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Verschiedene Schauplätze
19. April 2024

New York

U nd?«, sagte Natasha, den Blick auf den Computermonitor gerichtet. »Wie sieht’s aus?«

»Ich sammle Informationen«, sagte Kali.

»Sag bloß. Und worüber?«

Kali antwortete nicht. Natasha war sich nicht sicher, ob sie die Frage überhaupt gehört hatte. Kali war ganz auf ihre Aufgabe konzentriert. Bei ihrer gemeinsamen Webrecherche im Ouija-Stil hatte sich schnell herausgestellt, dass man im Internet auch ohne einen komplizierten Hackerangriff brauchbare Informationen finden konnte. Man musste nur wissen, wonach man suchte und wo man nachschauen musste.

Die Webseite, die Kali angeklickt hatte, hieß Global Ship Finder und war die zweite Seite, die sie in den letzten paar Minuten besucht hatte. Die erste – die Seite, die sie direkt zum Global Ship Finder geführt hatte – war die Datenbank eines ausländischen Import-Export-Handels namens Asian TradeWizard Worldwide gewesen. Diese Seite wiederum war in einer Liste von Treffern aufgetaucht, als Kali die Stichwörter USA China Handelsressourcen gegoogelt hatte. Soweit Natasha wusste, hatte sie die Seite auf gut Glück aus der Liste ausgewählt.

Die Menüleiste von Asian TradeWizard war ziemlich übersichtlich. Es gab lediglich die Rubriken Home, Internationale Verkäufer, Internationale Käufer und Transaktionen .

Kali tippte in das Suchfeld auf der Verkäufer -Seite Jinggu Technologies ein, und im Fenster darunter erschien nur ein einziges Produkt der Firma: Kernstahlrohre.

Als Nächstes klickte Kali auf der Menüleiste die Rubrik Transaktionen an und landete auf einer Seite mit den Suchfeldern für die Importeure und Exporteure.

Als Versandadresse gab sie Jinggu ein, als Lieferadresse CloudCable .

Als sie auf den Such-Button klickte, erschien eine Liste mit Kaufaufträgen. Zu jedem war die Stückzahl jeder Bestellung aufgeführt sowie Datum und Ort der Auslieferung und Zustellung. Die aufgelisteten Geschäftsvorgänge reichten ein halbes Jahrzehnt zurück, aber Kali gelang es, ihre Ergebnisse auf die letzten zwei Jahre einzugrenzen.

Seit Januar 2023 hatte es drei Lieferungen gegeben. Alle vom Hafen in Dalian, Liaoning, zum Hafen von Honolulu, Hawaii. Die erste Lieferung hatte China am 5. Januar 2023 verlassen und war am 13. Februar in Hawaii angekommen. Die zweite war am 20. August 2023 verschickt und am 26. September ausgeliefert worden. Und das dritte Schiff war am 12. März 2024 aufgebrochen und am 19. April, dem heutigen Tag, in Hawaii eingetroffen.

»Das sind verdammt viele Rohre«, meinte Natasha.

Kali drehte sich zu ihr um. »Jinggu ist die Mutterfirma von Seven Winds und hat Kontakte zur chinesischen Regierung«, sagte sie. »Die Rohre werden ausschließlich für Seekabel-Netzwerke verwendet. Und Jinggu ist CloudCables einziger Zulieferer.«

»Ernsthaft?«

»Das hat Morse heute Morgen gesagt, als Carmody und ich in ihrem Büro waren«, sagte Kali. »Aber das ist kein Geheimnis. Es gibt darüber Unterlagen. Frachtbriefe. Das meiste ist öffentlich einsehbar.«

Natasha dachte darüber nach.

»Jinggu ist wie eine Spinne in einem riesigen Netz«, sagte sie. »Alle Fäden führen zu dieser Firma. Das heißt, ich sollte wohl besser sagen, alle Stahlrohre.«

Statt etwas zu erwidern, kopierte Kali die Daten auf ihren Computer, verließ die Webseite und startete eine zweite Google-Suche. Diesmal gab sie die Wörter Frachtschiff, Tracking ein.

Erneut erschien eine Liste mit Links. Und erneut traf sie eine Wahl.

Auf diese Weise waren sie auf dem Global Ship Finder gelandet, der jetzt angezeigt wurde. Natasha überflog die Homepage und las von links nach rechts die Rubriken in der Menüleiste: Schiffe & Fracht, Häfen, Live-Tracking und Echtzeitkarte .

»Okay, lass mich raten«, sagte sie. »Du willst herausfinden, welches Schiff die Rohre geliefert hat. Oder die letzte Ladung Rohre. Stimmt’s?«

»Welches Schiff und welches Schifffahrtsunternehmen.«

»Kannst du mir sagen, warum? Oder suchen wir immer noch auf gut Glück?«

Kali antwortete nicht und schaute wieder auf den Bildschirm.

»Nein, Tash, kann ich dir nicht sagen, weil ich dich ignoriere«, murmelte Natasha vor sich hin.

Kali klickte auf die Rubrik Schiffe & Fracht , um eine neue Seite zu öffnen. Darauf gab es mehrere Suchfelder. Eines bot die Möglichkeit, nach einem Schiff und dessen Eigentümer zu suchen, indem man die neunstellige Rufnummer des mobilen Seefunkdienstes oder die Schiffsnummer eingab. Mit Hilfe von weiteren Suchfeldern ließ sich die Namenssuche auf bestimmte Schiffstypen, die Heimatländer und die geladene Fracht eingrenzen. Man konnte entweder nur ein einzelnes Feld davon ausfüllen oder eine beliebige Kombination aus allen vieren.

»Zu dumm, dass es keinen Datumsfilter gibt«, sagte Natasha. »Wirklich saublöd.«

»Notfalls versuchen wir es auf einer anderen Seite. Aber erst will ich mir die Ergebnisse auf dieser Seite ansehen.«

Sie ließ die Felder für die Ruf- und Schiffsnummer leer. Als Heimatland tippte sie Volksrepublik China ein und in das Feld für die geladene Fracht Seekabelrohre .

Aber das ergab keinen Treffer.

Also formulierte sie ihre Suchanfrage etwas allgemeiner und tippte Kabelrohre .

Ebenfalls nichts.

Sie tippte Rohre.

Doch das war zu vage. Die Seite zeigte über zwölftausend Ergebnisse an. Schließlich war China der weltweit größte Exporteur von Stahl und Stahlrohren.

Kali starrte einen Moment auf den Bildschirm. Schließlich tippte sie Seekabelröhren .

Keine Treffer.

Sie tippte Kabelröhren.

Immer noch nichts.

»Probier es mal mit Seekabelschutzrohr «, sagte Natasha. »Wenn das auch nichts ergibt, müssen wir es mit einem Thesaurus versuchen. Oder auf einer der anderen Seiten.«

Aber das war nicht nötig.

Kali tippte Natashas Vorschlag ein, und innerhalb der Webseite wurde automatisch eine weitere Seite mit eigener URL angezeigt. Es waren zwar immer noch insgesamt dreitausend Treffer, aber diesmal gab es einen Datumsfilter.

Kali tippte die letzten Abfahrts- und Ankunftsdaten ein, und es erschien:

Schiffsname: PRCMV Xingyun Liwu

Schiffstyp: Container

Baujahr: 2021

Spedition: Guiding Star Marine Logistics Co, Ltd.

»Glückliches Geschenk «, sagte Natasha.

Kali sah sie an.

»Xingyun Liwu ist Mandarin. Und das bedeutet es übersetzt«, sagte Natasha. »Das Schiff heißt Glückliches Geschenk

»Wir sollten herausfinden, wer der Eigentümer von Guiding Star ist … und wie das Unternehmen mit dem Rest von Jinggus Spinnennetz zusammenhängt«, sagte Kali.

Irgendjemand in der Meadows Court hatte die Polizei gerufen. Wahrscheinlich weil er mit dem Motorrad durch das Bungalowfenster gekracht war, dachte Carmody. Oder wegen der Schießerei im Haus oder der Granate, die auf dem Hügel explodiert war. Allerdings wäre in dieser verschlafenen Straße das Klingeln eines Weckers nicht weniger auffällig gewesen.

Wie dem auch sei, er war kaum über den Zaun in den Garten gesprungen, als er ein paar Schritte entfernt einen Mann mittleren Alters mit einer Detective-Marke am Sakko erblickte. Er fuhr zu Carmody herum, während seine Hand zu dem Holster unter seinem ausgebeulten Sakko wanderte.

»Stehen bleiben«, sagte er. »Wer zum Teufel sind Sie?«

»Ich heiße Carmody und bin von der Net Force.«

Der Mann gab ein Knurren von sich. »Können Sie sich ausweisen?«

»Wer will das wissen?«

»Ich bin Detective Lombardi.«

»Tut mir leid, Lombardi.« Carmody trat mit erhobenen Händen auf ihn zu. »Kann ich nicht.«

»Was soll das heißen?«

»Ich habe keinen Ausweis dabei.«

»Soll das ein Scherz sein?«

Carmody schüttelte den Kopf. »Ich will nicht das Risiko eingehen, dass irgendwelche bösen Jungs ihn in die Finger bekommen. Wo sind Agent Musil und seine Mädchen?«

»Vor dem Haus«, sagte Lombardi. Er deutete mit dem Kinn auf Carmodys linken Arm. Der Ärmel seiner Lederjacke war durchlöchert und blutverschmiert. »Was ist passiert?«

»Ich bin von meinem Rennrad gefallen.«

»Muss ein schlimmer Sturz gewesen sein. Sind Sie auf einen Nagel oder so was gefallen?«

Carmody sah ihn an.

»Musil und seine Kinder. Sind Sie okay?«

»Ja. Gott sei Dank.«

Carmody nickte, und Lombardi erwiderte sein Nicken.

»Ich habe einen Anruf von einem Ihrer Vorgesetzten bekommen«, sagte er. »Ihre Leute sind inzwischen eingetroffen.«

»Was stehen wir dann hier hinten noch herum?«

»Sie sind gerade hier aus den Sträuchern gekrochen. Woher verdammt noch mal sollte ich wissen, dass Sie nicht John Wayne sind?«

»John Wayne?«

»Wer auch immer«, sagte Lombardi. »Der Tatort hier gehört Ihnen. Aber die Leiche nehmen wir mit zur Obduktion.«

Carmody zog eine Augenbraue hoch. »Welche Leiche?«

»Im Kofferraum des Wagens«, sagte Lombardi. »Offensichtlich handelt es sich um den Fahrer eines Fahrdienstes.«

»Woher wissen Sie das?«

»Weil am Fenster ein Aufkleber von GoRide klebt. Und weil im Handschuhfach sein Fahrzeugschein und seine Versicherungskarte waren. Wir haben sie überprüft. Einige Leute haben doch tatsächlich ihre Papiere dabei.«

Carmody stand einen Moment lang da und sagte dann: »Ich will ihn mir ansehen.«

Lombardi zuckte ungerührt mit den Achseln.

»Wie gesagt, das ist Ihr Tatort«, erwiderte er. »Ich werde Sie zur Garage bringen, damit niemand Ihre kostbare Zeit verschwendet.«

Carmody folgte ihm zur Vorderseite des Bungalows. Dort sah er ein halbes Dutzend Streifenwagen mit blinkenden Blaulichtern. Sowie einen Transporter der Spurensicherung und einen weißen Cyber-Triage-Van der Net Force, genannt SEEKER . Während sich die Cops die Beine in den Bauch standen, schoben die Forensiker geschäftig ihre Ausrüstungswägelchen zwischen den Fahrzeugen hin und her.

Die beiden Männer gingen zur Garage. Carmody bemerkte sofort, dass der Kofferraum des Wagens offen stand. Lombardi brachte ihn hinein, und die Fotografen und Kriminaltechniker bildeten eine Gasse für ihn.

Als Carmody sich über den Kofferraum beugte, sah er darin einen jungen Mann mit eingeschlagenem Schädel liegen. Der Stoffbezug unter dem Kopf war mit halbgetrocknetem Blut durchtränkt und verklebt.

Carmody drehte sich zu Lombardi um. »Kennen Sie seinen Namen?«

»Terrence Josephs«, sagte Lombardi. »Zweiundzwanzig Jahre alt. Gerade mal volljährig. Er sieht aus, als hätte ihm jemand mit einem Backstein eins übergezogen.«

»Wissen Sie, wo er seinen letzten Fahrgast abgeholt hat?«

Lombardi schüttelte den Kopf. »Sein Telefon ist nicht da. Oder das Gerät, in dem er seine Fahrten gespeichert hat.«

»Wir müssen GoRide kontaktieren, um das herauszufinden.«

»Das haben wir bereits«, sagte Lombardi. »Ich warte noch auf den Rückruf. In so einem Fall werden sie die Informationen anstandslos rausrücken.«

»Sagen Sie mir dann Bescheid?«

»Sicher doch. Geben Sie mir Ihre Handynummer. Oder haben Sie auch kein Handy dabei?«

Carmody nickte und gab ihm die Nummer, drehte sich um und schaute zum Garagentor hinaus. Musil stand mit seinen Mädchen neben dem SEEKER .

»Im Bungalow liegt ein Motorrad mit Totalschaden«, sagte Lombardi. »Eine teure BMW . Offensichtlich ist jemand direkt durchs Fenster gerast.«

Carmody erwiderte nichts.

»Mir ist aufgefallen, dass Sie eine Motorradjacke tragen«, sagte Lombardi.

»Und?«

Lombardi zuckte mit den Schultern.

»Sie müssen mit Ihrem Rennrad höllisch schnell unterwegs sein«, sagte er. »À la Steve McQueen.«

»Der ist jedenfalls schneller als John Wayne«, sagte Carmody.

Newark, New Jersey

Die Badezimmerfliesen waren mit Blut vollgespritzt. Grigor hatte fünf Autominuten vom Flughafengebäude entfernt ein billiges Motel gefunden, sich ein Eckzimmer im ersten Stock genommen und seinen Rucksack entsorgt. In einem Tankstellen-Shop gegenüber dem Motel hatte er einen Erste-Hilfe-Koffer gekauft. Er enthielt sterilen Verbandsmull, Reinigungstücher, eine Tube antibiotischer Salbe und medizinisches Klebeband.

Grigor saß jetzt, nur mit einem blutverschmierten Handtuch um die Taille gewickelt, auf einem Stuhl vor dem Türspiegel im Badezimmer. Zwar waren nur Hemd und Jacke voller Blut gewesen, aber um die Hose nicht schmutzig zu machen, hatte er sie ebenfalls ausgezogen.

Die Eintrittswunde hatte einen Durchmesser von etwa sechs Millimetern und war etwas kleiner als die Kugel. Wenn eine Kugel in menschliches Gewebe eindrang, wölbte sich die Haut rings um das Loch nach innen. Das war ein natürlicher Heilungsprozess. Der Körper versuchte, die Wunde zu schließen.

Grigor schätzte, dass er nicht besonders stark blutete. Tatsächlich hatte die Blutung in den letzten paar Stunden nachgelassen, sodass er die Wunde nicht nähen musste. Wenn er sie gut säuberte und verband, würde die Blutung vollständig aufhören.

Er griff in den geöffneten Erste-Hilfe-Koffer auf dem Boden und desinfizierte mit den Reinigungstüchern und der Salbe die Wunde. Anschließend nahm er die Rolle Verbandsmull heraus, schnitt mit seinem Messer einen langen Streifen davon ab und faltete ihn zu einem akkuraten, dicken Rechteck zusammen. Er legte es auf die Wunde und übte gleichmäßig Druck darauf aus, während er mit zusammengebissenen Zähnen einatmete. Unter dem Verbandsmull quoll Blut hervor, lief an seiner Taille herunter und tropfte zwischen den anderen Flecken auf die Fliesen. Aber er musste das Loch in seinem Gewebe wieder schließen.

Während er fest auf den Verbandsmull drückte, griff er nach dem Klebeband und wickelte es um seine Taille. Zweimal, dreimal. Er verbrauchte fast die ganze Rolle.

Er holte langsam tief Luft, während der Schmerz in der Seite allmählich nachließ. Er vermutete, dass die Kugel nach dem Eintritt ins Gewebe eine Rippe getroffen hatte. Andernfalls hätte sie seinen Körper glatt durchschlagen. Wahrscheinlich war die Rippe gebrochen. Aber er konnte nicht feststellen, wie stark seine Organe verletzt waren. Vielleicht waren die inneren Blutungen schlimmer, als es äußerlich den Anschein hatte. Vielleicht lief das Blut in Bauch und Brust. Der Verband war nur eine Notlösung. Er musste sich einem chirurgischen Eingriff unterziehen, um die Splitter entfernen und die inneren Verletzungen verarzten zu lassen, die sie womöglich verursacht hatten.

Doch er glaubte, dass er für eine Weile zurechtkam. Sein Flug ging bereits in gut zwei Stunden. Er könnte sich in der Maschine ausruhen und anschließend seinen Auftrag beenden. Danach würde er sich gründlich um die Verletzungen kümmern.

Grigor stand auf, begutachtete seinen Verband und nickte zufrieden. Er war ordentlich befestigt. Er würde jetzt das Blut auf dem Badezimmerboden aufwischen, den Waschlappen und die Handtücher entsorgen und sich anziehen. Anschließend wollte er vor dem Flug noch irgendwo etwas essen.

In zwölf Stunden wäre er in O’ahu. Kein Problem. Das Ende war in Sicht.

New York

Um den Eigentümer von Guiding Star Marine Logistics zu ermitteln, mussten Kali und Natasha nur die Webseite des Unternehmens aufrufen.

Die Seite war auf Englisch verfasst, zudem noch auf Chinesisch, Russisch und Französisch verfügbar. Als alleiniger Eigentümer der Firma, mit Sitz in Shanghai und weiteren Büros in Jilin, wurde ihr Gründer, ein Mann namens Zhou Bohai, aufgeführt.

In der Rubrik mit den Hintergrundinformationen fand sich eine Zusammenfassung von Bohais Familiengeschichte und der Historie der Firma, die beide kaum voneinander zu trennen waren. Obwohl Guiding Star erst 1986 als Seefrachtspedition gegründet worden war, verwies Zhous Familie stolz darauf, dass sie seit Anfang des neunzehnten Jahrhunderts eine regionale Größe im Transportgewerbe war, seit das damalige Clan-Oberhaupt auf einem Abschnitt der Seidenstraße eine Handelsroute eröffnet hatte.

Natasha las sich zusammen mit Kali stumm den Text durch, während sie herunterscrollte. Schließlich scrollte sie wieder nach oben, zu einem Familienfoto. Laut Bildunterschrift war es im Jahr 2017 aufgenommen worden. Es zeigte Bohai, einen Mann von Ende vierzig mit Glatze und Doppelkinn, zusammen mit etwa einem Dutzend Verwandten, mit seinen Eltern, Geschwistern und ihren Ehepartnern. Im Text darunter wurden die Namen sämtlicher Familienmitglieder und, in Klammern, ihre Beziehung zu Bohai aufgeführt. Links von ihm, in der mittleren Reihe, stand eine schlanke, attraktive Frau, die ungefähr zehn Jahre jünger als er war.

Kali tippte mit dem Finger auf das Bild. »Siehst du diese Frau? Hier steht, dass sie Deng Jing heißt. Sie ist Zhou Bohais Schwester. Sie ist die Eigentümerin von Seven Winds. Und das rechts von Jing ist ihr Ehemann, Yannan.«

»Moment, noch mal, mir dreht sich der Kopf«, sagte Natasha. »Der Besitzer der Firma, die die von CloudCable in China gekauften Rohre transportiert, Zhou Bohai, ist der Schwager des Typen, dessen Firma sie produziert?«

Kali nickte. »Deng Yannan. Eigentümer von Jinggu.«

»Und Bohais Schwester und Yannans Frau ist Deng Jing, deren Firma von Jinggu diese zwölf dubiosen Küchenhilfen bekommen hat?«

Kali nickte erneut. »Ihre Firma ist Seven Winds.«

»Und Seven Winds hat dieses dreckige Dutzend an Bord der Stalwart geschickt. Wo Grigor sie einfach durchgewinkt hat. Der sich als Boarding Agent Stephen Gelfland ausgegeben hat. Der wiederum letztes Jahr verschwunden ist, bevor das Schiff in See stach, und von dem man nie wieder etwas gehört oder gesehen hat. Genauso wie von der Stalwart

»Guiding Stars Rohrladung hat Shanghai mehrere Wochen vor dem Verschwinden der Stalwart verlassen. An Bord der Xingyun Liwu . Dem größten Containerschiff ihrer Flotte.«

»Und gestern hat die Xingyun Liwu im Hafen von Honolulu angelegt.«

»Genau.«

»Und heute hat der Mann, den wir für Grigor halten und der es irgendwie von Bord der Stalwart geschafft hat, versucht, Jot Musil zu töten. Den Agenten, der das Verschwinden des Schiffes untersucht hat und, was kein Zufall ist, den Verbleib von Stephen Gelfland.«

»Ja«, sagte Kali. »Und wir wissen, was seitdem noch alles passiert ist.«

»Meinst du nicht, dass jemand mal die Xingyun Liwu unter die Lupe nehmen sollte? Dass jemand mit verdammter Warp-Geschwindigkeit nach Hawaii düsen sollte?«

»Genau das werde ich tun«, sagte Kali.

Carmody fuhr im Heck des SEEKER zum Terminal zurück. Da es am Tatort keine digitalen Beweise gab, die man hätte einsammeln können, war der Van nicht lange dortgeblieben.

Unterdessen fuhren die Cops Jot Musil und seine Töchter nach Hause. Musil hatte darauf bestanden, dass die Mädchen dort ein paar persönliche Sachen holten, bevor er sie zu Verwandten brachte. In ihrem Haus waren sie nicht sicher, da über Malkiras Verbleib nach wie vor nichts bekannt war.

Der SEEKER war ein cyber-forensisches Labor auf Rädern. Der hintere Bereich, der von Leuchtstoffröhren in ein weiches Licht getaucht wurde, sah aus wie das Innere eines Raumschiffs. Die Wände wurden von Computern, Bedienfeldern, Arbeitsflächen und Drehstühlen gesäumt, und eine Filteranlage recycelte die Luft. Insgesamt drei Techniker waren momentan mit dem Wagen unterwegs.

Der Van fuhr jetzt wieder zurück nach Manhattan, und Carmody hockte auf einem der freien Stühle und dachte nach, während er versuchte, seinen linken Arm möglichst ruhig zu halten.

Sie hatten nicht mal die Queensboro Bridge erreicht, als sein Telefon klingelte. Die Nummer sagte ihm nichts, aber aus einer Ahnung heraus nahm er den Anruf entgegen. Und er hatte richtig vermutet.

»Carmody. Hier ist Lombardi.«

»Was haben Sie für mich?«

»Sie überschlagen sich ja förmlich vor Höflichkeit«, sagte Lombardi. »Wendell Balen. Das ist der Name, unter dem Ihr Mann den Wagen von GoRide bestellt hat.«

»Haben Sie sein Fahrtenprotokoll?«

»Er wurde um halb zwei angefordert. Abholort war ein Pub namens Caswell’s Ale House. Er befindet sich in der West Fifty-Third Street, in der Nähe der Seventh Avenue.«

Carmody dachte, das war nur ein paar Blocks von der Stelle entfernt, wo Malkira das Taxi abgestellt hatte.

»Balen hat zwei Ziele angegeben«, sagte Lombardi. »Den Bungalow in der Meadows Court. Und als Zweites den LaGuardia Airport. Aber ich vermute, das war nur ein Ablenkungsmanöver. Denn dort ist er gar nicht gewesen.«

»Wissen Sie, wann er abgeholt wurde?«

»Der Fahrer ist um dreizehn Uhr achtundzwanzig am Pub eingetroffen.«

»Das heißt, dass er gegen vierzehn, vierzehn Uhr fünfzehn am Bungalow war.«

»Bei mäßigem Verkehr, ja. Wahrscheinlich hat Ihr Mann alles im Voraus geplant. Hat Josephs in der Einfahrt getötet, ihn in den Kofferraum verfrachtet und ist anschließend zur Schule gefahren, um die Kinder zu holen. Sie ist nur etwa fünf Minuten entfernt.«

»Gibt es sonst noch was?«

»Ich nehme an, dass er nicht wirklich Balen heißt. Nicht dass Sie es mir sagen würden, falls ich recht habe.«

Carmody erwiderte nichts.

»Dacht ich’s mir doch«, sagte Lombardi. »Die Kreditkarte, die er benutzt hat, ist allerdings sauber. Sie wurde im Jahr 2022 ausgestellt. Das GoRide-Konto wurde erst heute eröffnet.«

»Ist dort Wendell Balens Anschrift angegeben?«

»GoRide reicht eine gültige E-Mail-Adresse«, sagte Lombardi. »Sie nutzen bestimmt oft einen Fahrdienst, wenn Sie nicht gerade mit teuren Motorrädern durch Fensterscheiben brettern.«

Carmody schwieg erneut für einen Moment. »Wenn die Karte echt ist, hat das Unternehmen in seinen Unterlagen Balens Postanschrift. Und weitere Informationen, die bei der Kontoeröffnung angegeben wurden. Irgendjemand muss einen Antrag ausgefüllt haben.«

»Ja.«

Carmody gab ein Knurren von sich. »Haben Sie sonst noch was zu Balen?«

»Wenn ich sage, dass das Ihr Fall ist, dann meine ich das auch«, sagte Lombardi. »Ich reiße mich nicht um zusätzliche Arbeit.«

Carmody saß schweigend da, während der Transporter weiterfuhr.

»Okay«, sagte er schließlich. »Danke für den Anruf.«

»Keine Ursache, McQueen. Falls Sie irgendwann mal Lust haben, mir zu erzählen, worum es bei der Sache geht, lade ich Sie auf ein Bierchen ein.«

»Auf eins oder mehrere?«

»Hey, ich wohne jetzt zwar schon mein ganzes Leben in Queens und bin ein Mets-Fan, aber das macht mich noch nicht zu einem beschissenen Geizkragen.«

Carmody nickte mit dem Telefon am Ohr.

»Gut zu wissen«, sagte er.

»Manche Leute haben wirklich ein unverschämtes Glück«, sagte die Ärztin. Auf ihrem Schild stand der Name Lina Rae, und sie war Notfallchirurgin im Mount Sinai West Hospital in Hell’s Kitchen, das etwa vier Blocks nördlich des Terminals lag.

»Seit wann ist es Glück, wenn man von einer Kugel getroffen wird?«, fragte Carmody.

Er saß mit nacktem Oberkörper auf einer Liege in der Notaufnahme, während Rae den Verband inspizierte, den sie zusammen mit einer Schwester an seinem Unterarm angebracht hatte. Die Sichtschutzvorhänge waren zugezogen, und aus einem Infusionsbeutel tropfte eine antibiotische Lösung in seinen Arm.

»Sie können von Glück reden, dass die Kugel Ihre Arterie verfehlt und weder Knochen noch Nervengewebe getroffen hat, weil Ihre Oberarme dick wie Baumstämme sind, weshalb Sie, abgesehen von der Schusswunde, kaum verletzt sind«, sagte Rae. »Auf den Röntgenbildern ist zu sehen, dass ich das meiste herausholen konnte. Aber ich glaube, es stecken immer noch ein paar Splitter in Ihrem Arm.«

»Ach ja?«

»Genug, um einen Metalldetektor auszulösen. Einige sind allerdings von Narbengewebe umhüllt, offenbar sind sie schon älter. Aber ohne weitere Scans kann ich die neuen von den alten nicht unterscheiden.«

Carmody gab ein Knurren von sich und schaute zu dem Infusionsbeutel hoch. Er hatte sich zu einem Drittel geleert, seit sie die Nadel in seinen linken Handrücken gebohrt hatte. Er griff mit seinem rechten Daumen und Zeigefinger nach der Kanüle.

»Was tun Sie da?«, fragte Rae.

»Ich mach mich los.«

»Das dürfen Sie nicht«, sagte sie.

Er zog die Nadel heraus, hängte den Schlauch über die Stange und lächelte sie an. »War gar nicht so schwer.«

Sie machte ein finsteres Gesicht. »Sie haben noch nicht die volle Dosis Amoxicillin bekommen. Außerdem möchte ich Sie noch zur Beobachtung hierbehalten. Wenigstens für zwei Stunden.«

Carmody stand auf. Sein T-Shirt und die Jacke hingen über der Rückenlehne eines Stuhls neben der Liege. Er nahm das T-Shirt und begann, es mit einer Hand anzuziehen. Es war ein mühsamer Kraftakt, da er seinen linken Arm nicht vollständig anheben und ausstrecken konnte. Dennoch schaffte er es irgendwie, das verdrehte T-Shirt über seinen Kopf zu ziehen.

Rae steckte den Kopf durch den Vorhang, und einen Moment später betrat Kali den kleinen Raum.

»Ich dachte, du wärst draußen im Wartezimmer«, sagte Carmody.

»War ich auch.« Sie nahm die Jacke vom Stuhl und hielt sie ihm auf, sodass er einen Arm in den Ärmel stecken konnte. »Ich dachte, du könntest etwas Hilfe brauchen.«

»Nicht nötig.«

»Natürlich nicht«, sagte sie und trat hinter ihn, um ihm mit dem anderen Arm zu helfen.

Rae musterte ihn.

»Da Sie nur ambulant behandelt wurden, Mr. Carmody, kann ich Sie nicht daran hindern zu gehen«, sagte sie. »Ich rate Ihnen allerdings dringend, für ein paar Tage jede Art von Anstrengung zu vermeiden. Ruhen Sie sich aus. Außerdem möchte ich, dass Sie in etwa einer Woche noch mal vorbeikommen. Aber ich weiß, dass das nicht passieren wird.«

»Woher wissen Sie das?«

Rae sah Kali über Carmodys Schulter hinweg an. Kali erwiderte ihren Blick und half ihm weiter in die Jacke.

»Danke für Ihre Geduld, Doktor«, sagte sie. »Sind wir hier fertig?«

Rae nickte.

»Das war’s«, sagte sie.

Es war Viertel nach sechs, als Kali und Carmody die Notaufnahme verließen und Richtung Downtown zum Hauptquartier liefen. Über dem Fluss ging gerade die Sonne unter, und die Tenth Avenue wurde in ein trübes, diffuses Licht getaucht. Die Polizeiautos und Rettungswagen, die nach Ki Martons Tod mit heulenden Sirenen hier eingetroffen waren, standen nicht mehr da. Der Verkehr hatte ebenfalls nachgelassen, und es waren kaum noch Büroangestellte unterwegs. Da sie sich mehrere Blocks nördlich des Tatorts befanden, konnte Carmody die Kreidemarkierungen in der Nähe der Kreuzung zwar nicht sehen, aber er wusste, dass sie noch da waren. Es würde eine Weile dauern, bis die Autoreifen und der Regen sie beseitigen würden.

In diesem Moment klingelte das Handy in seiner Tasche. Für einen Moment dachte er, es sei noch einmal Lombardi. Aber es war Morse.

»Ist mit dir alles in Ordnung?«, fragte sie.

»Eigentlich nicht«, sagte Carmody. »Was gibt’s?«

»Wir haben Neuigkeiten zum Wendell-Balen-Alias«, sagte Morse. »Wo bist du gerade?«

Carmody blickte zum Terminal, das ein, zwei Blocks entfernt war. »Wenn du eine Wasserbombe vom Dach wirfst, könntest du mir eine hübsche Dusche verpassen.«

»Du bist schon verletzt, da will ich dich nicht auch noch demütigen«, sagte sie. »Kommt schnell in mein Büro. Ich habe interessante Neuigkeiten.«

»Schieß los«, sagte Carmody. »Wendell Balen.«

Er hockte rittlings und breitbeinig auf einem Stuhl in Carol Morses Büro. Sie saß hinter ihrem Schreibtisch, und Kali und Leo Harris hatten links und rechts von Carmody Platz genommen.

»Die Kreditkartenfirma hat uns ihre Daten übermittelt«, sagte Morse. »Das war äußerst zuvorkommend. Trotz des Gesetzes zum Identitätsdiebstahl und der Bedrohungslage hätten sie auf dem offiziellen Dienstweg bestehen können.«

»Was hast du zu Balen?«, fragte Carmody.

»Die Karte gehört zu seinem Geschäftskonto. Das ist auf eine Adresse in Durham, North Carolina, registriert. Ich habe unsere Leute sie überprüfen lassen, und es handelt sich um eine gültige Adresse. Dort ist der Firmensitz von Fancy Food Marketing. Einem Import-Export-Großhandel. Balen hat ihn vor etwa acht Jahren gegründet.«

»Haben wir seine Kontaktinformationen?«

Sie nickte. »Ich habe mit dem Warenlager telefoniert und dort mit einer Angestellten gesprochen, die um diese Zeit noch im Büro war. Sie hat mir erzählt, dass Balen im letzten Monat auf Reisen war.« Sie machte eine Pause. »Das ist sein Job. Er reist und schließt Verträge ab. Momentan ist er in der Ukraine. Genauer gesagt, auf der Krim.«

»Du machst Witze«, sagte Carmody.

Morse schüttelte den Kopf. »Unsere Regierung hat gegen die Krim ein Handelsembargo verhängt. Wegen der Okkupation durch die Russen. Bestimmte Lebensmittel und landwirtschaftliche Produkte sind davon allerdings ausgenommen, und Balen hat eine Konzession beantragt. Seine Sekretärin sagte, dass er auf der Krim ist, um eine spezielle Honigsorte zu kaufen, mit der er Feinkostgeschäfte in unserem Land beliefert.«

»Du sprichst im Präsens.«

»Das ist der springende Punkt. Er hat seine Geschäftsreise mit einem Urlaub verbunden. Er ist vergangenen Monat nach Europa geflogen, und vor zwei Wochen hat er sich zum letzten Mal bei seiner Firma gemeldet. Aus Simferopol.«

»Das ist eine Weile her.«

»Das dachte seine Sekretärin auch. Aber er hat dort auch Urlaub gemacht.«

»Hat Balen Familie?«

»Er ist geschieden und hat keine Kinder. Er lebt allein. Und reist allein. Kommt euch das irgendwie bekannt vor?«

»Das erinnert mich an Stephen Gelfland«, sagte Leo. »Ich wette, dass Balens Bilder im Internet ebenfalls Deepfakes sind.«

»Das Foto in seinem Reisepass wurde ebenfalls bearbeitet«, sagte Morse. »Wir haben bereits die Unterlagen des Außenministeriums überprüft.«

»Ich weiß nur nicht, was die Chinesen damit zu tun haben sollen. Denn die Krim, Malkira, die Hackerangriffe … das deutet alles auf Russland hin.«

»Und der Wolf«, sagte Kali.

»Das ist nur eine Vermutung«, sagte Morse.

»Nein. Drajan Petrovik hat die Mittel und technischen Fähigkeiten für so eine Operation. Seit seiner Flucht aus Rumänien hält er sich in Russland auf. Und Deepfakes waren eine Spezialität seines Partners. Emil Vasile.«

»Der Typ, den Dixon in Bukarest getötet hat«, sagte Carmody.

Kali nickte. »Sie standen sich sehr nahe, als ich sie noch kannte. Wie Brüder. Er hat Drajan das alles bestimmt beigebracht.«

Morse musterte sie. »Und Sie haben bis jetzt gewartet, um uns davon zu erzählen?«

Kali erwiderte nichts.

»Warum?«, fragte Morse.

Kali antwortete immer noch nicht.

»Lassen wir das fürs Erste auf sich beruhen«, sagte Carmody.

»Nein«, sagte Morse. »Ki Marton ist tot. Einer meiner Agenten wäre beinahe mit ihm zusammen getötet worden. Musils Töchter wurden entführt. Und du sitzt hier mit einem Loch im Arm.« Sie warf Kali einen wütenden Blick zu. »Warum haben Sie uns nicht früher erzählt, dass Petrovik in der Lage ist, Deepfakes zu erstellen?«

Kali atmete langsam aus.

»Weil ich für seine Taten verantwortlich bin«, sagte sie. »Weil ich für seinen Cyberangriff auf New York mitverantwortlich bin. Und für die Zerstörung der Janus-Basis in Rumänien. Drajan konnte das beides nur tun, weil er einen Code benutzt hat, den er mir gestohlen hat.«

»Sie hätten uns das alles schon vor Monaten erzählen können«, sagte Morse. »Diese Informationen hätten dabei helfen können, ihn aufzuhalten.«

»Bis vor ein paar Stunden dachte ich noch, dass ich zur Krim fliegen würde, um genau das zu tun«, sagte Kali. »Außerdem wusste ich nicht, ob irgendwelche Informationen, die ich mit Ihnen teile, vor ihm sicher sind.«

Morse schüttelte den Kopf. »Nein. Das Argument zieht nicht. Sie und Ihre ganze Geheimnistuerei können mir gestohlen bleiben. Ich hätte von Anfang an auf Howard hören sollen.«

Im Raum herrschte Schweigen. Kali verschränkte die Arme und sah sie an. »Denken Sie, was Sie wollen. Das ist Ihr gutes Recht.«

»Herzogin, wenn ich auch mal was dazu anmerken darf«, sagte Carmody. »Ich glaube, dass Petrovik es genau auf eine Situation wie diese angelegt hat. Er will alle gegeneinander aufhetzen. Chinesen, Russen, Amerikaner. Alle hier im Raum. Ich glaube, er will die Welt ins Chaos stürzen.«

»Das weißt du nicht«, sagte Morse. »Das ist nur eine Vermutung.«

»Schon möglich. Aber das ist genau seine Vorgehensweise. Nach allem, was ich inzwischen weiß.«

Morse holte tief Luft und wandte sich wieder Kali zu. »Ich nehme an, Sie sind noch nicht dazu gekommen, Mike von dem Frachtschiff zu erzählen?«

Sie schüttelte den Kopf.

Carmody schaute zwischen den beiden Frauen hin und her. »Wovon redet ihr?«

»Dazu gleich mehr«, sagte Morse. »Kommen wir zu Wendell Balen zurück. Ich haben euch ja erzählt, dass er sich vor zwei Wochen bei seiner Sekretärin gemeldet hat. Nachdem er den Honig-Deal abgeschlossen hatte, sollte er in die Vereinigten Staaten zurückkehren, um sich mit potenziellen Zwischenhändlern zu treffen. New York stand als Erstes auf seinem Terminplan. Und anschließend Hawaii.«

Carmody schwieg einen Moment. Dann sagte er: »Glaubst du, dass Malkira dorthin will?«

»Er ist bereits unterwegs.«