5. KAPITEL

In seinem Blick erkannte sie Entschlossenheit, er strahlte Kraft aus … Sinnlichkeit und Macht. Suki fasste sich an den Hals, sammelte ihre letzten Kräfte zum Widerstand. „Dieser Job ist eigentlich kein Angebot. Du erpresst mich.“

Pasquale lächelte. „Du solltest lernen, Privates von Geschäftlichem zu trennen. Als Model kannst du mit diesem Job fünf Millionen verdienen. Und im Gegenzug helfe ich der Firma deines Bruders aus den roten Zahlen. Ich halte das für ein faires Geschäft.“

Sie schluckte. Er hatte recht. Wieder einmal. Natürlich half sie Piers nicht, wenn sie ihm immer wieder Geld lieh. Das hatte sie längst begriffen. Und natürlich reichten auch ihre finanziellen Mittel nicht aus, um seine Schulden zu decken. Trotzdem war ihr nicht wohl bei der Sache. Auf den ersten Blick sah es zwar nach einem Geschäft aus, bei dem sie nur gewinnen konnte – aber zu welchem Preis?

Sie schloss die Augen, suchte nach einer letzten Alternative. Doch ihr fiel keine ein. Lehnte sie es ab, als Formidable-Girl zu arbeiten, riskierte sie nicht nur den Konkurs von Franklin Motors. Pasquale konnte auch auf Vertragsbruch klagen und dafür sorgen, dass sie nie wieder Arbeit bekam.

Andererseits … Suki holte Luft und versuchte, sich zur Vernunft zu ermahnen. Fünf Millionen. Nur dafür, dass sie mit ihrem Gesicht für einen der größten Kosmetikkonzerne der Welt warb. Davon träumten alle Models. Das konnte sie doch schaffen.

Energisch straffte sie ihre Schultern. „Also gut. Du lässt mir ja keine Wahl.“

Er nickte und lächelte, als hätte er nichts anderes erwartet. Dann reichte er ihr die Hand und sagte: „Auf gute Zusammenarbeit!“

Sie zögerte erst einzuschlagen, tat es dann aber doch. „Ich arbeite für dich, weil es nicht anders geht. Es ist eine rein geschäftliche Angelegenheit.“

Er ließ ihre Hand los, hielt jedoch ihren Blick gefangen. „Dir ist hoffentlich klar, dass wir uns jetzt öfter über den Weg laufen werden.“

„Pasquale? Könntest du zur Sache kommen?“

„Aber ja. Und wie.“ Er grinste anzüglich und rückte mit seinem Stuhl zu ihr. „Welche Sache meinst du denn?“

Sie richtete sich kerzengerade auf. „Wann fange ich an?“ Ihre Stimme klang unbeteiligt kühl. Doch innerlich bebte Suki, als sie einen Anflug von Triumph in seinen Augen erblickte und ihr Verstand ihr die Folgen der Entscheidung vor Augen führte.

„Wir werden morgen Abend im Hotel Granchester einen Empfang geben und dich der internationalen Presse vorstellen. Unser Fahrer holt dich um acht Uhr ab.“

Sie überprüfte den tadellosen Sitz ihres Rocks und erhob sich. „Sollten wir nicht noch weitere Details besprechen?“

Für einen Moment schien er verwirrt. „Welche denn?“

„Über meinen Auftritt allgemein natürlich. Wenn die Kampagne ein Erfolg werden soll, muss ich wissen, welches Bild ich als Formidable-Girl verkörpern soll.“

Er deutete ein Lächeln an, das ihr die Knie weich werden ließ. Eigentlich hätte sie ihn mit Eiswasser abschrecken müssen. Stattdessen genoss sie seinen brennenden Blick auf ihren Lippen und sehnte sich danach, Pasquale zu küssen.

„Zeig ihnen einfach, was du für einen tollen Körper hast.“ Er ließ seinen Blick ungeniert über ihre femininen Rundungen schweifen. „Mit viel Glamour und einer gehörigen Portion Sex-Appeal.“

Suki fluchte insgeheim, weil ihr ein Schauer über den Rücken lief. Sein Blick war so unerhört intim. So schockierend wundervoll, dass sie nicht einmal protestierte.

„Wir arbeiten mit der Werbeagentur Lomas & Lomas zusammen. Ich werde ihren Stylisten bitten, ein passendes Outfit für dich auszusuchen und es dir zu bringen. Wahrscheinlich wird er so gegen sieben kommen.“ Unvermittelt ergriff er jetzt ihre Hand mit seinen Fingerspitzen, zog sie an seine Lippen und küsste sie. „Endlich hast du eingesehen, dass dieses Angebot viel zu gut ist, um es abzulehnen, cara …“

Die Schwingungen seiner dunklen Stimme umgarnten ihre Sinne. Sie spürte seinen Atem auf ihrer Haut, seine Lippen auf ihrer Hand. Einen Moment wähnte sie sich in einem Rausch, im nächsten glaubte sie, im Strudel der Gefühle unterzugehen. Unterzugehen! Die Ernüchterung kam schlagartig.

Abrupt entzog sie ihm ihre Hand, und ihr gelang ein frostiger Blick. „Ich warne dich! Ich mache diesen Job, weil ich keine andere Wahl habe. Und nicht, damit du bekommst, was du willst!“

„Ach, wirklich?“ Seine Mundwinkel zuckten.

„Glaub doch, was du willst! Ich habe dich gewarnt!“ Hocherhobenen Hauptes stolzierte sie an ihm vorbei aus dem Raum.

Sie registrierte, dass Carly und der Notar sich immer noch nicht von ihrem Schock erholt hatten. Dass sie Fragen hatten. Doch sie ließ sich nicht aufhalten.

Sie hörte auch, dass Pasquale die anderen in den Konferenzraum bat, um die weiteren Formalitäten zu besprechen. Aber selbst das war ihr egal. Sie wollte nur noch weg. Energisch lief sie immer weiter.

Erst als sie unten im Taxi saß, setzte ihre Reaktion auf das ein, was sie gerade erlebt hatte, und ihre unterdrückte Wut kochte hoch. Sie verspürte den Drang, Pasquale den Hals umzudrehen, griff nach dem Erstbesten, das sie in die Finger bekam, und knetete den Henkel ihrer Handtasche.

Als der Stylist ging, war es zehn vor acht, und Suki bekam allmählich Lampenfieber. Aufgeregt stand sie vor dem großen Spiegel in ihrem Ankleidezimmer und betrachtete sich von allen Seiten. Obwohl sie zu den Topmodels gehörte, fand sie wie die meisten Frauen in der Regel immer noch etwas an ihrem Äußeren auszusetzen.

Meist mochte sie ihren Busen nicht, oder sie fand sich einen Tick zu groß. Dieses Mal jedoch wollte sie ihren Augen kaum trauen. War das wirklich sie, die in diesem zart schimmernden Traum steckte?

Wie ein seidiger Kokon schmiegte sich der elegante Stoff um ihre Figur. Seine geheimnisvoll changierenden Blautöne harmonierten wundervoll mit dem roten Gold ihrer Haare, das in duftigen Wellen ihre Schultern umschmeichelte. Raffinierte Effekte in feinem Silber lenkten den Blick auf das Dekolleté. Und ein raffiniert dezentes Make-up ließ ihre Lippen schimmern und ihre Augen strahlen.

Es war ihr gerade einigermaßen gelungen, ihre Nervosität abzuschütteln, als der Fahrer an der Tür klingelte, um sie abzuholen. Eilig schlüpfte sie in die Abendpumps, drapierte eine passende Stola um ihre Schultern, lief nach unten und stieg in einen wartenden Mercedes mit getönten Scheiben.

Erst spürte sie es nur, dass sich noch jemand im Wagen befand; als sich ihre Augen an das diffuse Dämmerlicht gewöhnt hatten, sah sie ihn auch. Lässig zurückgelehnt auf dem weichen Ledersitz, musterte er sie auf eine Weise, dass sie Herzklopfen bekam und so weit wie möglich von ihm wegrückte. Allerdings brachte das auch nicht viel. Er sah wie immer atemberaubend aus. Im noblen schwarzen Smoking mit weißem Hemd geradezu blendend. Gehörte eine solch mörderische Versuchung nicht hinter Gitter?

„Guten Abend, Suki“, sagte er leise, als der Wagen sich in Bewegung setzte.

„Warum bist du hier? Um mich zu kontrollieren?“ Ihre Stimme klang kühl, ihr Puls aber raste. „Meinst du, ich brauche dich als Bodyguard?“

„Vielleicht.“ Er lächelte amüsiert. „Auf jeden Fall, wenn du ein solch aufsehenerregendes Kleid trägst wie heute Abend.“

Er schmeichelte ihr, aber sie hörte auch eine überlegene Männlichkeit in seiner Stimme, die sie erschauern ließ und gleichzeitig elektrisierte.

Energisch rief sie sich den eigentlichen Grund ihres Zusammentreffens ins Gedächtnis. „Es ist wirklich ein sehr schönes Kleid“, brachte sie schließlich hervor. „Dieser Stylist versteht sein Handwerk.“

Er lächelte amüsiert. „So kühle und förmliche Worte aus einem so aufregenden Mund.“ Er zog nur eine Braue hoch, als Suki betont gleichgültig aus dem Fenster sah. „Aber du hast natürlich recht. Das Kleid gefiel mir auch von allen am besten.“

„Gefiel mir? Ich verstehe nicht. Willst du damit sagen, du hast es ausgewählt?“

„Aber natürlich.“

Als sie sich vorstellte, wie er das Kleid mit seinen Händen berührte, das sie nun auf ihrer bloßen Haut trug, errötete sie verlegen. In diesem Moment war sie froh, dass die Scheiben getönt waren und es dämmerig im Wageninneren war. Nachdem sie tief durchgeatmet hatte, fragte sie: „Gehört das sonst auch zu deinem Job? Die Kleider der Models aussuchen?“

„Was glaubst du denn?“ Er lächelte so anzüglich, dass ihr der Atem stockte.

„Ich weiß es wirklich nicht.“

Gleich nimmt er mich in seine Arme und küsst mich!

„Okay, es gehört eigentlich nicht zu meinen Aufgaben. Aber dieser Hauch von Nichts ist so unbeschreiblich weiblich … dir wie auf den Leib geschneidert. Und dieses Blau hat etwas Geheimnisvolles – ich wusste, es würde wunderbar zu deinen roten Haaren passen und deine Augen noch verlockender leuchten lassen.“ Die dunklen Schwingungen seiner Stimme gingen ihr unter die Haut. „Und hatte ich nicht recht? Du siehst doch wirklich umwerfend darin aus.“

Obwohl man ihr schon oft gesagt hatte, wie gut sie aussah, ließen seine Komplimente ihr Herz höher schlagen. Aber es versetzte ihr auch einen Stich, als ihr bewusst wurde, dass sie einzig und allein ihrem Körper galten.

Ihr Herz pochte so wild, dass sie kaum atmen konnte, und sie war wütend über seine Arroganz. „Wenn du willst, dass die Kampagne ein Erfolg wird, dann behandle mich nicht wie eine Ware! Wie einen Gegenstand, den du kaufen kannst. Aber das verstehst du natürlich nicht, weil du Menschen immer so behandelst … so … gefühlskalt!“

Für einen Moment knisterte die Stille vor Spannung. Dann schüttelte er spöttisch lächelnd den Kopf. „Du hältst mich also für gefühlskalt, cara mia?“ Seine Stimme war trügerisch sanft, und Suki spürte die Intensität seines Blicks hautnah. „Ich hätte große Lust, dich jetzt zu küssen und vom Gegenteil zu überzeugen!“

Ihre Lippen reagierten mit Prickeln. Unbewusst fuhr sie sich mit der Zunge darüber und starrte wie in Trance auf seinen Mund. Wenn sie sich jetzt zu ihm beugte, würde er sie an sich ziehen, und sie würden sich …

Instinktiv rückte sie von ihm ab, presste die Hände zusammen und wünschte, er wäre ihr nicht so schmerzlich nahe. Wenn er kam, würde sie ihn zurückstoßen. Ganz bestimmt.

Pasquale hatte sie die ganze Zeit amüsiert beobachtet. „Allerdings halte ich es für besser, meine Beweisführung auf später zu verschieben. Denn ich fürchte, ich könnte vergessen, wo wir sind, und dich in einem Zustand abliefern, der …“

Seine Worte reizten und verletzten sie zugleich. „Kannst du eigentlich immer nur an das eine denken?“, fauchte sie.

„Es kommt ganz darauf an.“ Er fesselte sie förmlich mit seinen Blicken.

Einen Moment lang senkte sie die Lider, biss sich auf die Lippe und suchte nach einer schlagfertigen Entgegnung. Als sie wieder aufsah, schien die Spannung zwischen ihnen verschwunden.

„Übrigens habe ich heute Nachmittag deinen Bruder getroffen.“

Suki war zwar erleichtert über den Themenwechsel, der grimmige Tonfall seiner Stimme aber signalisierte ihr nichts Gutes. Besorgt blickte sie ihn an. „Und was machte er für einen Eindruck auf dich?“

Er zog eine Braue hoch. „Er roch nach Alkohol. Und das mitten am Tag.“

Sie schluckte und presste die Lippen zusammen. „Du solltest dich um die Firma kümmern, Pasquale“, sagte sie leise. „Du hast nicht das Recht, dich in Piers’ Privatangelegenheiten zu mischen.“

Er zuckte mit den Achseln. „Ich bin nur realistisch. Und es ist mir ein absolutes Rätsel, wie er die letzten acht Jahre im Geschäft bleiben konnte. Er hat doch von nichts eine Ahnung!“

Obwohl sie ihm insgeheim recht gab, fühlte sie sich verpflichtet, ihren Bruder in Schutz zu nehmen. „Er gibt sich aber große Mühe.“

„Ja, und er erstickt in Arbeit, und alles ist Stress!“

„Du machst dich über ihn lustig.“

„Ganz im Gegenteil. Ich nehme ihn sogar sehr ernst. Allerdings hat er wirklich keinen blassen Schimmer. Er spielt zwar den Geschäftsmann, hat jedoch noch nie etwas von Angebot und Nachfrage gehört. Und dann musste ich ihm auch noch erklären, dass der Cashflow den Überschuss eines Unternehmens bezeichnet!“

„Er konnte ja auch nicht wie du BWL in Harvard studieren! Als mein Vater starb, war er erst zwanzig, hatte gerade erst mit dem Studium angefangen. Meine Mutter hatte keine Ahnung vom Geschäft, und ich ging noch zur Schule!“

„Das weiß ich“, sagte er unerwartet sanft. „Und ich weiß auch, dass letztes Jahr eure Mutter gestorben ist. Das tut mir wirklich alles sehr leid.“

Stumm blickte sie ihn an. Eigentlich war sie darauf gefasst gewesen, dass er ihr vorwerfen würde, warum sie sich nicht auch um die Firma gekümmert habe. Aber nie im Leben wäre sie auf die Idee gekommen, dass Pasquale Verständnis aufbringen würde. Sie spürte einen Kloß im Hals, und ihr wurde schmerzlich klar, wie sehr sie sich die ganze Zeit danach gesehnt hatte, ihren Kummer und ihre Sorgen mit jemandem zu teilen. Wie schön es wäre, den Kopf an eine starke Schulter legen und sich ausweinen zu können.

Hastig sah sie aus dem Fenster, weil sie spürte, dass ihre Augen feucht wurden. Sie atmete tief durch, konzentrierte sich auf das vorbeiziehende Lichtermeer des abendlichen London und gewann allmählich ihre Fassung wieder.

Dennoch war sie froh, dass sie das Hotel durch den Seiteneingang betraten und Pasquale sie fürsorglich zum Personalaufzug geleitete. Den neugierigen Blicken der gewiss unzähligen Journalisten vor dem Haupteingang fühlte sie sich jetzt nicht gewachsen.

Nachdem er Suki sanft in den Lift geschoben hatte, war die knisternde Spannung zwischen ihnen plötzlich wieder da. Unbehaglich registrierte sie sein Lächeln, das ihr in dem engen Raum unverschämt intim erschien. „Sieh mich nicht so an!“

Er lächelte einfach weiter.

„Du genießt das richtig, was?“, fauchte sie.

„Oh ja, das tue ich tatsächlich“, antwortete er rau. „Denn ich weiß, dass ich bekomme, was ich will.“ Er musterte sie von oben bis unten. „Obwohl es länger dauert, als ich erwartet hätte. In Frankreich waren wir schon sehr viel weiter.“

Suki glaubte, sich verhört zu haben. Er dachte immer noch, er bekäme sie? Womöglich noch in Geschenkpapier eingewickelt? „Wie kann man nur so selbstherrlich und arrogant sein wie du!“

„Hat dir eigentlich schon einmal jemand gesagt, dass du wütend noch erotischer bist?“

Elender Mistkerl! Statt auf ihren Protest zu reagieren, genoss er die Herausforderung. Dabei hatte sie sich vorgenommen, ihn kühl in seine Schranken zu weisen. Aber sie schaffte es einfach nicht. Immer wieder gab er die Regeln vor.

Selbst wenn sie es ihm jetzt vorwerfen würde – er würde sich scheinbar ruhig alles anhören und dann wieder lachen. „Du spielst nach meinen Regeln?“, würde er erstaunt fragen. „Eine wirklich grandiose Vorstellung.“

Sie würde ihn dafür hassen.

Und sich dann von seinen Küssen überwältigen lassen.

Sie bekam weiche Knie. Irgendwie lief alles anders, als sie es sich vorgestellt hatte. Aber so konnte und durfte es nicht weitergehen. Pasquale würde das nicht noch einmal mit ihr machen. Entschlossen presste sie die Lippen fest zusammen. Auf keinen Fall durfte er ihr Verhalten als Einladung verstehen, um sie zu …

Ruckartig hielt der Lift, und jetzt wurde Suki von einer Nervosität ganz anderer Art erfasst. Draußen hatte sich eine neugierige Menge Fotografen und Journalisten versammelt, die alle gespannt auf das neue Formidable-Girl warteten.

Pasquales Hand berührte ihren Rücken und verströmte eine Kraft, die auch auf ihren Körper überzugehen schien. „Alles in Ordnung?“, raunte er ihr ins Ohr.

„Klar“, antwortete sie kämpferisch und folgte ihm aus dem Lift. Auch wenn sie ihn vor Kurzem am liebsten noch auf den Mond gewünscht hätte, gab seine Nähe ihr jetzt Sicherheit. Umso mehr versetzte es ihr einen Stich, plötzlich eine Frau mit einer aufreizend kehligen Stimme seinen Namen rufen zu hören.