29. KAPITEL

Versuch macht kluch

Nachdem Roquefort sich so richtig ausgeweint hatte, schien ihm plötzlich zu dämmern, wo er war. Er setzte sich auf, feixte wieder auf seine fiese Weise und befahl, dass wir »Faulenzer « uns jetzt endlich wieder in Bewegung setzen sollten. Der Typ war ja immer schon so reizend gewesen.

Wir waren kaum eine Viertelstunde wieder unterwegs, als wir durch die Bäume zum ersten Mal das Morgenmeer aufblitzen sahen – ich hätte nie gedacht, dass ich das jemals erleben würde. Nur wenige hatten es bisher gesehen, jedenfalls nur wenige aus unserem Dorf. Wir wurden alle sehr still, denn wir wussten ja, was es bedeutete: dass wir uns dem Bau der Schnupfwiesel näherten. Und tatsächlich, durch die salzige Meeresluft fing mein trolliger Geruchssinn plötzlich einen starken Duft auf, den ich nur als »schnupfig« bezeichnen kann.

»Wenn du nur halb so viel über Witze wüsstest wie über Kacke, fände ich es nicht so schrecklich, dass du irgendwann mein Hofnarr sein wirst.« Roquefort liebte es, vor Joe ab und an den zukünftigen Chef raushängen zu lassen.

»Äh, na ja, du bist …« Joe versuchte angestrengt, sich eine witzige Antwort aus den Fingern zu saugen. »Ich meine … du weißt schon.

Selber Kackexperte.« Er ließ den Kopf hängen, so enttäuscht war er von sich selbst.

Wir verkrochen uns in einem Gebüsch und warteten schweigend auf den Einbruch der Dunkelheit. Der junge König wurde Opfer eines bösen Ameisenangriffs innerhalb seiner Hose und zappelte dermaßen herum, dass er uns alle in den Wahnsinn damit trieb.

Als es ganz dunkel geworden war, zog ich Georges Nachtsichtgerät hervor. Zwischen uns und dem Morgenmeer lag ein Hügel. Ich suchte ihn sorgfältig mit dem Fernglas ab und hielt Ausschau nach Eingängen oder irgendwelchen verdächtigen Bewegungen. Endlich sah ich im grünlichen Licht des

Nachtsichtgeräts zwei Schnupfwiesel hinter einem riesigen Felsbrocken hervorspringen. Sie erschreckten ein Eichhörnchen, das sofort davonjagte. Aber mit wenigen lockeren Sprüngen hatte eines der Schnupfwiesel es erreicht – und verschlang es mit zwei Bissen wie einen Döner.

Mir lief es eiskalt über den Rücken, mein Fell stand zu Berge. Ich beschloss, das Eichhörnchenmassaker für mich zu behalten – vor allem, damit Kevin nicht austickte.

»Also. Ich hab eben zwei von denen aus dem Hügel kommen sehen. Der Eingang muss hinter dem Felsbrocken da hinten liegen«, sagte ich, worauf Roquefort mir kommentarlos das Nachtsichtgerät aus den Händen riss. »Wir brauchen einen Plan.«

Wir grübelten, dass die Köpfe rauchten. Hunderte Ideen flogen hin und her, eine unmöglicher und lächerlicher als die andere. König Roquefort beharrte darauf, dass wir uns als Schnupfwiesel verkleiden und in ihren Bau einschleichen sollten. Er zog sogar Papier und Feder hervor, um ein Schnupfwieselkostüm zu entwerfen.

Kevin zeigte sich unbeeindruckt. »Sieht aus wie eine riesige behaarte Wurst!«

Roquefort verdrehte dermaßen die Augen, dass er fast umgekippt wäre. »Wundert es mich, dass das Schwein Kunst nicht zu würdigen weiß? Nein, es wundert mich nicht.«

»Stimmt, das ist wirklich eine hervorragende Idee, Euer Hoheit«, sagte ich und reichte ihm seine Zeichnung zurück. »Jetzt brauchen wir ja nur noch einen Stoffladen, eine Nähmaschine, zwei Schnupfwieselfelle und ein bisschen Blumendraht – das sollte doch alles ganz leicht aufzutreiben sein hier am Ende der Welt.«

Das Gesicht des Königs lief rot an. »Na, von euch Versagern kommen ja viel genialere Vorschläge!« Er wandte sich an seine beiden Ungeheuer. »Geht da irgendwas in euren Gehirnen vor? Oder sitzt ihr hier einfach herum wie zwei Klumpen?«

»Passt auf«, sagte ich. »Wir haben diese Jungs hier, ihre Muskeln sind doch ganz nützlich. Vielleicht können wir sie mit einigen von unseren Waffen beladen und sie in den Hügel …« Ich brach ab, als ich hinter mir einen Zweig knacken hörte.

Und plötzlich waren überall Schnupfwiesel. Quer durch die Sträucher stürmten sie auf uns zu. Fellbüschel und trockene Blätter stoben auf.

Ich hörte Roquefort schrill kreischen, aber mehr konnte ich in dem Getümmel nicht unterscheiden.

Ich sah gerade noch, wie eines der Wiesel Kevin einen Jutesack über den Kopf stülpte und ihn hochhob, dann fiel ein weiterer Sack über mich. Alles wurde dunkel. Ich wurde grob über eine breite, behaarte Schulter geworfen und schlug mit dem Kopf gegen mein Knie. Dumpf drangen die erstickten Schreie meiner Freunde an mein Ohr, dann muss ich das Bewusstsein verloren haben.

Als ich wieder zu mir kam, lag ich zusammengekrümmt unten im Sack und schlug unaufhörlich gegen den Hintern des Wiesels, das mich gefangen hatte. Der Gestank war fast nicht zu ertragen. Habt ihr je einen so starken Geruch wahrgenommen, dass ihr ihn sogar schmecken konntet? So ging es mir. Die Luft schmeckte nach Wiesel. Ich fing an, durch den Mund zu atmen, und horchte auf Lebenszeichen meiner Freunde.

Irgendwann änderten sich die Geräusche. Ich vermutete, dass wir nun den Wieselbau erreicht hatten. Ich vernahm ein immer lauter werdendes Brummen, das mir eine Wahnsinnsangst machte. Es war das Gemurmel eines großen Rudels von Schnupfwieseln. Mein Herz plumste mir in den Bauch.

Dann verstummte das Fauchen und Schnaufen. Und mein Schnupfwiesel wurde auch ganz still. Alles war still, nur nicht mein Herz, das klopfte so laut, dass meine Zähne klapperten.

Plötzlich hörte ich durch die Stille ganz leise aus einiger Entfernung Kevin vor sich hin flüstern: »Oooh nein. Oh nein. Hab Panikßweißß. Hyperventiliere … Wo ßoll ich bloßß 'ne Papiertüte zum Atmen herkriegen? Moment mal … ich ßitße doch in einer Art Tüte. Wie kann ich IN einer Tüte hyperventilieren? Oweioweioweiowei …«

Er wurde von einem Geräusch unterbrochen, das sich anhörte wie lautes Bellen; es hallte von den Wänden des Baus wider. Dann wurde mein Sack hochgehoben und ausgeschüttelt. Ich knallte auf den kalten, nassen Boden – kopfüber, natürlich.

Ich setzte mich auf und sah, wie auch die anderen aus ihren Säcken fielen. Wir befanden uns mitten in einer riesigen Höhle. Von der Decke hingen diese Felsdinger – ich kann mir nie merken, ob das Stalagmiten oder Stalaktiten sind. Aber das Schlimmste war, dass wir von vielleicht fünfundzwanzig scheußlichen, sabbernden Schnupfwieseln umringt waren.

Eines der Wiesel rannte zu der gegenüberliegenden Felswand hinüber. Darin gab es ein kleines Loch und darüber war ein Pfeil gekritzelt. Das Wiesel blafft e eine Art Befehl in das Felsloch, der um ungefähr fünfhundert Prozent verstärkt zurückgeworfen wurde.

Die Felswände bebten. Darauf hin strömten noch mehr Schnupfwiesel in die Höhle, als ob sie zur Schicht gerufen worden wären. Schneller, als ich denken konnte, wurden wir gefesselt und wieder hochgehoben. Die anderen Wiesel bildeten eine Schneise und wir wurden durch die Menge getragen.

Meine Nase fing einen Geruch nach Marinade auf, solche, wie Mom sie beim Kochen benutzt. Ich dachte gerade, dass ich das komisch fand, als die Schnupfwiesel zurücktraten und den Blick auf eine riesige Wanne freigaben, die bis zum Rand mit einer braunen, öligen Flüssigkeit gefüllt war. Und dort, in der Mitte der Wanne, saß, ebenso gefesselt wie wir – der König. Der echte König. Unser guter König Kastanius. Bei unserem Anblick riss er überrascht die Augen auf.