Die Boulevardpresse von Hannover stürzte sich auf die Traumhochzeit des Jahres. Die ehemalige Miss Niedersachsen, Yvonne Schultheiß, heiratete den Torwart der norwegischen Nationalmannschaft, Björn Olafson. Yvonne Schultheiß wurde medial als Bachelorkandidatin bekannt und war eine feste Größe in Hannovers Promiszene. Björn lernte sie vor einem Jahr auf dem Ball des Sports kennen. Sie besuchten sich gegenseitig und waren ein Herz und eine Seele. Ihre Hochzeitsfeier hatten sie im Schloss Herrenhausen inmitten der Herrenhäuser Gärten geplant, in dem schon US-Präsident Obama empfangen worden war. Die Trauzeremonie war direkt unter freiem Himmel im Innenhof vorgesehen. Im Anschluss sollten die Gäste zum Sektempfang auf die Schlossterrassen mit einem wunderbaren Blick über die Herrenhäuser Gärten zusammenkommen, um danach in der Schlossküche ein deutsch-skandinavisches Fünf-Gänge-Menü zu genießen. Zum Abend hin war ein norwegisches Feuerwerk geplant, schließlich hatte Norwegen das Internationale Feuerwerksfestival 2018 gewonnen. Zu diesem Wettbewerb trafen die renommiertesten Pyrotechniker der Welt aufeinander und sorgten für spektakuläre Feuerwerkschoreografien vor der einzigartigen Kulisse der Herrenhäuser Gärten mit Tausenden von Besuchern.
Der Pelikan war fasziniert von dem hohen Medieninteresse und fühlte sich förmlich aufgefordert, dieser Hochzeit auf seine Art beizuwohnen. Er erstellte sich je ein Facebook- und Instagram-Profil als gut aussehender Fußballprofi und schickte dem Promimodel eine Freundschaftsanfrage, die sie innerhalb von Minuten bestätigte. So war der Pelikan einer von mehreren Tausend Freunden, der an ihrem schillernden Leben rund um die Uhr teilhaben konnte. Er interessierte sich kulturell für die Herrenhäuser Gärten, spazierte stundenlang durch den riesigen Barockgarten, schoss Fotos und studierte sämtliche Zu- und Ausgänge, die er zudem mit seiner Kamera filmte. Er erkundete die Umgebung mit seinem Fahrrad und spazierte aufmerksam an der Graft, einem breiten Wassergraben um die Gartenanlage, entlang. Selbst die Kleingarten- und Sportanlagen der Steintormasch waren von Belang, dass er sich dort stundenlang aufhielt und die Eindrücke in seine Planungen aufnahm.
Die Boulevardmedien hatten sich auf das Ereignis komplett eingeschossen, wobei Marina Swodicz die Reporterin war, die schon in der Vorbereitung Interviews mit dem Model führte, sodass auf diese Weise bereits einige Abläufe der Zeremonie offenkundig wurden. Alle weiteren Details postete Yvonne Schultheiß stolz und euphorisch über Facebook und Instagram, während ihr neuer Freund, der Pelikan, mitlas und mittendrin war.
Iris Höppner saß Freitagmorgen mit ihren Mitarbeitern der Zentralstelle Gewalt in der alltäglichen Besprechung zusammen. Neben der Lageauswertung der Tötungs- und Sexualdelikte in Niedersachsen hatten sie im Rahmen der Soko Pelikan noch sämtliche Taten, die in irgendeiner Verbindung zu Hochzeiten oder Brautkleidern standen, im Blick. Allein durch die Medienpräsenz wurde Thorsten mit der Frage konfrontiert, die einfach kommen musste. „Na, du Starfotograf, ihr seid morgen sicher mit der ganzen Familie auf der Hochzeit des Jahres gebucht, oder?“, warf Iris Höppner ein. „Leider nein. Ich hatte den Auftrag wegen der Soko Pelikan abgesagt und dachte, wir hätten noch zu tun“, scherzte der Hochzeitsfotograf. „Aber vielleicht kannst du mich ja aus ermittlungstaktischen Gründen noch reinbringen“, schlug er vor. „Im Ernst?“, hakte seine Chefin unsicher nach. „Nein. Da spielt eine andere Liga mit, da habe ich als kleiner Nebenjobber keine Chance. Das wäre aber ein reizvoller Auftrag gewesen“, gab er zu. „Wir werden uns trotzdem das Feuerwerk vom Georgengarten aus ansehen, wenn wir neben den anderen Zigtausend Besuchern noch einen Platz ergattern“, kündigte er an.
Am Morgen der Hochzeit waren die Herrenhäuser Gärten großräumig abgesperrt worden und der Parkplatz den circa 500 Gästen vorbehalten. Die Herrenhäuser Straße konnte zwar nach wie vor befahren werden, der Bereich an der Graft und der Straße Am Großen Garten sowie der Alten Herrenhäuser Straße war bis auf nötigen Anliegerverkehr nicht freigegeben. Unzählige Spaziergänger und Radfahrer tummelten sich bei herrlichem Sommerwetter im Georgengarten und rund um den Großen Garten, um den einen oder anderen Blick auf das Brautpaar und die illustren Gäste zu erhaschen.
Auch der Pelikan hatte seinen Transporter entsprechend vorbereitet und ihn auf dem Parkplatz am SV Odin, an der Graft, geparkt. Diesmal war der Van mit Magnettafeln eines Catering-Dienstes beschriftet und fiel in dem Trubel überhaupt nicht auf. Der Täter nahm sein Fahrrad von der Ladefläche und drehte ein paar Runden, um die Sicherheitsmaßnahmen einschätzen zu können. Dabei orientierte er sich primär auf den südlichen Bereich der Graft. Fußstreifen eines privaten Sicherheitsdienstes patrouillierten am Ufer der Graft entlang, wobei sie sicherlich kein Attentat auf das Brautpaar abwehren, sondern eher Paparazzi daran hindern wollten, Fotos zu schießen, an denen das Brautpaar nichts verdiente. Denn sie hatten die Exklusivrechte bereits an die meistbietenden Boulevardblätter und Privatsender verkauft. Der Pelikan hatte einen Sonnenhut tief ins Gesicht gezogen und schlenderte im Bereich des Haupteinganges und der Schlossküche hin und her. Er setzte sich zwischenzeitlich auf eine Bank und chattete mit interessierten Followern, um nichts zu verpassen oder eventuell sogar irgendetwas zu erfahren, was noch nicht in den Medien verbreitet worden war.
Für 16.00 Uhr war die Trauzeremonie angesetzt, und die ersten Gäste wurden von einem Limousinenservice vom großen Parkplatz vorbei an der Orangerie zum Haupteingang chauffiert. Hostessen führten sie nach Vorlage ihrer Einladung über einen roten Teppich in das Schloss. Im Empfangsbereich drängten sich neben Journalisten der TV- und Printmedien ab der dritten Reihe auch Zuschauer, die sich früh genug diesen Logenplatz gesichert hatten. Modelfreundinnen der Braut trafen auf befreundete Fußballspieler des Bräutigams aus Bundesligavereinen und von Hannover 96 und begrüßten sich euphorisch. Als insbesondere junge und attraktive Hochzeitsgäste interviewt wurden, gaben sie auf die Frage, wie sie mit dem Brautpaar in Verbindung standen, an, dass sie „Influencer“ oder „YouTuber“ waren, was immer das auch sein sollte. Die Unruhe der tobenden Fans steigerte sich, als ein Bus der norwegischen Fußballnationalmannschaft vorfuhr, um ihren Torwart in den Hafen der Ehe zu begleiten. Bereitwillig gaben die hoch gewachsenen Nordmänner Autogramme und winkten gut gelaunt in die Foto- und Fernsehkameras.
Schon von Weitem konnte man vor dem Schloss das Geräusch von trabenden Pferdehufen wahrnehmen, als das Brautpaar in einer standesgemäßen weißen Kutsche, von vier Schimmeln gezogen, über die Orangerie vor das Schlossportal fuhr. Der Bräutigam stieg in einem hellblauen Smoking und Zylinder von der Kutsche und half seiner bezaubernden Braut beim Aussteigen. Vier Brautjungfern bemühten sich, die etwa fünf Meter lange Schleppe des cremefarbenen Prinzessinnenkleides zu richten und, während das Brautpaar ins Schloss einzog, hochzuhalten. Das brombeerfarbene Bouquet des Brautstraußes war exakt auf den Blumenschmuck an der Kutsche und den Anstecker am Smoking des Bräutigams abgestimmt. Eine aufwendige Hochsteckfrisur, die das lockige hellblonde Haar der Braut traumhaft zur Geltung brachte, begeisterte die Anwesenden. Das Brautpaar lächelte freundlich, aber auch ein bisschen aufgeregt in die Kameras und zog, ohne bei den Journalisten anzuhalten, in das Schloss ein. Während die Trauzeremonie mit etwa 500 Gästen im Schlosshof begann, löste sich die schaulustige Menge vor dem Eingang auf und verteilte sich um den Großen Garten sowie im Georgenpark.
Der Pelikan war mit seiner neuen Braut sehr zufrieden, mischte sich unter die Besucher und freute sich auf das Highlight des Abends, das große Feuerwerk.