In den nächsten zwei Stunden steckten George und ich die Köpfe zusammen und ersannen einen Plan. (In Wahrheit achtete ich darauf, dass unsere Köpfe kein bisschen zusammenkamen. Ich glaube, er hätte etwas von diesem Entlausungspulver brauchen können. Ich sah mehr als einmal Dinge, die sich in seiner wilden, verfilzten Mähne bewegten. Widerlich.)
Als es dunkel wurde, ging ich ganz lässig zur Zellentür und hustete und würgte wie besessen. Ich machte das ganz schön gut, ich schniefte und schnaufte. Wischte mir die Nase am Arm ab. Ich will nicht behaupten, ich hätte einen Oscar verdient, aber ich glaube, mein Auftritt war ziemlich überzeugend.
Es ist eine bekannte Tatsache, dass Ziegen eine Riesenangst vor Bazillen haben. Zum Beispiel werdet ihr nie eine dazu bringen, euch die Hand zu schütteln – die knallen höchstens mal die Hufe zusammen. Und wenn ihr jemals Desinfektionsmittel oder ein Erfrischungstuch braucht, dann sucht euch eine Ziege. Was natürlich seltsam ist, da sie ja auch Abfälle fressen.
Ich rief also den Wachtziegenbock zum Gitter und sagte, ich brütete da wohl irgendwas aus. Sofort machte er ein besorgtes Gesicht und trat ein paar Schritte zurück.
»Und was soll ich dagegen tun?«, blökte er misstrauisch.
»Ich hatte gehofft, Sie könnten mir ein … ein … ah … aaahh …« Und dann verpasste ich ihm die volle Dosis. Das übelste, explosivste gespielte Niesen, das ich überhaupt zustande bringen konnte. Und ich sorgte dafür, dass ich ihn damit vollspritzte, ist ja klar. Der Wachtposten erstarrte, als Spucke und Kuchenbrösel auf ihn herabregneten. Ich hatte fast ein schlechtes Gewissen, als alle Farbe aus seinen Hörnern verschwand. Er schnaufte und schnaubte, als ob er gleich hyperventilieren würde, dann machte er kehrt und rannte so schnell die Treppe hinauf, wie seine Hufe ihn nur trugen.
Sofort griff ich durch die Gitterstäbe, schloss die Zellentür auf und öffnete sie sperrangelweit. Dann rannte ich zurück und half George auf die Füße. Er wackelte und wankte wie ein neugeborener Torkelgnom, während ich mir die elegante Hofstaatsjacke und die gepuderte Perücke überstülpte. Wir versuchten eine Weile, Georges Knie in Bewegung zu versetzen – zuerst knallten sie gegeneinander, dann glitten sie ihm weg, als Nächstes kippte er gegen mich –, bis wir einsahen, dass es unmöglich war. Darum warf ich ihn mir im Feuerwehrgriff über die Schulter und stürzte hinaus in die Freiheit.
Zwei zu null für die Trollkraft!
Der Gang oberhalb der Treppe war leer, und da ich keine Ahnung hatte, wo der Ausgang war, schlug ich einfach irgendeine Richtung ein. Ich riss den erstbesten Wandbehang, den ich entdeckte, herunter – ein riesiges, schweres Stück Stoff – und wickelte George hinein wie eine gewaltige, bärtige Wurst. Dann lud ich ihn mir wieder auf die Schultern und suchte mir meinen Weg durch ein Labyrinth aus Gängen. Einmal kamen wir an einer unglaublich groß gewachsenen Hofdame vorbei, die gerade einen Speisesaal verließ. Sie schaute mich seltsam an, sodass ich mir etwas aus den Fingern saugen musste.
Als ich um eine weitere Ecke bog, erblickte ich eine Tür, die aussah, als ob sie ins Freie führte. Ich rannte, so leise ich konnte, darauf zu – da hörte ich sie.
Roqueforts Stimme.
Ich erstarrte. Waren wir erwischt worden? Aber dann redete der Prinz (oder König) weiter. Offenbar machte er gerade einen Untergebenen zur Schnecke.
»Diese Strumpfhosen nennst du weich? Ich bin der König! Bei mir hat nichts zu scheuern! Nie!«
Ich unterdrückte einen Lachanfall und lief zur nächsten Tür, öffnete sie und fand mich hinter der Burg auf einer Laderampe wieder. Wahrscheinlich eine Art Lieferanteneingang. Zwei brutal aussehende Schweine saßen auf einem Stapel Paletten und machten eine Zigarettenpause. Einer starrte mich wütend an und schnippte seine Kippe in meine Richtung.
Ich lächelte matt und ging an ihnen vorbei. Sobald ich hinter den Mülltonnen war, wo sie mich nicht mehr sehen konnten, rannte ich in Richtung Wald davon.