13. KAPITEL

Das ist nicht wahr, ich habe mich verhört, dachte Milly wie betäubt. Ihr wurde schwindlig, und sie hielt sich krampfhaft an den Lehnen des Sessels fest.

„Du bist schwanger und erwartest Cesares Kind?“, wiederholte sie mit schwacher Stimme.

„Ich war schwanger“, entgegnete Jilly und seufzte. „Ich hatte eine Fehlgeburt. In den ersten Schwangerschaftswochen ging es mir gar nicht gut, ich hatte gesundheitliche Probleme. Deshalb bin ich nicht nach England zurückgekommen. Außerdem wäre unsere Mutter entsetzt gewesen, dass ich ein Kind erwartete, ohne verheiratet zu sein. Du weißt doch, wie sie war.“

Milly presste sich die Finger auf die Schläfen. Alles um sie her schien sich zu drehen, und ihr Kopf dröhnte. Dass es ein schwieriges Gespräch werden würde, hatte sie gewusst. Aber mit dem, was sie jetzt erlebte, hatte sie nicht gerechnet. Sie zuckte zusammen, als Jilly ihr die Hand auf die Schulter legte.

„Möchtest du einen Brandy oder irgendetwas anderes, Kindchen?“

Widerstand regte sich in Milly. Ich bin kein Kindchen, und Cesare würde niemals sein eigenes Kind verleugnen oder im Stich lassen, sagte sie sich. Sie vertraute ihm, oder etwa nicht?

Es lag ihr auf der Zunge, ihrer Schwester zu erklären, sie glaube ihr kein Wort und Cesare habe ihr erzählt, dass er sie, Jilly, abstoßend finde. Doch sie wollte Jilly nicht verletzen und schwieg. Jilly wusste jetzt, dass ihre Betrügereien ans Licht gekommen waren, und das war schlimm genug für sie. Dass Cesare ihre ruhige, zurückhaltende Schwester vorzog, wäre eine zusätzliche Demütigung.

„Wir werden heiraten. Du brauchst nicht zu versuchen, ihn schlechtzumachen, ich glaube dir sowieso kein Wort“, stieß sie unbedacht hervor.

„Natürlich wollt ihr heiraten.“ Jilly lachte spöttisch auf. „Das hat er mir damals auch versprochen.“ Sie zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben Milly. „Hör zu, Kindchen. Dass du mir nicht glauben willst, kann ich verstehen. Aber habe ich dir nicht immer geholfen, wenn es schwierig wurde?“

„Hast du mir etwa geholfen, als ich mich ganz allein um unsere Mutter kümmern musste, nachdem du ihr ganzes Geld ausgegeben hattest? Es hat mir nichts ausgemacht, für sie zu sorgen, doch du hättest uns zumindest mitteilen können, wo du warst und was du machtest.“ Milly wollte unbedingt das Thema wechseln, denn sie konnte die Lügen, die Jilly über Cesare erzählte, nicht mehr ertragen. Es sind doch Lügen, oder täusche ich mich? überlegte sie und versuchte aufzustehen. Sie wollte nur noch weg von diesem schrecklichen Ort. Aber es gelang ihr nicht, die momentane Schwäche zu überwinden, und sie musste sich wohl oder übel Jillys Gerede anhören.

„Dafür hatte ich meine Gründe, okay? Als ich in dem exklusiven Nachtclub in Florenz gearbeitet habe, kam eines Abends dieser attraktive Kerl mit einem anderen Mann herein. Alle Frauen drehten sich sogleich nach ihm um. Wahrscheinlich habe ich mich da schon in ihn verliebt. Ich habe mich erkundigt und erfahren, dass er der Besitzer eines riesigen Firmenimperiums ist. Dann entdeckte ich das Stellenangebot in der Zeitung. Er suchte eine Gesellschafterin für seine Großmutter. Ich habe mich beworben, und er hat mich eingestellt. Dass er sich für mich interessiert hat, habe ich sogleich gemerkt. Als Frau spürt man das, stimmt’s? Die alte Frau hat mir erzählt, er sei neuerdings öfter zu Hause als früher. Mir war klar, dass es etwas mit mir zu tun hatte. Du musst zugeben, er ist ein fantastischer Liebhaber. Er hat mir ewige Liebe geschworen, mir einen Heiratsantrag gemacht und einen Ring an den Finger gesteckt.“

Sie nahm Millys Hand und betrachtete den Ring eingehend. Dann kniff sie verächtlich die Augen zusammen. „Ja, es ist derselbe. Ich habe ihn dagelassen, nachdem ich ihn habe schätzen lassen. Er ist wertlos, sonst hätte ich ihn mitgenommen und verkauft. Dann hätte ich in meiner Verzweiflung das Geld der alten Frau nicht anzurühren brauchen. Er hatte mich gebeten, den Ring noch nicht zu tragen, weil er seiner Großmutter erst nach und nach beibringen wollte, dass er vorhatte, eine Engländerin zu heiraten.“ Sie seufzte dramatisch. „Wenn du mir immer noch nicht glaubst, kannst du ihn ja fragen. Ich befürchte jedoch, dass er alles abstreiten wird. Die alte Frau zu fragen bringt auch nichts, denn er hatte dafür gesorgt, dass sie nichts ahnte von der Verlobung und der geplanten Heirat. Ich war sehr in ihn verliebt und habe ihm jedes Wort geglaubt. Da er so verdammt reich ist, habe ich sogar gehofft, er würde mir nach der Hochzeit ein eigenes Konto eröffnen und mir monatlich einen bestimmten Betrag als Taschengeld zur Verfügung stellen. Dann hätte ich anfangen können, unserer Mutter das Geld zurückzuzahlen. Finde dich damit ab, Kindchen, ein Mann wie er heiratet nicht – oder höchstens eine Frau, die genauso reich ist wie er.“

Fassungslos und bestürzt hörte Milly zu. Wie schleichendes Gift drangen Jillys Worte immer tiefer in ihr Bewusstsein ein. Sie wollte das alles nicht glauben, dennoch …

Hatte Cesare ihrer Schwester etwa auch eine goldene Kette geschenkt, an der sie den Ring tragen sollte, bis sie die Verlobung offiziell bekannt geben würden? Sowohl ihr als auch Jilly gegenüber hatte er behauptet, mit Rücksicht auf seine Großmutter die Verlobung vorerst geheim halten zu wollen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Milly gestand sich ein, dass es plausibel klang, was ihre Schwester ihr erzählte.

Warum hätte Jilly die Schwangerschaft erfinden sollen? Das wäre völlig sinnlos gewesen. Alles deutete darauf hin, dass Jilly die Wahrheit gesagt hatte. Sie war von dem Mann, der ihr die Ehe versprochen hatte, schwanger geworden, und dann hatte er sie im Stich gelassen. In ihrer Verzweiflung hatte sie das Geld gestohlen und sich eingeredet, es sei ihr gutes Recht. Das entschuldigte natürlich den Diebstahl nicht, aber es erklärte ihn.

Ihr wurde schwindlig, und Jillys Stimme schien wie aus weiter Ferne zu kommen. Sie klang wie ein Echo am Ende eines langen Tunnels. „Pass mal auf, Kindchen, ich rate dir, dich von ihm zu trennen, ehe er dich fallen lässt. Dann rettest du wenigstens deinen Stolz. Verschwinde einfach, bevor er zurückkommt, falls er das überhaupt tut. Flieg nach England zurück, da gehörst du hin. Hier.“ Sie stand auf, ging zum Bett und zog ein Bündel Banknoten aus dem mit rotem Satin bezogenen Kopfkissen hervor. „Ich kann dir das Geld für den Rückflug leihen. Fahr mit einem Taxi zum Flughafen. Du siehst, ich sorge immer noch gut für dich.“

Milly schüttelte den Kopf und zwang sich aufzustehen. Die Banknoten ignorierte sie. Sie atmete tief ein, dann straffte sie die Schultern. „Wir sind Zwillinge, und uns verbindet viel. Keiner von uns beiden würde dem anderen absichtlich schaden. Schwörst du, dass du die Wahrheit gesagt hast?“

„Bezweifelst du es immer noch?“ Jilly verdrehte die Augen. „Weshalb hätte ich das alles erfinden sollen? Milly …“ Sie wollte ihre Schwester umarmen, doch Milly wich zurück. Sie war nahe daran, zusammenzubrechen, und Jillys mitfühlende Umarmung hätte ihr den Rest gegeben. „Hör auf mich, verlass ihn, ehe du dich so lächerlich machst wie ich.“

Langsam drehte Milly sich um. Cesare hatte gesagt, er würde ihr Zeit geben, allein mit ihrer Schwester zu sprechen. Aber würde er im Auto auf sie warten, wenn er damit rechnen musste, dass Jilly ihr alles erzählte, was sich zwischen ihr und ihm abgespielt hatte? Oder würde er Milly in dem Fall einfach ihrem Schicksal überlassen?

Als sie über den schmalen Flur ging, hoffte sie sogar, er wäre ohne sie weggefahren und hätte sie in dieser ihr fremden Stadt mit den vielen Menschen, deren Sprache sie nicht verstand, alleingelassen. Alles war ihr lieber, als diesen attraktiven, aber hinterhältigen und gemeinen Mann noch einmal zu sehen.

Nachdem sie die Schwäche nach dem Schock überwunden hatte, packte sie heller Zorn. Ich bringe ihn um, wenn er noch da ist, schoss es ihr durch den Kopf. Er hatte sie zum Narren gehalten. Sie liebte ihn, aber er hatte nur mit ihr gespielt. Dafür würde er büßen.

Zornig und so tief verletzt, dass sie den Schmerz kaum ertragen konnte, trat sie hinaus ins Freie – und stieß prompt mit jemandem zusammen. Cesare hatte auf sie gewartet!

Als er sie umarmen wollte, wich sie zurück. Dann hob sie den Kopf und blickte Cesare schmerzerfüllt an, während sie den Ring vom Finger zog, ihn vor seine Füße warf und mit brüchiger Stimme ausrief: „Leg ihn zurück in das Geschenkekästchen!“

„Mein Liebling …“ Er streckte die Arme nach ihr aus, aber sie wich noch weiter zurück.

„Fass mich nicht an, du gemeiner Kerl! Ich will dich nie wiedersehen!“, stieß sie verächtlich hervor.

Unter keinen Umständen würde sie sich zu ihm ins Auto setzen, sondern lieber zu Fuß zum Hotel zurückgehen und ihre Sachen abholen, und wenn sie den ganzen Tag unterwegs war. In dem Moment sauste ein Jugendlicher auf einem Skateboard zwischen ihnen hindurch. Milly nutzte die Gelegenheit, in den bereitstehenden Wagen zu steigen. Sie verstand nicht, was Cesare dem Chauffeur zurief, es war ihr auch egal. „Zurück zum Hotel, bitte rasch!“, forderte sie den Fahrer auf Englisch auf und hoffte, Cesare würde nicht auch noch einsteigen. Als der Mann losfuhr, sah sie, dass Cesare sich umdrehte und mit Unheil verkündender Miene auf den Durchgang zu der Unterkunft ihrer Schwester zuging.

Unglücklich ließ Milly sich auf dem Sitz zurücksinken und kämpfte mit den Tränen. Schließlich hielt der Chauffeur vor dem Hotel an und ließ sie aussteigen. Wahrscheinlich hatte Cesare ihn aufgefordert, sie zurückzufahren, damit sie ihr Gepäck holen konnte, und sie dann allein zu lassen. Wieder geriet sie in Zorn und hörte kaum, dass der Fahrer sagte: „Sie warten hier. Okay?“ Dann fuhr er davon, und sie konnte zusehen, wie sie weiterkam. Das ist keine Strafe und keine Katastrophe, sondern genau das, was ich mir gewünscht habe, dachte sie.

Mit grimmiger Miene durchquerte sie die luxuriöse Eingangshalle. Weshalb hat mich der Mann aufgefordert zu warten? überlegte sie auf einmal. Sollte sie hier herumhängen wie ein lästiges Anhängsel, für das Cesare keine Verwendung mehr hatte, nur um ihn noch einmal zu sehen, wenn er das Gepäck holte? Nein, das würde sie sich nicht antun.

Glücklicherweise sprach der junge Mann am Empfang perfekt Englisch. Sie bat ihn, ihr ein Taxi zu bestellen, mit dem sie zum Flughafen fahren wollte. Dann tauschte sie ihr letztes englisches Geld in Euro um, damit sie die Taxifahrt bezahlen konnte. Dummerweise musste sie das Flugticket mit ihrer Kreditkarte bezahlen. Das bedeutete, sie musste ihr Konto überziehen. Das beunruhigte sie umso mehr, weil sie keine Arbeit und keine Wohnung hatte. Das waren jedoch Probleme, mit denen sie sich später auseinandersetzen wollte. Ihr gebrochenes Herz und die zerstörten Hoffnungen und Träume machten ihr momentan viel mehr zu schaffen.

Als sie wenig später vor dem Flughafen aus dem Taxi stieg, eilte sie durch die Abflughalle, ohne darüber nachzudenken, ob in der nächsten Maschine, die nach London flog, überhaupt noch ein Platz zu bekommen war. Glücklicherweise war noch etwas frei, und der Flieger sollte in einer halben Stunde starten.

Cesare lief aus dem Hotel und schwang sich auf den Rücksitz des Autos, das mit laufendem Motor vor dem Eingang stand, und sogleich fuhr der Chauffeur los in Richtung Flughafen.

Milly hatte nicht auf ihn gewartet. Hatte er wirklich damit gerechnet? Nachdem er Jilly dazu gebracht hatte, ihm zu verraten, was sie Milly vorgelogen hatte, war ihm klar, dass diese nur noch den einen Wunsch hatte, mit dem nächsten Flugzeug nach England zurückzufliegen.

Die kurze Strecke zum Flughafen schien endlos lang zu sein. Er fluchte leise, ehe er sich nach vorn beugte und den Fahrer aufforderte, schneller zu fahren und sich nicht an die Geschwindigkeitsbegrenzungen zu halten. Der junge Mann am Empfang hatte ihm gesagt, die Signorina hätte den Flieger nach London erreichen wollen. Und der startete in fünfzehn Minuten.

Frustriert biss er die Zähne zusammen. Selbst wenn sich wie durch ein Wunder der Abflug verzögerte und er mit Milly reden konnte, war sehr fraglich, ob er ihr Vertrauen zurückgewinnen konnte nach allem, was Jilly ihr vorgelogen hatte. Das Schlimmste war, dass die Geschichte, die Jilly erfunden hatte, relativ plausibel klang. Schon als seine Großmutter damals darauf bestanden hatte, diese Frau einzustellen, hatte er ein ungutes Gefühl gehabt und befürchtet, es würde Ärger geben. Sie war eine Betrügerin, konnte sehr geschickt lügen, war egoistisch und dachte nur an sich. Milly hingegen war ein warmherziger, liebevoller, ehrlicher und rücksichtsvoller Mensch. Er liebte sie mehr als alles auf der Welt.

In dem Moment, als sie vor dem Abflugterminal vorfuhren, sollte die Maschine starten, wie Cesare mit einem Blick auf die Uhr feststellte. Völlig frustriert ballte er die Hände zu Fäusten. Doch er gab nie auf. Er hatte sowieso vorgehabt, mit seinem Privatjet in einer Stunde nach London zu fliegen. Also würde er nicht viel später dort ankommen als sie. Natürlich hatte er keine Ahnung, wo Milly wohnen oder übernachten würde, denn das Apartment hatte sie aufgegeben. Aber er würde ihre Freundin finden, auf deren Hochzeit sie gewesen war, und diese Frau half ihm bestimmt weiter.

Plötzlich erblickte er Milly und konnte sein Glück kaum fassen. Wie verloren stand sie draußen vor dem Terminal. Nachdem der Chauffeur den Wagen angehalten hatte, sprang Cesare heraus. Ihm floss das Herz über vor Liebe, während er auf sie zulief. Und dann hob sie den Kopf und sah Cesare an. Er hätte schwören können, dass sich so etwas wie Erleichterung in ihrem Gesicht spiegelte.

Er wollte sie in die Arme nehmen, sie an sich pressen und sie nie wieder loslassen. Doch die Situation war zu heikel. Zuerst musste er ihr Vertrauen zurückgewinnen. Das hatte absolute Priorität.

„Ich wusste nicht, ob ich dich noch antreffen würde“, sagte sie leise. „Ich wollte zum Hotel zurückfahren.“

„Aber ich hätte dich gefunden, mein Liebling. Ich hätte dich überall gesucht.“

Milly blickte ihm in die Augen, in denen es liebevoll aufleuchtete. „Ich hatte beschlossen, nach England zurückzufliegen. Doch plötzlich wurde mir bewusst, dass du mich nie mit Jilly zusammengebracht und mich mit ihr allein gelassen hättest, wenn das, was sie mir erzählt hat, wahr wäre. Du hättest mir noch nicht einmal verraten, dass du sie aufgespürt hast.“

Cesare musste sich sehr beherrschen, sie nicht an sich zu reißen und zu küssen.

„Ich habe dir den wunderschönen Ring vor die Füße geworfen und dich beleidigt, ohne dich zu fragen, ob es stimmte, was Jilly behauptet hat. Angeblich hast du ihr einen Heiratsantrag gemacht und sie verlassen, als sie von dir schwanger war. Ich habe es ihr geglaubt. Es tut mir so leid.“ Sie senkte den Kopf.

Jetzt zögerte er nicht mehr, sie zu umarmen. „Mein Liebling, du glaubst mir und vertraust mir wieder, das ist das Wichtigste“, flüsterte er an ihren Lippen. „Ich habe Jilly dazu gebracht, zuzugeben, dass sie dich belogen hat. Im ersten Moment war ich wütend auf dich, weil du mir all die Schlechtigkeiten zugetraut hast. Dann gewann mein gesunder Menschenverstand die Oberhand.“ Er legte ihr den Finger unters Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. „Mir wurde bewusst, wie überzeugend ihre Lügen klingen, und ich konnte mir gut vorstellen, dass du nicht nur schockiert, sondern auch verletzt warst und glauben musstest, ich hätte dich belogen und betrogen. Doch ich schwöre, ich habe deine verdammte Schwester kein einziges Mal angefasst. Das ist dir sicher mittlerweile klar geworden. Ich liebe dich von ganzem Herzen und wünsche mir, dass du meine Frau wirst. Einverstanden?“

„Ja.“ Sie liebte ihn mehr als alles auf der Welt. Langsam hob sie die Hände und fuhr ihm durch das dunkle Haar. Sogleich senkte er den Kopf und küsste sie so leidenschaftlich und besitzergreifend, dass sie vor Freude und Glück zutiefst gerührt war. Beinah hätte sie ihn verloren, obwohl sie sich so sehr liebten.

Lange standen sie eng umschlungen da, bis sich Cesare schließlich von ihren Lippen löste. Milly errötete, als ihr auffiel, dass die Menschen, die an ihnen vorbeigingen, sie lächelnd und interessiert musterten. Doch Cesare erwiderte das Lächeln der Leute, ehe er Milly den Arm um die Schulter legte und sie zu dem Wagen dirigierte. Dann bat er den Chauffeur, der geduldig gewartet hatte, sich um Millys Gepäck zu kümmern.

Als sie wenig später in die Stadt zurückfuhren, zog Cesare sein Handy aus der Innentasche des Jacketts, tippte eine Nummer ein und unterhielt sich kurz mit jemandem.

„Fliegen wir zusammen nach London?“, fragte Milly hoffnungsvoll. Sie hatte kein Wort verstanden, weil er Italienisch gesprochen hatte.

„Ich habe umdisponiert. Wir fliegen nach Pisa und erzählen meiner Großmutter die Neuigkeit. Mein Mitarbeiter wird die Sitzungen auf spätere Termine verschieben. Von jetzt an lasse ich dich nicht mehr allein.“ Wieder legte er ihr den Arm um die Schulter und zog sie an sich. „In den letzten Wochen habe ich dich sehr vermisst. Aber ich konnte nicht früher zurückkommen, weil ich zu viel regeln und meine fähigsten Manager in die Pläne einweihen musste.“

„Was für Pläne hast du denn?“

„Ich will öfter zu Hause sein bei dir und unseren Kindern, falls wir welche bekommen.“ Wieder küsste er sie ungestüm und leidenschaftlich.

Als sie wenig später in seinem Privatjet saßen, nahm Cesare Millys Hand und steckte ihr den Ring wieder an den Finger. „Es wäre schade, ihn in dem Kästchen aufzubewahren. Viel lieber sehe ich ihn an deinem Finger.“ Sie errötete bei der Anspielung auf ihre zornigen Worte und schämte sich sehr. „Es ist ein Erbstück meiner Familie. Es wird mir eine Freude sein, dich mit funkelnden Diamanten, Rubinen und Smaragden zu verwöhnen.“

Der Gedanke an seinen Reichtum löste bei ihr Unbehagen aus, und sie blickte Cesare an: „Damit das klar ist: Ich will nur dich. Alles andere ist mir egal.“

„Du hast mich doch und wirst mich nicht mehr los. Aber kleine Extras sind auch nicht schlecht, oder? Und da wir gerade von Extras reden: Heute Morgen im Hotel, als du dich fertig gemacht hast, habe ich telefoniert und erfahren, dass in unserer Niederlassung in New York die Stelle einer Empfangsdame neu zu besetzen ist. Ich habe vereinbart, dass deine Schwester diesen Job haben kann. Einer meiner Mitarbeiter wird sich mit ihr in Verbindung setzen, ihr das Flugticket aushändigen und ihr genaue Anweisungen erteilen. Ehe du erneut Zweifel bekommst und dich fragst, warum ich ihr gegenüber so großzügig bin, obwohl sie es verdient hätte, für ihre Betrügereien bestraft zu werden, kann ich dir versichern, dass ich es nur deinetwegen tue. Ich weiß, du freust dich darüber, dass sie die Chance hat, aus dem ganzen Sumpf herauszukommen und ihr Leben in Ordnung zu bringen. Du hast sie sehr gern und machst dir große Sorgen um sie, und ich möchte dich glücklich sehen. Vermutlich wirst du ihr alles verzeihen, weil du so ein warmherziger, liebevoller Mensch bist. Aber ich werde ihr niemals verzeihen, was sie getan und gesagt hat“, erklärte er energisch. „Also, vergiss bitte nie, dass ich ihr nur dir zuliebe helfe, damit du glücklich und zufrieden bist.“

„Das glaube ich dir, darauf kannst du dich verlassen“, versicherte sie. „Da ist noch etwas anderes, worüber ich mit dir reden möchte.“

„Was denn?“

„Als wir vor dem Nachtclub standen, wo sie arbeitet, hatte ich plötzlich das Gefühl, du hättest dich innerlich von mir entfernt. Hast du in dem Moment vielleicht gedacht, ich sei genauso wie sie, weil ich dich getäuscht und so getan habe, als wäre ich Jilly?“

„Nein, ganz bestimmt nicht. Etwas ganz anderes ist da mit mir geschehen.“ Er sah sie aufmerksam an. „Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich große Angst und war sehr verunsichert. Da sie sehr durchtrieben und hinterhältig ist, habe ich befürchtet, sie würde versuchen, uns beide auseinanderzubringen. Ich wusste, wie sehr du an ihr hängst. Du hast sie ja auch immer in Schutz genommen und verteidigt. Leider haben sich meine Befürchtungen bewahrheitet, sie hat es immerhin geschafft, dass du ihr die Lügen zunächst geglaubt hast. Nein, ich hatte mich nicht innerlich von dir entfernt, sondern war nur sehr beunruhigt.“

„Cesare“, sagte sie leise. Es war erschreckend, wie nahe sie daran gewesen war, diesen Mann, der sie sehr liebte, wegen der Lügen ihrer Schwester zu verlassen. Beinah eine Stunde hatte sie gebraucht, um Jillys Absicht zu durchschauen und sich einzugestehen, dass ihre Schwester eine Lügnerin war. Milly legte ihm die Arme um den Nacken und wisperte: „Küss mich.“

Ohne zu zögern, erfüllte er ihr die Bitte.

Ungefähr ein Jahr später legte Milly in der Villa in Amalfi ihren Sohn Antonio in das Kinderbettchen, während Maria, die freundliche und etwas behäbige Kinderfrau, die Cesare eingestellt hatte, die Jalousien herunterließ.

Liebevoll lächelnd betrachtete Milly den Kleinen. Er war jetzt drei Monate alt und wurde seinem attraktiven, eigensinnigen Vater, der ihn geradezu anbetete, immer ähnlicher. Milly hätte gar nicht glücklicher sein können an der Seite ihres so sexy wirkenden, liebevollen und zärtlichen Mannes.

Seine Großmutter war begeistert gewesen, als sie ihr eröffnet hatten, dass sie heiraten wollten. Nach der Geburt ihres ersten Enkelkindes lebte sie sichtlich auf. Millys Glück war völlig ungetrübt, denn Jilly hatte vor zwei Monaten endlich Kontakt mit ihr aufgenommen. Sie hatte sich für die Lügen und ihr schlechtes Benehmen Cesare und seiner Großmutter gegenüber entschuldigt und berichtet, dass sie vor Kurzem Teddy Meerburg, einen wirklich großartigen Mann, wie sie schrieb, geheiratet hatte. Sie hatte Milly zur Hochzeit nicht eingeladen, weil sie befürchtet hatte, es sei noch zu früh und Milly hätte ihr die schlimme Geschichte noch nicht verziehen, was sie hoffentlich eines Tages doch noch tun würde.

Als Cesare den Brief las, verfinsterte sich seine Miene. „Meerburg ist ein sehr reicher Mann, ich habe ihn in New York kennengelernt. Er ist ein feiner Mensch. Seine erste Frau ist gestorben. Für Jilly ist er etwas zu alt, finde ich, doch sie wird schon allein wegen seines Geldes bei ihm bleiben.“ Er gab Milly den Brief zurück. „Ich nehme an, du hast ihr längst alles verziehen. Vielleicht laden wir die beiden zur Taufe unseres dritten Kindes ein, wenn wir so viele Kinder bekommen, was ich mir sehr wünsche. Ich werde jedenfalls alles versuchen – an mir soll es nicht liegen“, hatte er mit einem verführerischen Lächeln hinzugefügt.

Milly gestand sich ein, dass es ihr nichts ausmachen würde, ihre Schwester nie mehr wiederzusehen. Es reichte ihr, zu wissen, dass Jilly glücklich war und jemanden gefunden hatte, der für sie da war.

Sie warf noch einen Blick auf ihren schlafenden Sohn, ehe sie das Kinderzimmer verließ. Auf dem Flur kam ihr Cesare in der nassen Badehose entgegen. Bei seinem Anblick bekam sie weiche Knie.

„Ich war im Swimmingpool und habe vergessen, wie spät es ist“, erklärte er überflüssigerweise. „Schläft der Kleine schon?“

„Ja. Aber er nimmt es dir bestimmt nicht übel, dass du ihm nicht Gute Nacht gesagt hast.“

„Trotzdem tut es mir leid, dass ich ihn nicht zugedeckt habe.“ Mit der einen Hand umfasste er ihre Taille, während er mit der anderen die Knöpfe ihres wunderschönen Sommerkleides öffnete. „Ehrlich gesagt habe ich mir ausgemalt, was wir gemacht hätten, wenn du mit mir im Wasser gewesen wärst. Dabei habe ich nicht auf die Zeit geachtet. Zieh das aus, dann zeige ich dir, was ich mir vorgestellt habe.“

„Okay, bis zum Abendessen haben wir noch zwei Stunden Zeit.“ Lächelnd nahm sie seine Hand und führte ihn in das große, lichtdurchflutete Schlafzimmer. „Das sollte reichen, oder?“

„Vielleicht“, antwortete er rau, während er ihr das Kleid abstreifte und den BH aus Spitze öffnete. „Weißt du eigentlich, wie sehr ich dich liebe und begehre?“

„Wenn du mich halb so sehr liebst und begehrst wie ich dich, bin ich schon zufrieden“, erwiderte sie leise und voller Vorfreude auf das, was kommen würde.

– ENDE –