Operation Moonshaker Oie Welt trinkt nicht genug

Britney Bitch schüttelt es durch

KARR & WEHNER

Wenn sie nicht im Außeneinsatz unterwegs war, genoss Britney Bitch das entspannte Leben einer alleinstehenden Frau um die dreißig. Sie hatte den ganzen Vormittag im Spa von Madame Blaise verbracht, wo sie von geschickten Personal Trainern trainiert und fürsorglichen Masseuren massiert worden war. Zu guter Letzt hatte man ihr an der Bar einen pinkfarbenen Blaise special serviert, dem man eine außergewöhnlich stimulierende Wirkung nachsagte.

Als Britney am Morgen erwachte, stellte sie fest, dass der mexikanische Masseur, mit dem sie die Wirkung des Blaise special eingehend getestet hatte, bereits gegangen war. In die Ruhe der frühen Stunde platzte das Summen ihres Smartphones mit einer Statusmeldung von equalize.com, dem sozialen Netzwerk, das Universal Exports für seine Außenagenten eingerichtet hatte. Die Nachricht lautete »Der Adler soll ins Nest!«. Britney klickte »Dislike« und machte sich auf den Weg.

Der Motor der BMW R23 schnurrte wie ein satter Puma zwischen ihren Schenkeln. Britney genoss die Vibration der 247 ccm der perfekt restaurierten Maschine, die ihr Major Birchfield aus der Abteilung Q gegen ihr Ehrenwort für einige »Testfahrten« überlassen hatte. Sie glitt auf dem Motorrad, das dem Vernehmen nach zuletzt von einem Kradmelder der Wolfsschanze gefahren worden war, durch den morgendlichen Stadtverkehr. Zu ihrem Bedauern erreichte sie die Tiefgarage von Universal Exports schon nach zehn Minuten. Sie nahm den Direktionslift in die oberen Etagen des alten Bürogebäudes, in dem auch Firmen wie »Putin Communications« und »Snowdon Inc« ihren Geschäften nachgingen.

»Gehen Sie gleich durch«, sagte Alexander Penny-Fox, als Britney das Vorzimmer zum Allerheiligsten betrat. Ein schlechtes Zeichen, wenn F's Privatsekretär nicht einmal zwei Sätze für den obligatorischen Flirt mit seiner Lieblingsagentin erübrigen konnte.

F stand am Fenster ihres im feinsten Art déco eingerichteten Büros und wandte sich erst um, als Britney die gepolsterte Tür hinter sich geschlossen hatte. Sie lächelte Britney mit den Zügen der jungen Marilyn Monroe entgegen, die sie sich bei ihrer letzten Schönheitsoperation gegönnt hatte.

»Diesmal ist es sehr ernst, Agent Bitch.« F wandte sich zu ihrer kleinen Privatbar, die sie entgegen jeder Vorschrift hatte einbauen lassen. Zwei Martinis standen auf einem Serviertablett mit psychedelisch buntem Design.

»Probieren Sie!«, sagte F, und Britney gehorchte. Es war ein vorzüglicher Wodka Martini, gut gekühlt, mit einem sanften Antritt und dem charakteristischen, leicht bitteren Abgang, für den ein Spritzer Lillet sorgte. Ein Drink in einer Vollkommenheit, wie Britney ihn schon lange nicht mehr genossen hatte. »Perfekt«, sagte sie. »Wo ist das Problem?«

»Genau das ist das Problem.« F reichte ihr ein Tablet mit einem Video. »Offenbar hat eine Spezialrezeptur dieses Drinks bestimmte … Folgen.« Auf dem Display sah Britney in einem verwackelten Youtube-Filmchen einen jener gut gekleideten Bürokraten, die Tag für Tag wie die Lemminge in die City einfielen. Ein Mann, in Anzug und Mantel, der auf dem schneebedeckten Piccadilly Circus eine Art Tanz aufführte. »William Gibson, 32, Nahost-Analyst im Foreign Office«, kommentierte F. »Stieg am 22. Dezember vergangenen Jahres auf dem Weg zur Arbeit an der Station Piccadilly Circus aus der U-Bahn, um diese seltsame Vorführung auf der jungfräulichen Schneefläche des Platzes zu geben.« F räusperte sich. »Nur durch Zufall ist einer unserer Auswerter auf dieses Video gestoßen, das ein japanischer Tourist ins Netz gestellt hat. Als ausgebildeter Balletttänzer registrierte er eine gewisse Struktur in Gibsons Aufführung – und in der Tat: wenn Sie hinschauen, erkennen Sie, dass nach einer gewissen Zeit die Spur seiner Schritte im Schnee folgendes ergibt …«

»Eine Telefonnummer«, Britney blinzelte, »USA, Vorwahl Washington D.C. … das ist …«

» … die Direktdurchwahl ins Oval Office«, bestätigte F mit einem säuerlichen Gesichtsausdruck.

»Faszinierend!«, war alles, was Britney dazu in den Sinn kam.

Als nächstes erschien auf dem Tablet die Luftaufnahme eines Cottages, auf dessen Rasenfläche jemand mit einiger Sorgfalt einen siebenstelligen Code aus Zahlen und Buchstaben eingemäht hatte. »Glücklicherweise nur aus der Luft zu erkennen«, sagte F. »Ein Satellit der Kollegen in Langley hat es fotografiert. Es ist der Zündcode einer unserer taktischen Atomwaffen.«

Britney glaubte einen leisen Schauer der Bedrohung zu spüren, der für Sekunden durch den Raum wehte.

»Besitzer des Cottages ist Edward Ecclestone, Staatssekretär in Whitehall«, sagte F. »Erlitt bedauerlicherweise einen psychotischen Schub und ist seither in stationärer psychiatrischer Behandlung. Wie übrigens auch der Tänzer vom Piccadilly. Beide gaben bei ihrer Aufnahme in der Klinik an, dass ihr Lieblingsgetränk der Wodka Martini in einem der Drugg Stores sei – dieser Kette von Afterwork-Clubs, die sich derzeit weltweit verbreitet.«

F ermutigte Britney zu dem zweiten Wodka Martini. »Trinken Sie. Ich habe ihn selbst nach dem Rezept von Andrew Drugg’s Mixing Academy gemixt. Um es zu beschaffen, haben wir einen unserer besten Männer eingeschleust. Fünf cl Wodka, ein cl Vermouth, ein halber cl Lillet blanc, zwei Eiswürfel, eine Olive. Zuerst den Wodka und dann den Martini über die beiden Eiswürfel in ein vorgekühltes Glas geben, 30 Sekunden rühren, in ein Martiniglas abseihen und schließlich die Olive hinzufügen.«

Britney hob eine Augenbraue, um ihrer Verwunderung Ausdruck zu geben, dass F sich mit so etwas Profanem wie einer zwar erfolgreichen, aber letztlich harmlosen Barkeeperschule abgab, über deren Gründer sie erst kürzlich eine Story in der Vogue gelesen hatte.

»Nein, so harmlos wie Sie meinen, ist Andrew Drugg nicht«, sagte F, als habe sie Britneys Gedanken gelesen. Während Britney die BMW R23 auf der A 2 Richtung Süden beschleunigte, beglückwünschte sie sich dazu, auf den Vorschlag von Major Birchfield eingegangen zu sein, der ihr die Maschine gegen einige Gefälligkeiten als Dienstfahrzeug für diesen Auftrag zur Verfügung gestellt hatte.

Aus den Speziallautsprechern ihres Integralhelms – genau wie einige andere Dinge, die sie am Leib trug, eine Entwicklung der Abteilung Q – klang Robbies Let me entertain you, was bei Britney einige angenehme Erinnerungen an ihren Backstage-Besuch bei seinem Swing Concert in der Royal Albert Hall wachrief.

Sie war seit dem späten Nachmittag unterwegs, gegen Abend würde sie Dover erreichen, wo sich Andrew Drugg’s Mixing Academy befand. Der Ausweis und die Kreditkarten in der Innentasche ihres hautengen Overalls aus doppelt gegerbtem Alpakaleder lauteten auf dem Namen Katy Perry-Water. Damit hatte sie sich online bei Druggs Academy für das Seminar »Professional Martini Mixing« angemeldet. Die Kursgebühr von 5000 Pfund war umgehend von Katys Kreditkarte abgebucht worden.

Auf dem ruhigen Teil der Strecke ließ Britney sich das Andrew Druggs Dossier ins Overheaddisplay des Helms einspielen. Die Informationen waren dürftig. Andrew Stanislav Drugg, Sohn montenegrinischer Einwanderer, mit 14 zum ersten Mal als Taschendieb verhaftet. Danach vier Jahre in der Obhut der Nonnen von Llanllyr in Wales, eines von Tony Blairs Reintegrationsprogrammen. Später Auftritte mit einem Mentalisten namens Cupido in zweitklassigen Varietés, bis er im Juni 1989 den Jackpot der Staatlichen Lotterie gewann und sich mit runden 32 Millionen Pfund seinen Lebenstraum verwirklich konnte – der Pflege des Wissens um die klassischen Cocktails, das er in seiner Mixing Academy an die nächsten Generationen von Barmixern weitergeben wollte.

»Man ist geneigt, ihn für einen harmlosen Spinner mit einem Spleen zu halten, von denen es in unserem Land wahrlich genug gibt«, hatte F gesagt. »Zumal Drugg keine offenen gesellschaftlichen oder politischen Ambitionen zeigt. Doch dann fiel uns auf, dass durch seltsame Zufälle bei offiziellen Anlässen wie etwa den Palastfesten Ihrer Majestät, Botschaftsempfängen und Parlamentsparties neuerdings die Bars stets mit Mixern besetzt werden, die aus der Mixing Academy in Dover stammen. Und dass kurz nach solchen Events die Zahl von behandlungsbedürftigen Psychosen in den entsprechenden Behörden ansteigt.«

Als Britney Dover erreichte, musste sie nur noch den dezenten Hinweisschildern zu »Drugg's Cliff« folgen, dem großen Gelände am Rand der Weißen Klippen, wo sich Andrew Drugg das Hauptquartier seines Imperiums im klassischen Alvar Aalto-Stil hatte erbauen lassen. Weiß geschwungene Fassaden formten das Hauptgebäude, über dem sich der strahlend blaue Himmel wölbte. Neben der Zentrale lag, im Licht der sinkenden Sonne schimmernd, der Drugg-Tower, ein Aussichtsturm in der Form eines umgestülpten Martiniglases, errichtet aus mikrolegiertem Edelstahl und Panzerglas. Die Aussichtsplattform, die von dem nach oben gerichteten Fuß des Glases gebildet wurde, drehte sich langsam im Abendlicht.

»Miss Perry-Water!« Die Begrüßung der Seminarteilnehmer in der übungsbar im Basement von Druggs Zentrale fiel formvollendet aus. Neben Britney waren fünf weitere Teilnehmer eingebucht, allesamt junge, asketisch wirkende Männer. Ihr Seminarleiter war ein eleganter Mittdreißiger mit spitz zugeschliffenen Molarzähnen, der sich als Stoker vorstellte, Keeper und Mixer im Astoria New York und während seines Sabbaticals derzeit hier in Drugg’s Mixing Academy in der Weiterbildung tätig.

»Das Wodka Martini-Rezept«, hatte F bei der Einweisung noch erklärt, »war das einzige und letzte, was unser Mann, den wir bei Drugg eingeschleust hatten, aus der Academy herausbringen konnte. Er hatte die Notiz auf wasserfestem Material in der Öffnung einer Cocktailolive versteckt, die wir aus dem Abfall der Academy fischten. Seitdem ist der Kontakt zu Agent Daniels abgerissen.«

Britneys Aufmerksamkeit wurde durch ein eindrückliches Räuspern wieder auf ihren Chef-Mixer gelenkt. »Beginnen wir mit einer einfachen Präsentation!« Stoker winkte Britney an die Bar. »Demonstrieren Sie uns bitte einen Cocktail Ihrer Wahl.«

»Aber gern.« Britney nahm einen vorgekühlten Highball aus dem Freezer, gab Eis hinein und dann jeweils 1 cl Blue Curacao, Gin, Rum, Tequila und Wodka. Sie wartete kurz, bis der Alkohol sich abgesetzt hatte und füllte den Cocktail mit Zitronenlimonade auf. Mit einem liebenswürdigen »Ein ›Adios Motherfucker‹, Sir!«, servierte sie ihn Stoker.

Der probierte, schnappte kurz nach Luft und lächelte. »Well done, Katy. Ausgewogenes Mischungsverhältnis, schön durchstrukturiert. Ihr Motherfucker hat es in sich.«

»My pleasure.« Britney schenkte ihm ihren sündigen Jennifer Lawrence-Augenaufschlag und war sich sicher, dass der Abend in der Academy noch eine interessante Entwicklung nehmen würde.

Nach einem durchschnittlichen Dinner im drehbaren Restaurant auf dem Drugg Tower unternahm Britney einen Spaziergang über das Gelände, bei dem sie die dezent platzierten Wachen an den Zugängen und rund um das Hauptgebäude registrierte. Außerdem gab es keinen Winkel, der nicht von HD-Kameras überwacht wurde. Britney entdeckte sogar eine Drohne, als sie am Rand des weißen Kliffs stand und aufs Meer hinausschaute.

Nachdem sie geduscht und in ihr original bayerisches Dirndl geschlüpft war, das sie von einer Stippvisite auf dem Oktoberfest mitgebracht hatte, begab sie sich zum Small Talk in die Bar des Drugg Buildings. Außer den Teilnehmern ihres Kurses waren einige Herren in Dreiteilern anwesend, aber auch ein Araber im Burnus und ein Asiate in einem maßgeschneiderten Mao-Anzug samt Ballonmütze. In ihren Gesprächen ging es immer wieder um die Keynote, mit der Andrew Drugg morgen im kleinen Kreis seine Vision über die Zukunft seines Bar- und Mixing-Imperiums mit ihnen teilen würde.

Britney bestellte bei dem androgynen Albino an der Bar einen Wodka Martini und verbrachte die nächste halbe Stunde mit dem Cocktail und damit, den smarten Mann mit dem perfekt getrimmten Fünftagebart und der schwarzen Augenklappe am rechten Auge zu beobachten, der kurz nach ihr die Bar betreten hatte. Andrew Drugg strahlte jenes Charisma aus, das aus Menschen Heerführer, Sektengurus oder IT-Milliardäre machte. Es gab Gerüchte, dass es weder eine medizinische noch eine kosmetische Notwendigkeit für seine Augenklappe gab. Einem Boulevardmagazin war angeblich schon einmal aufgefallen, dass er sie nicht nur links, sondern gelegentlich auch rechts trug.

Obwohl Druggs einäugiger Blick sie nur kurz gestreift hatte, ahnte Britney, dass er sie durchaus wahrgenommen hatte – eine Ahnung, aus der Gewissheit wurde, als er sich neben ihr auf den Barhocker gleiten ließ. »Miss Perry-Water?«

»Katy«, sagte Britney.

»Andrew!« Drugg schnippte nach dem Albino. »Wodka Martini. Special. Zweimal.«

Der Albino gab Eis, Wodka, Gin und einen Spritzer Crème de Mûres aus dem Hause Giffard sowie einen Fingerhut einer klaren Flüssigkeit in einen Shaker und schüttelte die Mischung gerade so lange, wie es brauchte, um die Kälte des Eises auf die Flüssigkeit zu übertragen. Darüber hinaus sorgte der Paranuss-Effekt dafür, dass die im Vergleich zum Ethanol größeren Geschmacksmoleküle an die Oberfläche der Flüssigkeit stiegen. Nach dem Abgießen gab er Oliven an Cocktailspießen in die Gläser und servierte.

Sie stießen an.

»Das nenne ich mal einen Drink«, sagte Britney.

Drugg lachte, doch sein Blick blieb unbeteiligt. »Sie fahren da ein ungewöhnliches Motorrad.«

Britney spürte, wie die belebende Wirkung der Cocktails einer gefährlichen Trägheit Platz machte, einer Art gefühlsmäßiger Gelassenheit. Drugg lachte wieder leise und sie spürte gegen ihren Willen eine große Sympathie für ihn. Auch seine Hand auf ihrem Rücken, mit der er ihr vom Barhocker half und sie zu einer diskreten Tapetentür neben der Bar geleitete, konnte sie nicht als unangenehm empfinden. »Ich …«

»Sagen Sie nichts!« Hinter der Tür lag ein Raum, der wie die Mischung aus einer kieferchirurgischen Praxis und der Ordination eines Psychoanalytikers wirkte. Eine schwarze Ledercouch dominierte die Einrichtung aus Edelstahl-Arbeitstischen und einer hochauflösenden Videokamera, deren gleißendes Ringlicht extrem scharfe Bilder ermöglichte.

»Ja, nehmen Sie Platz, meine Liebe!« Drugg half Britney auf die Couch. »Entspannen Sie sich!« Ferngesteuert surrte der Gelenkarm mit der Videokamera heran und verharrte in etwa einem Meter Entfernung.

»Wissen Sie, dass ich mich rein privat auch für Motorräder wie die BMW R23 interessiere?«, fragte Drugg sanft.

Britney lächelte automatisch und genoss das Gefühl von Wärme und Vertrauen, das sie ihm entgegenbrachte, während tief in ihrem Unterbewusstsein die Ahnung weiterlebte, dass sie dies alles nicht wirklich fühlte, sondern dass sie vielmehr von irgendeiner Substanz manipuliert wurde, die man ihr mit dem Wodka Martini eingeflößt hatte. Sie hatte den Fingerhut der klaren Flüssigkeit im Verdacht, der von dem Albino hinzugefügt worden war.

»Deshalb«, fuhr Drugg fort, »habe ich mir Ihre Maschine genau angesehen und entdeckt, dass sie auf Universal Exports zugelassen ist. Mit was für Geschäften sich diese Firma abgibt, Miss Bitch, das wissen wir alle. Ihren richtigen Namen anhand einer ID-Software zu ermitteln, war eine Kleinigkeit. Und jetzt befürchte ich, dass Sie das gleiche Schicksal erleiden werden wie Ihr Kollege Jack Daniels, der unserer kleinen Unternehmung viel näher gekommen war als Sie!«

»Welcher Unternehmung?« Britney gab dem Impuls nach, Drugg in die Arme zu schließen und sich an seine Brust zu schmiegen. Er duftete nach Ambra und dem Rauch einer frisch gerauchten Cohiba.

»Unsere Mission ist, die Welt mit dem perfekten Wodka Martini zu verwöhnen«, kicherte Drugg und knabberte an ihrem Ohrläppchen. »Dem Drink, der uns zur Wahrhaftigkeit verpflichtet. Eine Wahrheitsdroge, wie es sie noch nie gegeben hat. Tag für Tag serviert in den Drugg Stores in den Geschäftszentren der Welt. An meinen mobilen Mixing-Stations auf Gipfeltreffen und Konferenzen an die Geheimnisträger dieser Welt ausgeschenkt. Die mir und meinen Beauftragten dann vorbehaltlos alle ihre Geheimnisse anvertrauen. Passwörter, PIN-Nummern, Zugangzahlen, Bombencodes, geheime Verhandlungspläne, geopolitische Strategien – oder auch nur das Marmeladenrezept ihrer Großmutter. Alles verrät man, nach nur einem meiner Wodka Martini Specials. Ich muss dieses Wissen nur sammeln und kann es dann zum Wohle der Menschheit verwenden!« Drugg kicherte. »Der Tänzer auf dem Piccadilly und der Rasenmäher waren bisher die einzigen Pannen, Klienten, die nicht zu steuern waren. Aber das wird nie wieder passieren, denn heute geht die neue Charge meines Wodka Martini Special in Produktion – ein vorgemixter Drink, der nur noch auf Eis gekühlt in ein Glas gegossen und mit einer Olive serviert werden muss. Und Sie, Miss Bitch, werden dem Drink seine ganz spezielle Note geben. Was halten Sie davon?«

»Schön«, säuselte Britney gegen ihren Willen, aber die Welle der Empathie, die sie überrollte, war zu gewaltig, um ihr zu widerstehen. »Ich freue mich, dass ich dabei sein darf.« Dann versank sie in einem tiefen, dunklen See.

Britney erwachte, als der See feucht an ihren nackten Beinen zu lecken begann. Ein leises Rinnen und Rieseln drang in ihr Ohr. Ihr war kalt, und als sie endlich die Augen öffnete, stellte sie fest, dass sie nackt auf einem überdimensionierten Edelstahltablett am Boden eines mehr als mannshohen Cocktailshakers in Form eines Erlenmeierkolbens aus spezialverstärktem Panzerglas lag. Unablässig drang eine klare Flüssigkeit herein, die sie nach einer Probe mit der Fingerspitze als Druggs Wodka Martini Special identifizierte. Keine zwei Minuten mehr und der Shaker wäre gefüllt und sie in dem perfekten Drink ertrunken. Unscharf erkannte sie durch das Plexiglas die Räume des Labors. Monitore zeigten Tabellen, Anzeigen blinkten, doch Personal war nicht zu sehen.

Britney wälzte sich herum. Man hatte darauf verzichtet, sie zu fesseln, weil es keine Möglichkeit gab, den Shaker zu verlassen, wenn man nackt und ausgeliefert war wie sie.

Das war der Moment, in dem sie nicht nur dem Himmel, sondern auch Major Birchfield von der Abteilung Q für seinen Reichtum an Ideen und seine Phantasie bei deren Umsetzung dankte. Britney brauchte nur wenige Sekunden, bis sie die in metallic-grün, -blau und -rot schimmernden Kugeln in der Hand hielt, die ihr den Weg aus ihrem Gefängnis bahnen würden.

Mit einer entschiedenen Bewegung drehte sie die beiden Hälften der roten Kugel gegeneinander und ließ sie in die Flüssigkeit sinken, die ihr inzwischen schon bis zur Brust stand. Undeutlich verspürte sie die hochfrequenten Vibrationen, die von den Halbkugeln ausgingen und nun als leises Sirren hörbar wurden. Die Flüssigkeit schien aufzuschäumen und Britney schob sich in dem schmalen Hals des Shakers in die Höhe, um dem steigenden Pegel zu entgehen. Dabei öffnete sie die grüne Kugel und heftete die beiden Hälften an den Deckel, mit denen der Schacht verschlossen war. Eine rote Anzeige begann die Sekunden herunterzuzählen. Unterdessen schäumte die Flüssigkeit durch die Vibrationen weiter auf, die Wandung des Shakers nahm die Schwingungen auf, und als der digitale Countdown über ihr die Null erreichte, atmete Britney tief ein, schloss die Augen und tauchte unter – gerade noch rechzeitig, ehe die Vibrationen den Shaker zerspringen ließen. Die beiden Miniaturgranaten sprengten den Deckel ab und Britney wurde in einem gigantischen Schwall bestens gemixtem Wodka Martini in den Raum gespült…

»Der Rest«, erklärte Britney, »war dann Routine. Vom Labor aus konnte ich in Druggs geheime Kommandozentrale Feindringen und ihn unschädlich machen. Seine überraschung, als er mich lebend hereinkommen sah, war sehenswert …«

F konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. »Ich vermute, seine Reaktion war eher auf die die Tatsache zurückzuführen, dass Sie unbekleidet waren, Agent Bitch.«

»Gut möglich«, räumte Britney ein. Sie würden es nie erfahren, denn die Sprengladung der letzten Granate aus Major Birchfields Notfallset hatte sowohl Drugg als auch seine Zentrale in Schutt und Asche gelegt. Britney hatte anschließend nur noch auf das SAS-Kommando warten müssen, dass durch ein Funksignal beim Auslösen der Notfallgranate verständigt worden war. Die Männer waren nach knapp 13 Minuten mit ihrem Westland Lynx Mk7-Helikopter aufgetaucht und hatten Britney Zuerst in einen Overall gesteckt und dann an Bord genommen.

»Das Thema Andrew Drugg ist damit Geschichte!« F blätterte bereits zufrieden im Prospekt einer Beautyklinik auf Barbados, die neben Facelifting auch Buttshaping in den Varianten Rihanna, J. Lo und Beyoncé offerierte.

Zehn Minuten später stieg Britney im dritten Untergeschoss aus dem Lift und tippte an einer Stahltür ihren persönlichen Zugangscode für die Abteilung Q ein.

Major Birchfield empfing sie mit einem vertrauten Lächeln. »Es geht um die RW23, ja?«, fragte er.

Britney lächelte zurück. »Ich habe meinen Teil unseres Deals eingehalten – Praxistest Ihrer drei Kostbarkeiten in Rot, Grün und Blau. Als Entschädigung wollten Sie mir die Maschine für ein Jahr überlassen.« Sie erinnerte sich mit einigem Vergnügen daran, wie der Major die drei Kugeln vor ihrem Trip nach Dover mit vollem Körpereinsatz in ihrem Versteck platziert hatte.

»Sei's drum!«, meinte der Major. »Der Test war erfolgreich. Die RW23 gehört Ihnen!« Er wirkte überrascht als Britney näher kam und ihre Bluse öffnete. »Was …«

»Ich verlange noch ein ordentliches Debriefing«, sagte Britney. »Sie schauen jetzt sofort nach, ob hier nicht noch irgendwelche Rückstände Ihrer drei Kostbarkeiten sind.«

Wodka Martini-klassisch

5 cl Wodka

1 cl Vermouth (Extra Dry)

1 grüne Olive mit od. ohne Kern

2 Eiswürfel

Die Eiswürfel in ein Rührglas geben. Zuerst den Wodka, dann den Vermouth hinzufügen, alles etwa 30 Sekunden verrühren. Den Drink durch ein Barsieb in ein vorgekühltes Trinkglas abseihen, die Olive hinzugeben und sofort servieren.

Wodka Martini-Bond-style

(shaken, not stirred)

So trinkt James Bond seinen Wodka Martini (in »Casino Royale« wurde der Cocktail von ihm kreiert und »Vesper« genannt):

3 cl Gin

1 cl Wodka

0,5 cl Kina Lillet.

Die Zutaten in einem Shaker mit Eis shaken, bis der Drink sehr kalt ist. Mit einem großen schmalen Stück Limettenschale servieren. Leider wird Kina Lillet nicht mehr produziert. Stattdessen kann man normalen Lillet oder trockenen Vermouth nehmen.