür musst du gegen einen unserer stärksten Kämpfer antreten. Bastion, komm zu uns.«

Der große weiße Hengst trat in die Mitte des Rings und bleckte erwartungsfroh die Zähne. Sam konnte nicht sagen, ob das Entsetzen, das ihm den Atem verschlug, sein eigenes war oder das Tordreds. Die beiden Einhörner bauten sich voreinander auf, Weiß gegen Schwarz. Sam erschrak, als er Bastion plötzlich – durch Tordreds Augen – vor sich aufragen sah, und ließ vor Angst beinahe das Kettenhemd fallen.

Bastion ging zum Angriff über.

Vorsicht!, schrie Sam in Gedanken, doch Tordred brauchte keine Warnung. Er war bereits beiseitegesprungen, außer Reichweite von Bastions Horn.

Die beiden Einhörner umkreisten einander, während die Menge mit den Hufen stampfte. Mavens Augen funkelten. Der Boden erzitterte unter Sams Füßen.

Bastion knurrte und stürzte sich erneut auf Tordred, doch der wich aus und fuhr zu ihm herum.

Die Begeisterung der Zuschauer wuchs. Sam merkte ihnen an, dass sie nicht damit gerechnet hatten, dass Tordred überhaupt so lange durchhalten würde. Sie johlten vor Freude am Kampfspektakel. Da versperrte ein Fuchsschimmel Sam die Sicht und er musste sich näher heranschieben. Natürlich hätte er durch Tordreds Augen einen noch besseren Blick auf das Geschehen gehabt, aber er wollte nicht riskieren, ihn abzulenken. Nicht jetzt.

Bastion bäumte sich auf und trat mit seinen Hufen nach Tordreds Hals, doch Tordred war bereits eine ganze Pferdelänge entfernt, bevor der Schlag ihn treffen konnte. Wie habe ich das gemacht?, fragte Tordred sich, aber weder er noch Sam hatten Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, denn Bastion holte zum nächsten Angriff aus. Wieder wich Tordred mit Blitzgeschwindigkeit aus.

Die anderen Einhörner waren so ins Kampfgeschehen vertieft, dass sie nicht mitbekamen, wie sich Sam zwischen ihnen hindurch in die erste Reihe drängte. Bastion griff wieder und wieder an – oder versuchte es jedenfalls. Tordred flitzte umher und wich jedem Huftritt und jedem Hornstoß des bulligen Einhorns scheinbar mühelos aus.

»So habe ich Tordred noch nie kämpfen sehen!«, staunte ein großes Einhorn hinter Sam.

»Schnell war er schon immer, aber das ist neu«, stimmte eine Stute zu und nickte anerkennend. »Ich wüsste ja gerne, was das für Kräuter waren, die er benutzt hat.«

Es liegt nicht an den Kräutern, dachte Sam, während Tordred einem weiteren Tritt auswich und anschließend nah genug an Bastion herantänzelte, um ihn mit dem Horn am Vorderbein zu treffen. Sam kannte den wahren Grund – es war diese seltsame Verbindung zwischen ihnen. Sie verbesserte Tordreds Kampfgeschick genauso, wie sie Sam zu einem herausragenden Waffenschmied gemacht hatte. Die anderen Einhörner, die Sam hatte kämpfen sehen, waren groß und kräftig, aber langsam. Tordred dagegen bewegte sich schnell und anmutig – mit fast menschlicher Wendigkeit.

»Was machst du da, Sklave?«, blaffte das große Einhorn hinter Sam. »Wie kannst du es wagen, dich dem Kampf zu nähern?«

Sam fuhr herum, doch das Einhorn hatte sich bereits aufgebäumt und zielte mit seinem Huf auf ihn. Sam stolperte rückwärts, aber der Huf streifte seine Brust und er wurde zu Boden geworfen. Ein stechender Schmerz schoss durch seinen Körper und die Luft wurde ihm aus den Lungen gepresst wie aus dem Blasebalg in der Schmiede. Irgendwie gelang es Sam, sich das Kettenhemd überzuwerfen, um wenigstens seinen Kopf vor den heftigen Huftritten zu schützen.

»Nein!«, schrie eine vertraute Stimme. Sam spürte, wie Tordred auf ihn zurannte. Als er es wagte, unter dem Kettenhemd hervorzulugen, sah er, wie Tordred das Einhorn, das ihn angegriffen hatte, mit der Schulter von ihm wegrempelte und ihm mit seinem Horn die Wange aufschlitzte. Dann baute er sich schützend vor Sam auf. Seine Flanken bebten.

Binnen weniger Augenblicke hatten die restlichen Einhörner sie umrundet. Ein Wald aus Beinen ragte rings um Sam in die Höhe und über sich sah er Dutzende herausfordernd gereckte Hörner. Ihre Gesichter waren voller Verachtung.

»Deswegen ist er so schnell!«, rief das große Einhorn, das auf Sam losgegangen war. »Sie sind aneinander gebunden!«

Ein Aufschrei der Empörung ging durch die Menge. Sam spürte Tordreds Angst, den Puls, der wie sein eigener raste. Er versuchte aufzustehen, doch sein Körper schmerzte wie ein einziger riesiger Bluterguss. Seine Lunge brannte, als er verzweifelt nach Luft rang.

»Bande zwischen Menschen und Einhörnern«, hörte er Mavens Stimme irgendwo weit über sich, »sind bei Todesstrafe verboten.«

Tordred schlug mit dem Schweif und streifte dabei beinahe Sams Kopf. Er schnaubte entrüstet. »Das ist kein Band«, schnaubte er angewidert. »Macht euch nicht lächerlich. Ich habe nichts mit diesem Menschen zu tun.«

Seine Aussage wäre vermutlich um einiges glaubwürdiger gewesen, wenn er dabei nicht schützend vor Sam gestanden hätte, aber Sam spürte, dass Tordred nicht weggehen konnte oder wollte.

»Das stimmt«, ächzte Sam vom Boden aus. »Ich weiß nichts von einem Band.«

Natürlich ignorierten ihn die Einhörner.

Maven kam näher. Sam erhaschte einen Blick auf die Widerhaken an ihren Beinen und ihre bebenden Nüstern, als sie sprach. »Tordred, Sohn des Auris«, verkündete sie unheilvoll. »Du hast dich eines schrecklichen Vergehens strafbar gemacht. Dafür wirst du …«

Ein Schrei vom anderen Ende des Felds schnitt ihr das Wort ab.

Vielleicht werden wir wieder angegriffen, dachte Sam flehentlich. Vielleicht können wir die Ablenkung nutzen, um zu entkommen.

Nein, entgegnete Tordred niedergeschlagen.

Die Menge der Einhörner teilte sich und Sam reckte den Hals, um zu sehen, was nun passierte. Weil er noch immer auf dem Rücken lag, sah er sie auf dem Kopf: zwei Einhörner mit einer menschlichen Gefangenen in ihrer Mitte. Ihr rotes Haar war zerzaust und ihre beiden Hände waren an die Brustpanzer der Einhörner gefesselt. Lara.

»Wir haben den anderen Ausreißer gefunden, Maven«, sagte einer der beiden. Er warf Tordred einen verächtlichen Blick zu. »Das Mädchen, von dem Tordred behauptet hat, er hätte es getötet.«

Bastion knurrte. »Ich hab’s euch doch gesagt! Er ist ein Lügner und ein Menschenfreund.«

Lara stand mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern da. Nach allem, was an diesem Tag geschehen war, war es dieser Anblick, der Sam das Blut in den Adern gefrieren ließ. Wenn selbst Lara nicht mehr weiterwusste … Sein Blickfeld verschwamm mit dem von Tordred. Sam sah die kalte Wut in Mavens Augen aus nächster Nähe, als die Anführerin des Eisenhornclans verkündete: »Nehmt ihm das Horn ab – und tötet die Menschen.«