Es war das Geräusch der Seitentür eines Transporters, das ihn weckte. Sie schabte über eine ausgefranste Bodenschiene und klackte satt in den Schließmechanismus. In ganz Rostock gab es nur zwei Firmen, die Pools bauten. Bahr & Wildhagen war eine von ihnen. Und sie war diejenige mit der schleifenden Seitentür.
Frank Elling schlug die Augen auf.
Hätte er den Durchschnitt nicht repräsentiert, der Durchschnitt hätte ihn verschluckt. Er war mittelgroß (1,78 Meter), leichter Bauchansatz, dazu Geheimratsecken mit Potenzial nach hinten und als Brille ein Kassenmodell von Fielmann. Frank Elling war genau der Mann, an den ein Zeuge sich später nur rudimentär erinnerte. Wenn überhaupt. So verwechselbar, dass jene schmale Grenze vom Jemand zum Niemand mitten durch ihn hindurch verlief.
Er schaute nach links und sah seine Vermutung mit einem Seitenblick bestätigt: Susanne war schon aufgestanden. Wie immer. Er legte die flache Hand auf ihr Laken und spürte noch einen Hauch Körperwärme.
Keine zehn Minuten.
Elling schwang sich aus dem Ehebett, setzte seine Brille auf, ging in Shorts und Unterhemd ans Fenster und lugte durch den Vorhang hinaus in den Garten. Dort gingen die Poolbauer gerade an die Arbeit. Bahr war klein, Wildhagen ein Strich.
Der Pool war nahezu fertig. Alle hatten ihn für verrückt erklärt, das Becken in einer Länge von zwanzig Metern anzulegen. Aber für seine Frau war Elling nichts zu schade
.
Sie stand im Bad und föhnte sich vor dem Spiegel die Haare, als Frank Elling den Raum betrat. Eigentlich wollte er direkt in der kleinen Duschkabine verschwinden, aber seine Augen verfingen sich am Bademantel seiner Frau.
Susanne war im Frühjahr 42 geworden. Sie war drei Jahre jünger als er. Ihr Körper zeichnete sich unter dem Stoff ab, der Gürtel war locker. Elling erhaschte einen Blick auf ihre linke Brust. Er ging auf sie zu und presste sich sanft von hinten an seine Frau. Sie hatten seit Wochen nicht mehr miteinander geschlafen. Der Job, der Haushalt, die Tochter, sie hatten viel um die Ohren gehabt.
Susanne erstarrte bei der Berührung. Und während sie über den Spiegel die spielerische Lust in seinen Augen las, spürte sie Ellings aufkeimende Erektion durch den Stoff. Er schenkte ihr ein liebevolles Lächeln und fuhr mit den Händen unter den Mantel und über ihre Brüste. Sanft.
So behutsam und gleichzeitig erregt, dass ihr fast die Tränen gekommen wären. Es fühlte sich immer noch schön an. Geborgen.
Sie schob seine Hände ruhig beiseite und erntete über den Spiegel den zerbrechlichen Blick, mit dem sie gerechnet hatte. »Ich bin spät dran.«
Er drückte ihr seine Nase in den Nacken und saugte die Luft tief ein. »Du riechst so gut.«
Susanne seufzte und drehte sich um. Nahezu nackt, weil ihr Mann ihr den Gürtel gelöst hatte. Elling beugte sich vor, um ihre Brust zu küssen, aber sie bedeckte sich mit dem Bademantel und zog auch unmissverständlich den Gürtel zu.
Elling sah zu ihr auf, irritiert. Ein klein wenig verletzt. In einer hilflosen Geste, vielleicht auch einer Übersprunghandlung, setzte er seine Brille auf, als könne das noch schnell alles zum Guten wenden. Aber dadurch sah er die Abweisung seiner Frau lediglich deutlicher.
»Ich bin wirklich
spät dran. Aufgeschoben, hm?«
Elling gab auf. Er genoss es nur, wenn sie auch Lust hatte. Sonst kam er sich schäbig vor
.
Das Rattern des Presslufthammers kam ihnen wie ein Geschenk vor. Etwas, dem sie sich zuwenden konnten.
Prompt trat Susanne ans Fenster und warf einen Blick hinab auf den Pool, das Monstrum,
das ihr Mann ihr zu Ehren ausbreiten ließ. Viel zu groß für die Grundstücksfläche, zu pompös für die Nachbarschaft. Zu spät in vielerlei Hinsicht.
Der Kleinere von Bahr & Wildhagen trieb mit dem Presslufthammer ein Loch neben den Pool. Elling nahm von der Seite wahr, wie Susanne stutzte.
»Die reißen ja die Wand wieder ein.«
Elling nickte und lächelte entspannt, weil ihm ihre Bemerkung die Brücke von der Zurückweisung zurück zur Selbstachtung baute. »Ja. Bis gestern war dein Swimmingpool nur groß und beheizbar. Und mit Unterwasserbeleuchtung. Aber jetzt kommt noch das Nonplusultra … na?«
Vergeblich schaute sie hinab, um das Nonplusultra zu entdecken. »Ich seh’s nicht.«
Elling holte feierlich Luft: »Er bekommt noch eine Gegenstromanlage.«
Dazu deutete er auf den Punkt, an dem Herr Bahr den Presslufthammer tief in den Grund trieb.
Susannes Verblüffung war echt. Und in ihrer Feststellung schwang auch eine Spur Unmut mit: »Das kostet doch Unsummen.«
»Ach, so teuer ist das gar nicht … also, im Gesamtverhältnis.«
»Du spinnst, Elling.«
Damit gab sie ihm einen Kuss auf den Mund und überließ ihrem Mann das Badezimmer, bevor der wieder auf andere Gedanken kam.