Kapitel 15
Die Entscheidung

Auf Initiative des OFA-Leiters trafen sich die Polizei­präsidenten der betroffenen Behörden, Vertreter der zuständigen Staatsanwaltschaften Hannover, Hildesheim und Celle, die Leiter der entsprechenden Mordkommissionen, die Leiter der beteiligten Pressestellen, Kriminal­oberrätin Iris Höppner, als Leiterin der Zentralstelle Gewalt, sowie Thorsten Büthe und seine Vertreterin Kristin Bäumer im großen Lageraum der Polizeidirektion Hannover.

Der OFA-Leiter informierte die anwesenden Entscheidungsträger über das gestrige Gespräch mit der Reporterin des Leineblitzes und seine Befürchtung einer nicht kalkulierbaren Berichterstattung. Er stellte den Vorschlag einer proaktiven Pressekonferenz in den Raum, über den sich eine sehr kontroverse Diskussion entfachte.

Es war in der Polizei stets umstritten, mit den Medien aktiv zu kooperieren, da sich durch die Möglichkeiten der sozialen Medien ungefilterte Informationen überhaupt nicht einschätzen und schon gar nicht kontrollieren ließen.

Nach Anschlägen wie beim Marathonlauf in Boston oder dem Amoklauf in München musste die Polizei allerdings eingestehen, dass eine ehrliche und vertrauensvolle Kommunikation in der Öffentlichkeit nicht nur geboten, sondern auch für eine Gefährdungsminimierung und erfolgreiche Ermittlungen sinnvoll war.

Als Resümee schlug Thorsten der hochkarätigen Runde eine offene Kooperation mit den Medien vor, soweit sie ermittlungstaktisch vertretbar war.

Der für Celle zuständige Polizeipräsident, Thomas Ritter, den Thorsten bereits aus dem LKA kannte, stellte die Frage in die Runde, die allen unter den Nägeln brannte. „Herr Büthe, wie groß sind die Chancen einer schnellen Klärung der Serie, und rechnen Sie mit weiteren Entführungen?“

Nach Blickkontakt zu den Leitern der jeweiligen Mordkommissionen musste der OFA-Leiter zugeben: „Wir sind derzeit davon überzeugt, es hier mit einem Serientäter zu tun zu haben, der über eine enorme Planungs- und Umsetzungskompetenz der uns bekannten Taten verfügt. Ein großes Problem, insbesondere unserer Arbeit, ist das Fehlen von objektiven Spuren eines Tatortes. Wir können noch nicht einmal belegen, was mit den Opfern passiert ist. Sind sie bereits getötet worden? Werden sie irgendwo festgehalten? Werden sie sexuell missbraucht? Es sind jetzt mit dem LKA vier verschiedene Dienststellen involviert. Wie gehen wir zukünftig damit um, wenn er in anderen Zuständigkeitsbereichen oder gar in einem anderen Bundesland agiert? Wir müssen schnell reagieren und können nicht ständig in einer solchen großen Runde zusammenkommen, um über die weiteren Schritte zu diskutieren. Wir verlieren zu viel Zeit und brauchen daher zentrale Ansprechpartner und Entscheidungsträger, sowohl für die Ermittlungen als auch für die Öffentlichkeitsarbeit. Ich möchte daher die Zusammenführung der Soko im LKA vorschlagen. So können wir bei neuen Fällen einen entsprechenden neuen Unterabschnitt zuordnen und es bleibt dennoch alles in einer Hand.“

Der Präsident des LKA, Ole de Jong, bedankte sich für den Vorschlag und regte an, sich in kleinen Arbeitsgruppen unter den jeweiligen Schwerpunkten kurz abzustimmen. Zunächst zogen sich die Präsidenten und Vertreter der Staatsanwaltschaften, die Mokoleiter mit der OFA samt Iris Höppner und die Pressesprecher für wenige Minuten zurück.

Nach der Beratung forderte der LKA-Präsident aus der Runde die Stellungnahmen der Fachleute ein. Als alle Beteiligten dem Vorschlag zustimmten, verkündete Ole de Jong: „Okay, nachdem Sie einverstanden sind, wird die Soko Pelikan organisatorisch dem LKA zugeordnet. Die betroffenen Dienststellen bilden die entsprechenden Unterabschnitte, die Staatsanwaltschaft Hannover übernimmt zentral sämtliche Fälle dieser Serie und gibt die Pressehoheit unter nachrichtlicher Beteiligung und Abstimmung an das LKA ab. Die Leitung der Soko Pelikan übertrage ich der Leiterin der Zentralstelle Gewalt, Kriminaloberrätin Höppner. Wir kommen in dieser großen Runde alle zwei Wochen oder anlassbezogen zusammen, um den aktuellen Ermittlungsstand auszutauschen. Gibt es dazu Fragen?“

Niemand meldete sich.