10. KAPITEL

Wie in Trance durchquerte Milly das Wohnzimmer. Cesares durchdringendem Blick konnte sie sich nicht entziehen, wie magisch fühlte sie sich zu diesem Mann hingezogen.

Als sie vor ihm stand, hatte sie das Gefühl, vor Anspannung zu vibrieren. Sie spürte die Wärme seines Körpers und erbebte, als er ihre Taille mit beiden Händen umfasste. Seine dunklen Augen, in denen es rätselhaft aufleuchtete, waren unter den Lidern mit den dichten schwarzen Wimpern halb verborgen.

„Du bist wunderschön. Die Direktrice hat genau begriffen, wie du bist und was zu dir passt. Offenbar habe ich dich gut beschrieben“, stellte er zufrieden fest. „Verzeih mir, dass ich einige Male Italienisch mit dir gesprochen habe. Das mache ich nicht mehr, solange du die Sprache nicht verstehst. Es war der erste Test kurz nach deiner Ankunft. Da du mich offenbar nicht verstanden hattest, war ich immer mehr davon überzeugt, dass etwas nicht stimmen konnte.“

Mit beiden Daumen streichelte er ihre Taille. Es überlief Milly heiß, und sie wagte kaum zu atmen, während sich ihre aufgerichteten Brustspitzen deutlich unter dem feinen Material des Kleides abzeichneten. Sie errötete, aber nicht weil es ihr fürchterlich peinlich war, von ihm schon nach wenigen Stunden durchschaut worden zu sein, sondern weil sie sich viel zu sehr nach Cesare sehnte und ihn zu sehr begehrte.

Langsam ließ er die Hände höher gleiten, und Milly stand reglos und in gespannter Erwartung da. Nur noch wenige Zentimeter, dann würde er ihre Brüste berühren.

Schauer der Erregung liefen ihr über den Rücken, und Hitze durchflutete sie, während sie ihn mit der Kraft ihrer Gedanken dazu bringen wollte, die Hände diese wenigen Zentimeter weiter nach oben gleiten zu lassen.

Doch dann versprach er ihr mit seiner tiefen, rauen Stimme: „Ich werde dir helfen, Italienisch zu lernen. Es wird uns beiden Spaß machen.“

Mit geradezu furchterregender Geschwindigkeit landete sie wieder auf dem Boden der Wirklichkeit. Was mache ich eigentlich hier? schoss es ihr durch den Kopf. Und wovon redete er? Wann wollte er ihr helfen, seine Sprache zu lernen? Erwartete er etwa, sie würde noch länger als Filomenas Gesellschafterin in der Villa bleiben, obwohl die ältere Dame sie wegen der Täuschung verachten würde? Oder sollte sie noch länger bei ihm bleiben, weil er sie begehrte, so wie er Jilly eine Zeit lang begehrt hatte? Sollte sie für ihn da sein und das Bett mit ihm teilen, wann immer ihm danach zumute war?

Sie legte die Hände auf seine muskulöse Brust, schob ihn von sich und drehte sich um. Dann verschränkte sie die Arme und versuchte zu verbergen, dass sie anfing zu zittern. „Wir müssen uns über meine Schwester unterhalten. Schon vergessen?“, brachte sie hervor.

„So? Müssen wir das?“ Leicht belustigt stellte er sich hinter sie, legte ihr die Hände auf die Schultern und streichelte sanft ihre nackten Arme. Schließlich berührte er ihren Nacken mit den Lippen.

Milly erbebte und bekam eine Gänsehaut. Nur mit Aufbietung ihrer ganzen Willenskraft konnte sie sich zurückhalten, sich umzudrehen, ihm die Arme um den Nacken zu legen und ihn zu bitten, sie zu küssen.

„Du hast sie sehr verletzt“, sagte sie und trat einige Schritte zur Seite, weg von ihm und aus der Gefahrenzone. „Jedenfalls vermute ich es.“

„Gut. Verrate mir, weshalb du das annimmst.“ Er schien verblüfft zu sein.

Er ist ein guter Schauspieler und ein Frauenheld, wie er im Buch steht, das darf ich nicht vergessen, mahnte sie sich. Wenn sie schwach geworden und auf seine Verführungskünste hereingefallen wäre, hätte er ihr jetzt schon die Kleidung vom Leib gerissen, und sie würde ihm helfen, sich auszuziehen. Anschließend würden sie in dem breiten Bett landen, ohne dass sie einen einzigen Gedanken an den Kummer und Schmerz, die unweigerlich darauf folgten, verschwendete. Nur ihre Sehnsucht und ihr heißes Verlangen wären in dem Moment wichtig.

Verschaffte es ihm eine gewisse Genugtuung, auch mit ihr zu schlafen, nachdem er eine Affäre mit ihrer Schwester gehabt hatte? Fand er es vielleicht erregend? Und hätte ich es genossen, mit ihm zu schlafen, weil ich ihn liebe? fragte sie sich plötzlich und erschrak zutiefst bei diesem Gedanken. Sprach- und fassungslos stand sie da.

„Verrate mir bitte, weshalb du annimmst, ich hätte deine Schwester verletzt“, wiederholte er.

In dem Moment klopfte es, und ein Ober kam mit dem Servierwagen herein. Cesare bat den jungen Mann, den Tisch auf dem Balkon zu decken.

„Wir können uns während des Essens unterhalten.“ Cesare legte Milly die Hand auf den Rücken und dirigierte sie hinaus auf den Balkon mit Blick auf einen wunderschönen Garten. Es duftete betörend nach Jasmin und anderen blühenden Pflanzen.

Cesare rückte ihr höflich den Stuhl zurecht. „Und wer weiß, vielleicht machen wir anschließend noch etwas ganz anderes“, fügte er rau hinzu, während Milly sich hinsetzte.

Sie erbebte, obwohl es ein warmer Abend war, und beschloss, nicht darüber nachzudenken, was Cesares Bemerkung zu bedeuten hatte. Immer wieder forderte er sie auf, dieses oder jenes Gericht zu probieren, was sie auch tat. Sie hätte jedoch später nicht sagen können, was sie gegessen hatte, denn sie war viel zu aufgewühlt.

Nach einem großen Schluck Champagner, der herrlich schmeckte, fand sie endlich den Mut, das Thema anzuschneiden, das ihr am Herzen lag. „Jilly ist keine Diebin oder Betrügerin. Ich bin der Meinung, sie ist nur verschwunden, weil du sie sehr verletzt hast. Auf der letzten Karte, die wir von ihr erhalten haben, hat sie geschrieben, sie würde den Job als Empfangsdame – jedenfalls glaube ich, dass sie als Empfangsdame gearbeitet hat, ich weiß es jedoch nicht mehr genau – in einem luxuriösen Nachtclub in Florenz aufgeben. Was sie danach machen wollte, hat sie nicht mitgeteilt. Doch sie hat erwähnt, sie würde die Schulden, die sie bei unserer Mutter hatte, sehr bald voll und ganz zurückzahlen.“

Sie warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu und spießte eine Garnele mit der Gabel so heftig auf, als wünschte sie, sie könnte dasselbe mit ihm machen. „Offenbar war sie davon überzeugt, alles würde gut werden. Wir hatten keine Ahnung, dass sie zu euch in die Villa gezogen ist und die Gesellschafterin deiner Großmutter gespielt hat. Sie muss dich hier in Florenz kennengelernt haben, davon gehe ich aus. Ihr wart ein Liebespaar, und ich vermute, sie hat geglaubt, ihr würdet heiraten.“

Nach einem weiteren Schluck Champagner fuhr sie fort: „Als ihr dann bewusst wurde, dass sie sich getäuscht hatte und du sie nicht heiraten würdest, war sie fassungslos, bestürzt und deprimiert und ist einfach verschwunden. Sie war noch nie zuvor verliebt, dessen bin ich mir sicher. Natürlich hatte sie viele Freunde, kein Mann konnte ihr widerstehen, wie sie uns immer wieder erzählt hat. Es waren jedoch nur flüchtige Affären, nie etwas Ernstes, bis sie dich kennengelernt hat. Aber du wolltest nur mit ihr schlafen“, erklärte Milly und stellte das Glas viel zu heftig auf den Tisch. „Was den angeblichen Diebstahl angeht, muss es sich um ein Missverständnis handeln, das unbedingt aufgeklärt werden sollte. Deshalb möchte ich dich bitten, mir zu helfen, Jilly zu finden. Ich mache mir große Sorgen. Sie weiß noch gar nicht, dass unsere Mutter gestorben ist.“ Nach ihrer Stimme zu urteilen, war Milly nahe daran, in Tränen auszubrechen.

„Liebes, es tut mir weh, dich so aufgewühlt zu sehen.“ Cesare lehnte sich über den Tisch und sah sie aufmerksam an. „Wir werden sie finden, das verspreche ich dir. Ich habe schon jemanden mit der Suche beauftragt.“

„Wirklich?“ Sie runzelte skeptisch die Stirn.

„Natürlich.“ Er lehnte sich wieder zurück, entspannte sich und strahlte Zuversicht aus.

Plötzlich dämmerte es ihr. „Natürlich“, wiederholte sie spöttisch und verbittert zugleich. „Wie konnte ich so dumm sein? Ich bin nur in die Rolle meiner Schwester geschlüpft, um zu verhindern, dass du sie verfolgst. Sie sollte etwas mehr Zeit haben, über die Enttäuschung, die du ihr bereitet hast, hinwegzukommen. Früher oder später hat sie die Sache überwunden und kann sich dir gegenüber verteidigen. Aber jetzt ist mir klar, dass du in dem Moment, als du begriffen hast, wer ich wirklich bin, die Suche fortgesetzt hast.“

Als er eine Augenbraue leicht spöttisch hochzog, wurde Milly so zornig, dass sie aufsprang. „Ich möchte zurück in die Villa. Es ist schon spät.“ Sie hob entschlossen das Kinn, und in ihren grünen Augen blitzte es ärgerlich auf. „Ich bleibe bei Filomena, bis es ihr wieder gut geht, vorausgesetzt, dass sie mich noch um sich haben will, nachdem sie erfahren hat, wer ich bin. Dann bin ich weg, und du kannst eine andere Gesellschafterin einstellen.“ Das ist die einzige Möglichkeit, heil und unbeschadet aus der Sache herauszukommen, dachte sie. Sie war im Begriff, eine Dummheit zu begehen und auf einen Schürzenjäger hereinzufallen. Wenn sie noch länger hierblieb, würde er ihr das Herz brechen. Sie wollte jedoch nicht dasselbe durchmachen müssen wie ihre Schwester.

„Meine Großmutter rechnet heute Abend nicht mit unserer Rückkehr“, erklärte er ruhig.

Oh nein, dieser verdammte Kerl! Er hatte sie mitgenommen nach Florenz, sie mit exklusiven Outfits verwöhnt, ein Essen servieren lassen, das sie kaum angerührt hatte, ihr Champagner aufgedrängt, und das alles nur in der Absicht, sie zu verführen. Milly errötete vor Zorn.

Als sie ins Zimmer gehen wollte, stand er rasch auf und versperrte ihr den Weg. Sie sah ihn empört an. „Verfährst du immer nach der gleichen Masche? Überhäufst du eine Frau, die dir gefällt, mit Geschenken, versprichst ihr die Ehe und ein Leben in Reichtum und Luxus und lässt sie einfach sitzen, sobald du ihrer überdrüssig bist?“ Sie atmete tief ein und forderte ihn kühl auf: „Lass mich bitte durch.“

Obwohl es schon dunkel war, bemerkte sie seine ärgerliche Miene. Einem so selbstbewussten und stolzen Mann wie Cesare Saracino gefiel es natürlich ganz und gar nicht, auf seine Fehler und Schwächen hingewiesen zu werden, das war ihr klar.

„Ich habe es nicht nötig, irgendwelche Tricks anzuwenden, und ich kann mich nicht daran erinnern, dir einen Heiratsantrag gemacht zu haben“, entgegnete er und packte sie am Arm. „Da du mich offenbar für durch und durch schlecht hältst, gibt es einiges zu klären“, stellte er grimmig fest. „Zuerst muss ich dich darüber aufklären, was deine Schwester wirklich gemacht hat, ehe sie zu uns in die Villa kam. Sie hat als sogenannte Hostess in einem Nachtclub gearbeitet, nicht als Empfangsdame, wie du zu glauben scheinst. Das hat sie jedoch in ihrem Lebenslauf nicht erwähnt, als sie sich um den Job als Gesellschafterin beworben hat. Meine Nachforschungen haben ergeben, dass sie dort nicht beliebt war und keiner mehr etwas von ihr gehört hat. Ich habe auch in London in dem Kosmetiksalon, wo sie früher einmal gearbeitet hat, nach ihr suchen lassen. Ihre ehemaligen Kolleginnen hatten sie längst vergessen, niemand hatte mit ihr in Kontakt bleiben wollen. Jetzt konzentriert sich die Suche wieder auf Italien.“ Er spürte, wie bestürzt Milly war, und fügte sanfter hinzu: „Es tut mir leid. Es mag Männer geben, die Jilly anziehend finden, aber bei Frauen ist sie nicht beliebt.“

Milly versuchte zu begreifen, was Cesare ihr da erzählte. Stimmte es wirklich, dass ihre schöne, lebenslustige Schwester bei den Kolleginnen unbeliebt gewesen war? Sie war so sehr in ihre Gedanken versunken, dass sie sich nicht wehrte, als er ihr den Arm um die Schulter legte, sie ins Zimmer führte und in einen Sessel drückte.

Dann setzte er sich auf die Lehne des Sessels neben ihrem. Im Schein der Deckenleuchte glänzte sein dunkles, beinahe schwarzes Haar, und sein markantes Gesicht wirkte wie gemeißelt.

Milly wandte den Blick ab. Dieser Mann war viel zu attraktiv. Sie hasste ihn, weil er so schlecht über ihre Schwester redete, und begehrte ihn zugleich. Irgendwie musste sie Jilly verteidigen, aber wie?

„Es steht außer allem Zweifel, dass deine Schwester die Unterschriften auf den Schecks gefälscht hat“, erklärte Cesare in dem Moment. „Ich habe sie einem Sachverständigen vorgelegt, und er hat bestätigt, was ich vermutet hatte.“ Er zwang sich zu ignorieren, dass Milly plötzlich ganz blass wurde, und fuhr fort: „Und damit du es weißt: Ich war nie ihr Liebhaber.“

Jetzt richtete sich Milly auf. „Du hast es doch schon längst zugegeben, zumindest indirekt“, erinnerte sie ihn. „Als ich dich in England mit Signor Saracino angeredet habe, hast du gesagt, du hättest nicht vergessen, wie Jilly dich genannt hat, als sie zu dir ins Schlafzimmer gekommen ist.“ Sie blickte ihn herausfordernd an, doch plötzlich wurde ihr ganz übel, und sie wandte sich ab. Wenn das eine Lüge gewesen war, hätte er vielleicht auch in jeder anderen Hinsicht gelogen.

„Das stimmt.“ Er umfasste ihr Kinn und zwang sie, ihn wieder anzusehen. „Ich will die unfeinen Ausdrücke nicht wiederholen, die sie benutzt hat, als sie ungebeten und nackt in mein Schlafzimmer kam. Ich habe sie aufgefordert, blitzartig aus dem Raum zu verschwinden, oder sie würde den Job verlieren, egal wie sehr meine Großmutter ihre Gesellschaft schätzte. Dass deine Schwester sich so an mich heranmachte, fand ich abstoßend und ekelhaft. Nie habe ich mich für sie interessiert. Kurz nach diesem Zwischenfall ist sie verschwunden. Sie hat vermutlich eingesehen, dass sie keine Chancen bei mir hatte. Als ich einige Tage später die Buchführung meiner Großmutter auf den neuesten Stand brachte, fielen mir die gefälschten Unterschriften auf zwei Barschecks auf, die über sehr hohe Beträge ausgestellt waren. Den Rest der Geschichte kennst du.“

Milly schloss sekundenlang die Augen, um die Tränen zu unterdrücken. Sie war verwirrt, alle möglichen Gedanken gingen ihr durch den Kopf. Sie hatte gekämpft und an Jillys Unschuld geglaubt. Aber sie musste akzeptieren, dass Cesare nicht gelogen hatte, denn dafür hatte er gar keinen Grund.

Sie musste endlich damit aufhören, alles zu beschönigen, was Jilly machte, und sie so sehen, wie sie wirklich war. Durch Jillys Leichtsinn hatte ihre Mutter das Haus, das sie liebte, und alle Ersparnisse verloren. Dann hatte ihre Schwester versprochen, alles zurückzuzahlen, aber nichts war geschehen. Schließlich hatte sie gar nichts mehr von sich hören lassen, als wären ihr die Angehörigen völlig egal. Es hatte Jilly offenbar nicht gestört, dass ihre Mutter und ihre Schwester sehr bescheiden in einer kleinen, schäbigen Mietwohnung leben und den Schuldenberg zurückzahlen mussten, den sie zu verantworten hatte. Sie hatte sich um nichts mehr gekümmert.

Wie sehr hatte sie immer betont, sie könne jeden Mann haben, den sie haben wolle. Doch Cesare hatte sie nicht bekommen. Und das fand Milly ausgesprochen erfreulich.

Mit dem Daumen wischte er ihr eine einzelne Träne weg, die ihr über die Wange lief, während Milly von allen möglichen Emotionen ergriffen wurde, die sie nicht einordnen konnte. Aber sie waren echt und sehr stark.

„Es tut mir leid, dass ich dich so sehr aus der Fassung gebracht habe, Liebes. Doch ich musste es dir sagen. Das war ich mir schuldig.“

Er war es sich schuldig? Was bedeutete das? Sie konnte sich keinen Reim darauf machen. Als er auf einmal vor ihr stand, sie hochzog und in die Arme nahm, wehrte sie sich nicht.

„Du hast deine Schwester immer für ehrlich und anständig gehalten und ihr nichts Schlechtes zugetraut“, stellte Cesare fest. Er war stolz darauf, dass es ihm gelang, sich zu beherrschen und Milly nicht zu küssen. Aber er musste ihr Zeit lassen, mit allem zurechtzukommen, was sie soeben über ihre Schwester erfahren hatte.

„Ja, das stimmt.“ Sie sah Cesare in die Augen. „Sie war immer die Stärkere von uns beiden, charakterlich, meine ich.“

Jilly ist herrschsüchtig und dominant, das heißt jedoch nicht, dass sie charakterlich gefestigter ist, dachte er.

„Sie hat mir als Kind und auch als Teenager sehr geholfen, und ich konnte mich immer an sie wenden, wenn ich Probleme mit anderen Kindern hatte“, fuhr Milly fort.

Ja, auf die Art hat sie sichergestellt, dass Milly immer abhängiger von ihr wurde und sie immer mehr Macht über sie hatte, sagte Cesare sich. Jilly war überaus egoistisch und hatte bei allem, was sie tat, Hintergedanken, dessen war er sich sicher. Seine Hände schienen ein Eigenleben zu führen, jedenfalls ertappte er sich plötzlich dabei, dass er Millys Rücken streichelte.

„Sie konnte sich unserem Vater gegenüber am besten von uns allen behaupten“, erzählte Milly ruhig. „Er war so etwas wie ein Kontrollfreak, und auch ihr gelang es nicht immer, ihren Willen durchzusetzen. Unsere Mutter hingegen konnte sie um den kleinen Finger wickeln, bei ihr durfte Jilly sich alles erlauben.“ Und das hat am Ende dazu geführt, dass unsere Mutter sich von Jilly finanziell hat ruinieren lassen, fügte Milly insgeheim hinzu. Zorn erfasste sie, als sie sich daran erinnerte, wie sehr sie und ihre Mutter hatten sparen müssen, um die Miete zu bezahlen, und wie wenig sie zum Leben gehabt hatten.

Und so als schämte sie sich wegen dieses Gedankens, gab sie leise zu: „Als du erschienen bist und mit einer Anzeige gedroht hast, beschloss ich, alles zu tun, um ihr zu helfen. Glaub mir, egal was sie gemacht hat, das Band zwischen Zwillingen ist sehr stark.“

Das mag sein, doch in diesem Fall ist es eine sehr einseitige Bindung, korrigierte Cesare sie insgeheim. „Früher oder später werden wir sie finden, und ich werde sie nicht anzeigen, wenn dir das lieber ist“, versprach er. „Aber ich werde ihr einen solchen Schrecken einjagen, dass sie nie wieder wagt, jemanden zu betrügen.“

Milly war sehr erleichtert und schloss sekundenlang die Augen. Dass Cesare sein Wort halten würde, bezweifelte sie nicht. Vielleicht war Jilly allzu sorglos im Umgang mit dem Geld anderer und zu sorglos, wenn es darum ging, den Kontakt mit ihrer Familie zu halten, doch eine Betrügerin war sie nicht. Sie musste sehr verzweifelt gewesen sein, um Filomenas Unterschrift zu fälschen und die Schecks einzulösen. Das entschuldigte natürlich die Sache nicht, aber sie war ihre Schwester, und Milly hätte alles getan, um zu verhindern, dass Jilly angezeigt und verurteilt wurde.

„Da fällt mir noch etwas ein.“ Cesare ließ die Lippen sanft über ihre Stirn, ihre Augen und ihre Wangen gleiten, und Milly stöhnte leise auf. „Ich habe diese Outfits für dich bringen lassen, weil ich wusste, dass du dich in den Sachen deiner Schwester überhaupt nicht wohlgefühlt hast. Ich bin nicht mit dir in dieses Hotel gegangen, um dich zu verführen, obwohl ich zugeben muss, dass ich der Versuchung kaum widerstehen kann.“

Sie öffnete die Augen und sah ihn an. Voller Verlangen erwiderte er ihren Blick, und sie gestand sich ein, dass Cesare der einzige Mann war, der eine so verzehrende Sehnsucht in ihr wecken konnte. Sie war bereit, alles zu nehmen, was er ihr anbot, und ihm alles zu geben, ohne Rücksicht auf die Folgen.

„Und du kannst der Versuchung auch kaum widerstehen.“ Atemberaubend sanft und zärtlich streichelte er ihre Brüste.

Verzweifelt versuchte sie, die Kontrolle über sich und ihre Gefühle nicht zu verlieren. „Das sollte nicht geschehen“, flüsterte sie und war entsetzt über ihre heftige Reaktion auf diesen Mann. Am liebsten hätte sie ihm das Hemd und die Hose abgestreift und seinen nackten Körper an ihrem gespürt. So kannte sie sich gar nicht, und sie errötete vor Scham über ihre geheimen Wünsche.

Federleicht berührte er ihre Lippen mit seinen und sagte leise: „Lass dein Herz sprechen, und hör nicht auf deinen Verstand.“

Genau das war ja so gefährlich. Milly fühlte sich leicht und beschwingt, ihr ganzer Körper schien vor Erregung zu prickeln. So ging es nicht weiter, irgendetwas musste ihr einfallen, damit sie wieder zur Besinnung kam. Während Cesare sie sanft und verführerisch küsste und gar nicht daran dachte, sich von ihr zu lösen, wisperte sie: „Vergiss nicht, ich bin nicht meine Schwester.“

Sogleich hob er den Kopf und blickte sie erstaunt an. „Das ist mir völlig klar. Wie könnte ich das vergessen, Liebes? Wenn du Jilly wärst, wäre ich nicht hier. Ich begehre dich so sehr, wie ich noch nie zuvor eine Frau begehrt habe.“

Er ließ die Hände über ihren Körper zu ihrer Taille gleiten und presste Milly fester an sich. Sie sollte spüren, wie sehr er sie begehrte. Als sie aufstöhnte, fügte er rau hinzu: „Hör bitte auf, dich mit ihr zu vergleichen und zu glauben, sie sei begehrenswerter als du, denn das stimmt nicht. Ihr seid beide sehr schön, aber deine Schönheit strahlt von innen heraus, du wirkst warm und herzlich, während deine Schwester eher eine harte, künstliche Schönheit ist. Das darfst du nie vergessen.“

Seine Worte wirkten ungemein beruhigend und ermutigend. Milly konnte es gar nicht fassen, was er da gesagt hatte. Ihr Leben lang hatten die Menschen Jilly bevorzugt. Wenn sie in ihrer temperamentvollen Art einen Raum betreten und sogleich angefangen hatte, unbekümmert zu plaudern, waren ihr alle Herzen zugeflogen. Die Aufmerksamkeit aller war ihr sicher gewesen.

Da Milly nie eifersüchtig gewesen war, hatte sie sich wie selbstverständlich damit abgefunden, dass sie immer hinter Jilly zurückstehen würde. Sie hatte nicht mehr zu hoffen gewagt, jemals aus dem Schatten ihrer Schwester heraustreten zu können. Doch dieser attraktive, charismatische und so sexy wirkende Mann zog sie ihrer schönen Schwester vor. Es war unglaublich.

Irgendetwas Wunderbares geschah mit Milly. Sie legte Cesare die Arme um den Nacken und gestand sich ein, dass sie ihn liebte. Sie hatte keine Angst mehr vor ihren Gefühlen und stand dazu. Sie war bereit, sich mit ihm einzulassen. Es war fantastisch, und sie würde es nie bereuen, obwohl sie genau wusste, dass er ihre Gefühle nicht erwiderte.

Er fuhr ihr mit den Händen durch das dichte blonde Haar und senkte den Kopf. Zuerst küsste er sie so federleicht, dass es sich anfühlte wie ein Windhauch, dann immer leidenschaftlicher und voller Verlangen. Schließlich fing er an, mit der Zunge ihren Mund zu erforschen. Während Milly seine Küsse mit derselben Leidenschaft erwiderte, glaubte sie dahinzuschmelzen.

Cesare konnte kaum glauben, was da mit ihm geschah. Diese wunderschöne Frau brachte ihn um den Verstand. Als sie sich voller Verlangen an ihn schmiegte, löste er sich etwas von ihren Lippen und flüsterte: „Ich brauche dich, ich muss dich haben und kann mich nicht mehr beherrschen.“

Sie antwortete ihm auf ihre Art, indem sie die Hände unter sein Hemd schob und seine nackte Haut streichelte. Er stöhnte auf vor Lust, hob Milly hoch und trug sie ins Schlafzimmer.