Kapitel 9
Das Konzept

Die Mitglieder der Soko Pelikan ließen sich von den Hildesheimer Beamten in den aktuellen Fall einweisen.

Step by step wurden die Hoffnungen geschmälert, über die Spurensuche im Pkw von Anna Helwig Hinweise auf den Täter zu erhalten. Die Experten der Spurensicherung teilten der Soko telefonisch mit, dass der Täter Dieselkraftstoff im Innenraum verschüttet hatte, der jegliche Chancen auf mögliche DNA-Spuren zunichtemachte.

„Vielleicht haben wir zumindest die Chance, dass die Aussteller entsprechende Beobachtungen gemacht haben oder unser Täter auf einer Video- oder Handyaufnahme zu sehen ist“, hoffte Thorsten Büthe und hakte weiter nach: „Gibt es schon Erkenntnisse zu den Auswertungen der Videoüberwachung des Novotels?“

Der Beamte am Telefon musste allerdings einschränken, dass sich die Videoüberwachung des Hotels lediglich auf die Lobby und den äußeren Eingangsbereich begrenzte. Die Hochzeitsmesse fand im großen Fest­saal mit einem eigenen Eingang statt, der videografisch nicht überwacht wurde. Derzeit war die Auswertung des Parkplatzes aber noch nicht abgeschlossen, sodass sie Hoffnung hatten, zumindest den Seat des Opfers erfasst zu haben.

Karl Münter aus dem hannoverschen Team hatte den Analysepart übernommen und musste der Runde mitteilen, dass auch die aktuelle Fahndung nach dem hellen Transporter bislang erfolglos verlaufen war.

Thorsten fragte in Richtung des Celler Teams: „Astrid, Cord, was habt ihr Neues?“

„Nichts!“, antwortete Astrid Wegner knapp. „Wir haben sämtliche Nachbarn abgeklappert und Hermes auf links gedreht. Alles negativ“, ergänzte sie frustriert.

Die Ermittler und Fallanalytiker einigten sich konzeptionell darauf, das soziale Umfeld jedes Entführungsopfers bis ins Detail aufzuhellen. Gab es Verbindungen zwischen den Vermissten? Warum wählte der Entführer genau diese Frauen aus? War es Zufall oder gezielt? Nach welchen Kriterien wählte der Pelikan, wie der Entführer jetzt genannt wurde, seine Opfer aus? Und die wichtigste Frage war: Was machte er mit ihnen? Hielt er sie irgendwo gefangen oder hatte er sie bereits getötet?

Der Leiter der Mordkommission Hannover, Udo Strahl, legte die nächsten Schritte fest:

„Mona, Karl, ihr versucht über die Analysestelle diejenigen Fälle, in denen Brautkleider, das Thema Hochzeit und Transporter irgendeine Rolle spielten, zusammenzu­führen.

Schickt unser Team ein weiteres Mal zu allen Gästen, nennt die Namen der anderen beiden Opfer, vielleicht gibt es da eine Verbindung.

Elke, Hans, von eurem Team benötigen wir sämtliche Infos zu der Hochzeitsmesse. Sprecht mit allen Ausstellern, sammelt Handyfotos und -videos, checkt noch mal die Aufnahmen des Hotels. Vernehmt die Brautjungfern und die Familie von Anna Helwig und schaut, ob es untereinander Verbindungen gibt.

Astrid und Cord, ihr geht bitte mit Matthias Thiel erneut alles durch: Nachbarn, Freundinnen und Familie. Besorgt euch eine Gästeaufstellung ihrer Hochzeit. Die gleichen wir mit allen Listen weiterer Opfer ab und schauen, ob wir dort Verbindungen finden.

Thorsten, jetzt zu euch, was könnt ihr darüber hinaus abdecken?“

„Okay, wir werden uns um die jeweiligen Opferbilder an sich kümmern. Wie verhalten sie sich bei einer Entführung? Sind sie wehrhaft, machen sie einem Täter Stress? Wir müssen uns auf die nächste Tat vorbereiten. Der Pelikan wird sicherlich wieder zuschlagen. Wo findet er seine Opfer? Können wir mit einer proaktiven Medienkampagne die potenziellen Opfer warnen und die Bevölkerung sensibilisieren? Wir schauen uns an Ort und Stelle des Verschwindens der Frauen um und versuchen die Entführungen zu rekonstruieren, obwohl wir keine objektiven Spuren haben. Mal sehen, wie weit wir kommen. Von euch benötigen wir umgehend jede neue Info, die wir mit verwerten können“, schlug der Leiter der OFA vor.

Udo Strahl blickte in die Runde. „Okay, wir treffen uns jeden Morgen um 9 Uhr, um alle auf Stand zu bringen. Jede wesentliche Info schickt ihr per Nimes in die Soko-­Gruppe, damit wir alle schnell reagieren können. Die Liste mit den Handynummern hat jeder. Thorsten und ich sind rund um die Uhr erreichbar. Hat noch wer Fragen?“

„NIMes“ war der WhatsApp-Messenger der Polizei. Hier konnten sämtliche dienstliche Informationen sicher untereinander ausgetauscht werden. Ein Zugriff von unbefugten Personen außerhalb der Polizei war nicht möglich.

Jeder wusste, was er zu tun hatte, wobei die Blicke der Experten nicht gerade optimistisch wirkten.