17. KAPITEL

Seine Brillantinigkeit

Die Ungeheuer stießen mich durch einen Gang und in einen der größten Säle, die ich je gesehen hatte. Die Decke war so hoch, dass sogar ein Hügelriese darin herumlaufen könnte, ohne sich den Kopf anzustoßen.

Ich war so überwältigt, dass ich einen Moment brauchte, bis ich Prinz … ’tschuldigung, König Roquefort am anderen Ende des Saales auf einem überdimensionalen Thron entdeckte.

»Hallo, Troll!«

Er sah aus wie ein kleiner Junge im Fernsehsessel seines Daddys. Er trug eine neue, noch vornehmere Krone und machte ein selbstgefälliges Gesicht. Ich versuchte zu schlucken, aber mein Hals war so trocken wie eine Zweighexe.

»Tritt näher, Spitz!«

Er grinste fies.

»Ich heiße Spotz«, sagte ich.

»Und das weißt du genau.«

»Ja, ja. Stimmt. Spotz.« Er legte die Finger beider Hände aneinander und stieß langsam und geräuschvoll die Luft aus. Es war deutlich, dass er diesen Augenblick genoss. Mir fiel auf, dass das Verschwinden seines Vaters ihn offenbar nicht allzu sehr belastete. Er schien mit der ganzen Situation ziemlich zufrieden zu sein. Sollte er vielleicht …?

»Hast du nicht etwas vergessen, Spotz?«

Ich wusste absolut nicht, was er meinte, und glotzte ihn einfach weiter an. Ich kann ganz schön stur glotzen. Das hab ich oft genug zu Hause vor dem Badezimmerspiegel geübt.

»Ich denke, es ist noch immer üblich, sich vor seinem König zu verbeugen, nicht wahr? Oder sind alle Regeln der Höflichkeit einfach mal kurz aus dem Fenster geflogen?«

Ich schenkte ihm noch ein paar Sekunden von meinem Glotzen, dann verbeugte ich mich langsam und ließ ihn dabei nicht aus den Augen.

»Danke. Das habe ich ja wohl verdient, meinst du nicht?«, fragte er. Ich meinte das genaue Gegenteil, aber ich hielt den Mund.

»Also, Spritz … ich habe dich herbestellt, damit du als Erster meine neuen Pläne als König erfährst.«

Er beugte sich vor und lächelte. Diese Geschichte sah wirklich übel aus.

»Mir scheint, die Zeit ist reif, um allerhand … Ungeziefer … in diesem Königreich das Handwerk zu legen. Den Schädlingen.«

Er lächelte jetzt so breit, dass ich dachte, sein Kopf würde gleich in zwei Teile zerbrechen. »Ich rede natürlich … von den Trollen.«

Vor Wut sackten mir fast die Knie durch. Aber ich dachte daran, dass Gramps gesagt hatte, ich solle mein Trollblut beherrschen, und deshalb holte ich tief Luft und atmete dann so langsam aus, wie ich nur konnte.

»Ich werde eine Reihe von Anti-Troll-Gesetzen in unserem Königreich erlassen. Sie werden hart sein.

Ich hoffe sogar, die Lage der Trolle so erschweren zu können, dass sie irgendwann ihren Kram zusammenpacken und Niegelungen komplett verlassen.«

Ich fing an, mir wie verrückt die Ohren und mein Bauchfell zu reiben, um das Trollblut aufzuhalten, das in meiner Brust und meinem Hals hochkochte.

»Erstens«, sagte Prinz Roquefort, »werde ich alle Trollgehälter halbieren. Ihr seid schließlich mindere Kreaturen.«

Mein Gesicht glühte. Ich konnte spüren, dass die Hitze langsam die Kontrolle über mich gewann. »Dann … werde ich begrenzen, wie viel Essen ein Troll kaufen darf. Fleisch, vor allem. Ganz besonders Hammelfleisch, weil ich gehört habe, dass ihr davon mehr oder weniger lebt.«

Ich spürte meinen Puls in meinen Ohren hämmern und begann, lautlos zu zählen.

»Oh, und das hier ist mein absolutes Lieblingsgesetz: Unter gar keinen Umständen ist es Trollen in diesem Königreich erlaubt zu fischen. Wir wollen doch nicht, dass ihr in unseren Flüssen herumlatscht und unser Wasser verschmutzt, nicht wahr?«

Das reichte. Ich kam nicht weiter als bis »sechs«. Dann brach der Mount Spotzius aus.

Es war, als ob sich plötzlich ein Vorhang aus Rauch vor meine Sicht gesenkt hätte. Ich spuckte, schäumte, sabberte wie blöd und sah sicher aus wie ein eleganter Irrer. Ich stürzte mich auf den Prinzen, der lässig auf seinem Thron saß und kicherte. Aber kaum hatte ich meine Hände um Roqueforts gemeinen kleinen Hals gelegt, wurde ich von hinten gepackt und so heftig zurückgerissen, dass ich dachte, mir würden gleich die Zähne aus dem Kopf fliegen. Das war Buddy, und ehe ich wusste, wie mir geschah, hatte er mich im Schwitzkasten.

»Ha, ha, jippie!« Roquefort klatschte vor Begeisterung in die Hände und stampfte mit den Füßen auf. »Danke! Vielen, vielen Dank dafür, dass dein blödes Troll-Temperament mit dir durchgegangen ist! Das war wirklich ein wundervolles Geschenk!« Er hätte nicht glücklicher aussehen können. »Das ist wie Weihnachten, mein Geburtstag und Hau-den-Troll-Tag auf einmal!«

Ich wehrte mich gegen die Ungeheuer, so gut ich konnte, aber es half nichts.

»Du hast soeben den König des Königreiches in seinem Thronsaal angegriffen. Also kann ich dich ins Gefängnis stecken, so lange ich will!«

Mein Herz sank mir in meine blöden felligen Füße und aller Kampfesmut war verflogen. Und wieder spürte ich dieses heiße Brennen der Scham, als mein Gesicht rot anlief. Hatte ich denn wirklich null Selbstbeherrschung?

»Du, Spotz Belford, wirst hiermit in meinem Namen festgenommen!« (Da seht ihr’s, er wusste sehr wohl, wie ich heiße.) »Ich verurteile dich zur Haft in unserem stinkigsten Kerker, und zwar so lange, wie es mir passt. Wachen! Werft diesen Müll in das schäbigste Loch, das wir haben.«

Ich wurde roh über den Steinboden geschleift, doch ehe wir den Saal verließen, musste der königliche Mistkerl noch einen Spruch anbringen: »Ich würde es mir in der Zelle so gemütlich machen wie möglich, Troll. Es kann nämlich noch ein paar Jahre dauern, bis ich entscheide, wie lange du da unten bleibst.«

Ich wurde davongezerrt, und König Roqueforts Lachen folgte uns durch den Gang – ein seltsames Benehmen für einen Jungen, dessen Vater gerade auf der Vermisstenliste gelandet war.