Kapitel 3 - Eifersucht
Nach kurzer Suche fand Josh seinen Bruder vor dem Haupteingang der Kaserne. Er stand dort mit dem Rücken an den Zaun gelehnt, rauchte wie ein Erstickender und starrte schwer atmend in den Himmel.
»Hey«, sprach er ihn vorsichtig an und legte ihm eine Hand auf die Schulter, in der Hoffnung, ihn so zu beruhigen. »Das hast du wirklich toll gemacht!«
»Ja ... Wahnsinn ... total toll!«, widersprach dieser schniefend und wischte sich über die geröteten Augen. »Das war erbärmlich
! Ich hab mich aufgeführt wie der letzte Schisser.« In erster Linie war Rohan wütend, aber an seiner Tonlage konnte man deutlich erkennen, dass die Scham über seine Schwäche noch viel größer war.
»Ach Zombie ... komm her.« Josh nahm ihn in die Arme und hielt ihn liebevoll fest, während er ihm den Rücken streichelte. »Ein Schisser hätte das alles nicht ausgehalten, und außerdem ist es auch als starker Mann völlig in Ordnung, wenn man mal Angst hat. Jetzt hast du es hinter dir!« Er überlegte kurz und sah auf sein Handy. »Pass auf: Ich hab noch zwei Stunden Zeit, bevor ich zu meiner Nachmittagsvorlesung muss. Wir fahren jetzt heim, ich köpf dir ein Bier und verwöhn’ dich ein bisschen, so wie versprochen, ja?«
»Okay ... aber das Verwöhnprogramm
hätte ich lieber heute Abend, wenn ich danach direkt pennen gehen kann.«
***
Nach dem Bier verbrachte Rohan den restlichen Tag damit, sich abzulenken. Er spielte Gitarre, übte einige Songs, spielte mit seiner Konsole oder hing vor dem Kühlschrank rum, den er im Laufe des Nachmittags halb leer futterte. Langeweile verleitete ihn zu essen, aber er mit der Völlerei fertig war, überkam ihn die Reue. Dann schnappte er sich seine Langhantel und machte Kreuzheben mit knapp neunzig Kilo im Dauerfeuer, bis er völlig fertig ins Bett fiel. In Joshs
Bett, wohlgemerkt. Denn sein Bruder hatte ja noch was bei ihm offen.
***
Der Wecker klingelte wie immer schon um sechs Uhr, doch als
Josh ihn ausgestellt hatte, um aufzustehen, hielt ihn Rohan fest. »Lass mich los Roi, es ist so schon schwer genug«, murrte er.
Doch Rohan dachte gar nicht daran, seinen Bruder loszulassen. Er hatte am Abend zuvor bereits so tief geschlafen, dass er Josh gar nicht bemerkt hatte, als der ins Bett gekommen war, also zog er ihn jetzt zurück. »Du hast versprochen mit mir zu kuscheln«, murrte er und legte sich einfach auf ihn.
»Na schön ...«, seufzte Josh, gab sich geschlagen und keuchte unter dem Gewicht. »Aber nur zehn Minuten, dann muss ich hoch!« Mit dem Ohr auf seiner Brust lauschte Rohan seinem Herzschlag, der langsam und gleichmäßig klopfte. Dann kicherte er. »Was ist?«, fragte Josh deshalb verschlafen.
»Deine Morgenlatte drückt mir gegen den Bauch.«
Schlagartig beschleunigte sich Joshs Herzschlag. »Mann
, sprich das doch nicht so aus, das ist megapeinlich!« Er tat genervt und fuhr sich grummelnd durch die Haare, trotzdem empfand er Rohans schweren Körper auf dem seinen als angenehm. Für kurze Zeit ließ er ihn so auf sich liegen, doch allein die leichten Atembewegungen genügten, um seine Gedanken auf gefährliches Terrain abschweifen zu lassen. Dann hielt er es nicht mehr aus. Er musste sofort aufstehen oder er würde dazu verleitet, etwas sehr, sehr Dummes zu tun.
»Hör mal, du kannst ja noch ein Weilchen liegen bleiben, aber ich muss jetzt raus, sonst komme ich nicht mehr zum Joggen.«
Murrend räumte Rohan seinen gemütlichen Platz. »Ich verstehe nicht, wie man freiwillig früher aufstehen kann, nur um wie ’n Blöder durch den Park zu rennen.«
Josh lachte, denn das war wieder so typisch. Sein Bruder war eben ein Langschläfer durch und durch. »Ich hab nun mal nicht so ein Glück mit meiner Genetik wie du, Zombie!«
Rohan horchte auf. »Wieso Glück? Meinst du etwa, dass ich von Natur aus so gut aussehe, während du ... na ja.« Sein Grinsen war nicht mehr zu übersehen.
Josh schaute ihn übertrieben empört an, schnappte sich ein Kissen und pfefferte es ihm ins Gesicht. »Was heißt hier na ja
? Ich meinte nur, dass dein Stoffwechsel
ein bisschen
besser ist als meiner! Mehr nicht! Bild dir ja nichts darauf ein, du arrogantes Miststück!« Dabei zwackte er ihm in die Seite.
»Aua!« Rohan lachte verschmitzt. »Ja, ja, du hast es schon echt schwer, nicht wahr? Deinem kleinen Bratzenbruder körperlich und
geistig voll unterlegen! Vielleicht sogar noch bei anderen Dingen?«
»Wie darf ich das jetzt bitte versteh-« Josh brauchte nur in Rohans Gesicht zu sehen, um zu wissen, worüber der gerade nachdachte. »Naaargh
! Ist denn das zu fassen? Du bist und bleibst unverbesserlich! Hör auf, über so was nachzudenken, und schlaf weiter! Ich geh mir jetzt die Zähne putzen!«
Rohan verkniff sich sein Lachen und grinste nur breit. »Mach, was du nicht lassen kannst!« Darauf gähnte er und kuschelte sich zurück in die Kissen.
Josh murmelte Unverständliches, schnappte sich dann seine Sportklamotten und verschwand im Bad. Als er wieder herauskam, trug er ein enges, ärmelloses Shirt und eine lockere, weiße Sporthose, dazu an den Handgelenken blaue Schweißbänder. Er griff sich seine Armbanduhr und seinen MP3-Player und verließ zügig die Wohnung.
Sein Ziel war der in der Nähe befindliche Park, in dem er zweimal wöchentlich seine Runden drehte. Joggen war für Josh unverzichtbar, um einen klaren Kopf zu bekommen, den er in erster Linie für seinen Bruder dringend benötigte.
Nach ungefähr einer Stunde kam er völlig verschwitzt und ausgepowert zurück. Rohan lag noch immer im Bett und schwebte in seinem Traumland umher, deshalb setzte Josh schon mal Kaffee auf und ging dann ins Bad, um sich zu duschen. Das war sein neues Ritual und er liebte es. Beim Joggen ließ er Druck ab und dachte über diverse Dinge nach. Beim Duschen erholte er sich von der sportlichen Anstrengung und im Anschluss gönnte er sich einen ersten Kaffee. Doch selbst dabei ließen ihn seine Gedanken nicht los.
Er wusste schon lange, dass diese Nähe zu seinem Bruder nicht normal war. Sich selbst gegenüber stritt er jedoch vehement ab, mehr für ihn zu empfinden als die übliche Bruderliebe. Er hatte das Gefühl, Rohan übertrieb es mit seiner schwulen Art
manchmal absichtlich, oder steckte dahinter vielleicht etwas ganz anderes?
In diesem Moment kam ihm etwas in den Sinn, das eine Freundin mal zu ihm gesagt hatte: Alle kleinen Mädchen verlieben sich irgendwann einmal in ihren Papa!
Und war Josh nicht immer wie
ein Vaterersatz für Rohan? Bei diesen Überlegungen musste er unweigerlich grinsen.
Meist sah er in Rohan nicht mehr als seinen chaotischen, schutzbedürftigen Bruder, für den er immer sorgen musste und wollte, aber dann gab es wieder diese Situationen, in denen er sich fast wie sein Liebhaber fühlte. War er mit einem anderen Kerl zusammen, überkam ihn jedes Mal ein Gefühl rasender Eifersucht. Ein kaum zu ertragender Zustand, aber was sollte er dagegen machen?
›Gibt es nicht auch Mütter, die eifersüchtig auf die Freundin ihres Sohnes sind? Oder Väter, die jeden Jungen vertreiben, der sich ihrer Tochter nähert? Vielleicht ist das, was ich empfinde, damit vergleichbar?‹
Vom Duschen erfrischt trocknete er sich ab, band ein Handtuch um die Hüften und ging in sein Zimmer, um sich anzuziehen. Rohan lag quer über dem Bett und schlief nach wie vor. Josh seufzte kurz und kramte im Schubfach seines Schrankes nach einer frischen Boxershorts. Als er eine ihm genehme gefunden hatte, nahm er das Handtuch ab und zog sie sich über die schmalen Hüften. Plötzlich spürte er, wie Rohan ihn von hinten umarmte und zuckte erschrocken zusammen.
»Schon zurück?«, fragte der leise verschlafen und küsste sanft seinen Nacken, bis dieser erschauderte. Seine langen Haare kitzelten auf Joshs Schultern und er bekam eine leichte Gänsehaut.
»Ähm, ja … wollte mich nur eben anziehen. Danach mache ich uns Frühstück.« Josh überfiel ganz kurz der Drang, sich aus der Umarmung seines Bruders zu lösen, doch dann ließ er es bleiben, denn es fühlte sich einfach zu schön an. In Rohans Nähe hatte er sich ja immer wohl gefühlt, aber in letzter Zeit genoss er dessen Berührungen fast schon zu sehr. Er konnte das Warum
nicht erklären, es war halt so. Obwohl Rohan so ein rebellischer Mensch war, überkam Josh stets eine wohlige und entspannte Ruhe, wenn er ihn bei sich wusste. Sanft streichelte er die ihn umschlingenden Arme und verlor sich abermals in Gedanken.
»Du hast einen richtig heißen Knackarsch, weißt du das?«, neckte Rohan ihn leicht grinsend und Josh spürte, wie er ihm noch einmal den Nacken küsste.
Er schluckte. »Ich hätte mich nicht vor dir ausgezogen, wenn ich gewusst hätte, dass du wach bist. Ich dachte, du schläfst noch tief.«
»Hab ich auch, ich bin nur ganz zufällig
in dem Moment aufgewacht, als du das Handtuch fallen gelassen hast.« Rohan grinste jetzt noch breiter. »Da musste ich einfach hinsehen, tut mir unendlich
leid.«
Josh bemerkte den Unterton in seiner Stimme, löste sich aus dem Griff seines Bruders und antwortete etwas schnippisch: »Ich bin keine von deinen Eroberungen, also wenn du nichts dagegen hast, ich würde mich jetzt gerne weiter anziehen. Du kannst dich ja auch mal langsam fertig machen.«
Rohan verließ daraufhin lächelnd, mit einer leichten Verbeugung und den Worten »Wie der Herr befehlen!«, den Raum und zog sich ins Bad zurück, um seinen morgendlichen Reinigungsritualen nachzukommen.
Josh fühlte sich veralbert und hätte ihm am liebsten ein Kissen hinterher gepfeffert, ließ es dann aber doch bleiben.
Nachdem er sich eine etwas weitere Jeans sowie ein grünes T-Shirt mit weißem Kragenrand und ebensolchen Ärmelrändern angezogen hatte, ging er in die Küche und machte Frühstück. Rohan konnte beim Essen noch immer zum bockigen Kind werden und weigerte sich nach wie vor, etwas anderes als Cornflakes in sich hineinzustopfen, von denen er jeden Morgen drei Schalen voll verschlang, um satt zu werden. Josh hielt sich eher an Toast oder Brötchen mit Wurst und Käse. Es gab sogar schon mehrfach Streit zwischen den beiden, wenn keine Cornflakes vorrätig waren und Josh Rohan dazu bringen wollte, mal was anderes zu essen. Doch der würde lieber hungern. Manchmal beschimpften sie sich schon wegen solcher Kleinigkeiten gegenseitig aufs Heftigste und gingen für den Rest des Tages getrennte Wege. Josh hielt das allerdings nicht lange aus. Er machte sich irgendwann doch in Richtung Supermarkt auf den Weg, um das verhasste, kunterbunte Flockenzeug zu kaufen, und wenn Rohan die Schachteln später im Schrank entdeckte, entschuldigte er sich bei seinem Bruder meist mit einer Umarmung. Eins stand fest, Rohan bekam stets seinen Willen und das seit Jahren.
In der Küche suchte Josh nach den Cornflakespackungen, die er vor zwei Tagen gekauft hatte, doch er fand sie nicht.
»Das ist jetzt nicht wahr, oder?«, schnaufte er und rief dann etwas lauter: »Zombie
!!! Hast du gestern alle
Cornflakes verspachtelt?«
»Ich war nach dem ganzen Musterungsscheiß deprimiert und brauchte Zucker!«, verteidigte sich Rohan aus dem Bad heraus. »Reg dich nicht künstlich auf!«
»Nicht künstlich aufregen?
« Er war kurz vorm Platzen! »Ich hatte drei Schachteln gekauft! Drei
! Die können doch nicht schon alle leer sein?«
»Dann ess’ ich halt gar nichts mehr«, maulte Rohan zurück, kindisch wie immer.
Josh atmete tief durch und holte eine der kleinen Probierpackungen aus seiner eisernen Reserve, die er für Notfälle in einem Geheimversteck bunkerte. Als sein Bruder dann in die Küche kam, knallte er sie auf den Tisch.
»Hier! Friss und erstick’ dran!« Trotz der nicht gerade freundlichen Wortwahl war der belustigte Unterton nicht zu überhören.
***
Die anstrengende erste Woche endete mit den vorbereitenden Arbeiten des alljährlichen Uni-Openings, welches am Abend stattfinden sollte. Diese große Studentenparty gehörte zu den Pflichtterminen für Erstsemesterlinge
. Neben Neulingen, die dort erste Kontakte knüpfen und neue Bekanntschaften machen konnten, tummeln sich aber auch alteingesessene Uni-Veteranen
auf der Feier sowie ein paar Dozenten. Alle Studenten sollten sich daher an den Vorbereitungen beteiligen.
Rohan betrat die große Aula, in der die Veranstaltung stattfinden sollte. Seine Kommilitonen schmückten, putzten und bauten bereits die Musikanlage auf oder packten in der benachbarten Küche beim Zubereiten des Buffets mit an.
Es war merklich kühler geworden und der Sommer neigte sich dem Ende zu. Rohan trug eine schwarze Lederhose, welche über den Schuhen Falten schlug. Sie besaß außerdem kleine Schnallen an der Seite und wirkte generell etwas overdressed für einen Arbeitstag auf dem Campus. Die üblichen Springerstiefel und ein weißes, ärmelloses Shirt, was seine Muskeln betonte, rundeten das Gesamtbild ab. Seine langen Haare hatte er sich heute geflochten, denn die sonst losen
Strähnen im Gesicht störten ihn, wenn er handwerklich tätig werden sollte. Die Augen waren wie immer mit Kajal leicht schwarz umrandet, und alles in allem sah er zwar gewöhnungsbedürftig, aber auf seine Art attraktiv aus.
Er schlenderte bis zur Mitte der großen Halle und wollte sich gerade eine Zigarette anzünden, als sie ihm Josh hastig aus der Hand riss. Komplett aus der Puste, als wenn er schnell gerannt wäre, japste dieser: »Bist … du … völlig … verrückt? Hier ist … Rauchverbot! Wie siehst du … überhaupt aus?«
Rohan verkniff sich mühsam das Lachen. »Musst du gerade sagen!« Er deutete auf Joshs Füße und der sah irritiert an sich runter.
Weißes Oberteil, Jeans und … Nein! Wie peinlich! Er hatte vergessen, sich die Straßenschuhe anzuziehen, und trug noch immer seine Wohnungsfilzlatschen.
»Na toll! Jetzt sind wir offiziell das bescheuerte Brüderpaar Winter – die mit dem Knacks in der Schüssel
. Los, komm mit!« Der Weg zu ihrer WG war zum Glück nicht weit. Dort angekommen befahl er ihm, sich eine andere Hose anzuziehen, und wechselte selbst seine Schuhe. Nach ihrer Rückkehr tuschelten die anderen aufgeregt, als sie die zwei erblickten, und auch Dana kam auf Josh zu.
»Guten Morgen, ihr beiden Hübschen! Ihr macht ja zusammen mächtig Eindruck. Es brodelt schon überall die Gerüchteküche! Apropos! Josh, du kannst mir in der Küche beim Kartoffelschälen helfen.« Dann packte sie seine Hand und wollte ihn mit sich ziehen. Allerdings hielt auch Rohan ihn fest, zog ihn am Hals zu sich ran und küsste ihn plötzlich vor allen Studenten auf den Mund.
»Wir sehen uns später!«, flüsterte er ihm grinsend zu und Josh ließ sich noch immer verwirrt von Dana in die Küche zerren. »Viel Spaahaaaß!«
Der Lautstärkepegel stieg, denn nach einem kurzen Schock tuschelten die Meisten nun umso lauter.
Rohan sah sich um, doch egal, was er an zu erledigender Arbeit erblickte, so wirklich Bock hatte er auf nichts. Schließlich entdeckte er eine Gitarre neben der Bühne, auf welcher gerade die ganze Soundtechnik für den Abend aufgebaut wurde, und steuerte diese wie in Trance an. Da stieß er plötzlich mit jemand Größerem
zusammen, der seinen Weg kreuzte und genauso in Gedanken versunken gewesen zu sein schien.
»Oh, Verzeihung!«, entschuldigte sich der Hüne freundlich und Rohan starrte kurz auf ein kleines Namensschild, das sich genau auf seiner Augenhöhe befand. Auf diesem stand G. Riedell
und es wies seinen Träger als einen Dozenten der Uni aus.
Rohan sah auf und in dem Moment, als er losmotzen wollte, blieben ihm die Worte im Hals stecken. Der attraktive Mann vor ihm war höchstens Ende dreißig und hatte modische, blonde Strähnen in seinen gestuften, nackenlangen, braunen Haaren. Seine schmalen, dunkelblauen Augen und das kantige Kinn mit Dreitagebart passten gut zu seinem trainierten Körper, der in einem weißen Marken-Sportanzug steckte, welcher ihm trotz seiner Schlichtheit unerhört gut stand. Schwarze Turnschuhe, ein enges, dunkles Muskelshirt sowie eine Trillerpfeife um den Hals ergänzten sein Outfit und die rechteckige Fassung seiner Brille komplettierte das smarte Bild von Dominanz und sportlichem Stil.
»Ähm ... ja. Schon gut, ich ... hab wohl auch nicht richtig aufgepasst«, stotterte Rohan plötzlich und wusste gar nicht, warum er sich entschuldigte und schlagartig schweißige Hände bekam.
»Schon okay!« Der Akademiker lächelte und musterte den Frischling. »Sie sind einer der Neuen aus dem ersten Studienjahr, richtig? Ich bin der Trainer des Taekwondo-Kurses und Dozent für menschliche Anatomie, Gregor Riedell!«
Plötzlich war Rohan klar, warum ihm in der Nähe dieses Mannes so mulmig wurde. Der Kerl sah Bastian Arndt
, seiner ersten großen Liebe, zum Verwechseln ähnlich!
»Äh ... ja.« Rohan wusste nicht, was er sagen sollte, und war wie gelähmt. Riedell grinste jedoch süffisant und legte ihm dann sehr vertraut die Hand auf die Schulter.
»Soll ich Sie mal herumführen?«
Misstrauisch verengten sich Rohans Augen, doch der Typ fiel nun mal leider genau in sein Beuteschema und gerade war ihm fast alles lieber, als kitschige Girlanden anbringen, basteln oder gar Gemüse schnippeln zu müssen. Also sagte er »Gern« und ging mit dem etwas aufdringlichen Dozenten mit.
Der führte ihn recht zielstrebig zur kleinen Turnhalle, die er
aufschloss und in welcher ein Haufen Sprungmatten auf dem Boden lagen. »Hier drinnen halte ich meist meine Kurse ab, manchmal auch draußen, aber Montag soll es regnen, deshalb liegen die Matten schon da.«
»Hmhm. Schick
.« Rohan nickte und wusste natürlich, dass ihm der geile Kerl, dessen lockere Sporthose sich bereits vorfreudig ausbeulte, hier keine Sportutensilien zeigen wollte.
»Treiben Sie gern Sport?«, fragte dieser beiläufig, während sie durch die Halle liefen.
»Nein!«, erwiderte Rohan eher belustigt. »Eigentlich hasse
ich Sport, aber manchmal stemme ich trotzdem ein paar Gewichte.«
»Gewichte
? Also machen sie Kraftsport, ja?« Riedell schien überrascht. »Hm, interessant. Bei Ihrem Körper hätte ich schwören können, dass Sie eher so was wie Bodenturnen
betreiben.« Den Satz begleitete er mit einem anerkennenden, aber auch deutlich lasziven Blick und setzte dann wieder dieses seltsam flirtende Lächeln auf.
»Na ja, das
mache ich auch ... allerdings nur am Wochenende.« Rohan grinste ebenso zweideutig und leckte sich langsam die Oberlippe, ehe er sich auf eine der Matten setzte. Dann zog er den Dozenten vorsichtig an seinem Bein zu sich. »Aber für Sie mache ich heute eine Ausnahme.«
Sobald er das gesagt hatte, grinste Riedell und kniete sich vor den jungen Studenten auf die Matte. »Wie zuvorkommend ...« Er beobachtete, wie Rohan seinen Gürtel öffnete und die Hose ein Stück nach unten schob. Speichel sammelte sich in seinem Mund, als dessen Harter daraus hervorschnellte, und er ließ diesen, ohne weitere Worte zu verlieren, genussvoll seufzend zwischen seinen Lippen versinken, als hätte er wochenlang nur darauf gewartet.
Rohan warf den Kopf in den Nacken, spreizte die bronzefarbenen Beine, krallte sich in die Matte und keuchte auf, als er die nasse, warme Mundhöhle des Älteren eng an seinem Schwanz auf- und abschwingen spürte.
»Haaah
! Ja ... oaah ... ist das geil«, stöhnte er immer lauter und begann schnell damit, nach oben zu stoßen. Seine Schnappatmung wurde knapper, fast hyperventilierte er, als die Zunge des Lehrers seine hochsensible Kuppe umspielte und besonders intensiv an seinem Vorhautbändchen leckte.
»Oh ja ... dein Schwanz ist so geil«, grunzte Riedell und knabberte an dem pulsierenden Schaft entlang. »Komm schon, Kleiner ... spritz ab ... spritz ab ... Ich will wissen, wie du schmeckst!«
Rohan konnte nicht mehr. Dieser Mann hatte so viel Erfahrung in dem, was er tat, dass es schien, er würde die ganze Zeit die richtigen Knöpfe
drücken.
Als er ihm dann auch noch zwei seiner Finger in den speichelnassen Pospalt schob und gezielt den puckernden Schließmuskel massierte, war es um seine Selbstbeherrschung geschehen.
Er spritzte dem Dozenten in den Mund und dieser sog noch den letzten Tropfen aus ihm heraus.
***
Nach Abschluss der Arbeiten für die Party lief Josh über den Campus zu seiner Wohnung und Dana trippelte ihm eine Weile brav wie ein Schoßhündchen hinterher. »Joshy? Kommst du denn heute Abend auch auf die Party? ... Hey!?« Sie hielt ihn an der Schulter fest. »Träumst du? Du wirkst so abweisend, ist irgendwas?«
Josh sah an Dana vorbei ins Leere. Er fühlte sich seltsam und wusste nicht, woher sein Unbehagen kam. »Ich ... ähm ... ich weiß nicht. Mir gehts grad nicht so gut. Ich ... meld mich nachher bei dir, ja?« Mit diesen Worten wimmelte er sie ab und eilte nach Hause.
Die Sonne schien nur noch leicht durch die weißen Vorhänge des kleinen Wohnzimmers. Josh hatte sich mit Rohan geeinigt, in diesem Raum auch zwei Arbeitsbereiche einzurichten, denn außer den winzigen Schlafzimmern, in die gerade mal ein Bett und ein Schrank passten, gab es ja sonst nur noch Küche, Flur und Bad. Die Schreibtische, die jetzt fast parallel im Zimmer standen, unterschieden sich maßgeblich voneinander: düsteres Schwarz gegen freundliches Weiß. Und während in der einen Hälfte des Raumes eine fast spartanische Ordnung herrschte, regierte auf der anderen Seite schon wieder das Chaos. Josh, der Ordnungsfanatiker, betrat den Raum, strich sich erschöpft die Haare zurück und setzte seine Tasche mit den schweren Büchern aus der Bibliothek ab. Mit einem lauten »Hallo?« wollte er sich vergewissern, ob sein Bruder da war, doch da keiner antwortete, schmiss er sich auf die Couch. Plötzlich vernahm er aber doch ein Geräusch, stand wieder auf und ging zielsicher in Rohans Schlafzimmer, wo er fast nach hinten
umfiel.
»Boah, stinkt das hier abartig
!« Er wurde von dem starken Geruch der Räucherstäbchen, die sein Bruder so liebte, fast erschlagen, tastete sich deshalb mit tränenden Augen durch den abgedunkelten Raum bis zum Fenster, während er sich mit einer Hand die Nase zuhielt. Sobald er dieses erreicht hatte, riss er die beiden Vorhänge auf und öffnete es. Das grelle Licht fiel Rohan, der sich nach dem morgendlichen Mattenturnen
mit Riedell einfach wieder ins Bett gelegt hatte, direkt ins Gesicht.
Unsanft aus dem Schlaf gerissen, zog er sich nun murrend die schwarze Satindecke über den Kopf und drehte sich weg.
Josh hustete kurz, dann holte er Luft und schnauzte seinen kleinen Bruder an: »Wieso liegst du schon wieder im Bett
? Und das bei dem Gestank! Ich hab dir mindestens hundertmal gesagt, dass du in unserer Bude keinen dieser Stinkstäbe
anzünden sollst! Hast du mich gehört? Hey
...« Josh riss Rohan mit einem Ruck die Decke vom Leib und schmiss sie zur Seite. Dann setzte er sich kurzerhand auf dessen Bauch, damit der sich nicht wieder vom Licht wegdrehen konnte.
»Ob du mich gehört
hast, hab ich gefragt!«
»War ja laut genug, du hysterische Ziege«, knurrte es von unten.
»Ich geb dir gleich Ziege
! Wenn, dann Bock
!« Josh wollte ihm gerade die nächste Standpauke halten, als er unter sich Rohans steifen Schwanz pochen fühlte, der sich durch seine Shorts an ihn drängte. Sofort sprang er auf und ging peinlich berührt zum Fensterbrett, auf das er sich seufzend aufstützte. »Mein Gott, merkst du nicht, dass du mit nichts
mehr klarkommst? Du bist gerade mal eine Woche im Studium und hast es noch nicht einen Tag geschafft, morgens alleine aus den Federn zu kommen und alles, wofür du hier verantwortlich bist, sieht jetzt schon aus wie der letzte Schweinestall. Du pennst den halben Tag, statt für die Uni zu arbeiten! Wann willst du endlich mal anfangen, dein Leben zu organisieren? Du bist volljährig!«
Rohan setzte sich gähnend auf. Seine Haare sahen ziemlich zerzaust aus und er hatte leichte Schatten unter den Augen. »Was hältst du
denn davon, in eine andere WG zu ziehen? Dann hätte ich die Zimmer für mich allein und du kannst deinen Ordnungswahn woanders ausleben!«
Josh stockte. Ihn schockierte Rohans Vorschlag, schließlich war
er
es, der zu ihm gekommen war und er war doch auch der Einzige, der sich je um ihn gekümmert hatte. Sein Bruder würde ohne ihn in seinem eigenen Dreck ersticken, nebenbei verhungern und bis dahin auch noch jede Nacht mit irgendwelchen männlichen Schlampen verbringen! Inzwischen war Josh fast schon zu einem Schwulenhasser geworden, nur weil ihn all die Typen ankotzten, die seinen Zombie angrabbelten. Bei ihm tolerierte er das Schwulsein, aber die anderen Männer, welche Rohan seit seiner frühesten Jugend mitbrachte, hasste er aus tiefster Seele, egal ob diese nun feminin oder maskulin, freundlich oder totale Vollidioten waren. Am liebsten hätte er seinem Bruder generell
verboten, Kerle mitzubringen, doch das stand nicht in seiner Macht. Schließlich gehörte ihnen beiden die Wohnung.
»Können wir uns darauf einigen, dass du zumindest unsere gemeinsamen
Bereiche sauber hältst und mit niemanden vögelst, solange ich direkt nebenan
bin?«
Etwas schnippisch fragte Rohan nach: »Kann ich es wenigstens im Bad mit jemandem treiben, wenn du schon schläfst? Das ist ja nicht mehr direkt nebenan
und alle Spuren und Gerüche sind da auch schnell zu bereinigen.«
Gerade wollte Josh auf diesen Vorschlag reagieren, da dudelte Rohans Handy, als würde es gleich absaufen. Auf einmal sprang er putzmunter auf und suchte hektisch nach dem trullernden Ding. Zufällig entdeckte Josh es halb unter einem Kissen auf dem Boden. Er hob es auf, tippte dem schon aufgebracht fluchenden Rohan auf die Schulter und hielt es ihm über den Kopf. Sein Bruder schnappte es sich, nahm das Gespräch an und lief sofort ins Wohnzimmer. Nach ein paar Minuten beendete er das Telefonat wieder und verkrümelte sich pfeifend ins Bad.
Josh folgte ihm und wollte eigentlich seine Predigt fortsetzen, aber dann interessierte ihn mehr, warum sich sein Bruder jetzt duschte. Er ahnte etwas und wurde wütend. Nicht schon wieder! Dennoch versuchte er freundlich zu bleiben. »Sag mal, wer war das gerade?«
»Muss ich dir denn alles erzählen? ... Es war Jakob, okay? Der Große mit den blonden Locken. Der war auch ein paar Mal vor zwei oder drei Monaten in der alten Wohnung zu Besuch.«
Josh konnte sich sehr gut an diesen Typen erinnern. Ihm stellten sich schon bei dem Gedanken an den langen Lulatsch mit dem ringeligen Sauerkraut auf dem Kopf und dem großen Mund die Nackenhaare auf. Gezwungen gelassen fragte er trotzdem weiter: »Und, was hat er gewollt?«
»Nichts Besonderes. Er hat nur gefragt, ob wir mal wieder ficken, mehr nicht!«, tönte Rohan unbekümmert unter dem Prasseln des dampfenden Wassers. »Ich hatte heute Morgen einen netten, kleinen ... Zwischenfall.
Seitdem bin ich so mega rattig auf mehr
... da kommt mir das ganz gelegen.«
Josh hätte auf der Stelle explodieren können. Warum war das bei Schwulen so einfach? Als Hete einen wegzustecken, kam ihm dagegen vor, als müsse er einen Berg besteigen! Quälend mühsam und nur langsam zum Ziel kommend.
Rohan stieg aus der Dusche und umarmte Josh liebevoll von hinten, dabei küsste er ihm ganz sanft auf den Hals. »Sei nicht eifersüchtig, ja?«
Josh drehte sich schnaufend um und umschlang ihn. Seine Sachen wurden dadurch zwar vollkommen durchnässt, aber trotzdem drückte er ihn an sich. »Als ob ich auf einen deiner unzähligen
Sexpartner eifersüchtig
sein müsste! ... Du erkältest dich noch!« Er öffnete seine Strickjacke und zog sie schützend um den nassen Leib seines Bruders.
Als sich ihre Oberkörper berührten, presste Rohan Josh fester an sich und gab ihm einen Kuss auf den Mund. Hierauf schob er ihn jedoch weg, als hätte er Angst, eine Ohrfeige zu kassieren. Doch Josh reichte ihm nur das Handtuch und ging wieder ins Wohnzimmer zurück.
Er setzte sich auf das Sofa und vertiefte sich in eines seiner Bücher, während sich sein Bruder aufbrezelte. Mit Ertönen der Klingel stieg jedoch erneut die Wut in ihm hoch. Er stürmte zum Eingang und riss die Tür auf.
Jakob stand vor ihm. Er überragte Josh um einen Kopf und das, obwohl dieser selbst recht groß war. Die wasserstoffblonden Locken hingen ihm ins Gesicht und gaben seinem sonst sehr markant männlichem Aussehen einen leicht weiblichen Touch. Josh bat ihn murrend herein und holte seinen Bruder, der sich vor dem Spiegel
im Bad in einer seitlich geschnürten, schwarzen Lederhose und einem weißen Netzhemd noch die Haare kämmte.
»Wieso hast du dich schon wieder in die Lederpelle gezwängt?«, fragte Josh provozierend.
»Wieso gezwängt
? Guck dir meinen Arsch darin an, dann weißt du, warum!« Beleidigt steckte er sich seine silbernen, kleinen Ohrringe an und schob sich dann an ihm vorbei zu seinem Besuch. Dieser stand lächelnd im Flur, hob ihn hoch, als wäre er eine Feder, und ließ ihn auf seinen Hüften sitzen. Dann küsste er ihn leidenschaftlich.
»Du siehst noch geiler aus, als ich dich in Erinnerung hatte«, raunte der große Kerl und Rohan lächelte geschmeichelt. »Danke. Und du trainierst mehr, wie ich merke?«
Josh betrat räuspernd den Raum, woraufhin Jakob Rohan absetzte. Er war bereits auf hundertachtzig, denn er konnte es einfach nicht ertragen, wenn sich die Zunge eines anderen Mannes in den Mund seines Bruders verirrte, geschweige denn noch woanders hin
. Mühsam beherrscht erinnerte er ihn an ihr vorheriges Gespräch und die getroffene Abmachung. »Verschwinde lieber gleich mit ihm ins Bad, dann kann er wieder gehen und wir können nachher noch zusammen auf die Party.«
»Wenn du nichts dagegen hast ... klar.« Roi war froh, zum Vögeln nicht erst in einen Club fahren zu müssen, und zog Jakob am Gürtel hinter sich her.
Josh atmete schwer und fing aus Frust an, Rohans Zimmerseite aufzuräumen. Plötzlich fiel ihm etwas ein. Er spurtete zur Badtür und klopfte. Durch die dünnen Wände hörte man bereits das tiefe Grunzen von Jakob, doch Josh musste unbedingt sofort mit seinem Bruder reden, deshalb hämmerte er noch einmal gegen die Tür. Rohan, der schon vor dem großen Mann kniete, unterbrach seinen Blowjob und fragte genervt: »Was ist denn?«
»Benutzt du Kondome?«, wollte er aufgeregt wissen, doch er bekam keine Antwort mehr. Jakob hatte Rohans Kopf nämlich wieder ungeduldig auf seinen Schwanz zurück dirigiert, und als Josh seine Frage wütend wiederholte, antwortete er an Stelle des Gefragten:
»Mein Gott, er bläst mir nur einen und dann verschwinde ich wieder!«
Bevor Josh etwas sagen konnte, hörte er Rohans empörte Stimme: »Mhh-hm
...? Pah
! Wie jetzt, ich blas dir nur einen?
Soll das dann alles sein? Ja neeee, Freundchen, kannste knicken
, dass ich dich so kommen lasse, wenn du danach abhaust!«
Die Erregung ließ Jakob kaum klar denken. Er kam eigentlich erst wieder richtig zu sich, als er halbnackt, mit seinen Sachen in der Hand, im Gang des Wohnheimflures stand.
Rohan war stinkwütend. »Der hat doch wohl ’n Ei am Wandern!« Sein Unterkiefer schmerzte bereits von dem Maxikolben und nun blieb er trotzdem auf dem Trockenen. Josh hingegen war mehr als zufrieden mit dem Ausgang der Situation, zumindest würde er Jakob wohl nicht so schnell wiedersehen.
***
Die Uni-Party war für zwanzig Uhr angesetzt und so hatten die beiden nur noch knapp eine Stunde Zeit, sich fertig zu machen.
Rohan verspürte eigentlich wenig Lust darauf, dort hinzugehen, und war total frustriert. So lange hatte er zum Vorbereiten
gebraucht und nun war alles umsonst gewesen. Den ganzen Tag über war er wegen der Blasesache mit Riedell so angefixt, dass er unbedingt mal wieder aufgebockt werden wollte, bei ihm inzwischen ein eher seltenes Bedürfnis, da er sonst eigentlich nur noch aktiv war. Am liebsten wäre er nun in der Wohnung geblieben, um sich mit einem Kissen in die Ecke zu verziehen und zu schmollen. Josh fand das dermaßen kindisch, dass er sich mit übertrieben gekünstelter Stimme über ihn lustig machte.
»Ooooch, hat der kleine Roi nicht das Popöchen gepimpert bekommen? Warte mal, ich hatte hier doch irgendwo noch eine Dose Mitleid. Ach nein, ist aus, tut mir lei-«
Bevor er weiterreden konnte, landete auch schon ein Kissen in seinem Gesicht, das Rohan wütend, aber trotzdem grinsend, nach ihm geschmissen hatte. »Halt die Klappe, du Arsch!«
Josh ließ sich das natürlich nicht gefallen, feuerte es direkt zurück und keine Minute später rollten die beiden kappelnd über den Boden.
»Hallooohooo! Seid ihr ferti- Oh …«
Dana war einfach zur Tür hereingekommen, um Josh abzuholen.
Jetzt stand sie verwundert im Flur und starrte auf die beiden Jungs, die beim Herumbalgen irgendwie in die Neunundsechzig-Stellung gerutscht waren. Josh, der oben lag, sah schamrot angelaufen geradewegs zwischen Rohans aufgestellten Oberschenkeln hindurch in Danas entgeistertes Gesicht. Rohan hatte seine Hände um ihn geschlungen und biss nun auch noch spielerisch provozierend von unten in Joshs Schritt.
»Au
! Ey! Hör auf jetzt! Auszeit
!« Hektisch löste er sich aus der intimen Umarmung. »Dana … ich ... ähm, wir haben uns nur ein bisschen gezofft wegen … äh ... ach ist ja auch egal.
Lass uns gehen!«
Dana kicherte leise und stoppte ihn. »Ich glaube nicht, dass du so
rausgehen solltest. Ist ja schon recht ... beachtlich
.«
Josh vermutete es bereits, vergewisserte sich aber trotzdem mit einem flüchtigen Blick nach unten, dass er einen eisenharten Ständer hatte, der gegen seine Jeans drückte. Noch immer lachend verließ Dana das Zimmer mit dem Hinweis, dass sie auf der Party warten würde. Dann fiel die Tür hinter ihr ins Schloss und Rohan kicherte schadenfroh.
»Ooooch, hat der kleine Joshy ’nen Steifen vor seiner Süßen bekommen?! Höhöhö
. Wie war das noch mit der Dose Mitleid? Warte ... äh nein. Ich glaube, ich finde heute auch keine mehr.«
***
Die Party war im vollen Gange. Alle Studenten des ersten Studienjahres sowie einige ältere Semester waren anwesend und tanzten ausgelassen. Josh hatte Rohan überreden können, sich nicht allzu auffällig anzuziehen, und so trug dieser nur seine schwarze Armeehose mit einem normalen Gürtel, Stiefel und ein weißes Tanktop. Die Haare hatte er sich zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und nur seine Kette mit dem Baphometstern um den Hals gehängt. Sein Kajal um die Augen war etwas verschmiert, gab ihm aber ein verruchtes Aussehen.
Im Gegensatz dazu war Josh für seine Verhältnisse richtig aufgetakelt, da er sich vorgenommen hatte, diesen Abend zu nutzen, um nicht mehr allein nach Hause zu gehen. Die aschblonden Haare mit der blauen Strähne waren zu einer modischen Frisur gestylt und seine Klamotten sahen aus, als wolle er modeln. Eine weiße Hose umspielte seine große, schlanke Figur, dazu trug er ein dunkles, halb
offenes Hemd. Farblich gaben die zwei somit ein perfektes Schachbrett-Paar ab.
Als sie den Raum betraten, drehten sich viele nach ihnen um. Josh war es unangenehm, wie sehr die Blicke der anderen auf ihnen hafteten, dann aber fiel ihm auf, dass Rohan noch immer bei ihm eingehakt war. Er stutzte, zog seinen Arm zurück und verfluchte sich innerlich für diese Angewohnheit.
Nach etwa einer Stunde, in der beide vorrangig an der Bar gestanden hatten und Josh von Dana abgefüllt worden war, wurde Karaoke angesagt.
»Geh du doch rauf!«, ermunterte Josh mit schwerer Zunge seinen Bruder, der die ganze Zeit nur ziemlich gelangweilt neben ihm stand. Da Rohan bis auf ein Augenrollen nicht reagierte, lallte er weiter: »Weißt du noch, früher? Wenn wir zusammen gebadet haben, hast du immer gesungen, und gerade letztens hast du doch auch unter der Dusche ... ähm ... wie ging das ... Everyboooody
...«
Rohan zischte seinem Bruder pikiert dazwischen, doch sein Mund verzog sich zu einem ganz leichten Grinsen. Selbst Dana stimmte mit ein: »Oh, ich würde dich wahnsinnig gern mal singen hören! Wenn Josh sagt, dass du gut bist, hab ich daran auch keinen Zweifel!« Dabei blickte sie verliebt zu ihrem Schwarm hinüber.
Rohan seufzte und murmelte: »Na schön, wenns denn sein muss.« Er öffnete seinen Pferdeschwanz und fuhr sich mit der Hand durch die Haare, um sie auf links zu legen, wobei ihm einige vor die Stirn fielen. Dann marschierte er an die Seite der Bühne, an der ausgerechnet Herr Riedell die Songs am Computer heraussuchte, deren Texte zum Mitsingen auf einen zweiten PC vor dem Mikrofon eingeblendet wurden. Rohan stellte sich neben den Dozenten und flüsterte ihm ins Ohr. Herr Riedell lächelte verschmitzt und schüttelte verneinend den Kopf. Offensichtlich war Rohans Wunschsong zu speziell, doch dann schien diesem etwas Bekannteres einzufallen und er trug einen weiteren Wunsch vor, den Riedell zustimmend abnickte.
Rohan betrat die Bühne, sobald das Mädel, das vorher gesungen hatte, davon verschwunden war. Es wurde ruhig und leise erklangen die ersten, verzogenen Klänge von Depeche Modes I Feel you .
..
Die Arme weit ausgebreitet, sang er mit seiner tiefen und
durchdringenden Stimme so, dass es allen eine Gänsehaut über den Körper trieb. Der Song war so energiegeladen und mitreißend, dass schon nach kurzer Stille alle im Saal mitgrölten, die den Text kannten. Rohans Stimme faszinierte die Masse und klang noch viel dröhnender und kräftiger als das Original.
Josh war fassungslos. Er wusste, wie gut sein Bruder schon unter der Dusche sang, aber durch das Mikrofon und die rhythmische Musik wurde seine Stimme so gut getragen, dass er kaum glauben konnte, wer da auf der Bühne stand. Rohan hatte die Leute voll im Griff. Als er sich leicht nach vorn beugte, wurden ihm bereits Hände entgegengestreckt. Die Mädchen kannten Rohan überhaupt nicht und die meisten hatten ihn von Beginn der Party an aufgrund seines Aussehens sogar eher kritisch beäugt, doch innerhalb der ersten zwei Minuten mutierten sie zu fanatischen Groupies. Rohan setzte sogar noch einen drauf. Mit Hüftbewegungen wie ein junger Gott brachte er seinen heißen Körper zum Einsatz, fuhr sich dabei lasziv über die Seite bis zu seinem Schritt, dann wanderte die Hand zurück zum Gesicht.
Mit geschlossenen Augen hauchte er die letzten Worte des Liedes ins Mikrofon und sah nach unten. Sobald er seinen Kopf wieder aufrichtete, applaudierten seine Kommilitonen und grölten nach einer Zugabe. Rohan kratzte sich etwas verlegen an der Nase und sah fragend zu Riedell. Dieser startete, ohne nachzufragen, einfach den nächsten Song und forderte Rohan mit einer Handbewegung auf, auf der Bühne zu bleiben. Plötzlich hallten die rockigen Töne von Nickelbacks Follow you Home
aus den Lautsprechern und Rohan grinste. Der Dozent schien gewusst zu haben, dass er selbst diesen Song drauf hatte und deutete eine Verbeugung an, dann legte er los und machte auch diesem Lied alle Ehre. Es klang beinahe noch besser und kraftvoller als das erste und Rohan hatte sichtlich Spaß dabei, das Mikrofon zum Beben zu bringen.
Nachdem die letzten Klänge verhallt waren, jubelte sein Publikum. Wie es aussah, hatte er nun eine Menge Fans und sogar die heterosexuellen Jungs schienen ihn plötzlich zu mögen.
Rohan war total verschwitzt, lächelte und überließ einem rothaarigen Jungen die Bühne, der am Rand schon aufgeregt zappelte, um endlich auch sein Können unter Beweis zu stellen. Er
sang einen Schlager von Helene Fischer.
Josh fing Rohan ab, bevor es die enthusiastischen Girls taten. Er zog ihn rasch zur Tür in Richtung der Herrenklos und zum Glück war es zu voll, als dass ihnen die Groupies folgen konnten. Außerdem machte der neue Sänger durch sein lautes Gejaule jede Kommunikation für Absprachen unmöglich.
Josh zerrte seinen Bruder in eine der Kabinen, und der fragte sich verwundert, was der Sinn dieser Aktion sein konnte. Doch als ihn der ziemlich betrunkene Josh plötzlich gegen die Trennwand drückte und ihn so fest küsste, dass er fast keine Luft mehr bekam, schwante ihm etwas.
»Du warsss einfach der Wahnsinn!«, lallte er. »Ich bin so stolz auf dich! Jedz ... jedz
verschteh ich endlich, warum du als ... Musikarist
durchschtaaten willst! Du ... du hass ... so viel Talent!«
Josh trank nur sehr selten Alkohol, aber wenn er dann doch mal von jemandem dazu verleitet wurde, dauerte es bekanntlich nicht lange, bis er alle seine Hemmungen verlor. In dem Fall schreckte er, wie Rohan inzwischen aus Erfahrung wusste, auch nicht vor engerem Kontakt zurück. Er aber wollte diese Momente keinesfalls mehr ausnutzen, denn er machte sich noch immer Vorwürfe wegen damals. Deshalb drehte er seinen Kopf auch zur Seite, als Josh im Begriff war, ihn ein zweites Mal zu küssen.
»Äh ... danke«, sagte er stattdessen verlegen. »Das ist nett von dir, aber lass uns doch jetzt lieber ’ne Runde tanzen, hm?! Der Abend ist noch jung und ich bin gerade erst in Stimmung gekommen!« So versuchte sich Rohan aus der Situation zu manövrieren.
Josh streichelte ihm mit einer Hand übers Gesicht, während er mit der anderen seine Hüfte umklammerte. Dabei sah er ihn zuckersüß fragend an.
»Willssu mich noch?«
Rohans Schwanz entflammte allein bei dem Gedanken daran, dennoch bemühte er sich, seine Triebe zu beherrschen. »Komm schon, Josh. Lass uns Tanzen gehen«, wiederholte er und zog ihn dann einfach mit sich zurück in die Aula.
Zum Glück war der Karaoketeil vorbei und es lief wieder normale Musik. Anscheinend hatte sich nach Rohans Performance und der peinlichen Darbietung seines Nachfolgers keiner mehr auf die Bühne
getraut. Dana war ebenfalls weg und ihre Freundinnen auch. Wahrscheinlich war einer von ihnen übel geworden und sie brachten sie nach Hause.
Gerade lief ein Song, zu dem man gut tanzen konnte, und Josh zog seinen Bruder fröhlich auf die Tanzfläche. Er legte ihm seine Arme um den Hals und ließ sich von ihm führen, denn er selbst war ja schon ziemlich wackelig auf den Beinen. Rohan behielt seine Hände erst auf Joshs Hüften, als der Song dann aber etwas ruhiger wurde, griff er nach seinem Hintern und presste seinen Tanzpartner an sich, während sie sich im Takt der Musik hin und her bewegten. Daraufhin rutschten Joshs Lippen immer mal wieder über die von Rohan, dem es langsam dämmerte, dass sein Bruder in einem seiner
Clubs auch keine schlechte Figur machen würde.
›Bekanntlich können Homos gut tanzen, aber für verkappte Bisexuelle gilt das wohl auch.‹
Josh leckte immer gieriger über Rohans Lippen. Fordernd drang seine Zunge wieder und wieder in dessen Mund, sodass sein Bruder ihn irgendwann am liebsten auf den Boden geschmissen und einfach hemmungslos durchgenommen hätte. Zum Glück war es ziemlich dunkel auf der Tanzfläche und die Anwesenden alle schon so betrunken, dass es nicht weiter auffiel, was die beiden da taten.
Irgendwann reichte es Rohan. Das enge Tanzen, die Berührungen, der Geruch nach purem Testosteron und Wodka ließen ihm das Blut zwischen den Beinen kochen. Sein ganzer Körper schrie nach Sex. Er selbst hatte auch schon einiges getrunken, konnte aber noch so weit klar denken, dass sie es nicht auf der Tanzfläche treiben konnten, denn das hätte wohl doch Aufsehen erregt. Rohan vertrug den Alkohol wesentlich besser, aber auch seine Gewissensbisse schwanden sekündlich. Er riss sich zusammen und navigierte seinen aufgegeilten Bruder schließlich das kurze Stück Weg über den Campus ins Wohnheim zurück.
Auf dem Weg dorthin trafen sie einige Leute, die allerdings so mit sich selbst oder mit dem Objekt ihrer Begierde an ihrer Seite zu tun hatten, dass sie den beiden keinerlei Beachtung schenkten.
Rohan öffnete hastig die Tür und stieß seinen Bruder mit einem breiten Grinsen auf das Sofa. Der spreizte sofort, ebenfalls grinsend, die Beine, damit sich der heiße Sänger dazwischenlegen konnte. Dann
verschlangen sie sich mit ihren Küssen. Zwischendurch schaffte es Rohan, seinem Bruder die Hose auszuziehen, und küsste sich im Anschluss über dessen Bauch nach unten. Der Alkohol machte Joshs Standhaftigkeit allerdings zu schaffen, sodass er auch nach längerem Lecken zwar fast wahnsinnig vor Geilheit, aber nicht richtig steif wurde. Rohan rutschte wieder nach oben und flüsterte seinem keuchenden Bruder ins Ohr:
»Ich würde mich ja gerade echt gerne auf dich draufsetzen, aber so geht das nicht. Du bist zu abgefüllt. Sollen wir aufhören oder kann ich dich …?«
Josh, der gar nicht mehr wirklich wusste, wer, was und in welcher Situation er gerade war, küsste Rohan statt einer Antwort, was dieser schlichtweg als Ja!
hinnahm. Sofort öffnete er seinen Reißverschluss und holte seine pochende Latte hervor, die ihm schon die ganze Zeit den Stoff spannte.
Er keuchte: »Fass ihn an! Denkst du, das geht?«
Wie im Delirium berührte Josh den großen, harten Schwanz über seinem Bauch und nickte mit halb geschlossenen Augen. In Sekundenschnelle holte Rohan Gleitgel aus seinem Zimmer und schulterte dann die Kniekehlen seines Bruders. Aufgeregt nahm er einen ordentlichen Schuss der glitschigen Flüssigkeit aus dem praktischen Spender, benetzte seine Finger und massierte damit den rosigen Eingang. Josh keuchte auf, sein Bolzen begann zu zucken und beim Eindringen des ersten Fingers in ihn stöhnte er laut auf.
Dieses Gefühl war völlig neu für ihn, ungewohnt, seltsam, aber auch hammergeil.
»Du bist so verdammt eng«, schnaufte Rohan erregt, während er ihn sanft dehnte. »Entspann dich ... Ich will dir auf keinen Fall wehtun!«, flüsterte er dabei seinem stöhnenden, vor Geilheit schon halb weggetretenen Geliebten zu, dann verrieb er den Rest des Gels zusammen mit den ersten Lusttropfen auf seinem Ständer und drang ganz vorsichtig ein.
Josh jammerte ein wenig, als die Dehnung stärker wurde und ihn ein dumpfer, drückender Schmerz durchfuhr. Rohan japste hingegen schwer beherrscht und flüsterte ihm immer wieder zu, wie geil er ihn machte und wie gut er sich anfühlte.
Dann, ganz langsam, wandelte sich Joshs Schmerz in Lust.
Immer heftiger wichste Rohan den Schwanz seines Halbbruders, wobei er zunehmend schneller in ihn stieß. Stöhnen und Schreie durchdrangen die Wohnung, dazu Worte, die sich wie ein Mantra wiederholten: »Fick mich, Zombie … oah ja, ja ... fick mich!«
Schließlich forderte der Alkohol seinen Tribut. Rohan verdrehte die Augen und schnaubte wie ein wildes Tier. Sein Becken verharrte bewegungslos. Tief in den heißen Leib gepresst, entlud sich sein Saft in dessen weiches Innere. Josh hyperventilierte, und zusammen mit den letzten Zuckungen des in ihm steckenden Pfahls kontrahierten auch seine Muskeln, bis er sich ergoss.
Ihr schweres Atmen durchzog das Wohnzimmer.
Es war vorbei.
Eine unaufhaltbare Müdigkeit überkam beide und schließlich schliefen sie entkräftet ein.
***
Wie gerädert erwachte Josh am nächsten Morgen im Wohnzimmer. Die Sonne ging gerade auf, in seinem Schädel hämmerten dumpfe Schmerzen, als würde sein Kopf jeden Moment zerspringen. Sein Mund fühlte sich furchtbar pappig an und in seinen Beinen kribbelte es wie von tausend kleinen Nadelstichen. Hatte er etwa die ganze Nacht auf dem Sofa verbracht? Das Atmen fiel ihm schwer, jemand schien schlafend auf ihm zu liegen und nahm ihm mit seinem Gewicht die Luft. Mühsam drehte er den Kopf zur Seite, um auf der Wanduhr die Uhrzeit abzulesen, doch als er seinen Oberkörper mitdrehen wollte, geriet er auf einmal in den Sog der Schwerkraft und landete mit einem dumpfen Schlag auf dem Boden.
»Auuuaaaa«, wimmerte er und rieb sich die Hüfte, doch plötzlich konnte er viel besser atmen. Erst jetzt sah er, dass Rohan auf ihm gelegen hatte. Nackt, wie man unschwer erkennen konnte.
»Auauaua ...«, jammerte auch dieser mit noch immer geschlossenen Augen, da er mit auf den Boden befördert worden war.
Josh rappelte sich auf, versuchte zu verstehen, was passiert war, doch ehe er etwas sagen konnte, verkrampfte sich sein Magen. Sofort hetzte er ins Bad und schaffte es gerade noch so, den Klodeckel anzuheben, um in den Porzellanthron zu kübeln. Es dauerte eine Weile, bis der Würgereiz aufhörte, doch dabei bemerkte er auch
schon die nächste Überraschung: Irgendetwas floss aus seinem Rektum? Die Übelkeit überkam ihn erneut, und nachdem er seinen Mageninhalt vollständig entleert hatte, spülte er einmal und setzte sich aufs Klo.
›Scheiße ... ich muss mir auf dieser verdammten Party einen Magen-Darm-Virus eingefangen haben‹
, war der erste, halbwegs klare Gedanke, den er fassen konnte, doch es kamen nur ein paar Tropfen aus ihm raus. ›Das ist zu wenig für Durchfall ... blute ich etwa?‹
Er bekam kurz einen richtig kleinen Angstschub und stand auf, doch als er dann nur weißlichen Glibber in der Toilette schwimmen sah, schwante ihm etwas. Langsam und mit vorsichtigen Schritten stakste er in Richtung Dusche, warf dort einen Blick zwischen seine zitternden Beine und entdeckte das Rinnsal, das an seinem Innenschenkel hinunterlief. Zögerlich wischte er mit dem Finger darüber und betrachtete den Glibber etwas näher, bis ihm ein Licht aufging.
Jetzt konnte er sich endlich, trotz seines vor Schmerzen schreienden Schädels, zusammenreimen, was geschehen sein musste.
Er hatte am letzten Abend viel zu viel getrunken und die Kontrolle über sich verloren. Schließlich war er mit Rohan auf der Couch gelandet. Ins Bett hatten sie beide es wohl nicht mehr geschafft. Dafür sprach, dass sein Bruder heute Morgen nackt auf ihm gelegen hatte. Doch war Rohan ebenfalls so stark betrunken gewesen wie er? Oder hatte er die Situation wissentlich ausgenutzt? Josh schüttelte den Kopf.
›Nein, das würde er niemals tun.‹
Er mochte zwar ein wenig notgeil sein und ihn liebend gern mit seiner Zuneigung triezen, aber er wusste im letzten Moment immer, was man lieber bleiben lassen sollte. Zumindest in Bezug auf ihn.
›Aber ... irgendwas ist eindeutig passiert!‹
Josh wunderte überhaupt nicht, dass er sich an kaum etwas klar erinnern konnte, so war das immer bei ihm gewesen, wenn er zu viel getrunken hatte. Doch einige Szenenfetzen flogen in sein Hirn: Der atemberaubende Auftritt seines Bruders beim Karaoke und dann ...?
›Oh nein! Ich ... ich hab auf dem Klo mit ihm rumgemacht und danach ... sogar auf der Tanzfläche! Also ist die Initiative von mir
ausgegangen!‹
Demnach musste es wahr sein: Er, der Paragraphenreiter, der heilige Moralapostel, hatte seinen jüngeren Bruder verführt ... und mit ihm geschlafen.
Doch soweit er wusste, hatte Rohan auch diesmal, wie vor jeder Party, irgendwelche Pülverchen geschnupft, die einen ähnlichen Gedächtnisverlust verursacht haben könnten. Er konnte sich dann oft nicht mehr an Dinge erinnern, die er in diesem berauschten Zustand angestellt hatte, vor allem wenn es dabei um Sex ging. Mit dieser Hoffnung im Hinterkopf beschloss er, die letzte Nacht irgendwie zu vertuschen, schrubbte sich sehr gründlich ab und beseitigte damit alle Beweise ihres kleinen Abenteuers.
Selbst wenn
sich Rohan erinnern sollte, wollte er versuchen ihm einzureden, dass er das alles mit jemand anderem getan hatte. Er konnte sich einfach nicht die Blöße geben, so schwach gewesen zu sein.
***
Kurz nachdem Josh fluchtartig im Bad verschwunden war, unternahm auch Rohan den Versuch, aufzustehen. Er blinzelte gegen die ersten hereinfallenden Sonnenstrahlen, keuchte vor Schmerz, da sein Rücken beim Sturz vom Sofa den Couchtisch gegrüßt hatte, und richtete sich stöhnend auf, ehe er sich umsah. Er saß direkt daneben auf dem Teppich. Nackt. Um ihn herum lagen einige Klamotten verstreut und er erkannte in ihnen sein gestriges Outfit, dazwischen allerdings auch die Kleidung seines Bruders. Rohan wurde ein wenig mulmig zumute. ›Was ist passiert? Ist das ... Gleitgel, da auf dem Tisch? Oh nein ... ich hatte mir doch geschworen, die Finger von ihm zu lassen?!‹
Er erinnerte sich noch, dass sie gemeinsam die Tanzfläche verlassen hatten, aber von dem Punkt an verschwammen die Bilder in seinem Kopf. Trotzdem war ihm eines bewusst: Er hatte sich mit jemandem herumgebissen und Sex gehabt ... aber mit Josh? Nein. Das musste ein Traum gewesen sein! Ein geiler, heißer Sehnsuchtstraum, befeuert durch den leidenschaftlichen Kuss auf dem Klo, den er von ihm bekommen hatte.
›Ach Mann! Ich hätte echt weniger saufen sollen ...‹
Mit einem angestrengten Seufzer erhob er sich und sah sich
genauer um. Dem eingetrockneten Fleck auf dem Sofa und seinem verklebten Bauch nach zu schließen, hatte er auf jeden Fall mit jemandem Sex gehabt ... oder sehr intensiv an sich selbst herumgespielt. Er hörte das Rauschen des Wassers im Badezimmer, also entweder duschte dort Josh oder derjenige, mit dem er geschlafen hatte. Oder beide.
Rohan suchte sich aus dem Klamottenhaufen erst einmal seine schwarzen Boxershorts heraus und zog sie an, um nicht die ganze Zeit nackt darauf warten zu müssen, dass er ins Bad konnte. Als schließlich die Tür aufging, sah er seinen Bruder herauskommen und sofort spannte sich alles in ihm an.
›Wenn er mir gleich eine runterhaut, weiß ich Bescheid.‹
Josh hatte sich ein Handtuch um die Hüften gebunden und bot fast denselben Anblick wie er bei ihrem ersten Zusammentreffen in dieser Wohnung.
Rohan brachte ein leicht schüchternes »Guten Morgen« zustande und achtete auf Joshs Reaktion.
Dieser warf ihm einen äußerst miesepetrigen Blick zu. »Morgen
! Bist du auch endlich mal wach?« Eine kurze, melodramatische Pause folgte und dann die Story, die er sich vorsorglich zurechtgelegt hatte: »Ist dieser komische Bengel wieder weg? Na, ein Glück! Ich bin echt ganz schön sauer deswegen! Taucht hier einfach so uneingeladen nach unserer Rückkehr von der Party auf, und dann vögelt ihr auch noch die ganze Nacht hindurch auf dem Sofa herum, sodass ich kaum ein Auge zubekomme!« Er bemühte sich, die vorwurfsvollste Tonart zu treffen, die er drauf hatte, entdeckte dann aber seine Klamotten vor dem Sofa und realisierte, dass seine Lüge eine fette Logiklücke hatte. »Äh ... und dann auch noch meine
Sachen vom Stuhl schmeißen, die ich da ordentlich hingelegt hatte!!! Ich glaub, es hackt!«
»Wirklich?« Rohan überlegte, konnte sich aber partout an keinen Besuch erinnern.
›War das vielleicht der kleine Blasebubi aus meinem ersten Kurs? Auf der Party war der bestimmt auch und möglicherweise ist er uns ja zum Wohnheim gefolgt?‹
Beschämt senkte er den Kopf. Josh hatte noch nie gelogen, also musste es wahr sein. »Tut mir leid, ich war wohl ganz schön blau.«
»Allerdings
. Du solltest dich jetzt besser duschen gehen. Ich räume in der Zwischenzeit den Schweinestall hier auf.«
»Ähm ... ja. Danke. Sorry nochmal.« Während sein Bruder betrübt ins Bad schlurfte, tat er Josh schon beinahe leid. Am liebsten hätte er ihn kurz umarmt und zugegeben, dass er es gewesen war, aber das würde einen Rattenschwanz nach sich ziehen, den er nicht im Ansatz kontrollieren konnte.
›Nein ... es darf einfach nicht sein‹,
bestätigte er sich gedanklich selbst. ›Wenn diese Hemmschwelle einmal überschritten ist, dann ... ich will mir gar nicht ausmalen, was danach passiert.‹
Im Badezimmer beschlich Rohan derweil ein merkwürdiges Gefühl. ›Irgendwas stimmt hier nicht. Warum sollte der Bubi Joshs Klamotten auf den Boden schmeißen? Vor allem, wieso liegen die dort? Er zieht sich doch sonst nie im Wohnzimmer aus?‹
Außerdem blitzte vor seinem inneren Auge ständig eine kurze Sequenz von Joshs Gesicht auf, das ihn voller Verlangen ansah und nach mehr keuchte!
Rohan ahnte, was sie beide wirklich getan hatten. Da er aber nicht sicher war, entschied er, das Thema auf sich beruhen zu belassen und Joshs Version zu akzeptieren. Selbst wenn es so, wie von ihm vermutet, gewesen war, würde sein Halbbruder wohl niemals zugeben können, dass es ihm gefallen hat, und wahrscheinlich würde ihn seine Scham ebenfalls zerreißen.
***
Frisch geduscht, Zähne geputzt und eingedieselt, kleidete sich Rohan in sein geliebtes Netzhemd und eine dazu passende, schwarze Armeehose, die seine langen Beine gut zur Geltung brachte. Josh hingegen beließ es derweil bei einer gut sitzenden Jogginghose und einem einfachen T-Shirt.
Es war Wochenende und Josh hatte für die nächsten Stunden nichts weiter vor, als sich von der anstrengenden Woche zu erholen. Er setzte sich mit dem mit Marmeladenbrötchen beladenen Frühstücksteller und einem starken Kaffee auf einen der Sessel. Das Sofa wollte er erst einmal meiden, obwohl er es bereits gesäubert hatte. Dann schaltete er den Fernseher ein.
Rohan schmunzelte beim Anblick seines Bruders, denn so, wie er sich seine Cornflakes nicht nehmen ließ, beharrte Josh darauf, jedes
Wochenende mit seinem süßen Frühstück vor dem Fernseher zu sitzen und sich die Samstagsdoku auf ARTE reinzuziehen. Meistens gesellte sich Rohan dazu. Sie aßen zusammen und schauten sich im Anschluss noch diverse Animeserien an. Ein typisches, beinahe wöchentliches Ritual, das nicht einmal durch Joshs Wechsel auf die Uni und ins Wohnheim unterbrochen worden war, da er meist am Freitagabend nach Hause gefahren und den ganzen Samstag über geblieben war.
Rohan nahm sich die neue Cornflakes-Packung und die Milch und setzte sich an den Rand des Sofas, um in Joshs Nähe zu sein. Auf dem Tisch lagen einige Dokumente, unter anderem die Papiere für die Studiengebühren. Rohan hatte sich schon öfter gefragt, was Josh nebenher machte, denn das BAföG reichte bei ihm hinten und vorne nicht und er wusste mit Sicherheit, dass ihre Mutter zu den Studienkosten ihrer Söhne nichts beisteuerte. Rohan war zwar der Meinung, dass ihre Mutter es ihnen schuldig gewesen wäre, sie zu finanzieren, wo sie sich doch so wenig um ihn und Josh gekümmert hatte, aber wo nichts war, konnte man nichts holen. Nach ihren Vätern zu suchen oder gar Kontakt zu diesen aufzunehmen, hatte sie ihnen ja sogar verboten.
Bis zu dem Moment, an dem herauskam, dass sie mit Rohans Erzeuger fremdgegangen war, hatte Joshs Vater mit in der Familie gelebt. Erst vor ein paar Jahren erfuhren die Jungs durch Zufall, dass er Josh, nach Karins One-Night-Stand, sogar zu sich holen wollte, aber ihre Mutter unternahm damals alles Menschenmögliche, um dies zu verhindern. Weiß der Teufel warum. Wahrscheinlich war sie auf das Kindergeld angewiesen und wollte natürlich auch weiterhin die Unterhaltszahlungen für Josh erhalten.
Rohans Vater hingegen zeigte nie Interesse, mit ihm Kontakt aufzunehmen. Vermutlich wusste er nicht mal, dass es ihn gab. Laut Karin hatte sie ihn in einem Club kennengelernt, auf dem Hinterhof Sex mit ihm gehabt und ihn danach nie wieder gesehen. Josh und Rohan wurden von ihrer Mutter stets auf die negativen Eigenschaften angesprochen, in denen sie ihren Vätern angeblich ähnlich waren, doch etwas Positives hatte sie nie zu berichten. Immer wieder schimpfte sie über all die schlechten Angewohnheiten und bekundete bei jeder Gelegenheit, dass sie selbst vom Aussehen her ganz nach ihren nutzlosen Erzeugern
kamen. Wahrscheinlich wollte und konnte sie deshalb auch kaum eine liebevolle Beziehung zu ihren Söhnen aufbauen.
In alten Briefen und Tagebuchaufzeichnungen hatten sie irgendwann herausgefunden, dass Rohans Vater in einer Band war, mit der er regelmäßig in einigen Clubs und Bars auftrat. Karin schrieb nämlich, er sei der Keyboarder gewesen. Joshs Vater hingegen war Arzt und hatte damals auf eine eigene Praxis hingearbeitet. So übel konnten sie doch also nicht sein! Leider fanden sie in den Unterlagen jedoch keine Namen oder Adressen, deshalb gaben die Brüder irgendwann auf und ergaben sich ihrem Schicksal. Je älter sie wurden, desto sichtbarer wurde auch, dass sie im Aussehen von ihrer Mutter kaum etwas geerbt hatten, außer der Nasenform vielleicht, und dass ihre Gesichter durch einige ihrer sehr femininen Gesichtszüge verfeinert wurden. Ansonsten waren nur wenig Ähnlichkeiten zu entdecken.
Rohan hatte damals erwartet, dass Josh ihn von dem Moment an hassen würde, in welchem er davon erfuhr, dass sein Vater im Grunde wegen ihm, seinem Halbbruder, gegangen war. Doch das tat er nicht. Er gab Karin die Schuld und nicht ihm. Josh war damals noch nicht einmal in der Grundschule und erkannte bereits die Unzuverlässigkeit seiner Mutter. Natürlich hatte er sie trotzdem lieb, bemerkte aber schnell, dass er
sich zu einem großen Teil mit um das kleine, unschuldige Baby kümmern musste, denn ihre Mutter würde es noch mehr vernachlässigen als ihren Erstgeborenen. Sie war von Anfang an mit ständig wechselnden Typen zusammen und zog bis spät in die Nacht durch die Gegend, völlig ignorierend, dass sie ein Baby und ein Kleinkind zu behüten hatte. Diese Tatsache verband die beiden Jungs immer mehr, schweißte sie regelrecht zusammen. Sie waren viel allein und begriffen sehr schnell, dass sie nur sich selbst auf der ganzen Welt hatten.
Belustigt betrachtete Rohan seinen frühstückenden Bruder. Der genoss trotz seiner verkaterten, ungesunden Blässe sein Marmeladenbrötchen sichtlich, beschmierte sich beim Essen die halbe Oberlippe, aber das war ihm wohl egal. Als kleines Kind hatte er ihm die Marmelade dann immer einfach abgeleckt und ihm danach einen Kuss auf den Mund gedrückt, aber heute wollte er die
Situation zwischen ihnen nicht unnötig belasten, nach dem, was da im Raum schwebte. So startete er einen Versuch, seine Gedanken auf ein anderes Thema zu lenken.
»Sag mal, Josh …«
»Mh?« Er drehte den Kopf kauend zu ihm und Rohan musste grinsen, weil sein Bruder so überaus zufrieden mit diesem Brötchen in der Hand dasaß, dass er für einen Augenblick lang wie ein kleiner Junge aussah.
»Wie hältst du dich eigentlich während des Studiums finanziell über Wasser? Die Kohle vom BAföG reicht doch gerade mal so für den ganzen Studienkram und die Unterkunft hier?«
Josh drehte sich wieder zum Fernseher. »Ich gehe arbeiten, was sonst?«
»Und was? Kellnerst du irgendwo?«
»Nein, gerade nicht. Ist doch egal, wie und wo ich mein Geld verdiene, Hauptsache, es ist da.«
»Du gehst aber nicht auf den Strich, oder?«, hakte er belustigt nach.
Josh verschluckte sich vor Schreck an einem Krümel, drehte sich mit tränenden Augen wieder um und fragte hustend: »Wie kommst du denn darauf? Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich so etwas machen würde!«
Rohan zuckte mit den Schultern. »Was machst du dann? Du verheimlichst mir doch sonst nichts. Ich meine, vertickst du Drogen? Oder was ist so schlimm daran, mir zu sagen, wie du an die Kohle kommst?«
»Es geht dich einfach nichts an! Das ist alles.«
Rohan überlegte und gab einen Schuss ins Blaue ab: »Ziehst du dich dabei aus?«
Josh verschluckte sich erneut, diesmal schlimmer als vorher, sodass er seinem röchelnden Bruder zu Hilfe kommen musste. Er klopfte ihm auf den Rücken und holte ihm dann ein Glas Wasser. »Hey, war doch nur ein Scherz. Ich weiß natürlich, dass du dafür viel zu prüde bist.«
Josh nickte kurz und hustete erneut. »Deine Scherze
bringen mich noch ins Grab
. Aber apropos Arbeit: Ich bin heute Nachmittag nicht da. Wenn du Hunger bekommst, dann bestell dir was beim Chinesen
oder so.«
»Und wo genau fährst du hin?«, versuchte es Rohan erneut, denn so schnell wollte er nicht aufgeben.
»Arbeiten
, hab ich doch gesagt! Ich bin spätestens zwanzig Uhr zurück. Übrigens, Dana kommt gegen eins kurz rüber, lässt du sie bitte rein? Sie fährt zum Waschsalon und hat mir angeboten, meine Wäsche mitzunehmen. Liegt alles in dem blauen Leinensack auf dem Bett. Gibst du ihr den also bitte mit und bist vor allem freundlich
zu ihr?«
Rohan rümpfte die Nase. »Und was, wenn ich auch weggehen will? Jetzt muss ich hier rumsitzen und auf diese Zicke warten?« Das brachte ihm einen vorwurfsvollen Blick ein und hätte er gewusst, dass Josh diesen Abholtermin erst noch organisieren wollte, damit ihm sein Bruder in seiner so deutlich gezeigten Neugier heute nicht heimlich nachstieg, wäre er wohl noch misstrauischer geworden.
»Sie ist keine Zicke
, und gestern hast du gesagt, dass du dieses Wochenende zu Hause bleiben und an deinem neuen Song arbeiten willst, also tu nicht so!«
Rohan seufzte genervt. »Hrmpf ... na schön! Wieso wäscht die überhaupt deine dreckigen Buxen? Ihr seid doch kein Paar ... oder?«
Josh tat völlig unbeteiligt. »Quatsch! Sie ist nur ... sehr freundlich
.«
Rohan verdrehte die Augen. »Sie ist hoffnungslos in dich verknallt
, merkst du das nicht?«
Joshs runzelte die Stirn. »Ist sie nicht
! Sie mag mich nur, das ist alles. Ich bin eben ein netter Kerl.«
Spielerisch schlug ihm sein Bruder auf die Schulter. »Sie schleppt dir alles hinterher, schmachtet dich permanent an und jetzt wäscht sie auch noch deine Klamotten! Wie viele Indizien brauchst du denn noch? Sie ist in dich verliebt, glaub mir!«
»Na ja, vielleicht ein bisschen.«
»Und?«, bohrte Rohan eifersüchtig nach.
Josh sah ihm fragend ins Gesicht. »Was und?«
»Na, willst du was Ernstes mit ihr anfangen?« Er hasste es, seinem Bruder alles aus der Nase ziehen zu müssen, und trommelte ungeduldig mit dem Finger auf dem Tisch herum.
Josh zuckte jedoch nur mit den Achseln. »Keine Ahnung.
Möglicherweise ...? Mein Typ wäre sie schon. Ich weiß noch nicht so genau.«
»Wie kann man so was nicht wissen?« Diese Aussage entlockte Rohan nur ein abfälliges Schnauben. »Wenn ich mit jemandem zusammensein will, dann spüre ich das mit ganzem Herzen! Wenn ich nichts
spüre oder nur wenig
, isses höchstens ’ne Bekanntschaft für untenrum.«
Josh wusste, dass sein Bruder recht hatte, aber, von Rohan abgesehen, hatte er noch nie wirklich jemanden geliebt, also wie sollte er wissen, was man dabei fühlt?
***
Am Mittag wollte Josh sich auf den Weg machen, doch kurz vor dem Verlassen der Wohnung fiel ihm etwas wegen seiner Wäsche ein, deren Abholung er tatsächlich noch nachträglich organisieren konnte, um nicht beschattet zu werden.
»Roi? Kannst du bitte auch meine weiße Jeans aus dem Schrank holen und Dana nachher mitgeben? Ich habe sie letztens einfach so weggepackt, obwohl die unteren Ränder dreckig geworden sind.«
»Klar, kein Problem«, erwiderte Rohan lächelnd und kam zur Verabschiedung in den Flur. Josh sah ihn an und gab ihm nach kurzem Zögern einen flüchtigen Abschiedskuss auf die Wange.
»Bis nachher. Sei artig und bitte nett zu Dana.«
»Immer doch! Freundlichkeit ist mein zweiter Vorname. Also dann, bis heute Abend.«
Josh schloss die Tür und fragte sich, ob der Kuss nicht vielleicht schon wieder zu viel des Guten war, doch dann schüttelte er den Kopf und lief die Treppen hinunter.
Währenddem verschwand sein Bruder zuerst fröhlich pfeifend im Bad und setzte sich danach an den alten PC. Pünktlich um dreizehn Uhr klingelte es. Rohan öffnete und Dana stand, grinsend wie ein Honigkuchenpferd, in einem weißen Pünktchenkleid vor der Tür. Sie stutzte bei seinem Anblick, da sie geglaubt hatte, Josh würde sie empfangen.
»Hey, Roi. Ähm ... ich wollte Joshs Wäsche mitnehmen. Ist er nicht da?«
»Der Meister ist Arbeiten. Ich soll sie dir geben.« Dabei deutete er auf Joshs Wäsche, neben die er auch noch klammheimlich seine
eigene in zwei große Beutel gepackt hatte.
Dana war leicht irritiert. »Oh, das ist ... etwas mehr
, als ich erwartet hatte.«
Rohan grinste innerlich vor Schadenfreude, blieb jedoch nach außen hin ungerührt. »Zu viel? Kein Problem, dann sag ich ihm einfach, dass du es eben nicht geschafft hast.« Dabei wollte er bereits die Tür schließen, aber Dana winkte ab und griff gleich nach den Säcken.
»Ach, nein, nein, kein Ding! Das krieg ich schon irgendwie hin!«
Nun konnte Rohan sich ein Schmunzeln nicht mehr verkneifen. »Du bist echt in ihn verschossen, oder?«
»Ähm … was? In wen?«, stammelte sie und zwirbelte verlegen an ihren braunen Haaren.
»Ach, komm schon.« Ein breites Grinsen zierte mittlerweile Rohans Gesicht. Sie wusste natürlich, wen er meinte, und drehte sich errötend weg. »Oh Gott, ist mir das peinlich.«
Doch der Bruder ihres Angebeteten lachte nur. »Keine Sorge, ich sag’s ihm nicht!«
Das beruhigte sie ein wenig und entlockte ihr ein schüchternes Lächeln. Gerade wollte sie mit dem Wäscheberg verschwinden, da erinnerte sich Rohan an Joshs Jeans und flachste: »Ach so, warte noch kurz, ich sollte dir auch seine ultradreckige
weiße Hose mitgeben.«
»Aha«, grummelte Dana und schien nun doch ein wenig bedient zu sein. Am Telefon hatte Josh nämlich nur von ein bisschen Wäsche
gesprochen und nicht von drei Säcken!
Rasch lief Rohan in Joshs Zimmer und durchwühlte dort den Kleiderschrank seines Bruders. Beim forschen Herausziehen des gesuchten Stücks fiel ihm der halbe Hosenstapel entgegen und er fluchte kurz. Weil Dana jedoch auf ihn wartete, brachte er ihr erst mal das letzte Kleidungsstück zur Tür, verabschiedete sich knapp und überließ es ihr, die Wäschesäcke schnaufend über die Treppen nach unten zu schleppen. Zurück im Schlafzimmer begutachtete er kurz, was da alles aus dem Schrank gefallen war, doch als er die Sachen einfach zurückstopfen wollte, fiel ihm ein Aktenordner hinter dem Stapel auf.
›Häh? Bürokram im Kleiderschrank? Das ist aber doch sehr
ungewöhnlich für Josh.‹
Er nahm ihn heraus, öffnete ihn und entdeckte eine Menge gelochter und eingeordneter Magazine darin. Es waren verschiedene Klatschblätter, ein paar Playboys und, ganz hinten, sogar einige Ausgaben der Zeitschrift Männer
.
Rohan kannte diese natürlich, denn es war ein sehr bekanntes Schwulenmagazin. Er wunderte sich, so etwas bei seinem Bruder zu finden, der, in nicht alkoholisiertem Zustand, ja ständig betonte, hetero zu sein. Als er bemerkte, dass bei jedem dieser Heftchen mehrere Seiten ein Eselsohr hatten, nahm er eins heraus und blätterte zu einer dieser Stellen.
Dort befand sich eine doppelseitige Werbung für Jockstraps von Addicted,
in Neonfarben. Das Model, welches sie in allen nur möglichen Posen in einer Art Hotelzimmer präsentierte, ein junger, gutaussehender Mann, kam ihm verdächtig bekannt vor. Er war geschminkt, hatte ebenso neonbunte Haare und flirtete verführerisch mit der Kamera oder besser gesagt dem Leser des Magazins. Je länger Rohan die Fotos betrachtete, desto mehr gewann er den Eindruck, dass er diesen Typen kannte, bis es Klick machte und es ihm wie Schuppen von den Augen fiel.
›Das ist Josh! Mein prüder, verklemmter Bruder!‹
Er beugte sich ungläubig über den Ordner, nahm wahllos verschiedene Zeitschriften heraus und blätterte zu den jeweils markierten Seiten. Tatsächlich waren überall Fotos von Josh in Designer-Klamotten zu sehen. Mal hatte er eine zugeknöpfte Winterkluft an, mal stand er auch nur nackt in der Dusche und hielt ein Kosmetikprodukt in der Hand. Ein anderes Mal umarmte er ein Pferd und winkelte eines seiner Beine an, damit der Fokus auf seinen brandneuen Reitstiefeln lag. Heiße Unterwäsche-Fotos gab es vor allem in den Magazinen für Homosexuelle, und auf einigen von denen war Josh auch mit einem oder mehreren anderen Models zusammen abgelichtet. In einer Sexszene sah man ihn zwar nicht, aber es gab angedeutete Kussszenen und sehr freizügige, fast schon intime Bilder für Parfüm oder Creme. Wenn er nackt posierte, dann verdeckte der Werbegegenstand in seinen Händen meist seinen Schritt, um den Fokus des Betrachters darauf zu lenken.
Rohan schockten und erregten die Fotos gleichermaßen.
Gleichzeitig konnte er es kaum fassen und realisierte auch nur langsam, dass seine Scherzfrage am Morgen, ob er sich für Geld ausziehen würde, voll ins Schwarze getroffen hatte.
»Unglaublich! Der sonst so konservative Superstreber, der brave Alles für die Schule und die Uni tun
Josh
– ist eine exhibitionistische Schlampe!?«
›Oder hat er vielleicht noch einen Zwillingsbruder, der bei seinem Vater lebt?‹
Unter einigen der Bilder stand als ausgewiesenes Model Collin C.,
was mehr für die Zwillingsbruder-Theorie sprach, allerdings konnte das auch ein Künstlername sein, um seine wahre Identität geheimzuhalten.
Beim Durchblättern bis zur Mitte eines Heftes fiel Rohan beinahe die Kinnlade zu Boden. Dort war Josh mit einem androgynen Jungen zusammen auf einem Poster zum Herausnehmen abgebildet! Er selbst posierte nackt auf einem Bett sitzend, der Andere lag mit dem Kopf auf seinem Schoß und blickte zuckersüß in die Kamera. Beide bewarben mit dieser Darstellung ein Parfüm! Sein Bruder trug auf dem Bild eine Sonnenbrille und Springerstiefel, grinste fordernd und sprühte seinem Partner das Duftwasser auf den ebenso nackten Hintern.
›Offenbar für’n Arsch, das Zeug!‹
Rohan konnte es kaum glauben. Dieses Model
aka Sexobjekt
, auf das tausende Schwule onanieren würden, war sein unschuldiger, verklemmter und vor allem heterosexueller
Josh!
»Na der kann was erleben, wenn er nach Hause kommt«, flüsterte Rohan in einem Gefühl der Vorfreude. »Der soll mir noch einmal vorhalten, ich
wäre zu freizügig
!«
Vorher musste er sich jedoch erleichtern. Eilig schloss er die Vorhänge und die Tür, nahm sich dann das Heftchen mit der Jockstrap-Fotoserie und platzierte es auf ein Kissen. Er öffnete seinen Reißverschluss, kniete sich hin und während seine Hand langsam an seinem großen, geraden Schwanz auf und ab glitt, seine Gedanken abschweiften und sein Körper immer heißer wurde, erinnerte er sich plötzlich an etwas, das er gestern Nacht klar und deutlich gehört hatte:
›Fick mich, Zombie … oah ja, ja ... fick mich.‹
Rohan lief ein Schauer über den Rücken.
›Josh ist der Einzige, der mich Zombie nennt!‹
Er hatte es also doch mit ihm getan, und je schneller er sich wichste, desto heftiger kamen auch die Erinnerungen zurück. Er sah deutlich vor sich, wie ihn dieser Satz zum Kommen gebracht hatte. Die Bilder der letzten Nacht durchfluteten erst sein Gehirn und dann seine Hand.
Rohan atmete schwer, wischte sich mit einem Taschentuch ab und verstaute den Ordner mit den Heften wieder im Schrank.
Er wusste jetzt ganz genau, was er zu tun hatte.