8. KAPITEL

Tanto es amar sin ser amado como responder sin ser preguntado

Liebe ohne Gegenliebe ist wie eine Antwort ohne Frage

Die Fahrt vom Madrider Flughafen zu dem Schloss aus dem dreizehnten Jahrhundert, in dem sie ihre Flitterwochen verbringen würden, dauerte zwei Stunden.

„Ich bin froh, wieder in Spanien zu sein“, bemerkte Liz, als sie die Stadt verließen und die Umgebung wieder ländlicher wurde. „Hier fühle ich mich mehr zu Hause als in London. Das heißt nicht, dass ich es in deiner Wohnung nicht genossen habe …“

„Ich weiß, was du meinst“, fiel Cam ihr ins Wort.

Wie sie ihr Brautkostüm, trug er noch seinen Hochzeitsanzug, hatte jedoch das Jackett ausgezogen, die Krawatte abgelegt und den Hemdkragen etwas geöffnet.

„London ist gut für einen Kurztrip, aber das ist für mich nicht das wahre Leben. Keine Großstadt ist das für mich. Ich bin wohl doch eher ein Bauernlümmel.“

„Du ein Bauernlümmel? Unmöglich“, entgegnete Liz lachend. „Ich hätte dich eher für einen spanischen Großfürsten gehalten. Du siehst für mich genauso aus … obwohl die richtigen Fürsten hier alle so klein und gewöhnlich sind. Nur der Ehemann der Infantin Elena entsprach meinen Erwartungen. Selbst der sieht allerdings nicht so gut aus wie du.“

Cam warf ihr einen amüsierten Blick zu. Dann nahm er ihre Hand und küsste sie. An ihrem linken Ringfinger steckte jetzt ein wundervoller Ring, eine Kombination aus Verlobungs- und Ehering, den er für sie ausgesucht hatte. Rautenförmige Saphire und Aquamarine waren auf einem mattgoldenen Ring angeordnet. Er wirkte modern und gleichzeitig wie ein Juwel aus der Renaissance.

„Danke, Mrs Fielding. Du übertreibst ein bisschen, aber warum auch nicht? Dies ist unser Hochzeitstag. Wenn wir uns heute nicht durch eine rosarote Brille betrachten, werden wir es in zwanzig Jahren erst recht nicht tun.“ Er legte die Hand wieder aufs Steuer.

Liz hatte während des Fluges einige Gläser getrunken, sodass sie entspannt und geradeheraus war. Doch als sie die Autobahn verließen und ihrem Ziel immer näher kamen, kehrten ihre Ängste zurück. Nach außen hin war dies der Beginn romantischer Flitterwochen. Unter der Oberfläche brodelten ihre Ängste vor dem, was da kommen sollte.

Das Schloss, das plötzlich auf einem Hügel vor ihnen auftauchte, sah märchenhaft aus. Türme und Befestigungsmauern ragten in den blauen Himmel. Eine Straße schlängelte sich den Berg hinauf, eine Brücke führte über eine tiefe Schlucht, und sie fuhren durch einen Torbogen in den großzügigen Innenhof des Schlosses, der jetzt als Hotelparkplatz diente.

„Nicht viel los hier“, stellte Cam fest, als er neben einem Wagen mit deutschem Kennzeichen hielt. „Aber vielleicht sind die anderen Gäste ja auch unterwegs. Später kommen wohl diejenigen, die hier nur eine Nacht bleiben.“

Ihre Ankunft war nicht unbemerkt geblieben. Gerade als er den Kofferraum aufschloss, erschien ein junger Mann, um ihnen mit dem Gepäck zu helfen.

Das Innere des Schlosses war eine Mischung aus fürstlichem Ambiente und Luxushotel. Cam unterschrieb die Anmeldung und gab ihre Pässe ab. Dann brachte sie der Page per Lift in eines der oberen Stockwerke, führte sie durch einen langen Korridor und eine steinerne Treppe hinauf in ihre Suite.

Ein großer Flur führte in das Wohnzimmer. Von dort gelangte man in das Schlafzimmer mit einem großen Himmelbett. Das Bad lag gleich daneben. Während Cam mit dem Pagen sprach, bewunderte Liz die Aussicht vom Wohnzimmer aus. Ihre Suite war in einem der Ecktürme untergebracht, von dem aus man den exakt angelegten spanischen Garten bewundern konnte. Von einem anderen Wohnzimmerfenster aus sah man den Swimmingpool, der einladend in der Nachmittagssonne glitzerte.

„Genau das Richtige für eine schöne Abkühlung im Sommer, aber wohl zu kalt für diese Jahreszeit“, sagte Cam, während er ihr über die Schulter blickte.

Der Page war gegangen. Sie waren allein.

„Ich habe Tee bestellt. Bis dahin …“

Cam drehte ihr Gesicht zu sich, umfasste es und küsste Liz – zuerst auf einen Mundwinkel, dann auf den anderen und schließlich auf die Lippen. Es war ein zärtlicher Kuss. Anschließend hob er den Kopf und lächelte, bevor er sie in die Arme nahm und sie so an sich presste, dass sie kaum atmen konnte.

„Dies ist einer der perfekten Momente im Leben“, flüsterte er. „Am richtigen Ort … mit der richtigen Frau … Zeit zum Entspannen und zum Genießen.“ Sie spürte, wie er sie aufs Haar küsste. Er lachte leise. „Aber du als Frau möchtest bestimmt erst auspacken und all diese atemberaubenden Kleider aufhängen.“

Liz war enttäuscht, als er seinen Griff lockerte. Die Kleider waren das Letzte, an das sie gedacht hatte.

Sie lehnte sich an ihn. „Die neuen Sachen sind ganz pflegeleicht. Ich glaube nicht, dass es hier viele Gelegenheiten gibt, sie zu tragen.“

„Die Fremden kümmern sich nicht viel um die Kleiderordnung, aber wenn Spanier hier zum Essen kommen, machen sie sich fein. Wenn sie schon Geld ausgeben, dann mit Stil. Alles, was du trägst, wird wundervoll sein. Du hast einen exquisiten Geschmack. Na los, lass uns auspacken, danach können wir entspannen.“

„Das Badezimmer ist fantastisch“, schwärmte Liz einige Minuten später, als sie ihre Kosmetiktasche auf den Waschtisch aus Marmor stellte.

Cam stand im Türrahmen und betrachtete das apricotfarbene und weiße Dekor. Im selben Moment ertönte die Türglocke. Er öffnete. Liz hörte, wie er sich mit einer jungen Frau auf Spanisch unterhielt. Diese Sprache unterstrich den verführerischen Klang seiner Stimme.

Liz kehrte in das Wohnzimmer zurück, wo ein pummeliges Zimmermädchen in schwarzem Rock und weißer Bluse Teekanne und Tassen auf dem niedrigen Tisch vor dem Sofa abstellte. „Buenas tardes, Señora.“

Liz lächelte. „Buenas tardes.“

Nachdem das Mädchen gegangen war, setzten sie sich auf das weiche Sofa, tranken Tee und redeten über die Einrichtung der Suite.

„Bis zum Abendessen ist noch viel Zeit. Warum nehmen wir nicht ein Bad und halten dann Siesta?“, schlug Cam plötzlich vor.

Meinte er mit „Siesta“ schlafen? Oder etwas anderes?

„Hört sich gut an.“

„Wir können ja zusammen baden. Die Wanne ist riesig. Ich lasse schon mal das Wasser ein.“ Er stand auf und verschwand.

Zusammen baden! Befangen blieb Liz sitzen. Bei ihrer ersten Hochzeit war sie erst spät mit Duncan im Hotel angekommen. Sie hatten sofort gegessen und danach einen Spaziergang auf der Strandpromenade gemacht, bevor sie auf ihr Zimmer gegangen waren. Alles war im Dunkeln passiert. Jetzt, all die Jahre später, mit einem Körper, der nicht mehr so straff war wie mit neunzehn, sollte sie mit einem Mann in die Badewanne steigen, der ihr körperlich noch völlig fremd war.

Liz hörte das Wasser rauschen und fragte sich, ob sie ins Schlafzimmer gehen sollte, um sich auszuziehen. Wie sie sich in dieser Situation verhalten sollte, war ihr ein Rätsel. Das Beste schien zu sein, sitzen zu bleiben und darauf zu warten, dass Cam sie rief oder holte.

Als er auf der Türschwelle erschien, trug er nur noch ein Handtuch um die Hüften. Sie stand auf und versuchte, ihre Unsicherheit zu verbergen. Sie trafen sich auf halbem Weg zwischen Sofa und Schlafzimmertür. Er nahm ihre Hand, führte Liz ins Badezimmer und schloss die Tür hinter ihnen. Danach begann er, sie auszuziehen.

„Ich habe mich schon so lange auf diesen Moment gefreut“, sagte er, als er ihre blaue Kostümjacke aufknöpfte. Den Schal hatte sie bereits im Flugzeug abgelegt.

Schweigend betrachtete sie seine gebräunte Brust. Sie hatte sich noch nie in ihrem Leben so unbeholfen … und so angespannt gefühlt.

Cam öffnete ihre Jacke und ließ sie über ihre Schultern gleiten. Dann hängte er sie auf einen Kleiderhaken an der Tür.

„Wie hübsch!“ Er betrachtete ihr zartblaues Hemdchen mit den weißen Satinträgern.

Er langte nach hinten, um ihren Rock aufzumachen. Der Rock glitt über ihre Hüften auf den Boden, sodass sie mühelos heraussteigen konnte. Cam hob ihn auf und hängte ihn zu der Jacke. Sie stand nun in Strumpfhose und Slip vor ihm. Rasch schlüpfte sie aus ihren Pumps, wodurch sie einige Zentimeter kleiner wurde.

Cam hob ihr Hemdchen an und zog es hoch, sodass sie die Arme heben musste, damit er es ihr über den Kopf ziehen konnte. Anstatt ihren weißen Spitzen-BH zu öffnen, schob er die Finger in die Strumpfhose und streifte sie hinunter. Dann umfasste er ihr rechtes Knie, hob ihr Bein und befreite ihren Fuß von der Strumpfhose. So verfuhr er auch mit dem anderen Bein. Anschließend umfasste er ihre Taille, zog sie zu sich und küsste sie innig. Sicher konnte er ihren wilden Herzschlag spüren.

Er langte nach hinten und öffnete ihren BH. Sie spürte, wie er ihr die Träger von den Schultern schob, wobei seine Lippen immer noch auf ihren lagen. Der BH glitt zu Boden. Nun zog Cam behutsam ihren Slip über ihre Hüften. Dann löste er die Lippen von ihren, trat einen Schritt zurück und betrachtete liebevoll ihren nackten Körper.

„Ohne Sachen bist du noch viel schöner“, sagte er heiser.

Dann nahm er das Handtuch ab, sodass er für einen Moment nackt vor ihr stand, bevor er in die Wanne stieg und sich setzte.

„Komm rein. Das Wasser ist herrlich“, lud er sie ein und streckte die Arme aus.

Ihr blieb keine andere Wahl. Mit dem Rücken zu ihm stieg sie über den Rand der Wanne. Während sie sich langsam zwischen seine langen Beine setzte, hielt sie sich am Beckenrand fest.

Cam umarmte sie, lehnte sich zurück und zog sie an sich. Zum ersten Mal im Leben erlebte sie den Luxus, sich gegen einen Männerkörper zu lehnen anstatt gegen das kalte Emaille einer Badewanne. Es war wundervoll.

„Jetzt fängt es an, richtig gut zu werden, oder?“, flüsterte er ihr zärtlich zu.

Liz nickte nur, da sie fürchtete, ihr könnte die Stimme versagen.

„Und es wird noch besser … viel besser.“ Er streichelte mit einer Hand ihren flachen Bauch, mit der anderen entdeckte er ihre straffe Brust. Ein elektrisierender Schauer überlief sie.

Plötzlich nahm Cam die Hand weg. „Ich habe etwas vergessen …“

Er setzte sich auf, schob sie dabei sanft von sich und griff zu den Wasserhähnen. Gleich darauf begann das Wasser zu sprudeln. Die Wanne hatte sich in einen Whirlpool verwandelt.

Cam lehnte sich wieder zurück und setzte seine zärtliche Entdeckungsreise fort, indem er sanft ihre Spitzen liebkoste, die sofort auf diese Berührung reagierten. Mit der anderen Hand umkreiste er liebevoll ihren Bauchnabel.

Liz seufzte genüsslich. Dann ließ sie die Hände, die bis jetzt auf ihren Schenkeln gelegen hatten, zu seinen Beinen gleiten.

„Schließ die Augen“, hörte sie ihn sagen. „Denk an nichts, außer wie schön dies für uns beide ist.“

Liz befolgte seinen Rat und spürte, wie ihr Verlangen wuchs. Doch ihre Hemmungen erwachten wieder, als er die Hand tiefer gleiten ließ und plötzlich ihre empfindsamste Stelle erkundete. Sie zuckte zusammen.

„Entspann dich. Es ist alles okay … es ist gut.“

Seine tiefe, sanfte Stimme hätte sie beruhigen können, aber sie sorgte sich nicht seinetwegen, sondern wegen ihrer Unfähigkeit zu …

Liz erschauerte heftig, als er weiter in sie eindrang. Die Minuten verstrichen. Nur das sprudelnde Wasser und ihr keuchender Atem waren zu hören. Sobald sie sich wieder beruhigte, merkte sie, dass Cam ihr sanft den Nacken massierte. Während die Anspannung von ihr abfiel, war er immer noch erregt. Obwohl sein Begehren deutlich zu spüren war, wurde er nicht ungeduldig. Wie sonderbar! Ihrer Erfahrung nach mussten Männer rasch befriedigt werden. Auch wenn diese Badewanne groß war, so war sie doch nicht groß genug, als dass sie Cam darin hätte beglücken können. Er machte allerdings keine Anstalten, das gemeinsame Bad zu beenden. Er muss über eine exzellente Selbstbeherrschung verfügen, dachte Liz.

„Wenn du ein bisschen dösen möchtest, tu es ruhig“, sagte er. „Es war ein langer, anstrengender Tag. Ein Nickerchen wird dir guttun.“

In der Tat fühlte sie sich schläfrig.

„Und was ist mit dir?“, fragte sie leise.

„Mach dir um mich keine Sorgen. Du sollst dich entspannen. Denn je entspannter du bist, umso besser ist es für uns beide.“

Sie war versucht, seinem Vorschlag nachzugeben. Vielleicht hatte sie auch wirklich einige Minuten geschlafen, als er sie zart zu streicheln begann.

„Oh Cam … nein … bitte“, protestierte sie leise.

Doch er ignorierte sie. Das herrliche Gefühl kehrte zurück, und sie ließ es zu. Sie war machtlos gegen diese geschickten Hände, mit denen er ihren Widerstand zu brechen wusste. Diesmal wurde ihre Leidenschaft noch größer. Heiße Wellen der Erregung durchfluteten sie, und Liz stieß leise, ekstatische Schreie aus, ohne etwas dagegen tun zu können. Einen letzten, lauteren Schrei versuchte sie mit der Hand zu ersticken.

„Draußen wird man denken, dass ich dich quäle“, bemerkte Cam vergnügt.

In gewisser Weise tat er das auch. Ihren Gefühlen nach all den langen Jahren der Selbstbeherrschung freien Lauf zu lassen erschreckte sie.

„So schön das hier ist, sollten wir doch lieber einen Ortswechsel vornehmen“, schlug er vor. „Sonst weichen unsere Finger ganz auf.“

Sie setzten sich auf, und Cam küsste Liz zärtlich auf den Nacken, bevor er die Wanne verließ. Einen Moment später hielt er ihr ein großes Badetuch entgegen. Als sie aus dem Wasser auf die Badematte stieg, wickelte er sie darin ein.

Dann beugte er sich über die Badewanne, schaltete die Düsen aus und ließ das Wasser ab. Er schien mit sich und seinem nackten Körper in völligem Einklang zu stehen, worum sie ihn aufrichtig beneidete. Aber wie viele Frauen hatten ihn schon so gesehen? Verschämt wandte sie den Blick ab, doch er hatte es gemerkt.

Cam zog sich einen Bademantel über. „Lass uns das Bett ausprobieren.“

„Sollten wir nicht erst unsere Füße abtrocknen?“

Statt zu antworten, drückte er sie sanft auf den Rand der Badewanne. Als sie saß, nahm er ein kleineres Handtuch und begann, ihr die Füße zu frottieren. Sie konnte der Versuchung nicht widerstehen, ihm durch sein dichtes, glänzendes Haar zu streichen. Er blickte nicht auf, doch sie sah ihn lächeln. Das ermutigte sie, sich vorzubeugen und ihn auf die Wange zu küssen.

„Du bist so unglaublich lieb zu mir“, flüsterte sie.

„Das ist nicht schwer.“

Sobald ihre Füße trocken waren, warf er das Handtuch zur Seite und hob sie hoch. Sie war noch nie zuvor getragen worden, jedenfalls nicht seit ihrer frühen Kindheit. Nicht auf eigenen Füßen zu stehen, sondern von starken Armen getragen zu werden, war eine wundervolle Erfahrung. Liz fühlte sich zerbrechlich und hilflos. Nie hätte sie gedacht, dass ihr so etwas gefallen könnte. Aber in seinen Armen fühlte sie sich sicher.

Neben dem Bett setzte er sie vorsichtig ab, zog das Handtuch weg, in das sie eingewickelt war, und legte es über das Bettgestell. Anschließend hob er sie hoch und legte sie aufs Bett. Er ging auf die andere Seite, wobei er den Bademantel auszog. Gleich darauf lag er ausgestreckt neben ihr, auf einen Ellenbogen gestützt, während er mit der anderen Hand über ihre Beine strich. Er liebkoste die zarte Innenseite ihrer Schenkel, beugte langsam den Kopf, bis er nur noch einige Zentimeter von ihrer Brust entfernt war. Sie hielt den Atem an, denn sie wusste, dass die Berührung seiner Lippen sie über alle Maßen beglücken würde.

Und das war auch der Fall.

Viel später, als Liz mit geschlossenen Augen dalag, erschöpft von der glühenden Leidenschaft, legte Cam sich plötzlich auf sie und drang in sie ein. Sie merkte es kaum und konnte ihre Überraschung nicht verbergen. So war es noch nie zuvor gewesen, nichts war auch nur im Geringsten mit seiner Zärtlichkeit vergleichbar.

Überwältigt von dem Verlangen, das himmlische Gefühl, das er ihr bereitet hatte, an ihn zurückzugeben, legte sie ihm die Arme um den Nacken und instinktiv die Beine um seine Hüften. Als er lustvoll stöhnte, gab sie sich völlig ihrer Ekstase hin.

Noch bevor Liz ganz wach war, wusste sie, dass etwas Außergewöhnliches geschehen war, das ihr Leben für immer verändert hatte. Sie öffnete die Augen und erkannte nach einem Moment der Verwirrung den Baldachin des Himmelbetts.

Unvermittelt erinnerte sie sich an alle Einzelheiten und sah neben sich ihren Ehemann, der jetzt auch ihr Geliebter war. Sie sehnte sich danach, das Erlebte zu wiederholen. Doch Cam schlief. Er lag auf dem Rücken, eine Hand hinter dem Kopf, die andere ruhte auf seinem flachen Bauch.

Langsam und vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, stützte sie sich auf einen Ellenbogen und betrachtete ihn eingehend – sein unschuldiges Gesicht, seinen entspannten Körper. Dann glitt ihr Blick tiefer. In ihrer ersten Ehe hatte sie nur wenig Intimität erlebt, sodass sie neugierig war. Sie wollte dabei zusehen … sie wollte es geschehen lassen … sie wollte Cam das gleiche Wohlgefühl bereiten, das er ihr geschenkt hatte.

Liz streckte die Hand aus und umfasste ihn sanft. Es rührte sich nichts. Entmutigt ließ sie die Finger über seinen flachen Bauch gleiten und erspürte seine entspannten Muskeln. Cam schlief immer noch, und sein Atem war ganz gleichmäßig. Sie beugte sich über ihn und küsste seinen flachen Bauch. Sie schmeckte seine Haut, während ihre Hand liebevoll diesen unbekannten und so überaus attraktiven Körper erkundete.

Wer hätte gedacht, dass so ein Mann derart einfühlsam mit einer unerfahrenen Frau wie ihr sein konnte? Dankbarkeit für seine Geduld und sein Verständnis keimte in ihr auf. Innerhalb eines Tages – innerhalb einer Stunde – hatte er ihr mehr Lust geschenkt, als sie sich nach ihren enttäuschenden Erfahrungen jemals hätte vorstellen können.

Minutenlang erkundete Liz mit sanften Küssen und liebevollem Streicheln jeden Teil seines Körpers, außer dem, den sie so gern berührt hätte. Schließlich nahm sie ihren ganzen Mut zusammen, legte zärtlich die Hand darum, bereit, sofort loszulassen, sollte Cam erwachen. Nicht weil er ihre Liebkosungen missbilligt hätte, sondern weil sie ihre Schüchternheit noch nicht völlig überwunden hatte. Die würde sie im Lauf der Flitterwochen sicherlich ablegen, doch heute war erst der erste Tag.

Cam begann zu reagieren, obwohl er immer noch zu schlafen schien. Ihr Vertrauen wuchs, als sie die wundersame Verwandlung beobachtete, die ihre Berührung hervorrief. Warum war ihr dieses Körperteil des Mannes bis jetzt immer sonderbar vorgekommen, obwohl es so wunderschön war?

Bestimmt weil ich ihn liebe, dachte Liz. Alles an ihm gefällt mir. Aber das werde ich ihm niemals sagen können. Nur so kann ich ihm meine Gefühle zeigen.

„Willst du mir etwas sagen?“

Die unerwartete Frage schreckte sie auf.

„Ich … ich dachte, du schläfst“, sagte sie stockend.

Seine Augen funkelten unter den halb geschlossenen Lidern. „Habe ich auch, aber du hast mich geweckt … auf die schönste Art, die es gibt.“

Als sie ihn losließ, nahm er ihre Hand und führte sie dorthin zurück, wo sie gewesen war. „Hör nicht auf. Ich mag das. So möchte ich aus all meinen Siestas geweckt werden.“

Dann hob er den Oberkörper und küsste sie auf den Mund. Ihr letzter klarer Gedanke war, dass Cam nie herausfinden würde, wie sehr er mit seiner Frage ins Schwarze getroffen hatte.

Sie hatten schon drei Tage in dem Schloss verbracht, und Liz war glücklich – sehr glücklich –, als ein Kurier die Hochzeitsfotos brachte. Sie hatten sie vor dem Standesamt von einem vertrauenswürdigen Bekannten Cams machen lassen, der sie nicht an die Presse verkaufen würde. Während sie die Bilder genauer betrachtete, dachte sie, dass man bei ihrem Anblick annehmen musste, es hätte sich um eine ganz normale Hochzeit gehandelt. Sie war überrascht, wie sie sich seit ihrer ersten Hochzeit verändert hatte. Die Frau in dem blauen Kostüm, die ihren Ehemann anlächelte, war eine andere als die auf ihren ersten Hochzeitsbildern.

An ihrem letzten Morgen im parador nahmen sie wieder ein gemeinsames Bad, trockneten sich gegenseitig ab und liebten sich ausgiebig in dem großen Himmelbett.

Als sie später Arm in Arm erschöpft dalagen, flüsterte Cam ihr zu: „Hast du die Zeit hier genossen?“

Liz hob den Kopf und hauchte ihm einen Kuss auf die Schulter. „Dumme Frage … das weißt du doch. Die Spaziergänge … das Essen … der Ausblick … einfach nur entspannen … Es war perfekt.“

Nicht ganz perfekt, gestand sie sich im Stillen ein, doch vertrieb sie diesen Gedanken sofort wieder. Immerhin lag sie hier in seinen Armen.

Als Cam wenig später aufstand, schlug er Liz vor, ihren Aufenthalt zu verlängern. Er hätte diese wundervolle Unterbrechung zwischen der Vergangenheit und der Zukunft gern hinausgezögert. Und wie sie schon gesagt hatte, war das Essen fantastisch und die Lage idyllisch.

Das, was sie nicht aufgezählt hatte, war der großartige Sex, den sie genossen hatten. Er wusste allerdings, dass es ihr zumindest körperlich genau solchen Spaß bereitet hatte wie ihm. Noch nie hatte er eine begehrenswertere Frau getroffen. Ihr Anblick allein genügte, um seine Lust zu wecken. Doch diese Leidenschaft erlosch nicht so leicht, denn sie hatten so viele Dinge gemein. Er liebte ihre Seele genauso sehr wie ihren Körper.

Aber er konnte nicht vergessen, dass sie nach ihrem ersten Liebesspiel geweint hatte. In seinem Arm liegend musste sie gedacht haben, dass er schlafen würde. Er war allerdings hellwach gewesen und hatte alles miterlebt. Vielleicht hätten sie darüber reden sollen. Doch in dem Moment hatte er es für das Beste gehalten, es zu ignorieren.

Vielleicht war es ein Fehler gewesen.

Abends, zurück in Valdecarrasca, in seinem Schlafzimmer, das sie nun als ihr Schlafzimmer bezeichnen musste, fiel es Liz leicht, ihre Ehe als normal zu bezeichnen. Doch tagsüber hegte sie tiefe Zweifel daran. Täglich wuchs ihre Sehnsucht, Cam ihre wahren Gefühle zu offenbaren. Manchmal, wenn er sie liebevoll berührte, fiel es ihr schwer, die Zärtlichkeit zu ertragen, denn eigentlich wollte sie von ihm hören, dass er sie liebte.

Aber wie konnte er es ihr sagen, wenn es nicht stimmte? Sie wünschte sich etwas Unmögliches und wusste es. Liebe war nicht Teil ihrer Abmachung. Sie konnte mit dem, was sie hatte, zufrieden sein: einem wunderschönen Zuhause und einem erfahrenen Liebhaber, der ihr so viel körperliche Befriedigung schenkte.

Du kannst nicht alles haben, ermahnte sie sich. So gern sie in La Higuera lebte, so gern hätte sie den Luxus gegen eine kleine Berghütte eingetauscht, um von ihm diese drei kleinen Worte zu hören.

Cam wiederum hatte zunehmend den Eindruck, dass er mit einem Gespenst zusammenlebte – dem Gespenst eines Mannes, der sein Leben mit einer heldenhaften Tat beendet hatte und der zu Lebzeiten nicht gerade ein Genießer gewesen war. Münzen und Sport, die Hobbys von ihrem ersten Mann, interessierten ihn überhaupt nicht. In der Schule hatte er sich nur für Ski- und Kanufahren begeistern können. Ein Fußballspiel im Fernsehen anzusehen hielt er für Zeitverschwendung und gegenüber Frauen eher von Nachteil. Aber Liz schien Duncans Macken akzeptiert zu haben.

Cam vermutete, dass sie mit ihrer sexuellen Beziehung nicht ganz glücklich war. Sie genoss die gemeinsamen Momente im Bett, doch außerhalb schien sie heftige Gewissensbisse zu haben, als würde sie jemanden betrügen.

Wie lange würde Duncans Geist sie noch verfolgen … sie beide?

Theoretisch hätte er, Cam, mit ihrer Ehe zufrieden sein müssen, solange sie den Abmachungen entsprach. Trotzdem war er es nicht. Er wollte, dass Liz glücklich war … glücklicher, als sie schon war. Er hatte keine emotionale Last aus der Vergangenheit zu tragen, und es verdross ihn, dass sie darunter litt … und vielleicht immer leiden würde.

Eines Nachmittags, als Cam gerade an einem Artikel für ein einflussreiches Magazin schrieb, ging Liz in ihr Haus, um die Schränke auszuräumen. Sie hatte beschlossen, das Haus zu verkaufen.

Sie stieß auf ein Fotoalbum ihrer ersten Hochzeit und eines mit Schnappschüssen von ihr und Duncan mit Anfang zwanzig. Die brauche ich nicht mehr, dachte sie. Dieser Teil meines Lebens gehört der Vergangenheit an. Vielleicht sollte ich sie Duncans Eltern schicken. Sie werden die Hochzeitsfotos haben, aber nicht die anderen. Beim Aussortieren der Fotos stieß sie auf eine Studioaufnahme von Duncan, die damals auf ihrem Nachttisch gestanden hatte. Wie anders er ihr jetzt erschien! Tränen verschleierten ihre Augen, und ihre Lippen bebten.

Gerade als die Tränen ihre Wangen hinunterliefen, kam Cam herein. „Hallo … Wie kommst du voran?“, erkundigte er sich, als er die Tür hinter sich schloss. „Ich bin mit meinem Artikel fertig. Du kannst ihn später mal lesen. Ich möchte wissen, was du davon hältst.“

In dem Moment sah er, wie sie vergeblich nach einem Taschentuch suchte und sich die Tränen von den Wangen wischte.

„Liz … Darling … was ist los?“

Cam zog ein Taschentuch hervor und reichte es ihr besorgt. Trotz ihres Zustands hatte sie das Kosewort deutlich vernommen. Cam hatte sie noch nie so genannt.

Er bemerkte das Foto in ihrer Hand und nahm es ihr ab. „Wer ist das? Überflüssige Frage: Duncan.“

Während er seinen Vorgänger studierte, wandelte sich seine Neugierde in Verachtung, als hätte er sofort erkannt, was sie so lange Zeit nicht wahrgenommen hatte. Als er das Foto zu den anderen legte, nahm sein Gesicht einen so ärgerlichen Ausdruck an, wie ihn Liz noch nie bei ihm gesehen hatte.

„Verdammt“, fuhr er sie an, „willst du den Rest deines Lebens trauern? Er ist seit vier Jahren tot. Was immer du mit ihm geteilt hast, es ist vorbei. Jetzt bist du meine Frau. Es ist nicht in Ordnung, dass du der Vergangenheit nachjammerst.“

„Ich jammere ja gar nicht“, entgegnete sie. „Du verstehst das nicht.“

„Nein, das tue ich nicht! Es wird Zeit, dass du damit aufhörst. Das Leben geht weiter, und wir sollten auch nach vorn blicken. Wir haben vielleicht nicht aus den üblichen Gründen geheiratet, aber das hat sich jetzt alles geändert. Ich liebe dich … und du könntest mich auch lieben, wenn du es nur versuchen würdest … wenn du nur aufhören würdest, ihm nachzutrauern.“

Liz sprang auf. „Was meinst du damit – du liebst mich? Das hast du nie gesagt.“

„Dann sage ich es eben jetzt.“ Cam hörte sich eher wütend an als verliebt. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich mich in dich verlieben würde, aber es ist passiert … und ich möchte, dass du mich auch liebst … und nicht ihn.“ Er deutete auf das Foto.

„Ich habe ihn nie geliebt.“

Zum ersten Mal sprach sie die Wahrheit aus, die sie jahrelang verleugnet hatte, denn es war einfacher gewesen, mit einer Lüge zu leben, als sich die Wahrheit einzugestehen.

„Du hast ihn nie geliebt?“, wiederholte Cam. Allerdings war es mehr eine Feststellung als eine Frage.

„Es war Schwärmerei … keine echte Liebe. Das habe ich in unseren Flitterwochen begriffen“, erklärte Liz leise. „Es war so anders als damals … das kannst du dir gar nicht vorstellen. Du bist all das, was er nicht war … zärtlich … selbstlos … einfühlend. Die erste Nacht im Schloss war wie der Eintritt ins Paradies nach Jahren im Fegefeuer.“ Sie seufzte tief. „Mich hat nur noch gequält, dass ich dir meine Liebe nicht gestehen konnte. Liebst du mich wirklich?“

Statt zu antworten, nahm er sie in den Arm und hielt sie so fest, dass ihr der Atem stockte. Dann lockerte er seinen Griff.

„Ich bin so dumm gewesen“, flüsterte er, den Mund an ihrem Haar. „Ich habe mich vor Monaten in dich verliebt und es nicht erkannt. Du warst alles, was ich von einer Frau wollte und brauchte, und ich war so verdammt eifersüchtig auf deinen Mann. Aber ich habe zwei und zwei nicht zusammengezählt. Wie kann man nur so dumm sein?“

Er trat ein Stück zurück und umfasste ihr Gesicht. „Liz … liebe, süße Liz … Was für einen Dummkopf hast du da nur geheiratet!“

Dann küsste er sie zärtlich, doch diesmal standen keine Geheimnisse mehr zwischen ihnen.

Ein Kuss führte zum nächsten, und plötzlich hob Cam Liz hoch und trug sie nach oben in ihr Schlafzimmer, wo sie sich gegenseitig auszogen. Anschließend liebten sie sich leidenschaftlich auf dem ungemachten Bett. Unablässig flüsterten sie sich zärtliche Liebesschwüre und Koseworte zu.

Danach schliefen sie beide für eine Weile, wachten allerdings im selben Moment auf und sahen sich in die Augen, wobei sie diese wundervolle neue Harmonie genossen, die zwischen ihnen entstanden war.

Später saßen sie im Garten in der Sonne und beobachteten die Bienen am Lavendelbusch. „Warum hast du Duncan nicht verlassen, wenn du mit ihm unglücklich warst?“, fragte Cam unvermittelt.

Liz brauchte einige Augenblicke, um zu antworten. „Ich hatte versprochen, seine Frau zu sein. ‚In guten, wie in schlechten Tagen‘. Wenn man dieses Versprechen gibt, sollte man sich auch daran halten, denke ich … solange keine Gewalt und keine Untreue mit im Spiel sind, was bei uns nicht der Fall war. Und Duncan war glücklich. Auf seine Art hat er mich geliebt. Er hatte es nicht verdient, sitzen gelassen zu werden … außerdem konnte er die Hypothek ohne mich nicht abzahlen.“ Sie seufzte. „Das ist eine lange Geschichte. Willst du sie wirklich hören?“

„Gern … Ich möchte alles über dich wissen.“

So berichtete Liz ausführlich über ihren Jugendschwarm Duncan, den Jungen von nebenan, der nur mittwochs und samstags mit ihr im Dunkeln geschlafen und auch sonst kein Gespür für die Bedürfnisse einer Frau gehabt hatte. Er und sie hatten nichts gemeinsam gehabt. Die Traurigkeit, die Cam in ihren Augen gesehen zu haben glaubte, war nicht die Trauer über Duncans Tod, sondern vielmehr ihre Scham darüber, eine solche Trauer nicht empfinden zu können.

Als Cam schließlich aufstand, um eine Flasche Wein zu holen, überlegte Liz, wie lange ihr Missverständnis noch angedauert hätte, wenn er sie nicht weinend angetroffen hätte.

Wie schwer ist es doch, in das Herz des anderen zu sehen, wenn er seine innersten Gefühle vor der Außenwelt versteckt, dachte sie.

„Wann wusstest du, dass du mich liebst?“, fragte sie ihn bei seiner Rückkehr aus der Küche.

„Lass mich mal nachdenken. Männer analysieren nicht ständig ihre Gefühle wie die Frauen“, neckte er sie. „Vielleicht wusste ich schon von Anfang an, dass du jemand ganz Besonderes bist, aber ich wollte es mir nicht eingestehen. Wenn man jahrelang ungebunden war, dann ist es schwierig, seine Unabhängigkeit aufzugeben … und jemand anderem sein Glück anzuvertrauen“, fügte er ernst hinzu.

Er schwieg für einen Augenblick. „Als wir uns das erste Mal geliebt haben, hast du geweint. Du hast geglaubt, ich schlafe, aber ich habe dein Schluchzen gespürt. Ich habe mir Sorgen gemacht.“

Sie erinnerte sich an ihre Tränen und ihr Ringen um Fassung. „Es war nur die Erleichterung und Freude darüber, endlich das zu empfinden, was Frauen normalerweise fühlen.“

„Und ich dachte, du würdest aus Scham weinen, weil du es körperlich genießt, ohne wirklich etwas zu empfinden, oder weil du deinen toten Ehemann betrügst“, sagte Cam. „Ich dachte, dass deine erste Ehe glücklich gewesen wäre, und habe aus diesem Missverständnis heraus lauter falsche Schlüsse gezogen.“

„Ich verstehe immer noch nicht, warum du dich so zurückgehalten und nicht versucht hast, vor unserer Hochzeit mit mir zu schlafen. Wenn du schüchtern wärst, dann hätte ich es wohl verstanden. Aber da du als Frauenheld von Valdecarrasca giltst, machte das auf mich einen sehr sonderbaren Eindruck.“

„Das liegt wohl daran, dass der Frauenheld von Valdecarrasca endlich die Frau gefunden hat, mit der er den Rest seines Lebens verbringen will, und fürchtete, er würde etwas falsch machen. Ich hatte das gar nicht gemerkt. Ich dachte nur, dass du in die Heirat einwilligst, weil du Kinder möchtest. Da es manchmal dauern kann, bis es im Bett richtig klappt, hielt ich es für schlauer, es bis zu dem Zeitpunkt zu verschieben, an dem wir nicht mehr zurückkonnten.“

Als Liz einige Tage später von der letzten Porträtsitzung bei Leonora zurückkam, saß Cam im Garten und las einen Brief. Weitere Post lag neben ihm auf der Bank. Sie gesellte sich zu ihm.

„Ist was für mich dabei?“

„Heute nicht, Darling.“ Er stand auf und gab ihr einen Kuss. Dann räumte er die Magazine und Umschläge beiseite, damit sie sich neben ihn setzen konnte. Sie spürte, dass er mit seinen Gedanken woanders war.

„Gibt’s was Neues bei dir?“

Er sah sie auf eine Art an, die sie nicht deuten konnte. Für einen Augenblick erinnerte es sie an die Zeit, als sie sich noch nicht verstanden hatten. Doch das war vorbei. Jetzt kannten sie einander in- und auswendig. Zumindest hatte sie, Liz, es angenommen.

„Man hat mir angeboten, den Job von Englands Topjournalisten in Washington zu übernehmen“, erklärte Cam langsam. „Er ist vor ein paar Wochen gestorben, nachdem er zwanzig Jahre dort gearbeitet hatte. Er gehörte zu den besten Journalisten der Welt. Es ist eine große Ehre, seine Stelle einzunehmen.“

Sie erinnerte sich an die Worte seiner Mutter vor ihrer Hochzeit: „Du weißt hoffentlich, worauf du dich einlässt … Beständigkeit ist nicht die Stärke von Journalisten.“

„Das ist ja fantastisch. Wann sollst du anfangen? Wenn du sofort nach Washington musst, kann ich mich um das Haus kümmern und später nachkommen.“

Er war sichtlich erstaunt. „Das ist nicht dein Ernst. Du bist so gern hier. Du willst doch gar nicht weg.“

„Ich möchte nicht wieder dahin, wo ich hergekommen bin, aber die Möglichkeit, in Amerika zu leben, ist etwas anderes. Valdecarrasca läuft uns nicht weg. Das wird immer für uns da sein.“

Cam sprang auf und lief unruhig auf und ab. „Ich weiß nicht … das haben wir nicht geplant. Washington ist eine Großstadt, und ich müsste in der Innenstadt wohnen.“

„Wenn das der Höhepunkt einer Journalistenkarriere ist, solltest du es wenigstens einmal ausprobieren. Sonst wirst du es ein Leben lang bereuen.“

Er kehrte zu ihr zurück und kniete sich vor sie, wobei er die Hände auf ihre Knie legte. „Aber was ist mit dir, mein Liebling? Wir sind jetzt Partner. Wir müssen überlegen, was für uns beide gut ist. Wenn du vielleicht in ein paar Monaten schwanger wirst, möchtest du dann nicht lieber hier im Dorf sein als in der hektischen Hauptstadt auf der anderen Seite des Atlantiks?“

Liz vermutete, dass sie bereits schwanger war. Ihre Regel, die normalerweise pünktlich kam, war drei Tage überfällig.

„Washington kann gegenüber der spanischen Provinz von Vorteil sein für eine Frau wie mich, die in diesem Alter ihr erstes Baby bekommt. Die medizinische Versorgung in den USA soll hervorragend sein – solange man sie sich leisten kann. Hier … Ich weiß nicht. Das ist allerdings nicht der Punkt. Wenn du gehen möchtest, werde ich glücklich sein, dich begleiten zu können.“ Liz beugte sich vor und legte die Hände auf seine breiten Schultern. „Es gibt so viele Orte auf der Welt, an denen ich gern leben würde. Aber es gibt nur einen Mann, mit dem ich zusammenleben möchte … und der mit mir zusammenleben möchte.“

An ihrem letzten Morgen in Spanien ging Liz zur Bäckerei. Auf dem Nachhauseweg machte sie einen Umweg zu dem höher gelegenen Friedhof. Oben angekommen, blickte sie über die verschachtelten Dächer Valdecarrascas und die Weinstöcke dahinter, die das ganze Tal durchzogen.

Das werde ich vermissen, dachte sie. Wann wir wohl wieder hierherkommen werden? Sie war sich mittlerweile sicher, dass sie ein Kind bekam. Aber sie hatte Cam noch nichts davon erzählt. Er war so mit den Vorbereitungen für ihren Umzug beschäftigt und hatte gar nicht gemerkt, dass sie seit ihrer Hochzeit täglich miteinander geschlafen hatten.

Vielleicht würde sie es ihm auf dem Flug nach Washington erzählen. Oder vielleicht würde sie auch warten, bis ein Arzt ihr instinktives Gefühl, dass ein neues Leben unter ihrem Herzen heranwuchs, bestätigt hatte.

Liz ging die Stufen hinunter und fragte sich, ob Valdecarrasca sich verändern würde. Sie hoffte nicht. Für sie war es perfekt, so wie es war. Ein Rückzugsort von der Hektik des modernen Lebens. Einerseits wünschte sie sich, hierbleiben zu können, den Reben beim Wachsen zuzusehen und an lauen Sommerabenden mit Freunden im Garten zu essen. Außerdem hätte sie gern das Haus verschönert.

Doch sie hatte auch nicht vergessen, dass Cam eine erfolgreiche Ehe als eine enge Freundschaft zwischen zwei Menschen bezeichnet hatte, die bereit waren, Kompromisse einzugehen. Für die wundervolle Veränderung, die er in ihrem Leben bewirkt hatte, ging sie diesen Kompromiss gern ein.

Cam musste sie durch das Küchenfenster gesehen haben und empfing sie an der Eingangstür. „Ich habe mich schon gefragt, was passiert ist.“

„Was sollte hier schon passieren?“, erwiderte sie lächelnd.

„Nichts, vermute ich.“ Er zog sie ins Haus. „Ich werde immer etwas nervös, wenn du länger weg bist. Aber das werde ich in zwanzig oder dreißig Jahren hoffentlich ablegen.“

Liz umarmte ihn. „Ich habe mich vom Dorf verabschiedet.“

Cam berührte sanft ihr Kinn. „Du bist traurig, oder?“

„Ich werde es bestimmt ab und zu vermissen. Und du auch. Allerdings wird das Dorf immer für uns da sein. Außerdem wirst du Amerika mögen.“

Sein Kuss vertrieb ihre Traurigkeit über die bevorstehende Abreise. Seit Urzeiten waren die Frauen ihren Männern gefolgt und hatten ihre vertraute Umgebung verlassen.

Sie hatte dies schon einmal getan, und zwar allein. Hätte sie den Mut nicht gehabt, würde sie jetzt nicht in den Armen des Mannes liegen, den sie liebte und der sie liebte.

– ENDE –