Yvonne Schultheiß hatte Schmerzen am ganzen Körper, sie spürte ihren Zehen nicht mehr. Sie waren dunkelrot, und es hatten sich bereits Frostblasen gebildet. Ähnliche Symptome deuteten sich an den Ohren an. In der Kühlkammer hatte sie noch versucht, sich durch Bewegung am Leben zu erhalten. Irgendwann hatte sie gar keine Kälte mehr gespürt und war erst mit höllischen Schmerzen wieder in dem Kellerloch aufgewacht. Sie hatte den heißen Tee fast heruntergestürzt und konnte sich mittlerweile einigermaßen rühren, wobei die Beschwerden unerträglich waren. Auf allen vieren musste sie sich an ihren Ketten zur Campingtoilette schleppen. Jegliches Auftreten mit den Füßen war durch die Verletzungen unmöglich, die die Erfrierungen verursacht hatten. Was war passiert, wer war der Mann mit dem Messer? Was war mit Björn? War er tot?
Ein Schlüssel drehte sich im Schloss, dann kam er rein. „Wer sind Sie? Warum bin ich hier? Was haben Sie mit mir vor?“, stammelte das Entführungsopfer. Sie zeigte auf ihre Zehen und flehte ihren Peiniger an: „Ich habe schreckliche Schmerzen und brauche einen Arzt. Bitte!“
Der Pelikan sah sie verachtend an. „Da bist du selbst schuld. Du hast dich doch im Kühlraum eingeschlossen, nachdem du mich angegriffen hattest. Sei froh, dass ich dich noch rausholen konnte. Sonst ginge es dir so wie den anderen“, rechtfertigte er sich.
Die anderen?, dachte sie. Sie hatte in dem Tiefkühlraum nichts sehen können, war aber gegen gefrorene Körper gestoßen. Schweine waren das wohl nicht gewesen. Sie erschauderte. Wer waren die anderen?
„Meine Füße sind erfroren, ich brauche einen Arzt“, bat sie ihren Folterer ein weiteres Mal.
„Ich rufe gleich meinen Hausarzt an und vereinbare einen Termin in der Sprechstunde. Gibt es Tage, an denen du nicht kannst?“, verhöhnte er sie. Der Entführer füllte das Mineralwasser auf, stellte einen neuen Tee auf den Holztisch und verließ wortlos den Raum.
Yvonne war sich der Aussichtslosigkeit ihrer Situation nun vollends bewusst und heulte hemmungslos in die verdreckte Matratze.