Die Spalte im Fels war kalt und von tintiger Schwärze. Rosie, die voranging, tastete sich mit ihren Füßen und mit einer Hand voran, im anderen Arm hielt sie Heather gegen ihre Schulter gedrückt. Die Dunkelheit stemmte sich ihr wie eine körperlich spürbare Kraft entgegen.
»Was ist da?«, fragte Sam.
»Ich kann überhaupt nichts sehen«, sagte Rosie. »Und wenn es nun eine Sackgasse ist?«
»Dann werden wir umkehren und zurückgehen und uns wie ein Haufen Trottel fühlen.«
»Aber nicht, solange Matthew dort wartet«, sagte Faith mit zittriger Stimme.
»Ich werde nicht zulassen, dass er dir was antut«, sagte Sam. »Geht weiter.«
Es ist doch lächerlich, dass ich vor meinem eigenen Bruder Angst habe, überlegte Rosie. Kalt klebte der Schweiß an ihrem Körper, während sie, von Panik getrieben und von Angst gebremst, versuchte, zwischen den eng stehenden Felswänden voranzukommen. Der Durchgang beschrieb eine Kurve. An den Wänden entdeckte sie vertikale Steinkanten und glatte handgroße Muster aus eingelegtem Metall. Ihre Hand strich über ein eindeutiges Symbol: eine Spirale, das Emblem der Anderswelt.
Heather griff in die Luft und sagte: »Schau da am Himmel, Mummy.«
Rosie sah über ihnen einen Pinselstrich Blau. Sie hielt den Atem an, als wollte sie in tiefes Wasser springen. »Wir sind da«, sagte sie.
Sie traten aus der Felsspalte heraus und wurden vom fließenden indigoblauen Zwielicht eines Waldes umfangen. Das war nicht die Welt, die sie kannte, nicht einmal die Schönheit der Schattenreiche. Hoch aufragende schwarze Stämme endeten weit oben in einem Baldachin und das Unterholz schwankte wie Seegras im Ozean. Es war ein riesiger Wald, der alles überzog. Voll sich bewegender Schatten. Ein köstlicher Duft lag in der Luft, frisch und feucht, und er zerstreute ihre Angst und ersetzte sie durch freudige Erregung. Elysium.
»Geht vom Eingang weg«, appellierte Sam eindinglich ans sie und zog sie und Faith dabei zur Seite. Dornen verfingen sich in ihren Haaren. Das Portal war silbergrauer Fels und sah aus wie eine Miniaturausgabe von Freias Krone. Die hohe, schmale Öffnung wurde von zwei Obstbäumen gerahmt, die sich einander zuneigten und deren Zweige sich oben ineinandergeschlungen hatten. Die Felswände waren hinter Büschen und Dornensträuchern versteckt. Vor ihnen lag ein begrünter Abhang, der zu einem sich zum Waldgrund hin schlängelnden Pfad wurde und dort verschwand. Geisterhafte Gestalten brachten die Luft zum Flackern.
Sie warteten. Das Ozeanrauschen des Waldes wurde durch keinerlei Geräusche gestört. Kein Matthew kam wutschnaubend hinter ihnen hergesprungen.
»Sieht ganz danach aus, als würde Matthew sich uns nicht anschließen«, meinte Sam grimmig. »Seht euch alles gut an, damit wir den Weg auch wieder zurückfinden.«
»Mein Gott, wir sind tatsächlich hier«, wisperte Rosie. Heather zappelte in ihren Armen, weshalb sie sie Faith zurückgab, die sie küsste, ihr das Haar glatt strich und erklärte: »Es ist alles gut, dein verärgerter Daddy kann uns hier nicht mehr jagen.« Sie verwandelte sich vor Rosies Augen: die Schuppen verblassten, das Haar wurde dunkler, die an die Farben von Fetzenfischen erinnernden Schleier verschwanden. Faith fand in ihre normale Gestalt zurück und trug ein braunes, mit winzigen weißen Blüten gemustertes Kleid. Sie war barfuß … so, wie sie aus dem Haus gerannt war.
»Elysium«, sagte Sam und zeigte den Ansatz eines Lächelns. »Du bist umwerfend, Rosie.«
»Ich habe gar nichts getan«, murmelte sie. »Dann hatte Luc also recht und er hat das Lych-Tor geöffnet … Aber wo ist die große Gefahr, vor der Lawrence uns gewarnt hat?«
»Keine Ahnung«, sagte Sam. »Vielleicht wartet sie … oder sie ist unsichtbar oder so.«
Die fließenden Luftbewegungen verwirrten sie und erschwerten jede Orientierung. Aus dem Augenwinkel sah sie halb menschliche Gestalten. Sie schienen sie zu beobachten und zu umkreisen. »Lucas?«, rief sie in der verzweifelten Hoffnung, er könnte sich unter ihnen befinden.
Und wie zur Antwort sagte eine tiefe Stimme: »Ohne Brandmal.«
»Verdammt, was war das?«, sagte Sam.
Sie ergriff seinen Arm. »Du hast es gehört?
»Ist irgendwie gruselig. Ich denke, wir sollten diesen Pfad da hinuntergehen … Wie es aussieht, ist hier schon eine ganze Weile keiner mehr gegangen.«
Steten Schritts gingen sie nach unten, wobei sie ängstlich in sämtliche Richtungen Ausschau hielten. Ein schmaler silbriger Pfad wie eine Wildfährte verlief in der Mitte des breiteren Pfads zwischen den monolithischen Stämmen hindurch. »Wir sollten auf dieser Spur bleiben«, meinte Rosie. »Wenn man in den Wald geht, muss man mit Schwierigkeiten rechnen. Meine Eltern werden durchdrehen … Hoffentlich ist das nicht ein fürchterlicher Fehler …«
»Hey, ich bin doch bei dir«, erwiderte Sam grinsend. »Der Meister der fürchterlichen Fehler. Jetzt ist es ohnehin zu spät.« Dabei sah er sie eindringlich an, als wollte er sagen: Wir ziehen das gemeinsam durch. Und ihr Herz fühlte sich dabei an wie ein heißer Knoten. Sie erwiderte seinen Blick, um ihm zu signalisieren: Ja, ich weiß.
Die Phantome begleiteten sie auf ihrem Weg. »Sie folgen uns«, sagte Faith beunruhigt.
Sam wandte sich ihr zu. »Lass mich Heather tragen. Dann kommen wir schneller voran. Keine Sorge, das sind nur … vermutlich Elementargeister.«
An Sams Schulter schlief Heather rasch ein. In ihrem rosa Teddybärpyjama sah sie zart und verletzlich aus. »Ich hätte nie gedacht, dass du ein Elfenwesen bist, Faith«, sagte er. »Das hast du ganz schön geheim gehalten.«
»Das ist eine lange Geschichte«, warf Rosie ein. »Es war das, was ich dir damals in der Gasse nicht erzählen konnte, erinnerst du dich?«
»Ah. Nicht böse gemeint, aber der Plan sah nicht vor, dass wir ein Kind dabeihaben.«
»Welcher Plan? Wir hätten sie doch unmöglich zurücklassen können, Sam!«
Woraufhin Faith sagte: »Es tut mir leid, ich hatte nicht vor, euch zur Last zu fallen, aber das war auch von meiner Seite alles andere als geplant. Ich weiß nicht einmal, wohin wir gehen oder warum. Matthew wird mir das nie verzeihen.«
»Dass du ein Elfenwesen bist?«, sagte Sam angewidert.
»Dass ich ihn hinters Licht geführt habe.«
»Der soll sich erst mal selbst in den Griff kriegen. Der eingebildete Trottel.«
»Sam!«, schalt ihn Rosie. »Pst! Wir versuchen Luc zu finden, Fai. Irgendwie hat er versehentlich das Lych-Tor geöffnet. Wir gehen davon aus, dass sein elfisches Wesen sich hier hereingeflüchtet hat, als er verletzt wurde, und er wird sich nicht eher erholen, bis wir es gefunden haben. Es ist eine verzweifelte Lage, und erst jetzt, da ich es laut ausspreche, wird mir klar, wie verrückt sich das anhört.«
»Die Nadel im Heuhaufen«, sagte Sam.
»Ich kann meinen Eltern nicht mehr unter die Augen treten, wenn ich nicht wenigstens versucht habe ihn zu finden«, sagte Rosie. »Das verstehst du doch, oder?« Faith nickte. Sie war blass vor Erschöpfung. Sicherlich litt sie auch an einem gebrochenen Herzen.
Das Zwielicht vertiefte sich. Je dunkler es wurde, umso mehr Substanz bekamen die ihnen nachschleichenden Gestalten, die am Rand der Bäume mit ihnen Schritt hielten. Die körperlose Stimme sprach erneut: »Vaethyr. Jungfräulich.«
Rosie hielt die Luft an. Sie versuchte sich einzureden, dass sie keine Angst hatte, aber ihre Hände waren klamm und ihr Herz schlug stolpernd. Dann stellten die Schattengestalten sich ihnen schwebend in den Weg, Dunkelgrau auf Schiefergrau. Sie sprachen wie mit einer tiefen drohenden Stimme. »Ohne Brandmal dürft ihr nicht hierherkommen.«
Umkreist von düsteren, schwankenden Geistern, blieben sie stehen. »Das sieht nicht gut aus«, sagte Sam und drückte Heather fest an sich, während er sich Rosie und Faith zuwandte. »Ich schlage vor, wir rennen ganz schnell den Weg zurück, den wir gekommen sind. Seid ihr bereit?«
Dann stieß er einen spitzen Schrei aus. Es war vorbei, ehe Rosie reagieren konnte. Er zuckte, als wäre er erschossen worden, und fiel taumelnd nach hinten. In seinem Brustbein steckte ein Pfeilschaft; das Kind, das auf ihm lag, kreischte.
Sie sah ein Paar goldener Augen, die sie anstarrten, eine transparente geflügelte Gestalt, die sich von der Dunkelheit abhob und einen schimmernden Pfeil in einer Art Armbrust auf sie gerichtet hielt. Den Bruchteil einer Sekunde später spürte sie den Elfenschuss – einen heftigen stechenden Schmerz in ihren Rippen. Ihr Seh- und Hörvermögen ging in einem Sternenrausch unter. Durch den Nebel bekam sie mit, wie Faith versuchte, Heather Sam zu entwinden, bis auch sie zusammenzuckte und umfiel. Ein Augenblick des Unverständnisses – was verdammt? Nein … das kann nicht sein … nicht jetzt –, aber dann zog der Schmerz sie nach unten, auf Sams gestürzten Körper, in einen Ozean der Schatten.
Rosie tauchte in eine andere Dimension ein: eine verschwommene düstere Landschaft, die Erde und Schattenreiche und Elysium und etwas völlig anderes zugleich war. Sie hastete auf allen vieren weiter – wusste jedoch, dass sie träumte, was Fliehen sinnlos machte, und dass sie keine Zeit hatte, sich in Visionen zu verlieren, rannte aber dennoch verzweifelt weiter, als könnte sie mit ihrem Bemühen die reale Welt beeinflussen.
Sam lief neben ihr im Gleichschritt und er war ein Wolf. Mehr als ein Wolf – ein schreckliches, prachtvolles Tier mit hellen kobaltblauen Augen und dunklem Fell mit hellen Spitzen. Sie sah genauso aus und konnte ihre wölfische Fulgia wie von außen betrachten – schattenhaft, silbrig, ein Elementarwesen oder eine niedrige Gottheit, ein Wesen, das ihr unbegreiflich war.
In den paar berauschenden Minuten, die sie als dieses Doppelwesen erlebte, begriff Rosie, was hier geschah. Die Jäger der Anderswelt feuerten irgendwelche göttlichen Pfeile ab, die Splitter komplexer Erkenntnis lieferten. Sie und der Wolf Sam sahen einander an – es bedurfte keiner Worte. Sie waren schon immer hier gewesen, Seite an Seite, wild, instinktiv, ohne auf andere zu reagieren. Sie rannten tagelang: jagten, fraßen, kämpften spielerisch, paarten sich und rannten weiter.
Ihr menschliches Sein verschwand.
Doch eine schwache Erkenntnis blieb ihr: dass man nach dieser Erfahrung bei der Rückkehr nicht mehr so sein konnte wie zuvor. Es war ein Wirbelwind. Man konnte davon nur irrewerden. Sie erhob sich auf ihre Hinterläufe und wurde zur Statue in einem Tempel, ein wolfsköpfiger Sam war ihr Priester. Rosie fing wie verrückt zu lachen an. Sie hörte ihre Mutter singen:
Auf die Spirale lasst euch ein
Schritt für Schritt in sie hinein
Tanzend folgt dem Lauf des Stroms
Drehend zurück zum Ursprung kommt
Findet den Spiegel in dessen Mitte
Fröhlich vereint, fröhlich getrennt
Küssen wir das Wasser und fliegen
Küssen das Wasser und fliegen …
Jessicas Stimme war wie ein silberner Faden, der sie durch die Zeitschleife zog, als diese zum Anfangspunkt zurückkreiste. Dann wurde Rosie unvermittelt und gewaltsam wieder ins Bewusstsein geworfen. Unter ihrer linken Brust brannte eine kreisrunde Wunde. Die Welt war dunkel.
Sie spürte Sam, der sich stöhnend neben ihr regte. Er klammerte sich an ihre Schultern und versuchte sie von sich herunterzuschieben. Ihr Mund war trocken wie blättriger Rost und ihr war schwindelig, als hätte sie Drogen genommen. Sie kam mühsam auf die Knie und spürte dabei den Schmerz unter ihrer linken Brust. Ihre Finger fanden ein Loch im Pullover und einen fünf Zentimeter großen Kreis blasigen Fleischs, aus dem Blut sickerte.
»Ist alles okay mit dir, Sam?«, fragte sie ihn mit schluchzender Stimme. Sie strich sich das Haar zurück.
Er sah sie mit irrenden Augen an. »Was zum Teufel ist da passiert?«
»Bist du – warst du mit mir zusammen? Wolf und doch nicht Wolf?«
»Äh …« Seine glasigen Augen wurden groß. Nach ein paar flachen Atemzügen antwortete er: »Ja. Wir waren dort … Monate. Aber in Traumzeit, nicht in Echtzeit.«
Sie berührte das ausgefranste Loch in seinem T-Shirt unter dem Schlüsselbein und traf mit ihrem Finger auf die Fleischwunde, als sie ihn durchsteckte. Sam zuckte zusammen. »Autsch.«
»Was auch immer auf uns geschossen hat, es war echt«, sagte sie, »aber es ist nur eine Hautabschürfung. Eher ein Stempel, als eine tiefe Wunde. O mein Gott, ich dachte schon, sie hätten dich getötet.«
»Haben sie aber nicht, mein Schatz. Das brennt, als hätten sie mir eine heiße Kohle reingesteckt. Himmel!«
»Faith?«, rief Rosie. »Bist du da?«
Als sie aufblickte, wurde sie plötzlich vom grellen Schein einer baumelnden Lampe geblendet. Auf dem Waldpfad vor ihnen stand eine Frau im schwarzen Umhang mit Kapuze und beugte sich über etwas, das auf dem Boden lag. Sie richtete sich auf und hob die Lampe an, sodass ihr Lichtkegel auf sie fiel. In deren Schein sah Rosie, wie Faith sich auf die Knie hochrappelte. Heather stand Gott sei Dank neben ihr, zwar schluchzend, aber offensichtlich unverletzt.
»Woher kommt ihr?«, fragte die Frau. Ihre Stimme drang durch die Kapuze nur leise und gedämpft zu ihnen. »Ich hörte die Kleine weinen. Kommt, ihr müsst mit mir kommen. Hier ist es nachts nicht sicher.«
»Und das erfahren wir jetzt erst«, sagte Sam zähneknirschend. Rosie versuchte aufzustehen, aber die Wunde brannte so heftig, dass sie wieder zusammensackte. Sam erging es nicht besser. Ungelenk kämpften sie sich hoch, bis sie wieder auf den Beinen waren, und man hätte nicht sagen können, wer wem dabei half.
»Ich weiß, dass es wehtut, aber daran stirbt keiner«, sagte die Frau ziemlich ungeduldig. Sie half Faith auf und gab ihr die Laterne, während sie selbst Heather über ihre Schulter schwang. »Es überrascht mich, dass sie das Kind nicht mitgenommen haben. Wenn man mit einem Kind hierherkommt, handelt man sich nur Ärger ein.«
»Versucht haben sie es«, sagte Faith verstört. »Sofern ich es nicht nur geträumt habe. Ich hielt sie mit Leibeskräften fest, bis sie aufgaben.« Während sie sprach, legte Rosie ihren Arm um sie. Ihre Freundin war eisern und unnahbar, nicht die Faith, die sie kannte. Dann ließ sie sie los und gesellte sich wieder zu Sam.
»Ihr könnte euch heute Nacht bei mir ausruhen.« Die Frau führte sie über einen Pfad, schwarz flackerte ihr Umhang im tanzenden Lampenschein. »Ich kann euch nicht hier draußen lassen. Ihr seid durchs Lych-Tor gekommen, nicht wahr? Seit wann ist das denn offen? Ich wusste gar nichts davon. Was denkt ihr euch eigentlich dabei, völlig unvorbereitet die Spirale zu betreten?!
»Das sind viele Fragen«, sagte Sam. »Und ich habe nur eine: Was geht Sie das an?«
»Sam!« Rosie rempelte ihn an. »Er ist nicht mit Absicht so unverschämt, er wurde so geboren. Das ist eine lange Geschichte. Ich muss meinen Bruder finden.«
»Nun, bis morgen werdet ihr nirgendwohin gehen.« Auf allen Seiten schien der Wald in Wildnis überzugehen. Doch in einiger Entfernung entdeckte Rosie eine Waldwiese mit einem Kreis aufrechter Steine und fragte sich, ob die Vaethyr dort zu tanzen pflegten. Fast spürte sie den Nachhall davon: Tiermasken, Blumenkränze, lebhafte Musik.
Vor Erschöpfung und Schmerz konnte sie kaum sprechen. Schließlich formulierte sie aber doch eine Frage: »Wer waren die – diejenigen, die uns angegriffen haben?«
Die Frau antwortete, ohne sich zu ihnen umzudrehen. Ich dachte, ihr wüsstet das. Was bringen die euch auf Vaeth eigentlich bei? Es waren Initiatoren. Sie erkannten, dass ihr Neulinge der Spirale wart, und haben euch deshalb das Brandmal aufgedrückt. Es ist ein toxisches Präparat aus einem Beizmittel und einem Halluzinogen – ihr werdet doch sicherlich Visionen gehabt haben? Und jetzt fühlt ihr euch ein wenig mies.«
»Ja.« Sie und Sam tauschten einen Blick. »Es stimmt, wir sind nie initiiert worden, weil die Tore geschlossen waren … aber ich hatte mir dieses Ritual zivilisierter vorgestellt. Sie haben regelrecht Jagd auf uns gemacht!«
Und Sam fügte hinzu: »Sollte ich sie jemals wiedersehen, werde ich ihnen ihre knallroten Pfeile so weit in ihren …«
»Ihr werdet sie nicht sehen«, meinte die Frau lachend. »Ihr würdet sie nicht erkennen. Sie sind Aelyr, die ihre Gestalt verändern und auf nicht initiierte Vaethyr Jagd machen. Es heißt, der Trancezustand der nicht mit einem Brandmal versehenen Vaethyr sorge dafür, dass sie leuchten und somit zu sichtbaren Zielen werden. Ja, die übliche Praxis sieht vor, dass die zu Initiierenden von ihren Vorfahren hierhergebracht werden, und auf diese Weise bekommt das Ganze einen zeremoniellen Rahmen, zudem werden sie angeleitet. Aber letztendlich werdet ihr auch in diesem Fall allein gelassen, bis man euch zur Strecke gebracht und gebrandmarkt hat. Ihr könnt euch glücklich schätzen. Traditionellerweise hätte man euch splitternackt ausgezogen und erst im Wald ausgesetzt.«
»Oh«, sagte Sam. »Das ist vermutlich nicht ganz so lustig, wie es sich anhört.«
»Für einige ist die Initiation etwas sehr Ekstatisches. Für andere etwas Scheußliches. Es gab auch schon Todesfälle. Es ist eine wirklich blödsinnige Praxis, die ihren Ursprung im Wunsch der Aelyr hat, jenen Vaethyr ihren Stempel aufzudrücken, welche die Frechheit besitzen, auf Erden zu leben. Oberflächlich soll damit ausgedrückt werden: Ihr seid einer von uns, aber zwischen den Zeilen bedeutet es: Ihr gehört uns. Da ihr ungeladen kamt, haben sie euch dennoch gebrandmarkt. Leider ist das ihre Art. Macht euch nichts draus. Ihr habt es überlebt.«
Sie schlug einen Seitenpfad ein, der sie bergan führte, was Rosie so erschöpfte, dass sie keine weiteren Fragen mehr stellte. Sie lief auf einem weichen Grasteppich, zu ihrer Linken standen Bäume und zu ihrer Rechten erhob sich eine gefaltete Felswand. Dann fiel der Pfad steil nach unten ab. Auf dem Sattel lichteten sich die Bäume und unter ihnen lag ein kleines, verstecktes Tal. Zu ihrer Rechten stürzte ein Wasserfall über eine Felswand in einen Fluss. An dessen Ufer stand zu ihrer Linken ein Häuschen – ein archetypisches Steinhaus mit Reetdach und Ranken um die Tür. Smaragdgrün und Saphirblau waren die beherrschenden Farbtöne in allen Schattierungen. Die Lichter von Leuchtkäfern spiegelten sich im Wasser.
»Ausgezeichnet«, meinte Sam lachend. »Ein Hexenhäuschen im Wald, das hat uns noch gefehlt.«
»Tretet ein, Verwundete«, sagte die Frau und öffnete die Tür zu einem schlichten Raum, der in Feuerschein getaucht war. »Ich hole etwas zum Salben eurer Wunden.« Sie setzte Heather ab, nahm Faith die Laterne aus der Hand und hängte sie an einen Haken. Unbefangen legte sie ihren Umhang ab. Mit ihrem langen figurbetonten Kleid in Pflaumenblau, den langen schwarzen Haarsträhnen, dem schmalen knochigen Gesicht und den durchdringenden Augen, die sie dabei enthüllte, entsprach sie ganz und gar dem Bild einer Waldhexe.
Rosie hörte, wie Sam einen kehligen Laut von sich gab – eine Art Stöhnen. Mit einem dumpfen Schlag fiel der Rucksack zu Boden. Er sagte: »Mum?«
Lawrence starrte auf das Gesicht von Lucas, seinem Sohn. Noch immer keine Besserung, hatte der Spezialist gesagt. Er war sich seiner Gefühle selbst nicht im Klaren. Selbstverständlich spürte er etwas, wenn es auch nur eine Leere war, eine saugende weiße Leere, zu groß, um sie zu begreifen. Das war kein Ort, der Tränen gebar. Aber Auberon weinte für sie beide genug.
»Du bist großzügig, Auberon«, sagte er, als die Ärzte gegangen waren. »Über alle Maßen großzügig. Das bist du schon immer gewesen.«
Die beiden Männer saßen beidseits von Lucas’ Bett. Es gab keine Farbe in diesem Raum, nur Schwarz und Weiß. Um der Verwirrung des Arztes abzuhelfen, hatte Auberon diesem leise erklärt, dass Lucas zwar sein Sohn, der biologische Vater allerdings Lawrence sei. »Ich denke, ein Junge kann sich glücklich schätzen, zwei Väter zu haben«, erwiderte Auberon ernst. »Viel zu viele Kinder haben gar keinen.«
»Du bist nicht eifersüchtig?«
»Nein, das bin ich nicht. Ich bin derjenige, der all die Jahre die Freude seiner Gesellschaft genoss.« Während er diese Worte aussprach, erbleichte Auberon, als wäre er sich der offenkundigen Schlussfolgerung bewusst: Und dies könnten die letzten Tage sein.
»Darum beneide ich dich«, sagte Lawrence. »Aber sollte eine Entscheidung getroffen werden müssen … hinsichtlich des Aussetzens der lebenserhaltenden Maßnahmen … dann beneide ich dich nicht. Wie auch immer du entscheidest, ich werde nichts dagegen einwenden.«
»Wenn sie anfangen, Druck auf uns auszuüben, weiß ich nicht, was wir tun werden. Wie wird Jess es aufnehmen? Wenn die elfische Essenz unsterblich ist, wohin ist sie dann verschwunden? Durch die Tore, obwohl sie geschlossen sind? Oder irgendwohin in die Schattenreiche wie ein Geist … vielleicht verbindet er sich mit einem Baum oder einem Stein, bis er bereit zur Wiedergeburt ist, in welcher Gestalt auch immer … aber wir werden ihn nie wieder in dieser Gestalt sehen.«
»Es gibt so vieles in unserem Leben, das sich um Abschiednehmen dreht«, sagte Lawrence. Seine Stimme war brüchig vor Anspannung. »Unsere Verluste sind nicht so konkret wie für die Menschen, aber das macht sie nur noch schmerzhafter. Nicht wissentlich. Unsere Kinder sollten nicht in der Lage sein, durch die geschlossenen Tore zu fliegen – egal ob in körperlicher oder wesenhafter Gestalt –, um dann in der Weite der inneren Reiche zu verschwinden … und doch verlassen sie uns.«
Auberon suchte seinen Blick und wählte seine Worte mit Bedacht. »Und es besteht zudem die Möglichkeit, dass ohne Zugang zur Spirale unsere elfische Essenz sterben wird. Wir werden zu Sterblichen werden. Aufgrund von Versorgungsmangel werden die Schattenreiche verblassen und wir werden vergessen, was unser wahres Sein ist. Ist es das, was du immer schon wolltest, mein Freund?«
Lawrence richtete seinen Blick auf Lucas’ schlafendes Gesicht. »Nein«, sagte er rau. »Niemals. Die Gefahr ist real und schrecklich. Denkst du etwa, ich hätte dich angelogen? Ich liebe die Anderswelt.«
Erinnerungsbilder tauchten in Lawrence’ Gedanken auf. Maskierte Aelyr, die sich vor ihm verneigten, als sie ihm den Zeremonienstab aus Apfelholz überreichten. Albin, der am Fluss auf ihn wartete, der von Sibeyla nach Melusiel floss; Lawrence, wie er ihm stolz einen Korb voll funkelnder Albinitsteine präsentierte, die er auf der Erde gesammelt hatte, und sagte: »All die hier, Vater, im Austausch gegen den einen Stein, den du mir genommen hast.« Albins nach oben fliegende Faust, welche die kostbaren geschnittenen Steine allesamt in den Fluss beförderte, für immer verloren. Seine verächtliche Antwort: »Das ist ein heiliger Stein. Und es ist ein Sakrileg, ihn zu schürfen und auf Vaeth zu verkaufen!«
In diesem Augenblick der Verzweiflung war Lawrence klar geworden, dass nichts, was er jemals tun würde, Albins Lob fände. Er war ein Vater, der durch nichts zufriedenzustellen war und der seinen Sohn von Geburt an als schwach und fehlerhaft gebrandmarkt hatte. Und am Ende habe ich seine Prophezeiungen erfüllt, überlegte Lawrence. Er hatte recht, mich zu verachten. Er hatte von Anfang an all meine Fehler in einem Schaukasten aufgespießt.
Keine Sekunde lang hatte er Albin für die Existenz seiner Nemesis, für Brawth, verantwortlich gemacht. Albin hatte diesen weder geweckt noch geschickt. Nein, es war ein Schrecken, den Lawrence selbst geschaffen hatte, und alles, was Albin dazu sagen würde, das wusste er, wäre: »Ich habe es dir doch gesagt, dass nichts Gutes dabei herauskommt, wenn du mir die Stirn bietest und Liliana in die korrupte Gier der Erde folgst.«
Hier bei Auberon fiel es ihm nicht schwer, sich das von der Seele zu reden. »Es ist merkwürdig. Wenn sie dir die Macht als Torhüter verleihen, ist das eine große Zeremonie. Wenn sie sie dir wegnehmen, passiert gar nichts. Du wirst noch nicht mal gebeten, deinen Schreibtisch zu leeren. Dir dämmert die Erkenntnis und da ist nichts weiter als kalte, trockene Leere.
Auberon beugte sich zu ihm und ergriff dabei Lawrence’ Hand. »Willst du damit sagen, dass du die Macht verloren hast?«
Lawrence nickte mit geschlossenen Augen. »Die Großen Tore sind für mich nur noch blinder Fels.«
Auberon brauchte ein paar Minuten, bis er seine Fassung wiedergefunden hatte. Schließlich sagte er: »Seit wann? Hast du irgendwem davon erzählt?«
»Nur dir. Ich hatte noch nicht einmal die Kraft, seitdem dort hochzugehen … Erzähl keinem davon, ich flehe dich an. Die ganze Welt ist aufgrund meines Versagens zu trostlosem grauem Fels verkommen und ich bin in einem Turm aus Granit gestrandet und schaue auf mein Werk herab und kann nichts tun. Das ist meine Strafe.«
»Wofür?«
»Dafür, dass ich Brawth geweckt habe, den Eisriesen aus dem Abyssus, und es mir nicht gelungen ist, ihn zu zerstören.«
Auberon hielt inne und sah ihn ernst an wie ein besorgter Arzt. »Wie hast du ihn geweckt?«
»Ich weiß es nicht. Es verstößt gegen jede Vernunft. Durch meine bloße Existenz habe ich einen Feind zum Leben erweckt, der, während ich immer kleiner, immer größer wurde.«
»Bist du dir da sicher … bildest du dir das nicht alles nur ein?«
Lawrence lachte. »Wenn Elfenwesen träumen, was erschaffen wir da? Das habe ich mich natürlich viele Male gefragt, aber in der Spirale werden Träume Wirklichkeit. Du hast es doch gespürt, oder? Und Lucas hat es gesehen. All die Jahre habe ich mich darum bemüht, meine Söhne zu beschützen, alle davor zu beschützen … aber jetzt, da mein Lych-Licht verschwunden ist, habe ich das nicht mehr in der Hand. Meine Zeit ist so gut wie vorbei, mein Freund.«
»Sprich nicht so.« Auberon war aschfahl geworden. »Versprich mir, dass du nicht daran denkst, dir etwas anzutun!«
Lawrence’ knochenbleiche Finger strichen über Lucas’ Wange. Er murmelte: »Wenn es Zeit sein sollte, die Maschine abzustellen, und du dich dem nicht gewachsen fühlst, Bron … ich bin es.«
Auberon weinte aus müden Augen. »Lass uns jetzt noch nicht davon sprechen.
Lawrence wusste erst, als es schon zu spät war, dass er seine Gedanken laut aussprach. »Wird man diese Strafe für ausreichend halten? Gezwungen zu sein, dieses geliebte Leben auszulöschen? Ein Opfer zu bringen. Muss mein Sohn vernichtet werden oder wird Brawth sich durch irgendwas anderes befrieden lassen und zurück in die Dunkelheit sinken? Und nicht irgendein Sohn, sondern der kostbarste. Was könnte schlimmer sein?« Er stieß die Luft aus und flüsterte: »Komm zurück zu uns, Lucas.«
Die Frau war zweifellos Virginia Wilder. Einmal gesehen, sagte sich Rosie, nie vergessen. Als Sam sie mit »Mum?« ansprach, runzelte sie verdutzt die Stirn, sah sich kurz um und machte dann weiter, als hätte sie es nicht gehört. »Lasst mich eure Wunden sehen; keine Sorge, das Kind werden sie nicht gebrandmarkt haben.« Dabei lächelte sie Heather an. »Was für ein hübsches Mädchen. Kommt doch und ruht euch aus, hier seid ihr sicher.«
Sam und Rosie sahen sich verdutzt an. Virginia huschte durch einen dunklen Bogengang in den hinteren Teil des Raums und ließ sie sprachlos zurück.
Der Feuerschein fiel auf roh verputzte cremefarbene Wände. Der Boden war mit einer Art getrocknetem Moos bedeckt, das unter den Füßen federnd nachgab, bestreut mit Trockenblumen und duftenden Kräutern. Die Einrichtung war sparsam, die Küche aufs Wesentliche beschränkt – eine Wasserpumpe, ein Arbeitsblock aus dickem dunklem Holz an der Wand zur Rechten, ein paar Schränke. Neben dem großen Kamin gab es noch einen zweiten Bogengang. Mitten im Raum stand ein niedriger runter Tisch, der an eine große runde Scheibe aus Lapislazuli erinnerte, um den herum Kissen lagen, die als Sitzpolster dienten. Alles war in weichen Gelb- und Blaugrüntönen gehalten.
Faith ließ sich auf eins der Kissen fallen und zog Heather auf ihren Schoß. »Geht es dir gut?«, fragte Rosie sie, als sie sich neben sie kniete. »Wo haben sie dich getroffen?«
Faith zog ihr Kleid am Ausschnitt nach unten und legte eine nässende rote Blase direkt unter ihrem Hals frei. Trotz der Schwellung war die Form der Spirale deutlich zu erkennen. Rosie hielt die Luft an. »Oh. Das habe ich schon mal gesehen. Lucas hatte eine, nachdem er …«
Virginia kehrte mit einer braunen Glasflasche und einem Gazebausch zurück. »Diese Tinktur wird den Schmerz lindern, eine Narbe bleibt allerdings, das ist auch Sinn der Sache.« Sam starrte sie an, als sie sich erst um Faith, dann um Rosie kümmerte. Es brannte fürchterlich und trieb ihnen Tränen in die Augen, bis dann nur noch ein dumpfes Pochen zurückblieb. Sam zuckte nicht, als Virginia seine Wunde versorgte. Als sie damit fertig war, legte er eine Hand auf ihre Schulter und zwang sie, ihn anzusehen. Rosie setzte sich auf ihre Hacken und beobachtete die beiden. Sie sah sie beide von der Seite, das Profil scharf im Schein des Feuers.
»Hast du gehört, wie ich dich genannt habe?«, sagte er leise. »Erkennst du mich denn nicht? Das sind Rosie, Faith und Heather. Du bist Virginia Wilder, aber sie nannten dich Ginny.«
Sie blinzelte und das Grün ihrer Augen vertiefte sich. »Woher weißt du das?«
»Ich bin Sam. Hallo? Mum, ich bin dein verfluchter –« Er mäßigte sich und fuhr dann fort: »Ich bin dein Sohn.«
Ihr Gesicht erstarrte ungläubig. »Ich hatte einen Sohn, der Sam hieß, aber er war ein Junge … o mein Gott.«
»Ja, ich war elf, als du gingst, aber das ist fünfzehn Jahre her. Weißt du denn nicht mehr, wie lange du schon weg bist?«
Tinktur und Gazebausch fielen zu Boden. Sie legte ihre Finger auf ihren Mund. »Fünfzehn Jahre? Es kommt mir nicht so lang vor. Elysium spielt einem Streiche … Ja, du siehst aus wie er, aber – nein, das ist unmöglich.«
»Verdammt noch mal«, rief er aus und raufte sich die Haare. »Wir dachten, du seist tot!«
»Das Leben, das ich auf Vaeth führte … es ist so weit weg, verschwommen … o mein Gott, tu mir das nicht an. Du kannst es nicht sein.«
Sam umfasste ihre Handgelenke und zog ihr die Hände vom Gesicht. Zu Rosies Erstaunen fing er zu singen an: »There may be trouble ahead …« Ginnys Mund öffnete sich. Rosie traute ihren Ohren nicht, niemals hätte sie damit gerechnet, Sam einen Song von Irving Berlin singen zu hören: Let’s Face the Music and Dance.
Er sang mit tiefer, melodischer Stimme, die ein wenig rau war. Sie wäre vielleicht nicht kräftig genug gewesen, um damit auf die Bühne zu gehen, aber eine Offenbarung war es nichtsdestoweniger. Rosie und Faith sahen sich erstaunt an. Ginnys Gesicht verwandelte sich. Sie wirkte wie vor den Kopf gestoßen, als Sam sie scherzhaft im Tanz herumwirbelte, was sie mit sich geschehen ließ. Und er sang weiter: »I get no kick from champagne …« Cole Porter diesmal: I Get a Kick Out of You.
Rosie lächelte. Es war das Absurdeste und Rührendste, was sie je erlebt hatte. Ginnys Augen wurden groß und sie stöhnte: »Oh – o Sam!«
Sie streckte ihre Hände nach ihm aus. Er schloss sie in seine Arme.
Noch nie zuvor hatte Rosie erlebt, wie sich seine Aufmerksamkeit voll und ganz auf eine andere Frau konzentrierte. Und in ihre Erleichterung schlich sich unvermittelt Eifersucht.
»Oh, du bist es wirklich. Mein Sam. Du meine Güte – all die Jahre – warum bist du hier? Und Jon, wo ist er?«
Ihm liefen Tränen übers Gesicht. »Der ist nicht bei uns, aber es geht ihm gut. Du warst hier gefangen. Ich wusste, dass du uns nicht mit Absicht verlassen hast.«
Ginny löste sich aus seiner Umarmung und setzte sich neben Faith an den Tisch, wo sie ihr Gesicht in ihren Händen verbarg. Während sie nach Fassung rang, nahm Sam im Schneidersitz neben Rosie Platz und sagte: »Sie liebte diese alten Songs. Nicht wahr, Mum? Wir haben sie zusammen gesungen, weißt du noch?«
Ginny ließ ihre Hände sinken. Ihr Eisköniginnengesicht war rosa gefleckt. »Ja – aber wenn man lange Zeit hier ist, verblasst die Vergangenheit wie ein Traum. Doch an den Tag, als ich Stonegate verließ, erinnere ich mich, als wäre es gestern gewesen. Auf dem Weg nach draußen bin ich auf dich und deine Brüder gestoßen, Rosie.«
»Du hast uns Angst gemacht«, warf Rosie ein.
»Oh, an diesem Tag war ich ganz außer mir vor Wut. Ich kam nach Elysium, um mich dort ein paar Tage auszuruhen und mir zu überlegen, wie es weitergehen sollte. Dann konnte ich nicht mehr weg. Das Portal war blinder Stein. Ich hätte wissen müssen, dass Lawrence die Tore aufgeben würde.«
»Hat er aber nicht«, sagte Sam. »Er vertritt hartnäckig die Meinung, dass von dieser Seite Gefahr droht. Stimmt das?«
Ginny antwortete nicht. Sie schüttelte den Kopf und ihre Augen spiegelten die Fülle ihrer unausgesprochenen Gedanken. »Ich bin eine schlechte Gastgeberin, völlig aus der Übung«, sagte sie und ging, um das Feuer anzufachen und einen Kessel über die Flammen zu hängen. Sie holte einen Patchworkquilt und legte diesen über Faiths Schultern, dann stellte sie Tassen und einen Krug mit Fruchtsaft auf den Tisch, gefolgt von Keksen, Obst und Käse. Der Saft schmeckte nach Erdbeeren und Granatäpfeln. Obwohl Rosie hundemüde war, belebten Essen und Trinken sie wieder und die Angst um Lucas kehrte zurück.
»In Elysium ist es Tradition«, sagte Ginny, »zur irdischen Erntezeit am Portal mit Geschenken für die Vaethyr zu warten. Jahr für Jahr habe ich dort auf euch gewartet, aber ihr kamt nie.«
»Ich wünschte, wir hätten kommen können.« Sams Stimme brach fast vor Rührung. »Aber Vater gab nicht nach.«
»Und offenbar können die Aelyr von dieser Seite das Portal nicht öffnen?«, erkundigte sich Rosie.
Ginny antwortete kopfschüttelnd: »Ein Torhüter sollte beiden Seiten dienen. Aber Lawrence hat sich in dieser Rolle nie wohlgefühlt.« Und sie schloss lässig die Frage an: »Wie geht es ihm?«
Eine lange Pause folgte. »Er hat wieder geheiratet«, sagte Sam.
Ihr Gesicht versteinerte. »Hat er? Und wen?«
»Eine Menschenfrau namens Sapphire, die für ihn gearbeitet hat.«
»Oh. Ich glaube, ich erinnere mich an sie. Sie war im Laden in New York … Ich bin ihr wohl einmal begegnet.«
»Sehr geschleckt und immer lächelnd, und sie sagt immer allen, was sie tun sollen.«
»O ja, Lawrence liebte es, gesagt zu bekommen, was er tun soll«, sagte Ginny giftig. »Er wird begeistert sein. Menschlich, tatsächlich? Ist er glücklich?«
»Wann ist Dad jemals glücklich?«, erwiderte Sam grinsend. Während dieser Unterhaltung rutschte Faith immer tiefer, bis sie flach dalag, den Kopf auf einem Kissen und Heather in tiefem Schlaf in ihren Armen. Ginny deckte beide mit einem Quilt zu. »Sie gaben sich nach außen unerschütterlich, aber seit einer Weile ist der Ton recht frostig.«
Dabei spielte ein wissendes Lächeln um Ginnys Mund. »Ah. Typisch dein Vater.« Sie sah Rosie an. »Anfangs ist er der Liebhaber, von dem jeder träumt – bis man merkt, dass er einen verschlingt, um den eisigen Riss in seiner Seele zu wärmen. Doch das vermag keiner. Dann wendet er sich ab und krönt sich selbst zum arktischen Prinzen. Das hat er mit mir so gemacht und dann mit Jessica. Und mit Sapphire wird er es genauso machen.« Ihr Gesicht zog sich in die Länge und sie sagte: »O Rosie, das tut mir leid. Du weißt vielleicht gar nicht Bescheid über Lawrence und deine Mutter. Jetzt bin ich wirklich unglücklich abgeschweift.«
»Ist schon gut, alle wissen es«, sagte Rosie.
»Gut«, sagte Ginny knapp, »dann ist meine Demütigung ja vollkommen.« Sie war nicht warmherzig und heimelig, wie Rosie auffiel, sondern das polare Gegenteil von Jessica. »Ich habe natürlich nichts gegen Lucas. Ein wunderschöner Junge.«
»Er ist der Grund, weshalb wir hier sind«, warf Rosie ein und erklärte in knappen Worten, was vorgefallen war.
Traurig stellte Ginny eine große braune Kanne voll Tee auf den Tisch, bevor sie antwortete. Jede ihrer Bewegungen war selbstsicher und voll göttlicher Anmut. »Es ist richtig, das elfische Seelenwesen fühlt sich zur Spirale hingezogen, hingezogen zum Zentrum von Asru, dem Spiegelteich …«
»Und können wir ihm nachgehen?«, fragte Rosie voller Angst. Sie spürte Sams Hand auf ihrem Knie. »Nach allem, was ich weiß, könnte das so weit wie eine Reise nach Sibirien sein. Ich habe Angst, dass wir zu viel Zeit verlieren.«
»Es gibt einen ganz speziellen Weg, den ihr gehen müsst, und ich kann euch nicht versprechen, dass er leicht ist, aber gangbar ist er. Doch ihr könnt erst im Hellen aufbrechen. Sonst verirrt ihr euch, werdet verschleppt oder gefressen. Und ihr haltet keine fünf Minuten lang durch, wenn ihr nach der Initiationsdroge nicht geschlafen habt.«
Rosie wusste, dass sie recht hatte. Sie trank den heißen honigsüßen Tee und versuchte nicht daran zu denken, dass ihre Mission scheitern oder das Lych-Tor sich hinter ihnen wieder geschlossen haben könnte.
»Hat Lawrence euch denn jemals erklärt, warum ich gegangen bin?«, fragte Ginny nach einer Weile.
»Komm schon, wir sprechen hier von Dad«, meinte Sam. »Natürlich nicht. Wir hatten ihn sogar in Verdacht, dass er dich ermordet und im Wald vergraben haben könnte.«
Ginny verzog das Gesicht. »So weit würde nicht mal Lawrence gehen.«
Rosie warf ein: »Aber es hat sicherlich nicht gerade geholfen, dass meine Mutter und Lucas immer präsent waren.«
»Oh, das.« Ginny strich sich das Haar zurück über die Schultern. »Wir glauben zwar immer, den Sterblichen überlegen zu sein, sind es aber nicht. Wir sind genauso anfällig für schlechtes Benehmen wie für unsinnige Eifersucht. Lawrence pflegte einem Streit immer eher aus dem Weg zu gehen, als sich ihm zu stellen«, meinte sie achselzuckend. »Wir bekriegten uns seit Jahren und quälten einander. Richtig treu war keiner von uns beiden. Und was Jessica betrifft, hege ich keinen Groll.«
Ginny lächelte matt. Sam sah sie entsetzt an. »Nein, der Grund, weshalb ich wegging, war vielschichtiger. Als Elfenwesen sind wir sehr sensibel, was die tieferen Schichten der Realität angeht. Manchmal treibt uns das in den Wahnsinn. Lawrence wollte in Ecuador leben. Für mich jedoch waren der Regenwald und Dumannios albtraumhaft miteinander verbunden. Ich musste nach Hause, wo die Schattenreiche friedlich und freundlich gesinnt sind. Er hielt es für richtig, dich und Jon aufs Internat zu schicken, aber ich war nicht damit einverstanden.«
Sam, der sehr blass aussah, sagte: »Als Torhüter hätte Dad doch ohnehin nicht auf Dauer im Ausland leben können …«
»Das bedeutete nicht, dass ihr ihm gleichgültig gewesen wärt«, sagte Ginny und berührte seine Hand. »Das darfst du nicht denken. Nein, es war seine Pflicht als Torhüter, vor der er fliehen wollte. Das konnte er natürlich nicht, aber er verübelte es mir sehr, dass ich ihn ständig mit dieser Wahrheit konfrontierte. Und ich hasste ihn dafür, dass er meine Ängste nicht verstand, obwohl er sie besser hätte verstehen müssen als jeder andere. Das war das Problem, Sam. Auf uns beiden lag ein ähnlicher Fluch, doch wir weigerten uns, das anzuerkennen. Wir waren beide verbohrt.«
Sam runzelte die Stirn und sah sie aus schmalen Augen an. »Er ist wahnsinnig paranoid. Er behauptet, es gäbe eine gewaltige Kraft, die nur darauf warte, die Tore zu durchbrechen und uns zu zerstören. Manche glauben ihm, manche nicht.«
»Diese Dunkelheit trug er schon immer mit sich herum.« Ginnys blickte wanderte nach unten und zur Seite. »Und sie trieb mich weg. Hätte ich jedoch gewusst, dass ich hier gefangen sein würde, wäre ich niemals hergekommen.«
»Aber er muss doch vermutet haben, dass du hier warst, als er das Tor versiegelt hat? Dieser Mistkerl!«
»Er wird seine Gründe gehabt haben.«
»Er hat versucht, dich zu finden, dessen bin ich mir sicher«, sagte Rosie. »Er war bestimmt am Boden zerstört, konnte das aber einfach nicht zeigen.«
»Ich liebte ihn«, sagte Ginny schlicht. »Ich verließ ihn, weil ich nicht mehr weiterwusste. Doch es sollte nicht auf Dauer sein.« Sie schauten einander an. Nach einer Weile senkte sie ihren Blick und fragte zärtlich: »Und was ist mit dir, Sam? Sieh dich an, ein feiner, kräftiger Mann bist du geworden. Wie geht es dir, was ist passiert? Erzähl mir alles.«
»Meine Güte, wo soll ich da anfangen?« Er seufzte. Rosie sah, wie seine Schultern unter der Last der Erinnerung absackten. »Können wir nicht stattdessen ein paar nette Cole-Porter-Songs singen?«
»Nein, können wir nicht.«
»Soll ich euch allein lassen?«, fragte Rosie vorsichtig.
»Nein, Rosie, geh nicht.« Sam ergriff ihre Hand. »Die Wahrscheinlichkeit, dass sie mich prügelnd hier durch den Raum jagt, ist geringer, wenn du dableibst.«
»Schade. Das wäre sicher sehenswert gewesen«, sagte Rosie.
Ginny musterte sie mit hochgezogener Braue. »Ihr zwei seid ein Paar, sehe ich das richtig?«
»Äh«, sagte Sam und warf einen Seitenblick auf Rosie. »Ich arbeite daran.«
Rosie biss sich auf die Lippe und errötete. »Das ist der Grund, weshalb wir in diesem Schlamassel stecken.«
Eine oder zwei Stunden später führte Ginny sie durch einen Bogengang in einen kleinen Durchgang, von dem zwei Räume abgingen. Vor den Eingängen gab es keine Türen, nur schwere Vorhänge. Sie zog einen dieser Vorhänge für sie beiseite, gab beiden einen Gutenachtkuss und war verschwunden.
»Meine Mutter«, flüsterte Sam. »Ich habe meine Mutter gefunden. Habe ihr alles erzählt und sie spricht noch immer mit mir.« Er strahlte vor Freude.
»Ich mag sie«, sagte Rosie. »Ihre gallige Art gefällt mir. Jetzt weiß ich wenigstens, woher du sie hast.«
Der Raum war sonderbar und schien dem äußeren Umriss des Hauses in keiner Weise gerecht zu werden. Er war fast dunkel, getaucht in einen mitternachtsblauen Schimmer, Wände und Decke blieben im Schatten. Der Fußboden fiel zum anderen Ende leicht ab und war mit einem dicken, trockenen Teppich aus moosigen Wedeln ausgelegt. Es gab keine Möbel, nur in der Mitte eine gepolsterte Vertiefung.
»Ich nehme an, das ist das Bett«, sagte Sam. »Irgendwie freudianisch, oder? Sieht aus wie ein Mund oder … so.« Er ließ den Rucksack fallen und zog seine Stiefel aus. Rosie machte dasselbe und spürte den Teppich warm und weich unter ihren Füßen. Ein schwacher Lichtschein in der Wand zu ihrer Rechten verlockte sie, diesem nachzugehen.
Sie entdeckte einen schmalen, gewundenen Durchgang in weichem Dämmerschein, der zu einer kleinen Höhle führte. Über die glatt polierten Kalksteinwände ergoss sich ein Quell, der durch ein Loch in einen unterirdischen Flusslauf verschwand. Offenbar ein elfisches Badezimmer. Sie machte Gebrauch von dem Loch – in der Hoffnung, dass es für diesen Zweck vorgesehen war –, zog sich dann aus und duschte unter dem eiskalten Wasserfall. In einer Spalte im Fels steckten Unmengen trockenes Grünzeug, das man in Fetzen abreißen konnte, um sich damit abzutrocknen. Zitternd zog Rosie sich rasch wieder an.
»Da hinten ist die verrückteste Nasszelle, die ich je gesehen habe«, sagte sie, als sie zurückkam. »Aber es gibt kein heißes Wasser.«
Sam ging in den Durchgang und spähte hinein. »Gibt es Handtücher?«
»Nein. Nimm das schwammige Zeug.« Nervös wartete sie auf ihn. Als er zurückkam, stand sie neben dem Eingang und betrachtete die seltsame ovale Schlafgelegenheit.
»Du hast das Bett noch nicht ausprobiert?«, fragte er, wobei er sich auf den Rand setzte und sie ansah. »Fühlt sich kuschelig weich an.«
Rosie umschlang ihren Körper mit ihren Armen. Ihr war plötzlich eiskalt. Er schob seine Zunge durch die Zähne und sah sie fragend an. »Was ist denn? Ich werde nicht über dich herfallen.«
»Tatsächlich? Wie schade«, sagte sie, um eine scherzhafte Antwort bemüht, die ihr nicht gelingen wollte. Sie ließ ihre Hände sinken. »Das weiß ich doch, Sam.«
»Aber sicher warst du dir nicht, oder? Meine Güte, Rosie, hältst du mich für derart unsensibel?«
»Hey, das habe ich nie gesagt.«
»Ich will nur noch schlafen«, sagte er. »Nicht dass ich unter normalen Umständen nicht wollte – aber so, wie die Dinge liegen, kann ich gar nicht. Ich bin keine Maschine. Und richtig wäre es auch nicht, das weiß ich. Ich bin kein völliger Neandertaler, weißt du.«
»Nun beruhige dich doch, Sam«, sagte sie und kniete sich vor ihn. »Das habe ich dir nie unterstellt. Ich bin verlegen, das ist alles. Ich war mit dir noch nie in einer solchen Situation.«
Er atmete aus. Sein gequälter Ausdruck verschwand. »Tut mir leid, mein Schatz«, sagte er. »Wie kann ich mir anmaßen, den Entrüsteten zu spielen? Warum solltest du mir auch trauen in Anbetracht meiner Erfolgsgeschichte, bei jeder sich mir bietenden Gelegenheit über dich herzufallen?«
»Aber ich vertraue dir«, sagte sie und es war ihr ernst damit – denn ohne Vertrauen bliebe ihnen gar nichts. »Lass uns nicht streiten. Wir sind beide erschöpft und können nicht mehr klar denken.«
Er lächelte reuevoll und blass im Dämmerlicht. »Nun komm schon. Du schläfst auf diesem weichen Ding hier. Ich lege mich auf den Boden.«
»Okay.«
Sam behielt seine Kleider an und sie ebenfalls, bereit, zu kämpfen oder zu fliehen. Vorsichtig legte sie sich in die Vertiefung. Sie entdeckte einen Quilt in Dunkelviolett mit einem komplizierten Muster aus kleinen Blüten. Als sie auf dem weichen, seidigen Moospolster lag und sich zugedeckt hatte, glaubte sie zu schweben. Nach einer Weile sagte sie: »Es ist unglaublich bequem.«
»Schön.«
Nun versteh doch meinen Wink, verdammt. »Was meinst du, Sam, bedeutet, keinen Sex zu haben, auch, dass wir nicht zusammen schlafen können?«
»Hm.« Er lag ein paar Meter weit entfernt und stützte sich auf seinem Ellbogen auf. »Das hängt ganz davon ab, ob du dich beherrschen kannst, Süße.«
Sie lachte leise und müde. »Ich kann nicht ohne dich schlafen. Bitte halt mich fest.«
Keine Antwort, aber eine Sekunde später spürte sie, wie er sich neben ihr in die Mulde gleiten ließ. Er schlang seine Arme um sie und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »Ich dachte schon, du würdest überhaupt nicht mehr fragen. Nun schlaf schön. Ich bin da. Und morgen werden wir Luc finden.«
Das war etwas, was sie noch nie zusammen gemacht hatten: voll bekleidet ein Bett zu teilen und einander in den Armen zu halten. Es war seltsam und wunderbar. Rosie drehte sich auf die Seite und fiel, umarmt von Sam, der hinter ihr lag, in einen erschöpften Schlaf.
Sam lag da und hielt Rosie fest, sein Gesicht in ihrem Haar. Ihr Körper schmiegte sich an seinen, als wäre er dafür geschaffen. Einfach so mit ihr dazuliegen, war mehr, als er sich je erträumt hatte. Es war die reinste Wonne. Und fast nicht auszuhalten.
Irgendwann wurde sie wach und er spürte, dass sie von Weinkrämpfen geschüttelt wurde. Er streichelte ihr Haar und drückte sie fester an sich, um ihr mit seinem ganzen Sein zu vermitteln, dass er bei ihr war. Ohne es laut auszusprechen, dachte er: Ich liebe dich, denn er hätte das Schweigen nicht ertragen, wenn sie nicht das Gleiche erwidert hätte. Endlich schlief sie wieder ein.
Ich muss herausfinden, ob das das Ende oder der Anfang ist, hatte sie gesagt.
Sam hatte darauf keine Antwort.
Liebe sollte edel und selbstaufopfernd sein, Eigenschaften, deren er sich nicht rühmen konnte. Sonst wäre sie nicht dort, wo sie jetzt war.
Er wusste, dass sie ihn richtig einschätzte. Er hatte gern Unheil angerichtet, das Chaos und den schieren boshaften Spaß geliebt, sie von dem von ihr gewählten Weg abzubringen und in die dornige Wildnis zu locken. O ja, sie fallen zu sehen, hatte ihm unglaubliche Schadenfreude bereitet. Doch einen anderen Weg hätte er nicht gekannt, das war die Wahrheit. Freiwillig hätte sie ihm ihre Liebe nie geschenkt, also hatte er sie sich gestohlen. Er war wahrhaftig nicht gut genug für sie – er war grausam, selbstsüchtig, ein Wolf, der sie so lange bedrängt hatte, bis sie nachgab. Und das war das Ergebnis.
Seine Liebe würde ihr immer nur Schmerz bringen.
Wenn du etwas bekommst, was du nicht verdient hast, meldete sich beharrlich eine Stimme in seinem Hinterkopf, wie kannst du dann hoffen, es zu behalten? Doch er versuchte diese Stimme zu ignorieren. Seine süße dunkelrote Rose lag warm in seinen Armen. Und fürs Erste kam es nur darauf an.