In der Einsatzzentrale der Bremer Polizei wurden erst mehrere Schussgeräusche im Bereich der Horner Heerstraße und dann eine blutüberströmte, schwer verletzte Person Ecke Marcusallee gemeldet. Als gleichzeitig ein Notarzt und die erste Polizeistreife eintrafen, überschlugen sich die Nachrichten. „Schwer verletzte Person mit mehreren Schusswunden; Glassplitter und Reifenspuren sprechen für flüchtiges Fahrzeug. Wir benötigen hier weitere Kräfte und Fahndungsunterstützung aus der Luft!“, verlangte die erste Streife. Der Schwerverletzte wurde umgehend in dem eingetroffenen Rettungswagen notärztlich versorgt.
Weitere Streifenwagen rückten an, die den Kreuzungsbereich mit rot-weißem Flatterband absperrten und den Kriminaldauerdienst anforderten. Unter den ersten Schaulustigen machten sich auch Anwohner bemerkbar, die etwas gesehen haben wollten. Die anwesenden Streifenbeamten nahmen erste Beobachtungen auf, stellten die Personalien der Zeugen fest und baten sie, sich hier für die Vernehmung durch die Kriminalpolizei zur Verfügung zu halten. Die Einsatzzentrale fragte nach: „Der Hubschrauber startet. Haben Sie Fahndungsergänzungen für die Einsatzkräfte?“ Die Polizisten stimmten die mitunter abweichenden Wahrnehmungen der verschiedenen Zeugen ab und mussten feststellen, dass die Angaben zwischen einem dunklen SUV, einem Sportwagen und einer schweren Limousine variierten. Selbst die angebotenen Fluchtrichtungen führten mal stadteinwärts, mal stadtauswärts und ins Wohngebiet. So informierten sie die Einsatzzentrale, dass vorerst keine weiteren Hinweise zum Tatablauf und Fluchtfahrzeug vorlagen. Als sich die ersten beiden Fahrzeuge des Kriminaldauerdienstes einfanden und die Kripo-Beamten die Einsatzleitung übernahmen, öffnete sich die Tür des Rettungswagens und der Notarzt schüttelte den Kopf. „Der Patient hat drei Kopf- und vier Oberkörpereinschüsse. Wobei die in einer Schutzweste stecken und nicht eingedrungen sind. Bei den schweren Kopfverletzungen war aber nichts mehr zu machen“, entschuldigte sich der Arzt fast.
„Hat er noch etwas sagen können und hatte der Tote irgendetwas dabei? Handy, Ausweis oder Ähnliches?“, erfragte der Kripobeamte.
„Leider nein. Wir haben zumindest nichts gefunden. Ach ja, was für Sie interessant sein dürfte. Er trägt ein Gürtelholster ohne Waffe“, gab der Notarzt an.
Der VW Crafter des Erkennungsdienstes traf ein und leuchtete den Tatort taghell aus. Die Tatortbeamten hüllten sich in weiße Overalls, trugen Mund- und Fußschutz sowie Latexhandschuhe. Sie diktierten erst den Befund ein, ohne etwas verändert zu haben, und fertigten ein Video der Einsatzstelle. Es folgte eine detaillierte Beschreibung der objektiven Spurenlage, der Blutspuren, Glassplitter und der Lage von den aufgefundenen zwölf 9-mm-Patronenhülsen, wobei dann jede Spur mit einer Zahlentafel gekennzeichnet wurde. Mittlerweile aufgetauchte Reporter und TV-Teams drehten die ersten Shortnews, die sofort auf Sendung gingen. Als die Beamten der Bremer Mordbereitschaft dazukamen, wurden sie vom KDD (Kriminaldauerdienst) und den Tatortbeamten in den Fall eingewiesen. Der Einsatzleiter des KDD übernahm das Wort. „Die erste Nachricht erfolgte lediglich über Schussgeräusche, dann ist eine verletzte Person gemeldet worden. Wir haben vor Ort mehrere Zeugen, die etwas gesehen haben wollen, das ist allerdings mal wieder so facettenreich, da müsst ihr mal schauen, wie ihr was einordnet. Das Opfer ist männlich, circa 30 Jahre und vom Typ Türsteher. Er hatte weder Papiere noch ein Handy bei sich. Er ist direkt im Rettungswagen verstorben und hat laut Notarzt drei Kopfschüsse und vier Treffer im Oberkörper. Interessant ist, dass unser Opfer eine ballistische, also schusssichere Weste und ein Gürtelholster ohne Waffe trug. Das Problem ist, dass wir insgesamt zwölf 9-mm-Hülsen gefunden haben und nicht davon ausgehen, dass der Schütze noch fünfmal in die Luft geschossen hat. Außerdem finden sich hier Glassplitter, mutmaßlich von einer Autoscheibe, sowie mögliche Blut- und Gewebeteile. Ob von unserem oder einem weiteren Opfer, wird sich herausstellen. Die Reifenspuren sprechen für einen schnellen Aufbruch, meiner Einschätzung aber eher zurück in die Marcusallee. Die Fahndung nach einem Fahrzeug ist, soweit ich weiß, bislang negativ. Das war es von mir. Habt ihr noch Fragen?“ Der Bericht war umfassend.
Die Beamten der Mordbereitschaft hatten die verschiedenen Zeugen vernommen, was aber auch keinen neuen Erkenntnisgewinn erbracht hatte. Fakt war, dass niemand die Tat beobachtet hatte und verwertbare Hinweise auf einen Täter oder das Fluchtfahrzeug geben konnte. Die Obduktion wurde für den frühen Morgen anberaumt. Alles andere hing von der Identifizierung des Leichnams und dessen Umfeld ab.