4. KAPITEL

Als Suki vor ihrem Londoner Loft stand, war sie froh, wieder zu Hause zu sein. Sie öffnete die Tür und knallte sie hinter sich zu, als wollte sie die Erinnerung an die aufwühlenden Ereignisse aussperren. Im Flur stellte sie die Koffer ab und drehte erst mal die Heizung an. Der Unterschied zwischen den sommerlichen Temperaturen in Cannes und dem typischen Londoner Schmuddelwetter war doch enorm.

Sie zog ihre Schuhe aus und hängte ihre leichte Jacke an die Garderobe, dann ging sie ins Wohnzimmer und ließ sich erschöpft auf das weiche Sofa sinken. Die Wand dahinter hatte sie in einem warmen Rot gestrichen und mit ihren eigenen Bildern dekoriert, was dem Raum eine persönliche Note gab. Doch die gemütliche Einrichtung konnte sie nicht davon abhalten, betrübt zu seufzen.

Ihre Niedergeschlagenheit führte sie vor allem darauf zurück, dass sie Pasquale nicht so energisch entgegengetreten war, wie sie es sich vor sieben Jahren geschworen hatte. Außerdem war sie todmüde. Zwar war sie erster Klasse geflogen und hätte genügend Platz zum Schlafen gehabt, aber emotional war sie so aufgewühlt, dass sie kein Auge hatte zutun können.

Erneut seufzte sie. Wenigstens war es ihr gelungen, die Villa zu verlassen, ohne Pasquale noch einmal über den Weg zu laufen.

Das Blinken ihres Anrufbeantworters auf dem Tisch riss sie jäh aus ihren Gedanken. Bitte nicht Pasquale! Lass es nicht Pasquale sein!

Aber das war unmöglich. Er hatte gar nicht ihre Nummer. Die kannten nur ihre engsten Vertrauten. Und ihr Handy ließ sie während eines Auftrags stets ausgeschaltet. Das weiß auch meine Agentin, beruhigte sie sich und startete die Wiedergabe.

Die erste Nachricht war von ihrem Bruder. Seine Stimme klang angespannt, wie oft in letzter Zeit. „Hi, Suki! Ich muss unbedingt mit dir reden. Ruf mich doch bitte im Büro an. Auf keinen Fall zu Hause. Sonst denkt Kristie sich wieder sonst was.“

Sie holte tief Luft. Hoffentlich steckte er nicht wieder in finanziellen Schwierigkeiten. Gerade erst hatte sie ihm aus einem Engpass geholfen. Als ihre Mutter noch lebte, hatte Piers sich noch lenken lassen. Aber jetzt schien er jedes Maß verloren zu haben. Er spekulierte immer wieder auf angeblich todsichere Sachen an der Börse. Doch die meisten gingen schief. Immer wieder pumpte sie Kapital in die Firma, obwohl diese ihr allmählich wie ein Fass ohne Boden erschien.

Dass seine Frau ihn zur Vernunft brachte, war wohl auch ausgeschlossen, da sie ihm aus Liebe immer verzieh und sich vor allem um ihren gemeinsamen Sohn kümmerte. Knapp zwei Jahre alt war Toby jetzt, und er war der eigentliche Grund, warum Suki ihrem Bruder immer wieder half. Einfach weil sie wollte, dass es ihrem heiß geliebten Neffen gut ging.

Als sie im Büro ihres Bruders anrief, erfuhr sie allerdings von der Sekretärin, dass ihr Chef noch nicht vom Essen zurück sei, und bat um Rückruf.

Die zweite Nachricht hatte Carly, ihre Agentin, in ihrem typisch amerikanischen Akzent auf das Band gesprochen.

„Hi, Honey! Meld dich doch gleich bei mir, wenn du zurück bist. Ich hab da einen ganz fetten Auftrag an der Hand. Damit schaffst du es in die Top Ten! Ruf mich an!“

Da klingelte das Telefon. Carly war so aufgeregt, nicht einmal Sukis Rückruf hatte sie abgewartet. „Herzchen, endlich erreich ich dich.“

„Ich wollte mich gerade bei mir melden.“ Suki atmete tief durch. Gedanklich war sie immer noch nicht bei der Sache. Andererseits war ein neuer Auftrag vielleicht die beste Medizin, um sich abzulenken.

„Na, besonders euphorisch klingst du ja nicht. Ist was schiefgegangen?“

„Ehrlich gesagt, ja.“ Suki stöhnte entnervt, weil sie ihr Erlebnis mit Pasquale einfach nicht vergessen konnte. Stets hatte sie sein Gesicht vor Augen.

„Wieso? Salvatore Bruni hat doch einen prima Ruf als Fotograf?“

„Seinen Job hat er auch gut gemacht. Nur hat er mir verschwiegen, dass er verlobt und seine Freundin sehr eifersüchtig ist.“ Ihre Stimme klang ziemlich schrill. „Und die hat mir prompt einen edlen Rächer an den Hals geschickt!“ Verdammt! Wie kam sie eigentlich dazu, Pasquale als edel zu bezeichnen?

„Ach du liebe Güte!“, kommentierte Carly die Affäre lachend. „Vergiss es, die werden sich wieder beruhigen. Außerdem hab ich was für dich, das deine Laune schlagartig bessern wird.“

„Einen Freiflug zum Mond ohne Rückfahrkarte?“

Carly lachte wieder. „Darling, Augen zu und durch! Denk positiv. Du kannst das!“

„Mir ist aber eher nach Augen zu und ab ins Kloster!“

„Allein unter Frauen. Meinst du, das hältst du durch?“

„Es käme auf den Versuch an.“ Suki überlegte einige Sekunden wirklich ernsthaft.

„Okay, probier es aus. Aber später. Erst mal hör dir an, was ich für dich habe. Übrigens bin ich ganz in der Nähe und könnte in fünf Minuten bei dir sein.“

Kurz darauf saßen die beiden in Sukis Wohnzimmer und tranken heißen Tee.

„Hey, Carly“, begann Suki, „bald platze ich vor Neugier. Was hast du für mich?“

Die Agentin strahlte. „Wenn du willst, kannst du in den nächsten fünf Jahren fünf Millionen Euro verdienen.“

„Wie bitte?“

„Es ist die Chance deines Lebens, Honey!“ Carly sprühte vor Begeisterung. Dann holte sie noch einmal Luft und fragte: „Sagt dir der Name Formidable was?“

„Warte, hast du Formidable gesagt? Und meinst du den Kosmetikkonzern?“

„Aktuell sind sie an zweiter Stelle – aber sie wollen Marktführer werden. Und sie bieten dir einen Fünfjahresvertrag. Die Anfrage kam jetzt am Wochenende. Ist das nicht unglaublich?“

Suki starrte ihre Agentin mit aufgerissenen Augen an. „Und das ist kein Witz?“

„Honey! Sie wollen dich! Und zwar exklusiv!“

„Das heißt, ich könnte dann keine anderen Aufträge mehr annehmen?“

Carly zuckte die Achseln. „Das nicht. Aber dafür zahlen sie ja auch anständig.“ Sie hob euphorisch eine Hand. „Du sollst das Gesicht von Formidable werden. Unser Notar hat sich den Vertrag auch schon angesehen. Und er hatte nichts einzuwenden. Absolut nichts.“

Suki schwirrte immer noch der Kopf. „Aber warum ich?“

Carly nippte an ihrem Tee. „Die haben wohl die Bilder von dir für die Sonnencreme-Werbung gesehen. Und rothaarige Frauen sind gerade angesagt!“

Fünf Minuten später war Suki wieder bei klarem Verstand. Sie dachte an die anstrengenden Castings, bei denen Models für einen bestimmten Auftrag gesucht wurden. An Piers und daran, wie lange sie ihn wohl noch finanziell unterstützen musste. Und auch daran, dass sie auf dem Catwalk zunehmend gegen jüngere Konkurrentinnen anzutreten hatte. Jetzt war sie noch nicht zu alt, aber wie würde es in ein paar Jahren aussehen?

Dann trank sie den Rest ihres Tees und fragte ruhig: „Wann und wo muss ich unterschreiben?“

Als Suki am darauffolgenden Montag die eindrucksvolle Londoner Hauptniederlassung des Formidable – Konzerns betrat, lag der Vertrag unterschriftsreif im Konferenzraum. Ein grau melierter Notar im Businessdreiteiler, der sie seit ihrer Ankunft mit unverhohlener Bewunderung angestarrt hatte, reichte ihr gerade freundlich einen Füllhalter.

„Wenn Sie bitte hier unterzeichnen würden, Miss Franklin.“

Sie räusperte sich, ergriff den Stift und hoffte, dass man ihr nicht anmerkte, wie aufgeregt sie war, während sie schwungvoll ihre Unterschrift unter das Dokument setzte, das immerhin über die nächsten fünf Jahre ihres Lebens bestimmte.

Carly stupste sie plötzlich von der Seite an und riss sie aus ihren Gedanken.

„Nachdem nun die Formalitäten über die Bühne sind, könnten wir doch eigentlich anstoßen, oder nicht?“ Die Agentin blickte fragend zum Notar und zog eine Flasche Champagner aus ihrer Tasche. „Gläser werden Sie ja wohl haben, hoffe ich.“

Der Notar lächelte. „Wir hatten schon etwas vorbereitet. So ein Vertrag ist für uns auch nicht alltäglich.“ Er blickte auf seine Uhr. „Ich würde nur noch gern auf unseren neuen Besitzer warten. Er müsste eigentlich jeden Augenblick kommen.“

„Oh, den würde ich auch gerne kennenlernen“, bemerkte Carly unbekümmert. „Wie ist er denn so?“

Der Notar lächelte nachsichtig. Amerikaner pflegten eindeutig einen anderen Geschäftsstil als Briten. Dann räusperte er sich und sagte ruhig: „Ich bin nicht befugt, Ihnen diesbezüglich Auskunft zu erteilen.“ Er blickte gerade erneut auf seine Uhr, als sich die Tür des Konferenzraums öffnete.

Sie hätte nicht erklären können warum, aber in dem Moment, als sich die Tür öffnete, wusste Suki, wer der Besitzer war. Nicht mal hinzusehen brauchte sie.

Außer sich vor Empörung, starrte sie in seine spöttischen Augen. „Du heimtückischer, hinterhältiger, intriganter Mistkerl!“ Ihre Stimme überschlug sich fast.

„Suki!“ Carly war aschfahl geworden.

„Miss Franklin, ich bitte Sie …“ Der Notar schien vor dem Nervenzusammenbruch.

Suki ignorierte beide. „Wenn du immer noch meinst, du bekämst alles, was du willst, dann hast du dich getäuscht! Aber gründlich!“ Ihre Nasenflügel bebten. „Was fällt dir überhaupt ein? Nachdem ich es abgelehnt habe, deine … deine Geliebte zu sein, versuchst du mich nun mit einem miesen Trick zu kaufen. Das ist doch wirklich das Letzte! Aber dagegen werde ich mich wehren, Pasquale!“

Sie war jetzt so in Rage, dass sie außer ihm niemanden mehr wahrnahm. Zornig griff sie nach dem Vertrag und zerriss ihn demonstrativ. Wie Konfetti flogen die Schnipsel auf den cremefarbenen Teppichboden.

Carly und der Notar waren wie gelähmt und kreidebleich. Ängstlich beobachteten sie Pasquale, als dieser zur allgemeinen Überraschung plötzlich zu lachen begann. Schallend! Suki warf es fast um.

„Bravo, bella!“ Er sah zu Suki und applaudierte in ihre Richtung. „Bravo! Wirklich ein amüsanter Auftritt!“

Der Notar kroch unterdessen am Boden herum und sammelte ein, was noch zu retten war. „Miss Franklin!“ Mahnend hielt er die verwertbaren Überreste in die Luft. „Ich weise Sie ausdrücklich darauf hin, dass Sie den Vertrag bereits in Anwesenheit von Zeugen unterschrieben haben. Und damit ist er gültig. Falls Sie sich dem widersetzen, bin ich leider gezwungen …“

„Ist schon gut. Lassen Sie uns einen Moment allein“, unterbrach ihn Pasquale.

„Aber Signor Caliandro …“, begann der Notar verstört.

Pasquale schüttelte seinen Kopf. „Wenn Sie bitte einen Moment draußen warten würden“, wiederholte er ruhig.

Carly stand immer noch unter Schock, fühlte sich aber verpflichtet, ihrem Schützling beizustehen. „Honey! Wenn du willst, können wir noch mal über alles reden. Du weißt ja, es wird nie so heiß gegessen wie gekocht.“

„Wenn Sie uns jetzt bitte auch allein lassen würden.“ Pasquales Tonfall wurde eine Spur ungeduldiger.

Widerstrebend verließen die Agentin und der Notar den Konferenzraum. Suki hätte Pasquale am liebsten geteert und gefedert.

„Willst du dich nicht wieder setzen?“ Er musterte sie unverändert amüsiert.

„Danke, ich steh lieber.“

Lässig zuckte er die Achseln. „Wie du willst.“ Dann schlenderte er zu dem imposanten Konferenztisch, setzte sich geschmeidig auf die Kante und streckte provozierend die langen Beine aus.

Sie atmete gepresst, während sie versuchte, ihre hochkochenden Gefühle zu unterdrücken. Obwohl sie ihn am liebsten erwürgt hätte, musste sie ihn wie gebannt anstarren. In normaler Kleidung erregte er schon Aufsehen bei den Frauen. Jetzt aber trug er einen lässigen Businessanzug, der alles Maskuline so herausfordernd betonte, dass ihr der Mund trocken wurde. Sein hellblaues Seidenhemd harmonierte perfekt mit der dunkelblauen Krawatte. Widerstrebend musste sie zugeben, dass seine Kleidung nicht protzig teuer, sondern vornehm und stilsicher wirkte.

Unbehaglich registrierte sie, dass auch er sie unverhohlen musterte, und war froh, ein Outfit gewählt zu haben, das sie professionell und kühl aussehen ließ. Wenn ihr nur nicht unter seinem Blick immer so heiß würde!

Unter der beerenfarbenen, leicht taillierten Jacke trug sie einen cremefarbenen Body mit zarter Spitze, dazu einen farblich abgestimmten Rock, der eine Handbreit über dem Knie endete, und passende Pumps. Ihre Haare hatte sie zu einem klassischen Knoten hochgesteckt.

„Ich stelle fest, dezenter Chic gehört offenbar zum Outfit der Geschäftsfrau. Steht dir. Sogar sehr“, bemerkte er lächelnd.

Beim dunklen Timbre seiner Stimme rann ihr ein Schauer über den Rücken, und in ihren Brustspitzen spürte sie ein verstörend heißes Gefühl. Ihr Puls raste, dennoch fragte sie sich, ob sie verrückt sei. Wie konnte es sein, dass er nach all den Jahren noch immer solche Macht über sie besaß?

„Auf deine Komplimente kann ich verzichten“, verwahrte sie sich mit bebender Stimme, „und außerdem werde ich nicht für dich arbeiten.“

„Du sollst es ja auch nicht für mich tun. Jedenfalls nicht direkt“, erklärte er ihr sanft.

Hol ihn der Teufel!

Äußerlich gab er sich völlig ungerührt. „Schließlich habe ich dir ja keinen Job als Privatsekretärin angeboten, oder?“

Sie kochte innerlich. „Direkt oder indirekt“, sie zuckte die Achseln, „meine Antwort ist und bleibt: Nein! Da kannst du machen, was du willst!“

„Tatsächlich? Kann ich das?“ Er grinste anzüglich. „Ich könnte mir da so …“

„Lenk jetzt nicht ab!“, fauchte sie. „Und hör auf, mich so anzustarren. Ich möchte nur eins wissen: Wieso willst du mich als Model engagieren und so viel dafür bezahlen, und das alles nur, um … um …“

„Um was?“, unterbrach er sie amüsiert.

„Um mich zu deiner Geliebten zu machen!“

„So, meinst du?“ Er lächelte milde. „Sobald du den Vertrag erfüllst, wirst du feststellen, dass dies nicht der Grund ist. Privates und Geschäftliches pflege ich zu trennen. Und in diesem Fall interessiert mich der geschäftliche Aspekt.“

Sie stand nur da und sah ihn an. Der geschäftliche Aspekt! Diese Worte wollten ihr einfach nicht aus dem Kopf. Er hatte sie als Geliebte gewünscht und behandelte sie wie eine käufliche Ware.

Nun erhob sich Pasquale und ging auf sie zu. „Offen gestanden: Wir haben dich als das Gesicht für unsere Kampagne ausgewählt, weil du mit deiner natürlichen Schönheit, deiner feminin-sinnlichen Ausstrahlung die ideale Besetzung für unsere Kosmetikprodukte bist.“

Sie fixierte ihn misstrauisch. Irgendetwas in seinen Augen irritierte sie. „Aber ich verstehe nicht, meistens wird ein Casting …“

„Das brauchten wir in deinem Fall nicht, bella mia“, sagte er verstörend sanft, während er sie taxierte wie eine Beute. „Uns war gleich klar, dass wir nur dich wollten.“

Sie war wütend, gleichzeitig aber auch erregt. Und sie wünschte, er würde endlich aufhören, sie so verstörend anzusehen. Als sie etwas sagen wollte, berührte er mit der Hand ihren Arm.

„Unterschätz meinen Anwalt nicht.“ Er nahm seine Hand nicht weg. „Wenn ich ihn beauftrage, auf Vertragsbruch zu klagen, hast du keine Chance.“

„Und wenn schon. Das ist mir egal!“ Kämpferisch entzog sie ihm ihren Arm. „Verklag mich! Nimm mir alles, was ich habe. Und wenn ich betteln müsste, nie werde ich für dich arbeiten!“

Er lächelte amüsiert und provozierte sie damit noch mehr. „So viel Kampfgeist hätte ich dir gar nicht zugetraut. Aber durchaus reizvoll. Ich mag Frauen mit einem eigenen Kopf.“

„Was hast du erwartet? Etwa das romantische junge Mädchen, das …“ Plötzlich tauchten die Bilder jener Nacht vor ihrem geistigen Auge auf, und ihre Wangen brannten vor Scham.

Ein undefinierbarer Ausdruck huschte über sein Gesicht. „… das ganz heiß darauf war, mit mir zu schlafen?“, vollendete er ihren angefangenen Satz und lächelte anzüglich. „Übrigens: So jung und naiv warst du gar nicht. Du wusstest doch genau, was du wolltest.“

„Ich habe es dir schon mehrmals gesagt: Für mich ist das Schnee von gestern!“ Sie wollte es endlich vergessen. Wollte, dass er damit aufhörte.

Der Ausdruck in seinen Augen zeigte ihr, dass er dazu keinesfalls bereit war. Im Gegenteil. „Selbst wenn ich es wollte – ich kann es nicht vergessen“, raunte er ihr zu.

Immer mehr geriet sie in den erotischen Sog seiner Stimme. Unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, spürte sie unter dem weichen Stoff ihres Bodys ihre Brustspitzen hart werden. Empfindungen rauschten durch ihren Körper, die sie überwältigten und die sie nicht mehr kontrollieren konnte.

Sie hätte es wissen müssen! Er war gefährlich. War es immer gewesen. Als romantische Siebzehnjährige hatte sie ihn unwiderstehlich gefunden. Und sieben Jahre später fand sie ihn nicht weniger faszinierend. Im Gegenteil. Wenn er in ihrer Nähe war, dann …

Lauf weg! Lauf weg! Noch ist Zeit!

Energisch straffte sie ihre Schultern. „Ich denke, ich habe mich klar genug ausgedrückt. Jedes weitere Wort wäre überflüssig.“

Pasquale zog die Brauen zusammen. „Ich fürchte, du verkennst den Ernst der Lage.“

Ihre Augen fest auf ihn gerichtet, hob sie stolz das Kinn. „Nein, das tue ich nicht. Verklag mich nur. Ich werde die Konsequenzen tragen.“

„Na, wenn du dir das leisten kannst, wo dein Bruder kurz vor der Pleite steht.“

Etwas in seiner Stimme machte ihr jetzt Angst. Sie sank auf einen Stuhl ihm gegenüber. „Das stimmt nicht“, sagte sie betont ruhig.

„Ich fürchte, doch.“

Seine entschiedenen Worte machten sie nervös. „Woher willst du das überhaupt wissen?“ Ruckartig richtete sie sich auf. „Oder hast du etwa vor, die Firma zu kaufen?“

„Marode Unternehmen interessieren mich nicht.“ Er schüttelte gleichmütig den Kopf.

„Die Konjunktur war eben schlecht“, sagte Suki verteidigend, „aber es geht ja schon wieder aufwärts. Das sagen alle.“

„Nur für deinen Bruder nicht.“

Sie ahnte zwar, dass es stimmte, was er sagte, wollte es aber nicht zugeben. Fahrig strich sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich aus der hochgesteckten Frisur gelöst hatte. „Es ist unmöglich. Es kann nicht sein. Ich habe doch erst …“

„Was hast du erst?“, unterbrach er sie sanft.

„Nichts.“

Sie umklammerte den Henkel ihrer Handtasche wie einen Haltegriff. „Das betrifft nur mich und meinen Bruder!“

„Nein!“ Pasquale erhob sich und wirkte jetzt richtig bedrohlich. „Es betrifft auch andere: die Aktionäre. Als Anteilseigner haben sie nicht nur ein Recht auf Auskunft, sondern auch auf eine Geschäftsführung, die verantwortungsvoll mit ihrem Kapital umgeht und es nicht einfach vergeudet, wie dein Bruder es macht!“ Mit grimmiger Miene betrachtete er ihr blasses Gesicht. „Außerdem hat er eine Frau und ein kleines Kind, für deren Lebensunterhalt er ebenfalls sorgen sollte.“

Suki stöhnte auf und schloss für einen Moment die Lider. Dankbar trank sie das Glas Mineralwasser, das Pasquale ihr gereicht hatte.

Als sie wieder klar denken konnte, hatte sie einen Entschluss gefasst. „Okay. Was soll ich tun?“ In ihrer Stimme schwang eine Spur Resignation.

Er nickte erleichtert, seine Miene hellte sich auf. „Vorerst solltest du deinen Bruder finanziell nicht mehr unterstützen. Es wäre sowieso nur ein Tropfen auf den heißen Stein – bei dem Schuldenberg, den er angehäuft hat. Außerdem … wenn du ihm immer wieder aus der Misere hilfst, merkt er gar nicht, wie ernst die Situation ist. Er muss sich selbst helfen! Nur dann kann er es schaffen!“

„Und wenn er nicht will?“

Mühsam beherrscht presste Pasquale die Lippen zusammen. „Er hat keine andere Wahl. Ansonsten werden die Banken ihm die Kredite kündigen.“

„So weit darf es nicht kommen!“ Suki war kreidebleich.

Er nickte. „Wenn ich frisches Kapital in den Betrieb gebe, werde ich schon dafür sorgen, dass die Darlehen bezahlt werden.“

Suki runzelte die Stirn. „Aber du sagtest …“

„Was sagte ich, bella mia?“, fragte er rau.

„Dass du kein Interesse an maroden Unternehmen …“

„Ausnahmen bestätigen die Regel“, unterbrach er sie trocken, aber mit Tatendrang im Blick. „Unter meiner Führung wird die Firma Franklin Motors schon bald wieder schwarze Zahlen schreiben.“

„Unter deiner Führung? Dann willst du Piers entlassen?“, fragte sie erschrocken.

„Hältst du mich für so skrupellos?“

„Dir trau ich alles zu.“

Er lachte. „Nein, keine Sorge, das habe ich nicht vor, cara. Ich werde ihm sozusagen vorübergehend unter die Arme greifen. Bis die Firma wieder läuft.“

„Wenn du dich da mal nicht überschätzt. Du hast doch noch nie in der Automobilbranche gearbeitet.“ Suki zog fragend die Brauen hoch.

Er lächelte schon wieder. „Das zwar nicht, aber ich habe Betriebswirtschaft studiert und kann ein Unternehmen gewinnbringend führen.“ Er beugte sich vor, als wollte er nicht nur seine neue Aufgabe, sondern auch Suki ins Visier nehmen. „Letztlich gilt überall das Prinzip von Angebot und Nachfrage. Natürlich muss man auch die Trends am Markt berücksichtigen. Und die kleinen, aber feinen Cabrios, wie Franklin Motors sie herstellt, sind gerade besonders angesagt. Dein Bruder hat viel zu sehr auf Massenware und große Stückzahlen gesetzt. Zum Glück ist es noch nicht zu spät.“

Widerstrebend musste sie ihm insgeheim beipflichten. Irgendwie hatte sie es all die Jahre geahnt. Aber musste er immer recht haben? Dabei wurde ihr klar, wie wenig sie im Grunde von ihm wusste. „Gibt es eigentlich auch etwas, wo du dich nicht auskennst?“

Er hob süffisant eine Braue. „Bei dir zum Beispiel. Du überraschst mich immer wieder. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.“

Ihr Herz pochte. Was plante er denn jetzt schon wieder? „Ich … finde es sehr nett von dir, Piers auf diese Weise zu helfen“, versuchte sie, das Gespräch in etwas neutralere Bahnen zu lenken.

„Nett? Ich handle nicht aus Nettigkeit, cara.“ Erneut beugte er sich vor. „Wenn du es unbedingt benennen willst, dann erweise ich dir einen Gefallen.“

„Und welche Gegenleistung verlangst du für diesen … Gefallen?“

„Weißt du das wirklich nicht?“

Natürlich wusste sie es. Er wollte sie! Aber offenbar redete er sich ein, dass es ihm nur ums Geschäft ging. Konnte sie ihn nicht irgendwie dazu bringen, die Wahrheit zu sagen? Am besten, sie spielte ein wenig die Ahnungslose. „Nein, ehrlich gesagt, bin ich mir nicht sicher. Sag du es mir, Pasquale!“

Jetzt lächelte er frostig. „Sei das Formidable-Girl.“

Seine Antwort verschlug ihr für einen Moment die Sprache. „Und weiter nichts?“ Sie war wirklich perplex. „Du meinst, du willst nicht … hm …“

„Hm … was?“, unterbrach er sie belustigt.

Sie hielt seinem Blick stand. „Das ist wirklich alles?“

„Im Augenblick schon.“ Sie entdeckte einen Ausdruck in seinen Augen, der ihr nichts Gutes verhieß. „Allerdings ist noch etwas anderes zwischen uns offen. Ich will dich immer noch als meine Geliebte. Und darauf würde ich nicht gern ewig warten.“

Sie stand da und starrte ihn an. Wie hatte sie nur annehmen können, er hätte sich geändert. Er war wie gewohnt rücksichtslos. „Du kannst mich nicht zwingen!“ Kämpferisch reckte sie das Kinn.

„Das will ich ja auch gar nicht.“ Er schenkte ihr ein provozierendes Lächeln. „Und es wird bestimmt auch nicht nötig sein. Du willst mich, cara mia, so wie ich dich, und irgendwann wirst du es zugeben“, raunte er auffällig heiser.

Sein Lächeln verstörte sie. In diesem Moment kam sie sich überhaupt nicht sicher vor. Sie war wie gebannt.