Bredåker 1998 

Ende Januar, exakt einen Monat nachdem Mattias verkündet hat, dass er Ingrid zur Frau nehmen will, stirbt Ellenor. Der Arzt erklärt ihnen, dass das Herz nicht mehr wollte. Ellenors Schlaganfall hatte das Gehirn zuvor so schwer geschädigt, dass der Körper irgendwann kapitulieren musste.

Mattias ist am Boden zerstört und ruft in der Gemeinde drei Tage kollektiver Trauer aus. Die Tage bestehen nur mehr aus Gebeten draußen im Gemeindesaal. Abends essen die Gemeindemitglieder zusammen im Gemeinschaftshaus, und nachts liegt Tommy wach und hört, wie Mattias in der Küche auf und ab wandert. Er weint und führt laute Selbstgespräche. Ein paarmal betritt er sogar das Zimmer hinter der Treppe, in dem Tommy, Ingrid und ihre Mutter wohnen. Tommy tut so, als würde er schlafen, späht aber durch die halb geschlossenen Lider. Mattias steht in der Tür und starrt fiebrig zu Ingrid. Im selben Moment ist Tommy klar, dass er seine kleine Schwester von hier wegbringen muss, koste es, was es wolle.

Der kälteste Monat des Jahres verstreicht, und Ellenor wird am ersten Freitag im März beerdigt. Mattias steht mit leerem Blick an ihrem Grab, als der Sarg nach unten gelassen wird. Vivianne weint verbissen, und Sara sieht verzweifelt aus, als sie sich von ihrer Großmutter verabschieden muss.

Zwei Tage später teilt Mattias allen mit, dass er nicht mehr der geistige Anführer sein wird. Anfangs sind die Proteste vehement. Die Nachricht löst Unruhe aus. Dann fangen die Ersten an zu überlegen, wer Mattias wohl nachfolgen könnte. Die Überraschung steht ihnen ins Gesicht geschrieben, als Mattias verkündet, dass künftig Vivianne seine Rolle übernehmen soll – eine Frau! Noch dazu eine, die zu allem Überfluss Mutter eines unehelichen Kindes ist!

Der Schock sitzt allen in den Knochen, doch sie wissen es besser, als Mattias zu widersprechen. Keiner von ihnen hat etwas gesagt, als Vivianne unverheiratet Mutter wurde, und auch diesmal sagt keiner etwas. So sind die Regeln. Mattias’ Wort ist fast ebenso sehr Gesetz wie das Wort Gottes.

Drei Wochen später findet Vivianne zu Ehren eine Zeremonie statt. Am selben Abend teilt Mattias Viola mit, dass es Zeit für sie und für Tommy wird, dem Paradieshof den Rücken zu kehren. Sie sind natürlich willkommen, wenn sie zu Besuch vorbeikommen wollen, aber wohnen können sie hier nicht mehr.

Mama traut sich nicht zu protestieren. Auch Tommy schweigt, beißt die Zähne zusammen, und dann packen die beiden je einen Rucksack. Mama wirkt apathisch, murmelt die ganze Zeit vor sich hin, dass sie ja nichts mehr besitze, was sie umziehen könne, dass sie aber zumindest ein Häuschen kenne, wo sie und Tommy hinziehen könnten. Ingrid dürfe natürlich jederzeit zu Besuch kommen. Dass ihre Tochter einen Vergewaltiger heiraten soll, scheint Mama nicht weiter zu interessieren.

Eigentlich ist Tommy wenig verwundert. Mit der Zeit hat ihm gedämmert, dass Mama in Wahrheit ein Zahnrädchen im Verratsgetriebe ist: Sie steht für die mangelnde Fürsorge der Außenwelt und hat ihren eigenen Anteil an dem, was ihm und Ingrid bevorsteht. Für Ingrid geht es um eine Zwangsheirat – und für Tommy darum, das einzig Gute im Leben zu verlieren. Seine kleine Schwester.

Er weiß, dass er von hier wegmuss, weg aus diesem Höllenloch auf Erden.

Außerdem weiß er, dass er Mama zurücklassen muss. Er ist selbst überrascht, als er feststellt, dass ihm Letzteres kein bisschen nahegeht.