*Cole

Sein ganzer Körper vibrierte, während er unablässig den Brief von der linken in die rechte Hand und wieder zurückwechselte. Links – rechts – Handflächen an den Jeans abwischen. Links – rechts.

Ich schüttelte den Kopf und berührte ihn kurz an der Schulter. Unter meinen Fingerspitzen spürte ich, wie er vor Nervosität bebte. »Jetzt beruhige dich mal!«

Er fuhr herum, die Augen glänzend wie im Fieber. »Ich sterbe gleich, Cole!«

Ich schnaufte. »Komm schon. Es ist nur ein Mädchen. Gib ihr deinen romantischen Fetzen und dann hauen wir endlich ab und machen was Sinnvolles.«

»Das ist sinnvoll! Und es ist nicht irgendein Mädchen. Sie ist meine große Liebe!« Er sagte es so ernst und ich befürchtete, falls ich dem Impuls nachgab, ihn auszulachen, würde er in Tränen ausbrechen. Und dann musste seine Angebetete schon sehr besonders sein, wenn sie einen Liebesbrief von einem tränenüberströmten Typen annahm. Darum biss ich mir auf die Wange und blähte nur kurz die Nasenflügel.

Hinter ihm tauchte am Ende der Straße ein Mädchen auf, das wie ein Geist wirkte. Dunkle Wellen umwaberten ihr blasses Gesicht, eine Gewitterwolke aus Haaren. Selbst auf die Entfernung schienen ihre Augen zu groß, zu dunkel und

Meine Hand zuckte wieder in Richtung seiner Schulter, da hatte er sie schon entdeckt. Hilflos ballte ich die Fäuste, als er mit steifen Knien auf sie zustakste.

Ich konnte nicht hören, was die beiden sprachen, aber ich sah, dass sie ihn ernst anschaute und nickte, während er ihr wahrscheinlich eine Serenade vorsang oder so einen Scheiß.

Er streckte ihr den Brief hin.

Ich hielt den Atem an. Warum eigentlich? In mir meldete sich das Teufelchen zu Wort, das immer die Wahrheiten aussprach, die ich nicht hören wollte:

Hoffentlich nimmt sie den Brief nicht an!

Wieso?

Weshalb wollte ich, dass ihm das Herz gebrochen wird? Ich liebte ihn doch, mehr als irgendeinen anderen Menschen auf der Welt.

Weil du ekelhaft selbstsüchtig bist!, flüsterte Teufelchen.

Ach, so ein Bullshit! Ich sah gar nicht hin. Mir war sowieso total egal, was da gerade abging! Es interessierte mich nicht mehr als ein Sack Reis in Korea …

Sie streckte die Hand aus und nahm das gefaltete Stück Papier, als sei es das kostbarste Geschenk der Welt. Ein hauchzartes Lächeln hob ihre Mundwinkel nur ein klein

Er wandte sich um und warf mir ein glückliches Grinsen zu. Ich verdrehte die Augen, weil ich es kaum aushalten konnte.

Ich. War. Stinkend. Eifersüchtig! Ich blöder Arsch!

Über seine Schulter hinweg warf sie mir einen neugierigen Blick zu. Ihre ohnehin schon großen Augen weiteten sich.

Irgendwie gelang es mir verdammt noch mal nicht, wegzusehen.

Auch sie starrte wie hypnotisiert und mein Herz sprang auf die Überholspur. Zu schnell. Ich verlor die Kontrolle. Raste auf ein Unglück zu. Eine ungute Vorahnung prickelte mir im Nacken. Das Schicksal warnte mich, aber ich Vollidiot war damit beschäftigt, seine Flamme anzuglotzen, anstatt darauf zu achten, dass sie wie betäubt einen Schritt rückwärts taumelte.

Als die Info endlich in meinem Gehirn ankam, las er mir das Entsetzen am Gesichtsausdruck ab und wirbelte herum.

Zu spät.

Bremsen quietschten. Der Aufprall von Körper auf Metall, auf Asphalt. Mein Schrei. Mein Herz. So laut. So laut. So LAUT!

Dann folgte Stille.