Rusty Nail

Ein Krimi in zwei Stimmen

MARITA UND JÜRGEN ALBERTS

Noch mal davongekommen, was?
Wie man’s nimmt.

Wir sind unterwegs.

Auf der Flucht, George, wir sind auf der Flucht.

Wie man’s nimmt.

Dass uns die Cops haben laufen lassen, kann ich immer noch nicht fassen.

Wir sind unschuldig, Greta. Gänzlich unschuldig.

Sagst du. Ich war ja nicht dabei.

Er lebte noch, als ich ihn verlassen habe.

Am Morgen war er tot.

Ja und?

Genau an dem Ort, an dem du ihn verprügelt haben willst. Hinter der Bar.

Hatte es nicht anders verdient, der Schottenlümmel.

Ich fand ihn ganz nett.

Du findest jeden Mann nett, der dir ein paar windige Komplimente macht.

Lenk nicht ab, George, du weißt genau, es kann noch ganz schön eng werden.

Wieso?

Die brauchen doch bloß die anderen Hotelgäste zu befragen.

Bis die aus ihrem Rausch aufwachen … Soll’n ja ganz schön einen gezogen haben auf ihrem Trip zum Bingo in Thurso.

Aber die Cops werden sie befragen und dann …

Was dann?

Dann werden die aussagen, wie du dich mit dem Kerl angelegt hast. Schon gleich beim Einchecken.

Ja und? Hatte ich nicht recht? Der wollte uns kein Zimmer geben, obwohl in seiner Bude noch was frei war. Und nur weil ich gesagt habe: Schottland gehört zum United Kingdom, seit über 300 Jahren.

Aber er ist einer von den Yes-Leuten. Das sah man doch an den Aufklebern.

Und deswegen darf er uns ein Zimmer verweigern? Möchte nicht wissen, ob in der Klitsche überhaupt nur Schottenlümmel und Yes-Idioten absteigen dürfen. Der Typ wollte uns glatt wieder in den Regen rausschicken, dann hätten wir hier im Auto übernachten müssen.

Wir hätten schon was gefunden.

Stunden hatten wir schon nach einer Unterkunft gesucht, alles belegt, nicht mal eine Besenkammer war frei.

Deswegen hättest du ja auch etwas freundlicher sein können.

Zu Arschlöchern darf man nicht freundlich sein, Greta. Ist doch immer dein Spruch gewesen. Jedenfalls sind wir jetzt weg von diesem …

Würde mich nicht wundern, die Cops vor unserer Tür zu finden, wenn wir zu Hause eintrudeln. Die haben unsere Adresse und alle Nummern von uns – wenn da auch nur der kleinste Verdacht…

Ich habe ihn nicht umgebracht, wie oft soll ich das noch sagen! Es gab eine Rangelei, er ist unglücklich nach hinten gefallen … Pech gehabt, ich hab noch gefragt, ob er Hilfe brauche, da hat er mich angeblafft, von einem britischen Affen würde er sich niemals helfen lassen … Bitte sehr, dann eben nicht.

Und warum wurde dann am Morgen seine Leiche gefunden?

Was weiß ich denn? ›Zwischenzeitlich verstorben‹ oder wie man das nennt. Ich bin gegen 22 Uhr ins Zimmer gekommen, du hast geschnarcht … wie immer … was sollte ich …

Na, Hilfe holen, zum Beispiel.

Und wenn der keine wollte? Ich kann ihm ja die Sanitäter nicht aufzwingen.

Ich hab die beiden Cops beobachtet, als du ihnen das erzählt hast, die haben dir kein Wort geglaubt. Und außerdem haben die anderen Gäste beim Dinner mitbekommen, wie du dich mit dem Kerl gefetzt hast.

Weil er uns an den Katzentisch gesetzt hat, obwohl überall noch Platz war. Reine Schikane war das, reine Schikane.

Wir hätten uns einfach umsetzen sollen.

Dann wären wir gar nicht mehr bedient worden. Wer kann denn ahnen, dass dieses Hotel nur eine einzige Servicekraft hat? Rezeption, Kellner, wenn man den Knilch überhaupt so bezeichnen kann, und Barmann für den Nightcap.

Wenn wir uns an einen anderen Tisch gesetzt hätten, anstatt so ein Gezeter zu veranstalten. Die anderen Gäste haben die ganze Zeit zu uns rübergeschaut.

Ich hab denen mal die Zunge rausgestreckt. Da haben sie erschreckt die Köpfe weggedreht.

Aber wenn die Cops sie fragen …

Mein Gott, Greta, dann werden die ihnen sagen, dass es ein paar kleine Meinungsverschiedenheiten zwischen uns gegeben hat. Nach dem Dinner sind sie doch alle in den kleinen Van gestiegen, um nach Thurso zum Bingo gebracht zu werden. Ich hab gehört, wann die nach Hause gekommen sind, muss gegen 1 Uhr früh gewesen sein … und eine Leiche haben die auch nicht gesehen.

Weil sie so betrunken waren.

Weil sie so betrunken waren! Spielt auch keine Rolle. Sie haben von dem kleinen Geplänkel an der Bar …

Geplänkel nennst du das? Das war eine Klopperei …

Eine Klopperei, von mir aus, zwischen diesem Schottenlümmel und dem guten George. Niemand hat davon was mitbekommen, gar nichts. Also …

Du willst nicht drüber reden, was wirklich passiert ist, oder?

Wir reden doch schon die ganze Zeit darüber, Greta. Seit mehr als 50 Meilen bohrst du auf meinem Zahn und versuchst, die faule Stelle zu finden. Aber da ist nichts, gar nichts.

Du hättest diesen Rusty Nail nicht bestellen dürfen. Hätten es ein Ale oder ein Stout nicht auch getan? Nein, Sturkopf George muss einen Rusty Nail bestellen.

Mein Lieblingsgetränk, seit ich in der Fleet Street arbeite. Am Abend einen Rusty Nail und dann Koma, Tiefschlaf und am nächsten Morgen eine klare Birne.

Aber das war doch …

Nach dem Fraß wollte ich mir was Gutes tun. Als Vorspeise Welsh rabbits – geschmacklose Käsewürfel in ungewürzter Tomatensauce – schon das hat mir gereicht … Den Rest vom sogenannten Four-coursedinner de luxe will ich lieber nicht erwähnen, sonst kommt es mir wieder hoch.

Weiter, George, jetzt sind wir an die Bar, wo das Unglück seinen Lauf nahm.

Wieso?

Es war doch ein Unglück, oder?

Wie man es nimmt – ich hab mich nur gewehrt, und er hat sich überschätzt … Wenn man dazu Unglück sagt, bitte sehr …

Du hättest doch auch nachgeben können, George, oder?

Man gibt nicht nach, wenn man ständig beleidigt wird. Beim Einchecken das muffigste Zimmer im ganzen Hotel, beim Dinner die hinterste Ecke und die kleinsten Portionen, ich wollte doch nur einen Rusty Nail, verdammt …

Den hast du auch bekommen.

Ja, aber was für einen …

So wie es sich gehört – Whisky mit Drambuie auf Eis …

Eklig, Greta, wirklich eklig.

Du hättest ihn nicht in hohem Bogen ausspucken müssen und dabei den Barmann besprühen. Das macht man nicht, George, das weißt du genau. Du achtest doch sonst auf Etikette und vornehmes Benehmen.

Es hat den Richtigen getroffen.

Du wolltest ihn provozieren.

Quatsch, Greta. Ich wollte ihm eine Lektion erteilen. Der Rusty Nail, den ich seit Jahren im Kings Arms in der Fleet Street trinke, besteht zu einem Drittel aus Whisky, einem Drittel Wodka, einem Drittel Gin – kein Eis, verdammt, nur leicht schwenken und im hohen Glas vermischen … Warum hat der Kerl mir das nicht …

Weil du ihn so von oben herab angemacht hast.

Er ist Barmann, soll ich ihn wie Prince Charles behandeln …? Mit Tampons …

Wenn ich nicht ins Bett gegangen wäre …

Deine übliche Migräne, wenn es mal eng wird. Du hättest das auch nicht verhindert. Wenn der blöde Mistkerl mir den Drink gemacht hätte, wär alles o.k. gewesen. Aber nein, er muss sich bockig stellen, der Schottenlümmel. Ich hab meinen Rusty Nail doch noch bekommen …

Wie denn?

Als er am Boden lag, hab ich Self-Service gemacht, mir ein hohes Glas geschnappt und Gin, Wodka und Whisky eingefüllt … Das Handy klingelt, willst du nicht rangehen?

Ist bestimmt für dich, George.

Ich fahre. Beim Autofahren darf man nicht ans Handy, steht unter Strafe. Kannst du die Nummer sehen?

Die Nummer ist unterdrückt.

Wenn es niemand von unseren Freunden ist, lass es klingeln.

Ich würde schon gerne …

Dann geh ran, aber ich bin nicht da!

Du hast Schiss, was? Könnten die Cops sein, oder? Warum sagst du mir nicht einfach, was wirklich passiert ist? Dann machen wir einen Plan …

Geh schon ans Handy.

(Sie nimmt das Handy) Ja, Greta Ambler hier … Ja, genau, wir waren letzte Nacht … Und wer sind Sie? … Aha, ja … nein, wir sind nicht mehr … Und was wollen Sie von uns? … Oh, mein Gott …

Wer ist dran, Greta?

Still, George, sei ganz still.

Wer ist das?

Ich werde Ihnen gar nichts sagen. (Sie schaltet das Handy ab.) Puuh, jetzt geht es los.

Kannst du mir bitte …

Ich muss erst mal Luft schnappen …

Dann schnappe Luft. Ich fahr mal auf den Seitenstreifen …

Sie will 150.000 Pfund.

Wer?

Die Frau von dem toten Schotten.

Da war keine Frau.

Sie hat alles mitbekommen.

Da war niemand außer mir und ihm.

Sie war in der Küche. Will alles mit angehört haben. Hat gesehen, wie du dir nach der Schlägerei ein Glas geschnappt und den Rusty Nail gemixt hast … Und sie hat auch ein Beweisstück für ihre Aussage …

Was denn?

Das Glas, das du mit auf unser Zimmer genommen hast. Da sind deine Fingerabdrücke drauf …

Ja und?

Noch hat sie der Polizei nichts gesagt …

Wie kommt die … wer immer das ist … an unsere Handynummer?

Vielleicht hat sie mitgehört, als du sie den Cops diktiert hast …

Warum ist sie nicht aufgetaucht?

Weiß ich doch nicht!

150.000 hat sie gefordert?

Genau. 150.000 Pfund. Sie will alles mitbekommen haben, von Anfang an. Wenn jetzt die anderen Gäste …

Soll ich umdrehen?

Ach, auf einmal bist du dir nicht mehr so ganz sicher, ob du den Schotten nicht doch umgebracht hast? Wenn wir zurückfahren, machen wir uns noch mehr verdächtig.

Ich weiß, warum die Frau sich im Hintergrund gehalten hat.

Ach, du hast also doch jemanden bemerkt.

Nein, nein. Ich versuche mir nur zu erklären, warum sie uns erpresst.

Die will Kohle sehen und dich hinhängen.

Ja klar, aber wieso gerade mich?

Weil sie was weiß, das dir gefährlich werden kann.

Gehen wir mal davon aus, dass sie wirklich …

George, kommt jetzt die Wahrheit? Endlich, ich wäre beinahe geplatzt.

Greta, hör doch mal auf, mich zu unterbrechen.

O.k. Ich höre ja auf.

Also, die Frau kannte ihren Mann, wusste, dass er a real asshole war. Sie hat darauf gewartet, dass er sich mal wieder mit jemandem anlegt. Wir kommen ins Hotel, sofort ist Krach in der Bude. Wahrscheinlich wird er ihr in der Küche alles brühwarm erzählt haben. Und dann nach dem Dinner der Streit wegen des Drinks, die Schlägerei, ihr Mann geht zu Boden, ausgeknockt, ich mixe mir den Drink selber und verschwinde aufs Zimmer … Dann kommt sie in die Bar und besorgt den Rest, die brauchte ihm doch nur die Kehle zuzudrücken und peng, aus … Und jetzt will sie es mir anhängen und erpresst uns …

Klingt plausibel, aber kannst du das beweisen, George? Das nehmen dir die Cops nie und nimmer ab.

Abwarten, Greta, abwarten – noch ist der Adler nicht abgestürzt, nicht wegen eines blöden Rusty Nail, den dieser Schottenlümmel mir vorenthalten wollte.

Ich kenne dich lange genug, George, ich weiß, wie du ausrasten kannst. Hab ich schon einige Male erlebt. Du hast den Rusty Nail ganz gezielt dem Barmann ins Gesicht gespuckt, weil er …

Weil er es verdient hat. Es war der falsche Sargnagel, den er mir serviert hat. Soll’n wir uns denn von jedem hergelaufenen …

Schau mal in den Rückspiegel.

Was soll da sein?

Schau mal genau hin.

Ein Streifenwagen. Ja und?

Die blinken auf.

Vielleicht haben sie nur vergessen …

Nichts da, das gilt uns.

Das wüßt’ ich aber.

Fahr links ran, George.

Denk ja gar nicht dran.

Siehst du die Kelle nicht?

Bin ja nicht blind.

Und jetzt?

Jetzt geht die Jagd los. Ein bisschen Gas, jetzt will ich Spaß.

George, du spinnst. Die werden uns …

Dazu müssten sie uns erst mal …

Du hast ihn umgebracht, gib es zu. Und jetzt …

Kannst du nicht einfach mal für ein paar Minuten still sein. Einfach mal zur Abwechslung …

Wenn es aber doch stimmt …

Klappe, Greta! Klappe!

Verdammte Cops, wie konnten die uns so schnell aufspüren?

Festhalten, Greta! …

George … pass auf … das Brückengeländer …

Rusty Nail

4 cl Whisky (Blended)

2 cl Drambuie

Eis

Eiswürfel in einen Tumbler geben, Whisky und Drambuie darübergießen und mit einem Barlöffel vermischen. – Das Getränk kann auch ohne Eis genossen werden, dann empfielt es sich sogar, mit einem Single Malt Whisky zu experimentieren. Man kann den Drambuie auch erhitzen und erst dann ins Glas geben.