Die braune Pampe in der Wanne war nicht so heiß, wie ich erwartet hatte. Einmal kosten, und ich wusste, dass es wirklich eine Marinade war. Vielleicht eine leichte Balsamico-Vinaigrette. Um uns herum schwammen mehrere dicke Zwiebeln und Paprikaschoten in der Flüssigkeit, dazu neun oder zehn große, ganze Fische. Offenbar wollten uns die Schnupfwiesel vor dem Essen gut würzen. Super. Einfach super.
Roquefort, Joe, Kevin und die Ungeheuer wurden ebenfalls in die Soße geworfen. Der Prinz (denn jetzt war er doch wieder Prinz, oder? Ich meine, wir hatten den König schließlich gefunden) tauchte spuckend und nach Luft schnappend wieder auf und platschte durch die Soße zu seinem Vater. »Dad! Ich … ich bin gekommen, um dich zu retten … vor diesen grauenhaften Bestien!« Es war ganz schön schwierig, durch die Pampe zu hüpfen, und Prinz Roquefort war ziemlich außer Atem.
»Danke, mein Sohn. Danke.« Da sie sich nicht richtig umarmen konnten, lehnten der König und der Prinz nur ungeschickt die Köpfe ein paar Sekunden aneinander.
Auch ich kämpfte mich durch die Pampe zum König durch. »Eure Hoheit! Wir wollten Euch helfen, aber wir sind selber zum Opfer geworden. Es tut mir schrecklich leid.«
Der König wandte sich ab, doch ich sah, dass sich seine Augen mit Tränen füllten. Er sagte eine Weile nichts und schniefte nur geräuschvoll.
»Was aus mir wird, ist mir egal, du Pelziger«, sagte er dann und drehte sich endlich wieder um. »Ich hatte mich bereits damit abgefunden, dass ich verzehrt werden soll. Ach, wäre ich doch ihre einzige Mahlzeit! Ich fürchte, die vier Getreuen, die mit mir unterwegs waren, wurden bereits zu einem riesigen Ritterragout verarbeitet. Eine schreckliche Geschichte.«
Mich überlief es eiskalt.
»König Kastanius! Wenn wir hier sterben müssen, möchte ich Euch jetzt danken. Für meine Familie. Soweit ich denken kann, haben meine Eltern immer von Euch und allem geschwärmt, was Ihr für die Trollheit getan habt.«
Ich hörte, wie der Prinz hinter mir angewidert schnaubte.
Ein trauriges Lächeln breitete sich auf dem Gesicht des Königs aus.
»Gut, gut, das weiß ich zu schätzen. Wenn wir aus dieser Klemme wieder herauskommen, werde ich noch mehr für euch tun, darauf hast du mein Wort. Trolle stehen sehr hoch in meiner Achtung.«
Wir standen eine Minute oder so einfach nur da und nickten. Dann watete ich zu Kevin hinüber, der mit weit aufgerissenen Augen vor sich hin zitterte, und versetzte ihm einen Rippenstoß. »Hey, Kevin. Alles in Ordnung?«
Joe gesellte sich ebenfalls zu uns. »Ich könnte ein paar Witze erzählen. Um die Stimmung ein bisschen aufzuhellen.«
Kevin schielte zu ihm hinüber. »Ich würde eß vortßiehen, wenn du eß bleiben ließßeßt.«
Doch Joe ließ sich nicht abschrecken. »Ach was!«
Kevin fauchte: »Schlußß damit, Joe! Jetßt nicht. Jetßt schon gar nicht! Ich will nicht mit einem von deinen blöden Witßen im Ohr in den Tod gehen müßßen!«
Ich hatte Kevin noch nie so erlebt.
Joe sah ein wenig verletzt aus. »Von mir aus. Aber bettel mich bloß nachher nicht um die Pointe an!«
In diesem Moment fing meine Trollnase Rauchgeruch auf. Ich fuhr herum und sah, wie eine Gruppe von Schnupfwieseln auf der anderen Seite des Raumes unter einem riesigen, gusseisernen Kessel ein Feuer entfachte.
O Mann, das war nicht gut. Das war überhaupt nicht gut!
Ich ließ meinen Blick über die Höhle wandern. Überall standen aus Stein gehauene Tische. Auf einem entdeckte ich einen Fleischwolf und eine lange Kette von Würstchen. Da musste ich laut nach Luft schnappen.
Ich versuchte angestrengt, nicht daran zu denken, woraus die Würstchen wohl gemacht waren, als mir plötzlich eine Ladung Balsamico ins Gesicht spritzte.
Erschrocken blickte ich mich um und stellte fest, dass der Prinz mich mit einem verdächtig unschuldigen Gesichtsausdruck ansah.
An seiner Unterlippe hingen ein paar Tropfen Marinade. Offenbar hatte sein Dad gerade in die andere Richtung geschaut und bei dieser Gelegenheit hatte der Prinz mich angespuckt.
»ERNSTHAFT?«, brüllte ich ungläubig. »JETZT??? Du bist sogar IN DIESEM MOMENT ein unreifer kleiner Rotzbalg?«
Er sah seinen Dad an. »Keine Ahnung, was der Troll da faselt.« Dann drehte er sich wieder zu mir und bedachte mich mit seinem allerfiesesten Lächeln.
Ich streckte ein Bein aus und trat dem Prinzen die Füße weg. Damit ging er unter.
Der König schaute überrascht zu mir herüber. Ich rechnete fest damit, jetzt königlich zusammengestaucht zu werden. Aber ein ganz kleines Lächeln huschte über sein Gesicht – fast hätte ich es verpasst. »Das hatte er verdient. Und jetzt hilf ihm wieder auf.« Ich streckte erneut mein Bein aus, diesmal, damit der Prinz sich daran festhalten konnte. Er richtete sich auf, spuckte aus und schnappte nach Luft.
»TROLL!«, brüllte er, sowie er sicher stand. »Das wirst du bereuen, du dreckiger, haariger …« Dann verstummte er plötzlich.
Ich folgte seinem Blick. Hinter mir, außerhalb der Wanne, standen zwei riesige Schnupfwiesel.
Offensichtlich überlegten sie gerade, welchen von uns sie zuerst kochen sollten. Ihre Blicke blieben an Kevin hängen – der rollte sofort wild mit den Augen und fing so an zu sabbern, dass ihm Schaum vor dem Mund stand.
»Was soll das denn?«, flüsterte ich verwirrt.
Die Wiesel starrten Kevin jedoch immer weiter an und leckten sich die Pfoten und das brachte mein Trollblut zum Kochen. Ich merkte, dass meine Ohren heiß wurden, und ich hörte, wie sich in meiner Kehle das wohlbekannte leise Knurren aufbaute.
Aber mir fiel auch ein, dass Gramps mir geraten hatte, meinen Zorn zu lenken.
Diesmal musste ich alles richtig machen!
Also ließ ich meine Trollwut köcheln, so gut ich konnte – damit sie mir im richtigen Moment helfen konnte. Ich hatte fast das Gefühl, eine Geheimwaffe in der Tasche zu haben.
Die beiden Schnupfwiesel-Köche überlegten sich die Sache plötzlich anders. Einer zeigte auf den König, und ehe wir’s uns versahen, hatten sie ihn mit einem Netz eingefangen und zogen ihn aus der Wanne.
Roquefort drehte vollkommen durch, verständlicherweise.
»N-NEIN!!! NICHT MEINEN DAD!«
Aber die Schnupfwiesel hatten unseren guten, ehrsamen König schon auf einen Tisch fallen lassen und rollten ihn auf einer Schicht aus Mehl und Brotkrumen hin und her.
Voller Entsetzen ging mir auf, dass sie ihn panierten wie ein übergroßes Wiener Schnitzel.
Den Mund voller Paniermehl, rief der König seinem Sohn tapfer zu: »Du schaffst es, mein Sohn! Wenn du hier rauskommst … hier rauskommst, kannst du Niegelungen an meiner Stelle regieren! « Er nieste, als eines der Wiesel ihn mit Pfeffer bestreute. »Du kannst ein guter und gerechter König werden!«
Ja. Wer’s glaubt.
Die Demütigung mit der Pfeffermühle und die unerträgliche Vorstellung von Roquefort als König waren die Tropfen, die das Fass zum Überlaufen brachten. Denn nun, liebe Leute, ließ ich den Furor im Fell von der Kette.
In Gedanken stellte ich mir einen Trichter vor, der meine ganze Trollkraft genau dahin schickte, wo ich sie brauchte. Ich strengte mich mächtig an, ich dachte an meine Belford-Vorfahren – und stemmte mich mit all meiner Trollwut gegen die Stricke, mit denen ich gefesselt war.
Sie rissen mit einem Knall wie bei einem Schuss. Die Schnupfwiesel fuhren herum, als sie es hörten, und näherten sich langsam der Wanne. Ich versuchte eilig, Kevins Fesseln aufzuknüpfen, denn ich dachte, er würde vielleicht als Nächster auf dem Paniertisch landen. Aber der Knoten saß so fest, ich musste ihn einfach mit der guten alten TrollPower® zerreißen.
»Kevin«, flüsterte ich, »sobald du frei bist, fall den Koch an! Ich kümmere mich um die anderen.«
Kevin war total perplex.
»Es gibt etwas, das ich dir noch nicht erzählt habe, Kevin.« Ich spürte, dass das Seil langsam nachgab. »Schnupfwiesel schmecken genau wie Hammel. Das ist eine wenig bekannte Tatsache. Du musst jetzt also jedes Gramm deiner Hammelleidenschaft aufbringen und für uns an dem köstlichen, köstlichen Schnupfwieselfleisch herumkauen!«
Kevin starrte mich einen Moment lang an, dann gaben seine Fesseln nach und fielen in die Pampe. Langsam ging ihm wohl auf, dass es mein Ernst war, und plötzlich bekam er einen stahlharten Blick, holte tief Luft und sprang aus der Wanne.
Mehrere Schnupfwiesel griffen nach ihm und wollten ihn packen, aber er glitt durch ihre Pfoten wie … nun ja, eben wie ein mariniertes Schwein.
Das Kochwiesel trug gerade den König durch die Höhle hinüber zum Kessel. Mit drei Sätzen hatte Kevin es erreicht und verbiss sich mit einem lauten Knirschen in sein pelziges Bein. Der Koch ließ den König fallen und heulte wie … jaja, er heulte, als ob er von einem Schwein ins Bein gebissen worden wäre.
In aller Eile befreite ich Joe, den Prinzen und die beiden Ungeheuer. Buddy und der andere vergeudeten keine Zeit und machten sich über drei Wiesel gleichzeitig her.
Ich suchte nach einer Waffe, und als durchtrainierter Fischeklatscher fing ich an, den herbeirennenden Schnupfwieseln tote Fische aus der Wanne entgegenzuschleudern. Ich hatte nicht gewusst, wie gut ich zielen konnte, und traf jedes Mal ins Schwarze. Die Fische knallten den Wieseln voll ins Gesicht, und die Biester, die nicht direkt zu Boden gingen, taumelten durch die Gegend und versuchten, sich die brennende Pampe aus den Augen zu wischen. Ich klatschte Fische, bis nur noch Gemüse übrig war. Dann klatschte ich Gemüse.
Irgendwann gingen mir jedoch die Geschosse aus, und ich sprang aus der Wanne, als Joe hinter mir herschrie: »Was soll ich machen? Wir haben keine Waffen!«
Ich landete mit einem Platsch.
Da griff er tatsächlich in seine Hosentasche und – das ist jetzt kein Witz! – zog das blöde Gummihuhn heraus, das er immer mit sich herumschleppt. Er schwenkte es wie wild über seinem Kopf und stürzte sich ins Getümmel.
Ich rannte zu dem Tisch mit dem Fleischwolf hinüber und schnappte mir eine Kette großer, schwerer Würste. Ich schleuderte sie einige Male vor mir durch die Luft – ein perfekter Nunchaku-Ersatz!
Ich wirbelte herum und verpasste dem nächstbesten Wiesel einen Schlag aufs Ohr. Und dann hörte ich Joe aus voller Kehle brüllen:
Ich erstarrte.
»Echt jetzt? Was Besseres fällt dir nicht ein?«, fragte ich und schaute ihn wütend an.
Joe schaute zurück, das Gummihuhn schlaff in seiner Hand. Aus dem Mundwinkel, als ob die Schnupfwiesel uns sonst verstehen könnten, zischte er mir zu: »Ich setze ›meine Stärken‹ ein, du Idiot!« Zur Bekräftigung malte er mit den Fingern Anführungszeichen in die Luft.
Aber ich war nicht der Einzige, der mitten in der Bewegung verharrt hatte.
Alle Schnupfwiesel in der Höhle waren zu einem abrupten Stillstand gekommen. Es war wie an der Stelle in alten Filmen, wenn jemand die Nadel von der Schallplatte reißt.
Alle glotzten nun Joe an, bis auf den Koch natürlich, der noch immer verzweifelt versuchte, Kevins Zähne aus seiner Wade zu entfernen …