»Bist du sicher, dass du keinen Tee möchtest?«, fragt Dad.
»Es geht mir gut, wirklich.« Ich weiche zur Tür zurück.
»Ich wollte dich nicht erschrecken«, sagt Dad, doch sein Lächeln erreicht nicht seine Augen. Er sieht sehr müde aus, als ob er nicht geschlafen hätte, seit er gestern überstürzt zur Arbeit gefahren ist. Und irgendwie kommt er mir zerknittert vor, als hätte er sich auch nicht mehr umgezogen. Doch diese blaue Hose und den Pulli hatte er nicht an, als er mit Mum und Tante Stacey zum Pub gegangen ist.
Obwohl er so erschöpft aussieht, bewegte er sich in diesem Moment extrem schnell. Er war quer durch den Raum gehechtet und hatte in Sekundenschnelle seine Hand auf meinen Mund gepresst, um den Schrei zu unterdrücken, der aus meiner Kehle dringen wollte. Nur ein schwaches Wimmern war noch zu hören gewesen.
Er hat mich losgelassen, sobald ich aufgehört habe, mich zu wehren. Sobald ich nicht mehr zu geblendet war, um ihn zu erkennen. Jetzt scheint er über etwas nachzudenken und nickt dann.
»Setz dich«, sagt er und stellt zwei Tassen neben den Wasserkocher.
Ich setze mich.
Er bereitet in aller Seelenruhe den Tee zu. Ab und an wirft er mir einen seltsamen Blick zu. Für jemanden, der normalerweise so viel redet, geht von ihm plötzlich ein unheimliches Schweigen aus.
»Ich bin neugierig, was ein paar Dinge angeht«, sagt er schließlich.
»Zum Beispiel?«
»Zuerst einmal: Weshalb bist du wach?«
Ich zucke mit den Schultern. »Ich konnte nicht schlafen.«
Er schenkt uns beiden Tee ein und rührt in seiner Tasse. Ihm liegt anscheinend noch etwas auf der Zunge, doch dann schüttelt er leicht den Kopf.
»Verstehe. Zweite Frage: Warum bist du nach unten gekommen?«
»Ich habe Sebastian gesucht.«
Er denkt auch über diese Antwort einen Moment nach und nickt dann.
»Drittens: Warum hattest du so eine panische Angst, als ich das Licht angemacht habe?« Es ist mehr eine Feststellung als eine Frage. Eine, die er ergründen will.
»Ich weiß es nicht. Du hast mich erschreckt«, antworte ich wahrheitsgemäß. Aber vielleicht hatte es auch etwas mit meinem Traum zu tun – dem Traum, in dem ich von grellem Licht geblendet werde und nicht erkennen kann, wer vor mir steht und …
»Sprich aus, was du gerade denkst«, verlangt er und ich schrecke auf.
»In meinem Albtraum letzte Woche wurde ich von einem Lichtstrahl geblendet, sodass ich nichts mehr sehen konnte. Ich hatte fürchterliche Angst. Vielleicht ist das der Grund«, erwidere ich hektisch und bin selbst überrascht, meine Stimme zu hören, mit einer Beichte zu einem Traum, von dem ich aller Welt erzählt habe, dass ich mich nicht an ihn erinnern könnte.
»Als du in Ohnmacht gefallen bist?«
Ich nicke.
»Trotzdem bist du nach dem Schock gerade eben, so unnötig er auch war, nicht einmal auf einen niedrigen Level gefallen.«
»Nein.«
Mein Levo steht auf einem relativ zufriedenen 5,1.
»Interessant.« Dad schweigt kurz und lächelt dann sein übliches glückliches Lächeln. »Geh zu Bett, Kyla. Fängst du nicht morgen mit der Schule an? Dann solltest du dich besser ausruhen.«
Ich sprinte hoch in mein Zimmer, erleichtert und verwirrt. Was sollte das alles? Ich hatte fast das Gefühl, verhört zu werden. Und ich habe seine Fragen ausführlicher beantwortet, als ich es eigentlich wollte. Ich fühlte mich sogar fast genötigt, das zu tun. Beinahe hätte ich ihm sogar davon erzählt, dass mir in meinem Albtraum die Finger zerschlagen wurden.
Aber aus irgendeinem Grund habe ich dieses Detail für mich behalten – und trotzdem hatte ich dabei das ungute Gefühl, dass er ahnte, dass ich ihm nicht alles gesagt habe. Sein Lächeln konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass er darüber ganz und gar nicht glücklich war.