Der Kaffee ist sehr stark und heiß. Vorsichtig nippt Viola an der Tasse, trotzdem verbrennt sie sich daran. Sie atmet scharf durch die fast geschlossenen Lippen ein, sodass die Luft sich kühler anfühlt, als sie tatsächlich ist, aber so tut es der Zunge gut.
Verlegen blickt sie zu dem Mann auf, der ihr gegenübersitzt.
»Ziemlich heiß. Aber gut.«
Sie spricht leise. Er sieht sie durchdringend an. Er sieht gut aus, ist groß, breit gebaut, an der Grenze zur Grobschlächtigkeit. Er hat hohe Wangenknochen, aschgraue Augen und einen intensiven Blick.
»Trinkst du jeden Tag Kaffee?«
Die Stimme ist sonor. Sein Adamsapfel hüpft auf und ab, wenn er spricht.
Viola nickt zögerlich.
»Ja. Das ist womöglich das einzige Laster, was ich im Leben habe.«
Sie lacht verlegen. Er sieht sie amüsiert an.
»Dein einziges Laster?«
Nachdenklich nickt sie.
»Ich rauche nicht, trinke nicht, esse halbwegs gesund – glaube ich zumindest.«
Wieder dieses verlegene Lachen. Diese Unsitte, sich selbst kleinzumachen.
»Du trinkst keinen Alkohol? Niemals?«
Er lehnt sich auf dem Bistrostuhl zurück und sieht sie immer noch halb amüsiert, halb skeptisch an. Schlagartig ist Viola verunsichert.
»Nein. Oder … doch. Also, manchmal schon. Bei Feiern … Ich weiß nicht. Trinkst du öfter?«
Die Unsicherheit führt dazu, dass sie sich verhaspelt. Die Frage, die sie ihm stellt, klingt fast wie ein Vorwurf, und sie hört es im selben Moment, als sie ihr über die Lippen schlüpft, aber da ist es bereits zu spät. Ihre Wangen glühen, und sie bekommt schweißnasse Hände. Mit einem Mal fühlt sich die Kaffeetasse rutschig an, sie stellt sie auf den Unterteller und legt die Hände in den Schoß. Als sie erneut aufblickt, ist sie erleichtert, dass ihn die Frage anscheinend nicht aufgebracht hat.
»Nicht oft, nein. Aber hin und wieder schon. Ein Bier oder ein Glas Wein zum Essen ist doch ganz nett?«
Sie lächelt.
»Na klar kann ein Glas Wein manchmal nett sein. Gekühlter Weißwein auf jeden Fall, das muss ich zugeben.«
Wieder das zaudernde Lachen. Sie hört selbst, wie gekünstelt es klingt, und bemüht sich, nicht zu laut zu werden.
»Na also. Dann kann ich dich vielleicht mal zu einem guten Abendessen und ein, zwei Gläschen Wein einladen. Wie wäre es mit Freitag? Was meinst du?«
Erneut steigt ihr die Hitze in die Wangen, diesmal jedoch, weil sie glücklich ist. Das Gefühl, wahrgenommen und obendrein auch noch zum Essen eingeladen zu werden, ist für sie eine neue Erfahrung. Eine lang ersehnte Erfahrung. Aber auch neu.
»Das wäre nett.«
Sie klingt ein bisschen zu schrill. Betreten schlägt sie sich die Hand vor den Mund, spürt die Bläschen auf der Zunge, die sich gegen den Gaumen pressen. Sie hat sich schlimmer die Zunge verbrannt, als sie dachte.
Der Mann mit den grauen Augen nickt erfreut.
»Dann machen wir es so. Ich hole dich um sechs Uhr ab.«
Viola lächelt so sachte, wie sie nur kann. Eigentlich hat sie freitags immer erst um sieben Uhr Feierabend, aber damit will sie ihn nicht behelligen. Irgendwie kriegt sie das schon hin.
Er hebt die Hand, um die Bedienung hinter dem Tresen auf sich aufmerksam zu machen, die ihn prompt ermunternd anlächelt. Verwundert stellt Viola fest, dass sie einen Hauch Eifersucht in der Magengegend verspürt.
»Wir nehmen noch Wein. Zwei Gläser Rotwein, gern einen ordentlichen Bordeaux.«
Dann dreht er sich wieder zu Viola um und grinst sie breit an. Die grauen Augen blitzen.
»Dass wir uns zum Abendessen verabredet haben, muss schließlich gefeiert werden.«
Viola nickt bloß zur Antwort. Behutsam schiebt sie die halb leere Kaffeetasse von sich weg. Die Bläschen im Mund tun höllisch weh.