Thorsten informierte den Kriminaldauerdienst, der mit mehreren Beamten den Sachverhalt vor Ort aufnahm und jeden Mitarbeiter des Hotels sowie alle Hochzeitsgäste intensiv befragte. Thorsten sichtete die Hochzeitsfotos in Rekordzeit, um Niklas zu identifizieren, wobei er sich nach der Auswertung sicher war, dass dieser sich nicht unter den geladenen Gästen befunden hatte.
Als es auch am nächsten Morgen noch keine Spur der Braut gab, wurde in der Polizeidirektion Hannover die Sonderkommission (Soko) Pelikan gegründet.
Das Team der Operativen Fallanalyse nahm an der Besprechung teil. Ihr Leiter, Thorsten Büthe, konnte allen Mitgliedern der Soko den Ablauf des Abends und der vermutlich echten Brautentführung aus erster Hand vorstellen.
Durch den Leiter der Mordkommission Hannover, den Ersten Kriminalhauptkommissar Udo Strahl, wurden sämtliche möglichen Ermittlungshypothesen in der neuen Soko erörtert und entsprechende Überprüfungen veranlasst.
Aus dem Fachkommissariat für Sexual- und Tötungsdelikte waren die beiden Ermittler Mona Bogner und Karl Münter in die Soko abgeordnet worden. Mona Bogner war eine erfahrene Kriminaloberkommissarin, mit der Thorsten Büthe schon in der Zeit als Ermittler oft und gern zusammengearbeitet hatte. Kriminalhauptkommissar Karl Münter stand kurz vor der Pensionierung und konnte auf eine zwanzigjährige Erfahrung in diesem Deliktsbereich zurückblicken.
Trotz dieser geballten Kompetenz ergaben sich weder Hinweise auf einen Liebhaber der Braut, einen eifersüchtigen Nebenbuhler noch gingen irgendwelche Forderungen eines Entführers ein. Die Braut hatte nicht einmal ein Handy bei sich, was sie hätten verfolgen oder orten können.
Sowohl die GPS-Daten des Hermes-Fahrzeuges mit dem von Thorsten abgelesenen Kennzeichen als auch der gesamte Fuhrpark des Hermes-Lieferdienstes wurden überprüft. Sämtliche Transporter waren mit GPS-Sendern ausgerüstet, damit die Disponenten stets einen Überblick der Einsätze hatten. Einen Transport im Bereich des Pelikanviertels und des Sheraton Hotels war nicht verzeichnet.
Nele war verschwunden, und die Polizei hatte keinen Ermittlungsansatz, wo sie suchen sollte.
Also informierte Thorsten Büthe die Kollegen der anderen OFA-Einheiten im Bundesgebiet und erkundigte sich nach entsprechenden Vergleichstaten. Niemandem jedoch war ein derartiger Fall bekannt.
Eine Auswertung der ViCLAS-Datenbank brachte ebenso keinen Hinweis auf Zusammenhänge zu ähnlichen Taten.
ViCLAS ist die Abkürzung für „Violent Crime Linkage Analysis System“, einer Datenbank zur Verknüpfung von Tötungs- und sexuellen Gewaltdelikten, in der auch Vermisstenfälle dokumentiert sind. Auf ViCLAS haben nur die Fallanalytiker der OFA-Dienststellen Zugriff.
Auch eine umfassende Öffentlichkeitsarbeit mit Fotos der Vermissten brachte nicht den gewünschten Erfolg.
Das OFA-Team versuchte, auch ohne objektive Daten eines Tatortes fallanalytische Ableitungen zu erarbeiten, wobei sie dem jungen Ehemann allerdings wenig Hoffnungen machen konnten, Nele lebend wiederzusehen.
Die Braut blieb verschwunden, sämtliche Überprüfungen waren erfolglos abgeschlossen worden.