La mujer sin hombre es como el fuego sin leña
Eine Frau ohne Mann ist wie ein Feuer ohne Holz
Es gab Nächte, in denen Liz nicht schlafen konnte.
Erinnerungen … Reue … Zweifel … unerfüllte Sehnsüchte … Freude über ihre Freiheit. All dies beschäftigte sie und hielt sie wach. Dann stand sie auf, machte sich einen Kräutertee und ging über die Außentreppe auf die Dachterrasse ihres kleinen Hauses.
Als sie eines Nachts dort stand und die Berge im Mondlicht betrachtete, wurde sie von Geräuschen aufgeschreckt. Sie kamen aus La Higuera, dem großen Haus am Hügel, an dem das kleine spanische Dorf Valdecarrasca erbaut worden war. Der Feigenbaum, der in dem Garten der Villa stand, hatte ihr den Namen gegeben.
Seit sie vor sechs Monaten hierher gezogen war, hatte das Nachbarhaus leer gestanden, und sie hatte fast vergessen, dass der Besitzer eines Tages zurückkehren würde und auf ihr Flachdach sehen könnte. Das Rattern der Rollläden und der Lichtschein, der durch die Erdgeschossfenster fiel, ließen keinen Zweifel daran, dass La Higuera wieder bewohnt war.
Rasch verließ Liz die Dachterrasse und verschwand im Haus, bevor irgendjemand sie bemerken konnte. In der dunklen Küche wartete sie, ob die Rollläden, die die oberen Fenster der großen Villa verdunkelten, hochgezogen wurden. Der Besitzer war der Fernsehreporter Cameron Fielding, doch manchmal überließ er das Haus Freunden, wie sie erfahren hatte. Bevor sie nach Valdecarrasca gezogen war, hatte sie noch nie von ihm gehört. Und das, was man ihr von ihm erzählt hatte, gefiel ihr nicht. Da sie allerdings gerechtigkeitsliebend war, schenkte sie einigen der Skandalgeschichten keinen Glauben.
Alicia hat wohl nicht gemerkt, dass jemand in La Higuera angekommen ist, dachte sie, während sie weiter wartete. Alicia war die korpulente Spanierin, die sich um das Haus kümmern sollte, solange es leer stand. Sie sollte es lüften und reinigen, bevor jemand kam. Eigentlich sollte dies einmal im Monat geschehen. In Wirklichkeit, so hatte Liz gehört, tat sie dies aber nur einige Tage vor der Ankunft von Mr Fielding oder seinen Gästen.
Diesmal war sie anscheinend überrascht worden. Einer der oberen Rollläden fuhr automatisch hoch. Ein Mann hatte ihn betätigt. Da seine Silhouette sich gegen das Licht abzeichnete, konnte Liz erkennen, dass er groß und breitschultrig war und dunkles Haar hatte. Er sah wie ein Spanier aus.
Eine zweite Person erschien. Eine Frau. Während der Unbekannte aus dem Fenster blickte, stellte sie sich dicht hinter ihn und umarmte ihn. Sofort drehte er sich herum und erwiderte ihre Umarmung. Liz beobachtete, wie er den Kopf zu ihr hinunterbeugte und sie lange und innig küsste. Doch es schien, als würde sein sechster Sinn ihm sagen, dass sie auch um ein Uhr nachts in diesem kleinen spanischen Dorf nicht ungestört waren, und er zog die Vorhänge zu.
Schuldbewusst schloss Liz ebenfalls die Vorhänge ihres Küchenfensters und suchte den Lichtschalter. Dann machte sie sich noch einen Becher Tee und ging in ihr Schlafzimmer hinauf, um das Buch weiterzulesen, das auf ihrem Nachttisch lag.
Sie konnte sich nicht konzentrieren. Diese Szene am Fenster hatte in ihr eine übermächtige Sehnsucht geweckt. Liz versuchte, sich zu beruhigen. Sie war neugierig, ob der Mann in La Higuera wirklich der legendäre Frauenheld war, um dessen amouröse Eroberungen sich so viele Gerüchte rankten.
„Er kommt immer mit einer anderen Freundin“ war ein Satz, den sie über ihn gehört hatte. „Er sieht so gut aus … und er ist völlig unmoralisch. Er ist immer noch nicht verheiratet. Deshalb kann man es ihm ja nicht übel nehmen, dass er keine Gelegenheit auslässt, oder?“ war ein anderer Kommentar, der sich ihr eingeprägt hatte.
Liz verachtete alle Schürzenjäger, denn wegen genau so eines Mannes, der zudem verheiratet gewesen war, hatte sie keine besonders glückliche Kindheit und Jugend gehabt. Sie hielt nichts von Menschen, die Sex nur als Spiel betrachteten.
Trotz der nächtlichen Störung stand Liz am nächsten Morgen wie gewöhnlich früh auf. Während sie sich im Badezimmer die Zähne putzte, fiel ihr auf, wie sehr sie sich seit ihrer Ankunft verändert hatte. Damals war sie blass und erkältet gewesen und hatte gerade den nasskalten englischen Winter hinter sich gelassen.
Jetzt war sie selbst nach einer unruhigen Nacht fit. Sie war nie eine Schönheit gewesen. Ihre dunkelblauen Augen und ihre helle Haut, die jetzt leicht gebräunt war, waren ihre positivsten äußerlichen Merkmale. Früher hatte sie immer gemäßigte Versionen der aktuellen Frisurenmode getragen. Hier war sie nicht mehr zum Friseur gegangen, um Geld zu sparen, und ließ ihr mittelbraunes Haar wachsen. Sie band es einfach zusammen oder steckte es hoch. Inzwischen war es von hellen Strähnen durchzogen.
Nach einer kurzen, heißen Dusche zog sie ein schlichtes weißes T-Shirt, einen marineblauen Rock und Segelschuhe an. Dann fuhr sie zum Wochenmarkt im nächstgrößeren Dorf, das einige Kilometer entfernt war. Gleich nach dem Frühstück wollte sie eine halbe Stunde im Garten von La Higuera arbeiten.
Die Vorbesitzerin ihres Hauses, eine ältere Engländerin namens Beatrice Maybury, hatte den nachbarlichen Garten versorgt. Liz hatte diese Arbeit von ihr übernommen. Sie liebte Gartenarbeit, und der großzügige Betrag, der ihr für eine Stunde Arbeit pro Woche gezahlt wurde, war eine willkommene Aufbesserung ihrer bescheidenen Einkünfte. Als sie diese Arbeit angenommen hatte, hatte sie nicht gewusst, wem dieses Anwesen gehörte. Beatrice hatte nie über Cameron Fielding geredet.
Es war unwahrscheinlich, dass die Bewohner von La Higuera nach der späten Ankunft und dem leidenschaftlichen Kuss vor Mittag aufstehen würden. Liz beschloss, etwas Unkraut zu jäten und die Pflanzen zu gießen, bevor sie mit ihrer Arbeit beginnen würden. Sie betrat das Anwesen durch ein Seitentor, das zum Garten im hinteren Teil führte. Als sie schließlich vor dem niedrigen Beet an der efeubewachsenen Mauer kniete, die an ihren kleinen Garten grenzte, und einige silbergraue Beifußsetzlinge auspflanzte, hörte sie eine Männerstimme.
„Hallo … Wer sind Sie denn?“
Liz stieß einen erschrockenen Schrei aus, sprang auf und verlor fast das Gleichgewicht. Der Mann trat vor und ergriff ihren Arm.
„Entschuldigung … Ich wollte Sie nicht erschrecken. Wahrscheinlich dachten Sie, dass niemand da wäre. Ich bin gestern Nacht, oder besser gesagt, heute Morgen angekommen. Ich bin Cam Fielding, der Besitzer. Und Sie?“
Sie hatte sofort gewusst, wer er war. „Gut aussehend“ war noch untertrieben. Er war zweifellos der attraktivste Mann, dem sie je begegnet war. Letzte Nacht hatte sie ihn für einen Spanier gehalten, und er wirkte auch so. Sein Haar und die Augenbrauen waren schwarz, seine Haut war leicht gebräunt, und die markanten Gesichtszüge deuteten auf maurische Vorfahren. Aber seine Augen waren stahlgrau.
„Ich bin Liz Harris“, sagte sie und wurde sich seines Griffs bewusst. Außerdem merkte sie, dass er unter dem weißen Bademantel nackt war. Sie blickte an ihm hinunter und entdeckte seine nackten Füße. Darum hatte sie ihn nicht kommen hören. Er hatte gerade geduscht und sie wohl durch das Küchenfenster gesehen.
„Sind Sie die Tochter von Mrs Harris … oder ihre Schwiegertochter?“, fragte er.
„Weder noch … Ich bin Mrs Harris.“ Liz wünschte, er würde ihren Arm loslassen und ein Stück zurücktreten. Da er ihr so nahe war, empfand sie seine Anziehungskraft als unangenehm.
Cameron Fielding zog eine Augenbraue hoch. „Ich verstehe. Ich hatte Sie mir älter vorgestellt … so wie Beatrice Maybury. Als sie schrieb, dass eine englische Witwe ihr Haus kaufen würde, nahm ich an, Sie wären eine ältere Lady. Wie alt sind Sie?“
„Sechsunddreißig.“ Erleichtert, dass er endlich ihren Arm losgelassen hatte, trat sie einen Schritt zurück. Eigentlich ist es eine Frechheit, sofort nach meinem Alter zu fragen, dachte sie. „Und wie alt sind Sie?“
„Neununddreißig“, antwortete er. „War Ihr Ehemann viel älter als Sie … oder ist er jung gestorben?“
„Er war ein Jahr älter als ich und ist vor vier Jahren gestorben.“ Sie war noch nie jemandem begegnet, der solche persönlichen Fragen so früh stellte. Die meisten Bekannten vermieden dieses Thema.
„Was ist passiert?“
„Er ist ertrunken, als er versucht hat, ein Kind aus schwerer See zu retten. Er war kein guter Schwimmer. Sie sind beide gestorben“, antwortete sie leise. Duncans Heldenmut war ihr immer noch ein Rätsel. Er war so ein vorsichtiger Mann gewesen, der nie ein Risiko eingegangen war. Diese Tollkühnheit war völlig untypisch für ihn gewesen.
„Das lässt seine Tat sogar noch edler erscheinen“, sagte Cameron Fielding. „Lebten Sie schon in Spanien, als es passierte?“
„Nein, in England. Wir waren oft mit seinen Eltern in Spanien gewesen. Sie haben immer eine Villa für den Winter gemietet. Mrs Maybury hatte meinen Schwiegereltern ihr Haus angeboten. Ich war bei der Besichtigung dabei. Sie mochten es nicht, aber mir gefiel es.“
„Und was machen Sie hier?“, erkundigte er sich. „Die Mehrheit der britischen Auswanderer in diesem Teil von Spanien sind Rentner … obwohl die Anzahl der jungen, arbeitenden Auswanderer angeblich steigt. Haben Sie einen Job neben diesem hier?“
„Ich bin selbstständige Handarbeitsdesignerin … vor allem für Frauenmagazine. Das ist eine Arbeit, die ich überall ausüben kann – dank E-Mail.“
Eine Bewegung auf der Terrasse erregte ihre Aufmerksamkeit. Die junge Frau, die Liz letzte Nacht gesehen hatte, kam auf sie zu. Sie trug einen Morgenmantel, dessen unregelmäßige Chiffonstreifen in sonnigen Farben ihre umwerfende Figur zur Geltung brachten.
„Cam, der Kühlschrank ist leer. Es gibt keinen Orangensaft“, beschwerte sie sich und schwebte die Stufen herunter, die die Terrasse mit dem Garten verbanden.
„Ich weiß. Ich werde gleich welchen kaufen. Ich wusste nicht, dass du so früh aufstehst.“ Dann stellte er sie vor. „Mrs Harris, das ist mein Gast, Fiona Lincoln. Fiona, dies ist meine Nachbarin jenseits der Mauer. Mrs Harris kümmert sich ein bisschen um den Garten.“
Liz zog den Gartenhandschuh von der rechten Hand. Es überraschte sie nicht, dass der Händedruck von Fiona schlaff war. Sie sah nicht wie jemand aus, der einen kräftigen Händedruck besaß. Vielleicht dachten glamouröse Frauen, es wäre unweiblich, etwas Druck auszuüben.
„Ich dachte, du hättest ein Mädchen, das sich um alles kümmert“, wunderte sich Fiona.
„Ich habe eine Reinmachefrau, aber es sieht nicht so aus, als wäre sie in der letzten Zeit da gewesen“, erklärte er. „Kennen Sie meine Haushaltshilfe, Mrs Harris? Ist sie vielleicht krank?“
„Ich sehe diese Alicia nie“, sagte Liz. „Ich bin meistens schon vor dem Frühstück hier oder am Spätnachmittag. Sie kommt wohl mittags vorbei.“
„Ich werde sie anrufen. Jetzt lassen wir Sie aber in Ruhe. Bis später.“ Als sie gingen, legte Cameron Fielding besitzergreifend die Hand um die schlanke Taille der Frau.
Neidisch beobachtete Liz, wie Fiona sich an ihn lehnte. Sie hätte viel darum gegeben, einen Mann in ihrem Leben zu haben, an den sie sich ebenso anlehnen konnte. Gleichzeitig wusste sie, dass eine so oberflächliche Beziehung, die wahrscheinlich genauso beiläufig enden würde, wie sie begonnen hatte, sie nicht befriedigen würde. Eine flüchtige Affäre kam für sie nicht infrage.
Während Liz den beiden nachblickte, fragte sie sich, wie Männer wie er und ihr Vater sich damit zufriedengeben konnten, mit Frauen zu schlafen, für die sie eigentlich nichts empfanden. Die Vorstellung, mit jemandem ins Bett zu gehen, den man nicht liebte, war ihr zuwider.
Sie hatte früh geheiratet und dadurch die sexuelle Freiheit vieler ihrer Altersgenossen nicht erlebt. Duncan war ihr erster Freund gewesen und ihr einziger Liebhaber. Dass sie wieder heiraten würde, schien zweifelhaft. Ungebundene Männer ihres Alters waren rar. Und wollte sie überhaupt ein zweites Mal heiraten? Die Ehe war so ein großes Risiko.
Seufzend fuhr Liz mit der Gartenarbeit fort.
Nach dem Mittagessen machte Liz einen Spaziergang durch die staubigen Gassen und die Weinberge, die sich vom Rand des Dorfes bis zum anderen Ende des Tals zogen. Bei ihrer Ankunft waren die Trauben nicht größer als Apfelsinenkerne gewesen. Sie hatte ihr Wachstum bis zur Reife beobachtet. Jetzt färbten sich die Weinblätter rot und violett.
Auf dem Rückweg nahm sie den Weg, von dem aus sie einen Blick über ganz Valdecarrasca hatte. Die dicht nebeneinanderliegenden Dächer wurden von der Kirche überragt. Eine Zypressenallee führte zu dem kleinen Friedhof.
Selbst für einen Außenseiter war es angenehm, Teil einer kleinen Gemeinde zu sein, in der jede Generation zusammen die Schule besucht hatte und man so viele Erinnerungen teilte.
Den restlichen Nachmittag verbrachte Liz mit dem Entwurf einer Tischdecke und passenden Servietten zum Thema „Gartenfest“, das im kommenden Sommer veröffentlicht werden sollte.
Um sechs Uhr mixte sie sich einen Gin Tonic und bereitete den Salat zu, den sie um sieben essen würde. Einige der Fremden, die hier lebten, hatten die spanischen Essenszeiten angenommen und hielten nach dem Mittagessen Siesta. Wenn sie zu Hause war, hielt sie sich jedoch an ihre gewohnten Zeiten.
Liz halbierte gerade eine Avocado, als es an der Eingangstür klopfte. Zu ihrer Überraschung stand Cameron Fielding vor ihr.
„Hoffentlich komme ich nicht ungelegen. Hätten Sie fünf Minuten Zeit?“
„Natürlich. Kommen Sie herein.“
Sie trat zurück, während er sich duckte, um nicht an den niedrigen Türsturz zu stoßen.
„Kommen Sie in die Küche“, lud sie ihn ein, als sie die Tür geschlossen hatte.
Er ließ sie vorangehen. „Sie haben die Küche verändert. Das ist viel schöner so … viel heller“, stellte er fest.
„Beatrice hat nicht so gern gekocht. Ich hingegen liebe es“, erklärte sie. „Ich habe mir gerade einen Gin Tonic gemacht. Kann ich Ihnen auch einen anbieten?“
„Danke, gern. Mit Eis, aber ohne Zitrone, bitte.“
Liz machte den Drink und bedeutete Cameron Fielding, auf dem Korbstuhl in der Ecke Platz zu nehmen. „Was führt Sie zu mir?“
„Ich habe schon immer vermutet, dass in meiner Abwesenheit nicht besonders viel geputzt wird. Dieser Überraschungsbesuch hat das bestätigt. Das Haus ist offensichtlich seit meinem letzten Besuch nicht mehr gereinigt worden.“ Cameron Fielding zuckte resigniert die breiten Schultern. „Das ist ja nichts Ungewöhnliches. Es passiert ständig in den Ferienhäusern der Fremden. Von den meisten denkt man, sie hätten mehr Geld als Verstand. Prost!“ Er hob sein Glas.
„Prost!“, erwiderte sie. Wollte er sie etwa fragen, ob sie auch noch die Hausarbeit übernehmen könnte? Bestimmt nicht.
„Alicia arbeitet gut, wenn sie es denn tut. Aber man muss sie beaufsichtigen“, fuhr er fort. „Ich frage mich, ob Sie die Aufsicht übernehmen könnten. Um sicherzustellen, dass sie das tut, was sie tun soll. Außerdem bräuchte ich jemanden, der den Kühlschrank auffüllt und ein paar Blumen besorgt. Aber vielleicht sind Sie mit Ihrer Arbeit ja viel zu beschäftigt, um noch mehr zu übernehmen?“
Liz hatte sich eine eisige Antwort zurechtgelegt, falls er sie bitten sollte, das Putzen zu übernehmen. Nicht weil sie sich für Hausarbeit zu schade war, sondern weil sie es ihm übel genommen hätte, wenn er ihre Arbeit nur für ein besseres Hobby gehalten hätte. Nun musste sie ihre Antwort überdenken.
„Übrigens tun Sie wesentlich mehr im Garten als Beatrice. Ich glaube, ich zahle Ihnen nicht genug dafür. Wenn Sie die Aufsicht über Alicia übernehmen, dann werde ich Ihr Honorar gern erhöhen“, fuhr Cameron Fielding fort. Dann nannte er ihr eine stattliche Summe.
„Sollte das nicht genug sein, dann können wir verhandeln“, fügte er hinzu und musterte sie eindringlich.
„Das ist genug … mehr als genug. Aber ich möchte Bedenkzeit. Ich bin nicht sicher, ob ich diese doppelte Verpflichtung übernehmen möchte. Außerdem ist mein Spanisch noch ziemlich dürftig. Sprechen Sie Spanisch?“
Cameron Fielding nickte. „Testen wir mal Ihr Spanisch.“ Er sagte einige Sätze, die sie problemlos in die Fremdsprache übersetzte. „Sie kommen sehr gut zurecht. Bedenken Sie nur, dass die Leute hier untereinander Dialekt sprechen und nur mit Fremden Spanisch.“
„Wie haben Sie die Sprache gelernt?“
„Meine Großeltern hatten sich hier im Rentenalter niedergelassen, nachdem sie fast ihr ganzes Leben im Ausland verbracht hatten. Meine Eltern waren ebenfalls viel im Ausland, und ich bin in den Schulferien immer hergekommen. Kinder lernen Sprachen viel schneller als Erwachsene.“
„Gehörte La Higuera Ihren Großeltern?“
„Nein. Sie lebten an der Küste. Als mein Großvater starb, hinterließ er mir dort ein Haus. Aber da war die Küste schon von den Touristen überlaufen. Ich habe es dann verkauft und La Higuera erworben.“
Cameron Fielding leerte sein Glas und stand auf. „Wir sind bis Samstagabend da. Wenn Sie sich entschieden haben, rufen Sie mich an.“
Liz begleitete ihn hinaus. Als sie in die Küche zurückkehrte, musste sie sich eingestehen, dass sie wünschte, er wäre noch länger geblieben. Doch was sprach für ihn, abgesehen von seinem Aussehen und seinem Charme? Nichts. Er war wie ihr Vater, ein verabscheuungswürdiger Charmeur. Ihre Mutter hatte jahrelang unter der Untreue ihres Mannes gelitten.
Liz verdrängte die Erinnerungen an das vergangene Unglück. Sie wusch sein Glas ab und stellte es in den Schrank, als könnte sie ihn aus ihren Gedanken verbannen, indem sie den Beweis für seine Anwesenheit beseitigte. Doch obwohl sie versuchte, sich auf andere Dinge zu konzentrieren, gingen er und die Aussicht auf ein höheres Einkommen ihr während ihres einsamen Abendessens nicht mehr aus dem Kopf.
Ein solches Gehalt wurde in London für Hausangestellte und Gärtner bezahlt. Und er konnte es sich offenbar leisten. Menschen, die beim Fernsehen arbeiteten, schienen ziemlich viel zu verdienen. Sollte sie es annehmen? Es würde ihre bescheidenen Finanzen entschieden aufbessern.
Nach dem Essen ging Liz in ihr Arbeitszimmer und schaltete den Computer ein, um ihre E-Mails zu lesen – ihre Verbindung zu ihren Kollegen und Freunden, die so weit entfernt waren.
Am Freitagabend rief Liz ihn an.
„Cam Fielding.“
Sie hätte den unverwechselbaren Klang seiner Stimme auch erkannt, wenn Cameron Fielding sich nur mit „Hallo“ gemeldet hätte. „Hier ist Liz Harris. Wenn Ihr Angebot noch steht, dann nehme ich es gern an.“
„Herrlich! Das ist eine wunderbare Nachricht. Wenn Sie rüberkommen, gebe ich Ihnen die Schlüssel und führe Sie durch das Haus.“
„Jetzt?“
„Wenn’s geht.“
Als er ihr fünf Minuten später die Tür öffnete, trug er ein korallenfarbenes Leinenhemd und beigefarbene Chinos. Anders als ihr kleines Haus hatte seins einen geräumigen Flur und eine Treppe mit einem antiken schmiedeeisernen Geländer.
„Fiona ist im Garten und hält Siesta“, sagte er, als er die Tür schloss. „Wir waren in einem Nachtclub an der Küste. Ich hoffe, unsere Rückkehr am frühen Morgen hat Sie nicht gestört.“
„Überhaupt nicht“, erwiderte sie. „Die streunenden Hunde sind viel lästiger.“
Er führte sie durch das Erdgeschoss. Die kleinen Fenster auf der Straßenseite waren vergittert, aber die auf der Südseite waren durch große Panoramafenster ersetzt worden, mit freiem Blick auf die Berge. In der großen Küche stand ein riesiger Esstisch. Falttüren verbanden die Küche mit dem Wohnzimmer, das mit Regalen und Bildern ausgestattet war. Zudem gab es ein kombiniertes Schlaf- und Arbeitszimmer. Gleich daneben lag ein großes Badezimmer.
„Oben gibt es noch mehr Schlafzimmer und Badezimmer“, erklärte Cameron Fielding. „Ich mache einen Kaffee. Dann besprechen wir unsere neue Abmachung.“
Liz war jedes Mal überrascht, wenn Männer sich in der Küche und im Haushalt ohne weibliche Hilfe zurechtfanden. Dass er mehr als einen Kaffee kochen konnte, bezweifelte sie allerdings. Obwohl er den Aussagen der Dorfbewohner zufolge in seinem Leben als Reporter für einen Fernsehnachrichtensender in viele Krisengebiete der Welt geschickt wurde, wo es nicht unbedingt die Annehmlichkeiten von Hotels gab.
„Ich werde in den nächsten zwölf Monaten wohl öfter herkommen“, erzählte er, während er Tassen und Untertassen auf ein Tablett stellte. „Wie oft sollte das Haus geputzt werden, damit es einigermaßen ordentlich aussieht?“
Sie hatte sich auf die Arbeitsplatte aus rosafarbenem Marmor gestützt, die den Arbeitsbereich vom Essbereich der Küche trennte. „Küche und Badezimmer erfordern mehr Zeit als die anderen Zimmer. Ich weiß ja nicht, wie gut Alicia putzt. Vielleicht sollte ich so alle zwei Wochen vorbeischauen und ihr Vorschläge machen.“
Er lächelte sie an. „Sie sagten ‚Vorschläge machen‘ und nicht ‚Anweisungen geben‘. Sie scheinen Führungsqualitäten zu haben.“
„Die meisten Menschen möchten gefragt werden und keine Befehle empfangen. Das ist einfache Menschenkenntnis. Für das, was Sie mir zahlen wollen, garantiere ich, dass das Haus immer tipptopp ist. Allerdings wäre eine Nachricht über Ihre Ankunft hilfreich, was das Auffüllen des Kühlschranks betrifft.“
„Tauschen wir unsere E-Mail-Adressen“, schlug er vor, „dann können wir ganz einfach in Kontakt bleiben.“
Liz schrieb ihre Adresse auf einen Block, der auf dem Tisch lag. Während sie darauf warteten, dass das Wasser kochte, notierte er seine Adresse. Anschließend füllte er koffeinfreien, löslichen Kaffee in die Tassen, goss Wasser hinzu und trug das Tablett zum Tisch.
„Ich habe Alicia nicht gefragt, warum das Haus bei unserer Ankunft so wüst aussah“, fuhr er fort. „Hoffentlich wird sie sich unter Ihrer Aufsicht ein bisschen zusammenreißen. Wenn nicht, muss jemand anders her. Vielleicht könnten Sie sich in dem Fall umhören.“
„Ich werde die Ohren aufhalten“, sagte Liz. „Aber ein leeres Haus zu putzen, wenn der Hausherr nicht oft da ist, macht auch nicht besonders viel Spaß. Alicia strengt sich vielleicht mehr an, wenn Sie öfter hier sind und ich sie ab und zu für ihre Arbeit lobe. Für das Verrichten eintöniger Hausarbeit braucht man Anerkennung.“ Sie dachte an ihre Mutter, deren perfekte Haushaltsführung niemals gelobt oder gar bemerkt worden war.
Cameron Fielding wechselte das Thema. „Haben Sie Kontakt zu anderen Briten hier? Sind sie nett zu Ihnen?“
„Sehr nett … aber die Einheimischen auch.“ Doch wie sie bereits in England gelernt hatte, lagen Welten zwischen dem Leben einer Ehefrau und dem einer Witwe. Die gesellschaftlichen Aktivitäten waren auf Paare und nicht auf Singles ausgerichtet.
Die Terrassentür ging auf, und Fiona trat ein. Sie trug den knappsten Bikini, den man sich vorstellen konnte. Er war silberfarben. „Gibt’s noch einen Kaffee für mich?“, fragte sie. Nachträglich begrüßte sie Liz mit einem gelangweilten „Hallo“.
„Haben Sie die Nacht in der Stadt genossen?“, erkundigte sich Liz, nur um etwas zu sagen.
„Ja, das war ganz nett.“
Fiona zuckte die Schultern, sodass ihre Brüste in dem silberfarbenen Bikini auf und ab wippten. Wahrscheinlich finden die meisten Männer sie unglaublich sexy, dachte Liz. Aber würde das auch ein kritischer Mann tun? Würde er nicht denken, dass sie es mit ihren Verführungskünsten übertrieb? Wahrscheinlich war Sex immer noch der Grund, warum sie hier war. Sie schien nicht mal eine gute Gesprächspartnerin zu sein.
Liz leerte ihre Tasse. „Ich gehe. Ich muss heute noch so viel tun.“
„Einen Moment noch“, hielt Cameron Fielding sie zurück, während er Fiona eine Tasse Kaffee reichte. Dann langte er in seine hintere Hosentasche und zog zwei Geldscheine heraus. „Sie sollen schon mal eine Anzahlung bekommen … Sie und Alicia.“
„Das ist wirklich nicht nötig. Das können wir bei Ihrem nächsten Besuch erledigen.“
„Es ist nötig. Ich könnte von einem Terroristen erschossen werden, und was wäre dann mit Ihnen?“ Er reichte ihr die großen Scheine. „Morgen früh rufe ich bei der Bank an und lasse Ihr Honorar aufstocken. Sie brauchen außerdem noch die Schlüssel. Sie liegen in einer Schublade im Korridor.“
Während sie ihm folgte, verabschiedete sie sich von Fiona. „Auf Wiedersehen, Fiona.“
Fiona antwortete Liz zwar, hielt es allerdings nicht für nötig, ihre Gleichgültigkeit hinter einem Lächeln zu verbergen.
Im Bett muss sie so fantastisch sein, dass er über ihre entsetzlichen Manieren hinwegsehen kann, dachte Liz, als sie die Straße hinunterging, das Geld in der Tasche und die Schlüssel zu La Higuera in der Hand.
Mitten in der Nacht stand Cam auf, um in der Küche etwas Wasser zu trinken. Mit Ende zwanzig, Anfang dreißig hatte er viel Alkohol konsumiert, doch nun trank er immer weniger, da er wusste, was mit Journalisten geschah, die auch noch mit vierzig zu tief ins Glas sahen.
Er war fit und wollte, dass dies auch so blieb. Zusammen mit Fiona hatte er mehr als gewöhnlich getrunken. Sie langweilte ihn, wenn sie nicht gerade zusammen im Bett lagen. Fiona wollte nur einkaufen, in netten Restaurants essen und tanzen gehen. Es war egoistisch gewesen, sie aus ihrer gewohnten Umgebung zu reißen. Sie war ein Partygirl, aber er war kein Playboy mehr. Es wurde Zeit, dass er sein Leben neu ordnete.
Nachdem er ein Glas Wasser getrunken hatte, nahm er ein weiteres Glas mit nach oben. Mondlicht erhellte das Schlafzimmer und fiel auf Fionas naive Züge und ihre sinnlichen Kurven.
Cam trat ans Fenster und blickte hinaus. Hinter dem Garten waren die Ziegeldächer zu sehen. Es gab nur ein Flachdach, eine Veränderung, die Beatrice Maybury vorgenommen hatte.
Als er an die zugeknöpfte Mrs Harris dachte, war er froh, dass er ihr die Überwachung seines Haushalts übertragen hatte. Sie schien zuverlässig und jeden Cent wert zu sein. Sie machte die Gartenarbeit wesentlich besser als Beatrice.
Aber sie war verrückt, wenn sie sich in einem Ort wie Valdecarrasca vergrub. Offensichtlich trauerte Liz Harris immer noch ihrem idiotischen Ehemann nach, der in einem Anflug von Tollkühnheit sein Leben weggeworfen und ihres ruiniert hatte. Hätte er Erfolg gehabt, wäre er sicherlich ein Held geworden. Nun war er allerdings tot, und sie war zu einem einsamen Leben verurteilt. Cam war sich sicher, dass sie keine Kinder hatte. Sonst wäre sie nicht hier gewesen.
Dass sie sein Angebot angenommen hatte, obwohl sie ihn privat nicht schätzte, ließ vermuten, dass sie als Designerin nicht genug verdiente. Sie hatte ihre Missachtung nicht zum Ausdruck gebracht, doch dank seiner Arbeit hatte er ein feines Gespür für Stimmungen. Wie die meisten „guten“ Frauen hatte sie strikte Moralvorstellungen und verachtete freizügige Menschen wie ihn und Fiona. „Gute“ Frauen wollten, dass alle ihren Lebensstil übernahmen und die Männer ordentlichen Berufen wie Buchhalter oder Jurist mit einer geregelten Arbeitszeit nachgingen.
Er hingegen hatte sich für eine Karriere entschieden, bei der er kurzfristig seine Sachen packen musste und dorthin flog, wo die Nachrichten gemacht wurden. Meistens an ausgesprochen gefährliche Orte, von denen er vielleicht nicht wieder zurückkommen würde. Die Zahl der Opfer unter den Reportern und Fotografen war hoch. Es war kein Leben, das man mit Frau und Kindern teilte. Einige seiner Kollegen hatten es versucht, doch es hatte meistens mit Scheidung geendet. Es war klüger, keine Familie zu gründen oder es erst nach Aufgabe dieses Berufs zu versuchen. Darüber dachte er gerade nach.
Fast zwanzig Jahre lang hatte er aus den gefährlichsten Krisengebieten der Welt berichtet und war mit einem Streifschuss am Arm davongekommen. Er hatte viel Glück gehabt. Viele seiner Kollegen waren gestorben oder schwer verletzt worden. Es war an der Zeit, Nachrichtensprecher in einem Studio zu werden oder sich eine andere Arbeit zu suchen, falls das nicht klappte.
Er vermutete, dass das Internet der Schlüssel dazu war. Sollte er recht haben, dann könnte er überall leben, vielleicht sogar in diesem friedlichen Dorf, weit weg von all den Kriegsgebieten.
Eines Morgens, eine Woche nachdem die Rollos in La Higuera wieder geschlossen worden waren, öffnete Liz ihr E-Mail-Programm und fand eine Nachricht von Cameron Fielding vor. In die Betreffzeile hatte er „Glückwunsch zur Website“ geschrieben.
Auch wenn ihre E-Mail-Adresse eine sogenannte Dot-Com-Adresse war, überraschte es Liz, dass er den letzten Teil der Adresse, der auf ihre Website hindeutete, überprüft hatte. Doch dann erinnerte sie sich, dass Neugierde eine Berufskrankheit von Journalisten war.
Sie las seine Mail.
Liebe Mrs Harris – oder darf ich Liz sagen?
ich habe mir Deine Website angesehen und bin beeindruckt. Vielleicht solltest Du vom Handarbeitsdesign auf Webdesign umsteigen. Mir wurde gesagt, dass dort gute Designer gesucht werden. Wie wäre es, wenn Du mir eine Seite entwerfen würdest? Ich zahle Dir gern den gängigen Tarif.
Überleg es Dir.
Grüße, Cam
Liz druckte die Mail aus und legte sie in den Ordner mit der Korrespondenz, die sie noch ein weiteres Mal lesen wollte. Heute wollte sie zu dem wöchentlichen Treffen des Peñon Computerclubs in Calpe an der Küste gehen. Danach war sie mit ihrer Freundin Deborah zum Mittagessen verabredet.
Erst am Spätnachmittag kehrte sie nach Valdecarrasca zurück. Nachdem sie sich bequemere Sachen angezogen hatte, setzte sie sich an den Computer, um Fieldings E-Mail zu beantworten.
Sie hatte nichts dagegen, dass er sie Liz nannte, aber sie war sich nicht sicher, ob sie ihn Cam nennen sollte. Mit „Lieber Mr Fielding“ zu beginnen wäre allerdings eine zu steife Antwort auf seine lockere Nachricht gewesen. Also löschte sie die Worte und begann von vorn.
Lieber Cam,
freut mich, dass Dir meine Website gefällt! Ich fühle mich geschmeichelt, dass Du mich mit dem Design Deiner Seite beauftragen willst. Da ich noch nie andere Sites entworfen habe, kenne ich mich mit den Tarifen leider nicht aus, aber ich werde mich schlaumachen. Vielleicht können wir bei Deinem nächsten Besuch darüber sprechen. Ich bräuchte eine Reihe von Infos von Dir. Erst dann kann ich eine Website entwerfen, die uns beiden gefällt. Welchen Zweck soll sie denn erfüllen?
Liz
Nachdem sie die Mail abgeschickt hatte, kamen ihr leise Zweifel, ob es so klug gewesen war, sich noch weiter auf Cam Fielding einzulassen, als sie es ohnehin schon getan hatte.
Seit ihrer ersten Begegnung nahm sie sich vor ihm in Acht. War es da nicht verrückt, einen Auftrag anzunehmen, bei dem sie unweigerlich Kontakt mit ihm halten musste? Hätte sie sein Angebot nicht besser ausschlagen sollen?