Als sich den Mordkommissionen die noch unbekannten „Profiler“ im Jahr 2000 vorstellten und anboten, sie künftig in ihren Fällen mit neuen Methoden zu unterstützen, brachten ihnen die erfahrenen Mordermittler eher Misstrauen entgegen. Die Ankündigung der Kollegen, mit diesem innovativen Instrument ermittlungsunterstützende Hinweise zu erhalten, stieß bei den erfahrenen Ermittlern zunächst auf Skepsis. Man wollte durch eine Rekonstruktion des Tatgeschehens, mit einer Einschätzung des Täterhandelns, dem Ergründen seiner Motive schließlich Angaben zur Täterpersönlichkeit machen können, ein sogenanntes Täterprofil erstellen.
Aufgrund von Filmen wie „Das Schweigen der Lämmer“ und amerikanischen CSI-Serien hatte sich ein mediales Bild geprägt, welches mit der Realität nichts zu tun hatte. Es fielen Vokabeln wie „Glaskugel- und Kaffeesatzleserei“. Das Bild des „Profilers“ hatte sich nach diesen Vorstellungen entwickelt. Nur fuhren die Fallanalytiker des LKA Niedersachsen nicht im Hummer vor und trugen weder Designeranzüge noch coole Spiegelsonnenbrillen an den Tatorten.
In dieser frühen Phase begann die OFA-Niedersachsen, die heute als „Cold Cases“ bezeichneten unaufgeklärten Tötungsdelikte mit ihrer neuen Methodik aufzuarbeiten. Die Mordermittler Niedersachsens konnten ihren Fokus wegen der Auslastung mit aktuellen Tötungsdelikten nicht ständig auf die zeit- und ermittlungsintensiven Altfälle richten. Aber mithilfe der OFA stellten sich Erfolge ein. Alte Verfahren wurden durch die Mordkommissionen neu aufgerollt und konnten nach Jahrzehnten aufgeklärt werden. Die OFA hatte eine skeptische Testphase gemeistert. Infolgedessen wuchs das Vertrauen der Ermittler nicht nur in die neue Methodik, sondern auch in das Team der Fallanalytiker von Fall zu Fall.
Im Jahr 2004 wurde die OFA mit dem Vermisstenfall eines achtjährigen Mädchens konfrontiert, dessen Kleidung auf einem Parkplatz in der Nähe des letzten bekannten Aufenthaltsortes aufgefunden wurde. Die OFA Niedersachsen hatte bis zu diesem Zeitpunkt kaum Erfahrungen in der Begleitung aktueller Fälle, agierte aber im großen Netzwerk der OFA-Dienststellen im gesamten Bundesgebiet. Ein in diesem Bereich erfahrener Fallanalytiker aus Nordrhein-Westfalen unterstützte die niedersächsischen Ermittler mit seiner Fachkompetenz und wurde in das Analyseteam integriert. So konnte die OFA unmittelbar in einem aktuellen Fall eingesetzt werden und damit die ersten fallanalytischen Akzente direkt in die Ermittlungen der eingerichteten Sonderkommission (Soko) einbringen. Über ein Jahr begleiteten die Fallanalytiker die Soko. Stets mussten sie neue Fallinformationen in ihre Bewertungen und Ermittlungsempfehlungen aktuell mit einbeziehen. Erst durch den Leichenfund des Mädchens im Sauerland und einen weiteren Mord an einem gleichaltrigen Jungen konnte ein Sexualmörder ermittelt und festgenommen werden.
Die gegenseitige Unterstützung der bundesweiten OFA-Dienststellen ist ein Teil der Philosophie der Fallanalytiker, auch übergreifend bei Einsätzen in anderen Bundesländern.