Erik sah seinen Sohn überrascht an. »Was machst du denn hier?«
Felix rekelte sich auf dem Stuhl, den Sören ihm hingeschoben hatte. »Ich habe Mittagspause.«
»Und die willst du in meinem Büro verbringen?«
Darauf antwortete Felix nicht. Er öffnete die Umhängetasche, ohne die er seit Neuestem nicht aus dem Haus ging, und zog ein Blatt hervor. »Bitte.« Er sah seinen Vater an, als wäre ihm überschwänglicher Dank sicher.
Erik nahm das Blatt nur zögernd in Empfang. »Aus dem Maklerbüro Dombrowsky? Was hast du gemacht, Felix?«
»Ich sollte heute ins Archiv, nach einer Akte suchen. Die hatte ich schnell gefunden, und da … da habe ich eben noch ein bisschen weitergesucht. Ich weiß doch, dass du Indizien brauchst. Oder noch besser: Beweise.« Er zeigte auf das Blatt. »Das ist vielleicht einer.«
»Das hast du … kopiert?«, fragte Erik entgeistert.
»Klar! Ich nehme doch nicht das Original heraus. Die Akte sieht noch genauso aus wie vorher.«
Es war ein Blatt eines Vertragssatzes. Das Blatt, auf dem der Kaufpreis eingetragen war. Er belief sich auf das Grundstück Witta Lührsens mitsamt dem Haus, was für Dombrowsky allerdings ohne Bedeutung gewesen sein dürfte, weil er es sowieso abreißen lassen wollte. Doch selbst wenn man den Wert des Hauses abzog, blieb ein Betrag übrig, der nichts mit der Sylter Realität zu tun hatte.
»Wie groß war das Grundstück?«, fragte Sören.
Erik zuckte die Schultern. »Schätzungsweise … achthundert Quadratmeter.«
Felix zeigte, dass er schon einiges gelernt hatte. »Der Durchschnittspreis in List beträgt tausendzweihundert pro Quadratmeter. Das wäre also eine knappe Million. Mein Chef war so scharf auf dieses Grundstück, dass Jesko sicherlich mehr dafür hätte verlangen können.«
Erik starrte ungläubig auf die Vertragsseite. »Und dann lässt er sich mit zweihunderttausend abspeisen?«
»Jesko Lührsen war nicht die hellste Kerze auf der Torte«, meinte Sören.
Aber Erik wehrte diesen Einwand ab. »So dämlich kann man nicht sein.«
Über Felix’ Gesicht ging ein Grinsen. »Da habe ich euch was zum Nachdenken gegeben, oder was?«
Erik sah nicht so zufrieden aus, wie er angenommen hatte. »Nur, dass das nicht verwertbar ist. Der Richter wird keinen Durchsuchungsbeschluss ausstellen.«
Felix war verblüfft. »Hey, du bist mit der Staatsanwältin zusammen.«
»Trotzdem geht das nicht. Es muss ein begründeter Verdacht bestehen, und der muss im Durchsuchungsbeschluss angeführt werden. Soll da stehen, dass der Sohn des Ermittlers sich im Archiv seines Chefs umgesehen und ein paar Seiten kopiert hat? In einem Durchsuchungsbeschluss muss auch grundsätzlich der Tatvorwurf benannt werden, außerdem Zweck, Ziel und Anlass der Durchsuchung. Auch die Beweismittel, die man aufzufinden hofft, müssen genannt werden.«
»Dombrowskys Verhalten«, ergänzte Sören, »ist zwar merkwürdig, aber nicht wirklich verdächtig. Wir müssten ihn befragen, und er käme möglicherweise mit einleuchtenden Gründen.«
»Aber befragen können wir ihn nicht, weil wir dann verraten müssten, dass du in seinem Archiv geschnüffelt hast.« Für Erik war die Sache klar.
»Trotzdem ist es gut«, sagte Sören, »dass wir diese Information haben. Wir können sie zwar nicht vor Gericht verwerten, aber wir können Dombrowsky unter die Lupe nehmen, weil wir mehr wissen, als er glaubt.« Er streckte Felix den erhobenen Daumen entgegen. »Also – alles richtig gemacht, Felix!«
Dieser Anerkennung wollte Erik sich auf keinen Fall anschließen. Es konnte doch nicht angehen, dass sein Sohn für etwas gelobt wurde, das er nicht hätte tun dürfen! »Ab jetzt keine Alleingänge mehr! Du wirst sonst Ärger mit deinem Chef bekommen.«
»Okay, okay.« Felix erhob sich und ging zur Tür. »Aber wenn mir was auffällt, sollte ich ja wohl Bescheid sagen. Oder?«
»Auf jeden Fall«, beeilte sich Sören zu antworten, ehe sein Chef etwas anderes sagen konnte.
Sie schwiegen, bis sie hörten, dass die Eingangstür zu dieser Etage hinter Felix ins Schloss gefallen war. »Ich finde es gut«, bekräftigte Sören, »dass wir jetzt etwas wissen, das ein merkwürdiges Licht auf Dombrowsky wirft. Der Kerl hat Dreck am Stecken.«
»Wir können deswegen nicht aktiv werden.«
Sören stöhnte auf. »Kümmern wir uns also erst mal um die Kette von Heike Schrunz. Ich bin gespannt, ob Sandra Lührsen sie erkennt.«