31. KAPITEL

Klopf, klopf!

Loff-Loff?«, fragte ein stämmiges Schnupfwiesel leise und sah einen seiner Kumpel an. Joe schien sich unter den Blicken der versammelten Mannschaft gar nicht wohlzufühlen, aber er wiederholte: »Klopf … klopf?«

Die Wiesel schauten sich jetzt nervös um und bekamen immer größere Augen. »Loff-Loff?«

Dass ich das noch erleben durfte! Hatten sie etwa Angst vor Klopf- Klopf-Witzen? Oder war Joe inzwischen auch in der Wieselwelt für seine witzlosen Witze berüchtigt? Egal, was die Ursache war, es hatte sie jedenfalls ganz schön hart getroffen.

»Klopf, klopf!«, brüllte ich also, und sofort drehte sich eines der Wiesel mit erhobenen Pfoten zu mir um, als wollte es sagen: »Jetzt mal ganz ruhig, Kumpel!«

»Los, macht mit!«, rief ich den anderen zu. »Das mögen sie nicht.« Und deshalb brüllten wir jetzt alle wie die Blöden, Joe, Kevin, die Ungeheuer, der König und ich: »Klopf, klopf! Klopf, klopf!«

Ich rannte zu dem Felsloch mit dem Pfeil und schrie so laut ich konnte hinein.

Daraufhin erbebte die ganze Höhle und einige dieser Stalagmitentitendinger krachten herunter.

Nun herrschte das totale Chaos. Als ob die Worte den Schnupfwieseln in den Ohren schmerzten. Sie rannten durcheinander wie in einem alten Dick-und-Doof-Film, prallten dabei immer wieder gegeneinander und gestikulierten wild herum. Schließlich stürzten sie zum hinteren Ausgang der Höhle und rannten hinaus.

Ein tapferes Wiesel versetzte mir im Vorbeilaufen einen letzten Schlag, den ich mit einem Volltreffer auf seinem Hinterkopf erwiderte. Das Wiesel ging zu Boden.

Und dann … einfach so … waren sie weg.

»Alles in Ordnung bei euch?«, fragte ich keuchend, und meine Haare standen ab wie Kresse in einem Blumentopf.

»NEIN!« Kevin fing an zu zittern. »NEIN, bei mir ißt alleß ßotßiemlich daß genaue Gegenteil von in Ordnung!!!«

Joe hatte die Hände auf die Knie gestützt und den Kopf gesenkt. Der König kam auf wackligen Beinen zu uns herüber und wischte sich Paniermehl aus den Augen.

»Wir haben es geschafft«, sagte ich leise.

Es war kein Triumphgebrüll. Dazu waren wir zu erschöpft. Zu sehr außer Atem. Aber Buddy, das Ungeheuer, das auf dem Boden saß, schaute auf und hielt mir müde die Tatze hin, damit ich ihn abklatschen konnte.

Als wir alle wieder zu Atem gekommen waren, fragte der König: »Wo ist mein Sohn?«

Ich fuhr herum, um den Prinzen herbeizuholen – aber er war verschwunden. Nur eine Spur aus winzigen marinierten Fußstapfen hatte er hinterlassen, die aus der Schnupfwiesel-Höhle hinausführte.

Er war abgehauen.

Typisch.

Die Fährte des Prinzen wies in dieselbe Richtung, in die auch die Schnupfwiesel geflohen waren. Wir folgten der Spur und gelangten in einen Gang voller herumliegender Felsbrocken, der bergab führte. Ungefähr auf halber Strecke stolperten wir über einen Stapel mit unseren Sachen. Jeder schnappte sich eine Waffe, dann rannten wir weiter. Ich lag an der Spitze, sodass ich als Erster das Rauschen der Wellen hörte und den von der Sonne beschienenen Sand erblickte.

Als ich den Ausgang der Höhle erreicht hatte, erstarrte ich mitten in der Bewegung. Die anderen knallten gegen mich, aber ich bewegte mich nicht. Mein (langsames, das geb ich ja zu) Gehirn brauchte einen Moment, um zu begreifen, was ich da sah.

Wir hatten eine kleine Bucht erreicht. Hohe Felswände umgaben den Strand. Die Sonne schaute gerade noch über die Klippen.

Und dort im Sand, keine drei Meter von mir entfernt, hockte der Prinz. Er saß weit zurückgelehnt auf dem Hosenboden und sah aus wie vom Donner gerührt.

Ihm gegenüber kauerte der größte Lavadrache, den ich je gesehen hatte. Ich schwöre, er war von Kopf bis Schwanz so lang wie ein Fußballplatz. Eine feuerspeiende 747 auf Beinen.

Ab und zu stiegen aus seinen Nasenlöchern kleine Wolken aus Feuer und Rauch auf. Zu seinen unfassbar großen Füßen lagen etliche Schnupfwiesel im Sand. Einige sahen auf unnatürliche Weise verbogen aus. Andere waren angesengt, und wenn ihr findet, dass verbrannte Haare widerlich stinken, dann sag ich euch, dass verbrannte Wieselhaare auf ganz neue, bahnbrechende Weise widerlich stinken.

Ich hörte Kevin hinter mir keuchen: »Oh, jetßt mußß eß doch endlich mal reichen! Nein, ich kann nicht mehr!«

Der Prinz stieß ein leises Wimmern aus und zischte uns aus den Mundwinkeln zu: »Darf ich vorstellen, das hier ist Klopf-Klopf. Ich möchte euch Vollidioten doch recht herzlich dafür danken, dass ihr ihn wieder und wieder hergerufen habt.«

»Was?«, fragte ich. »Wie kann das denn …«

In diesem Moment öffnete der Drache seinen Schlund wie ein riesiges Garagentor mit Fangzähnen und brüllte zweimal irrsinnig laut. Das ließ die Felswände um uns herum erbeben und klang eigentlich vor allem wie:

»GLOOOOORWWW-GLOOOOOORWWW!!!«

Hinter mir murmelte Joe kaum hörbar: »Na gut … das klang ja echt wie klopf, klopf!«

Der Drache brüllte noch lauter und es klang wirklich verdammt nach dem Anfang eines Klopf-Klopf-Witzes. Eine Hitzewelle überrollte uns, und ich roch etwas im Atem des Drachen, das vermutlich geröstete Schnupfwiesel waren. Mir klappte das Kinn herunter und das Schwert fiel mir aus den tauben Fingern.

Da sagte der Prinz leise:

Dies war also der Grund, warum die Schnupfwiesel allesamt ausgerastet waren. Aus der Ferne vernahm ich ein nervöses Keckern und begriff, dass sie die Flucht über die Klippen angetreten hatten.

Ich bückte mich gerade nach meinem Schwert, als ein Schatten auf uns fiel. Es war der Drachenschwanz, der ausschlug wie eine Peitsche. Er erwischte alle außer mir, da ich mich rechtzeitig geduckt hatte; aber er rasierte mir die Haarspitzen ab.

Am schlimmsten waren Kevin und Joe getroffen. Sie wurden durch die Luft geschleudert, prallten gegen die Felsen – und fielen wie Stoffpuppen zu Boden. Meine Freunde so zerschunden zu sehen, war wie ein Dolchstoß in mein Herz. Und dieses Herz pumpte nun die heißeste Sorte Trollblut heraus, die ich je verspürt hatte.

Ich sprang zurück in die Höhlenöffnung, um dem nächsten Schlag des Drachenschwanzes auszuweichen. Ich war außer mir vor Zorn. In mir richtete sich ein Hurrikan aus Hass gegen den Drachen auf … Beim nächsten Peitschenhieb würde ich bereit sein.

Ich nahm die Kampfhaltung ein, die der Edelritter mir beigebracht hatte, und hielt das Schwert in dem Westerngriff, den er mir gezeigt hatte. Ich spürte, wie mein Trollblut durch meine Adern schoss und mir Kraft gab und das fühlte sich gut an. Es fühlte sich RICHTIG an.

Der Drachenschwanz schlug gegen den Höhleneingang und überall flogen Felsbrocken herum. Ich sprang mit aller Kraft und aller Wut vor und bohrte mein Schwert bis zum Griff in die Schwanzspitze hinein. Ich brauchte jedes Gramm TrollPower®, das ich aufbringen konnte, um das Schwert festzuhalten – denn unter gar keinen Umständen würde ich es loslassen. Ich wurde aus der Höhle gerissen und hoch in die Luft geschleudert und so schwang ich ein Bein über den Drachenschwanz und klammerte mich an ihn wie an mein Leben.

Der Boden jagte unter mir davon.

Der Drache brüllte so laut, dass die Luft um mich herum erzitterte wie Wackelpudding. Der gute alte Klopf- Klopf hatte es jetzt nicht mehr auf den Prinzen abgesehen, das stand fest. Ich sah den königlichen Knilch weit unter mir über den Strand rennen, um sich hinter einen Stapel Treibholz zu flüchten. Der Drache wirbelte im Kreis herum und schnappte nach mir wie ein Hund, der seinen Schwanz jagt. Einmal hätte er mich fast erwischt. Einer seiner dolchgroßen Zähne ratschte an meinem Unterschenkel vorbei und riss eine lange Wunde.

Ich klammerte mich mit den Beinen fest, riss das Schwert frei und hieb damit auf den Schwanz los wie ein durchgeknallter Biber, der versucht, einen Baum zu fällen. Einen riesigen, schuppigen, lavaspeienden Baum. Ich legte meine ganze Kraft hinein und stieß einen wütenden Schrei aus.

Ich bin mir nicht sicher, was ich genau geschrien habe, und vermutlich hörte ich mich an wie ein psychotischer Marschteufel – aber das war mir egal.

Ihr dürft jetzt nicht vergessen, dass ich vor Wut so ungefähr den Verstand verloren hatte … aber habt ihr schon mal eine Witzzeichnung gesehen, auf der jemand einen Ast absägt, und zwar zufällig den Teil, auf dem er sitzt? Und der dann runterfällt? Tja, genau das machte ich mit dem Schwanz. Wie schon gesagt, Trolle sind nicht gerade die Raketenbau-Ingenieure im Königreich von Niegelungen.

Ich ritt auf dem abgehackten Schwanzende wie auf einem sich aufbäumenden Mustang. Als ich auf dem Strand aufprallte, prallte ich hart auf. Wirklich hart. Also, ich meine: ich-konnte-michnicht- mehr-bewegen-hart.

Da lag ich und versuchte, zu Atem zu kommen, als ich plötzlich einen wütenden Wolkenkratzer von Lavadrachen vor der Nase hatte. Und ich konnte mich nicht aufsetzen. Konnte nicht mal rückwärtsrutschen.

Ein dicker Klumpen Lava tropfte dem Monster vom Maul und landete nur einen Daumenbreit neben meinem Kopf. Der Klumpen verschwand zischend im Sand und gab Hitze ab wie ein Schmelzofen.

Dann – und ich schwöre bei einem Stapel Edelritter-Comics, dass es die reine Wahrheit ist –, dann sprach der Drache.

Er sprach!!!

Damit ihr euch ungefähr ausmalen könnt, wie verwirrend ein sprechender Drache ist: Stellt euch vor, wie euch zumute wäre, wenn euer Kühlschrank auf einmal durch die Küche tanzte und euch dabei ein Ständchen schmetterte.

Genauso verdutzt war ich, als das Monster nun loslegte:

»TROOOLLLLLLL!«

Wie kann ich diesen Klang beschreiben? Er war so tief wie eine Mischung aus Darth Vaders Stimme und einem Furz durch eine Tuba. Die Schwingungen ließen meine Innereien erzittern wie einen Milkshake und mir wurde unfassbar schwindlig.

»JÄMMERLICHER, NIEDRIGER TROLL. MEINST DU WIRKLICH, DU KÖNNTEST MIIIIICH BEZWINGEN?!«

Ich nahm alles zusammen, was an Zorn und Mut noch in mir übrig war, und knurrte: »Ich bin nicht sicher. Aber ich bin bereit, bei dem Versuch zu sterben!«

»OHOOO«, dröhnte der Drache als Antwort. »DAS LÄSST SICH ARRRRRANGSCHIIIIIIERRRRÄÄÄNNNN!«

Und damit riss er seinen Schlund sperrangelweit auf.

Ich hatte schon mal die »Drachenwoche« im Tierkanal gesehen und wusste, dass dies kein gutes Zeichen war. Das Monstrum würde mich in einem Lavaausbruch einäschern.

Ich konnte deutlich den scheußlich aussehenden Lavaschlauch hinten im Drachenschlund erkennen, der jetzt wackelte und schwabbelte, als die glühend heiße Flüssigkeit aus den tiefsten Innereien der Bestie nach oben stieg.

Ich hörte mich selbst keuchen wie die Cappuccinomaschine von Mrs. Gellar, der Schulsekretärin. Ich schloss die Augen und hoffte, dass es schnell zu Ende sein würde.

Da ertönte ein Trompetenstoß. Mein erster Gedanke war: Aha. So ist das also, wenn man stirbt. Ein kleiner musikalischer Abschiedsgruß auf dem Weg ins Jenseits, dachte ich mir.

Doch Klopf-Klopf hatte es ebenfalls gehört. Sein Maul klappte zu und sein riesiger, schrecklicher Kopf fuhr herum auf der Suche nach dem Ursprung der Fanfare.

Wir schauten beide an den Felswänden hinauf und entdeckten hoch über uns einen Pferdekopf, der über den Rand der Klippen lugte.

Nach und nach wurde auch der Rest des Tieres sichtbar, auf dessen Rücken etwas hing wie ein nasser Sack. Ich brauchte einen Moment, um zu begreifen, was das war.