HANDY-BILDSCHIRM VON BECKY FLOWERS

BECKY FLOWERS

17:55

98%

Mom

17:45

Becky, Nicole hat mir gerade das mit den Stewarts erzählt! Bloomville war seit Jahren nicht mehr in den Nachrichten. Nicht mehr seit diesem Tornado, der über die Mall hinweggefegt ist. Und seit der Hantel-Mörderin natürlich.

Becky F

17:45

Mom

17:46

Ich bin im Park. Ich würde dich ja anrufen, aber hier ist so ein schlechter Empfang. Ich konnte schon Nicole kaum verstehen, als sie mich eben anklingelte, um mir zu sagen, dass Jackie Monroe von Channel 4 gerade über den Richter spricht. Kannst du dir das vorstellen? Jackie Monroe hat über UNSERE Stadt gesprochen!

Becky F

17:46

Mom

17:46

Es wird erst nach sieben dunkel. Und ich habe hier letztens so viele wunderbare Holzstöcke gefunden, als ich den Jungpfadfinderinnen bei den Aufräumarbeiten nach dem Sturm half.

Becky F

17:46

Mom

17:47

Ach, der war harmlos. Ich habe nur die Polizei gerufen, weil ich verhindern wollte, dass die Mädchen ihn mit heruntergelassener Hose sehen. Obwohl ich mir sicher bin, dass ein paar von ihnen schon Schlimmeres zu sehen bekommen haben.

Becky F

17:47

Mom

17:47

Kein Brennholz, Schätzchen, Holzstöcke. Habe ich dir meine neueste Kreation noch nicht gezeigt? Ich sprühe die Stöcke weiß an und binde dann kleine Stoffbuchstaben dran, die zusammen das Wort GESEGNET ergeben.

Becky F

17:47

Mom

17:47

Weil jeder unter seine Urlaubsfotos auf Facebook das Wort GESEGNET schreibt. Beziehungsweise unter die Fotos von seinen Enkelkindern.

Becky F

17:47

Mom

17:48

Oh, das freut mich, dass du dein Tagebuch noch hast! Jackie Monroe sagt, ein Tagebuch zu führen hilft, Stress zu reduzieren.

Meine Kreation kann man sich einfach über den Kopf halten und dann ein Selfie machen. Es ist nicht mehr nötig, das Wort GESEGNET extra unter das Bild zu schreiben, es steht ja schon darüber. So spart man sich einen Arbeitsschritt.

Becky F

17:48

Mom

17:48

Ich nenne sie Segen-Sticks. Wie Selfie-Sticks, weißt du? Ich habe meine erste Kollektion letzten Sonntag an meinem Stand auf dem Bauernmarkt angeboten, und sie entwickelte sich zu einem richtigen Verkaufsschlager! Die Frau von Dr. McLintock hat gleich ein ganzes Dutzend Segen-Sticks gekauft, zum Stückpreis von 50 Dollar, um sie an die Schwesternhelferinnen im Krankenhaus zu verteilen. Ich konnte es gar nicht glauben!

Becky F

17:48

Mom

17:49

Für den Kunsthandwerkermarkt in South Bend nächstes Wochenende werde ich deutlich mehr Sticks basteln. Ich habe noch jede Menge Stoff, darum brauche ich nur Stöcke. Aber es müssen HÜBSCHE Stöcke sein, nicht zu verschmutzt und ohne Blätter. Und natürlich ohne Käfer.

Also, was ich dich fragen wollte: Wirst du ihn anrufen?

Becky F

17:49

Mom

17:49

Na, Reed natürlich. Er wird bestimmt zurückkommen, jetzt, wo seine armen Eltern im Gefängnis sitzen. Wirst du ihn anrufen?

Becky F

17:49

Mom

17:50

Nun ja, ihr zwei habt euch schließlich mal sehr nahegestanden.

Becky F

17:50

Mom

17:50

Oh, ich weiß. Reed war halt einfach etwas ganz Besonderes. Schon in der Highschool stach er zwischen den anderen heraus, ein so großer und höflicher Junge, und er hat sich so wunderbar mit deinem Vater verstanden. Erinnerst du dich, dass er Dad immer in den Country Club mitgenommen hat zu einer Partie Golf?

Becky F

17:51

Mom

17:51

Von deinen anderen Freunden hat das keiner jemals getan.

Becky F

17:52

Mom

17:52

Na ja, ich will damit ja nur sagen, dass Reed ein unheimlich netter Junge war. Außerdem, jeder von uns macht Fehler, darum solltest du ihm das, was beim Abschlussball passiert ist, nicht länger nachtragen. Er hat sich ja offensichtlich geändert. Das musste er auch, um all diese Turniere zu gewinnen und die Werbeverträge zu bekommen! Und vielleicht kannst du diesen armen Leuten ja helfen.

Becky F

17:52

Mom

17:52

Reeds Eltern. Sie waren so freundlich zu uns, als Dad krank wurde.

Becky F

17:52

Mom

17:53

Oh, gut, dann richte Graham liebe Grüße von mir aus. Sag ihm, ich fand seinen Blue Log einfach himmlisch.

Becky F

17:53

Mom

17:53

Du weißt schon, der Käse, den er für meine Nähgruppe empfohlen hat. Er war köstlich.

Becky F

17:54

Mom

17:54

Oh, das werde ich nicht. Es sieht ohnehin so aus, als wären die besten Stöcke schon alle weg. Wahrscheinlich probiere ich es als Nächstes auf dem leeren Grundstück neben der Feuerwache. Viel Spaß heute Abend! ♥

Von: Trimble Stewart-Antonelli@stewart&stewart.com

Datum: 13. März 19:06:26

An: Carly Stewart@stewart-immobilien.com;
Marshall Stewart@stewart-immobilien.com; Reed Stewart@reedstewart.com

Cc: Tony Antonelli@AntonelliPizza.com

Betreff: Unsere Eltern

Lieber Marshall, lieber Reed und liebe Carly (ich beziehe dich mit ein, Carly, weil ich weiß, dass Marshall dir ohnehin alles erzählt, und natürlich lasse ich auch meinen Mann nicht außen vor),

ich habe die Kaution bezahlt und unsere Eltern aus dem Knast geholt.

Ihr braucht mir nicht zu danken oder mir das Geld anteilig zurückzuerstatten. Als Erstgeborene (und Testamentsvollstreckerin) war es meine Pflicht.

Allerdings möchte ich euch hiermit mitteilen, dass dies das letzte Mal war, dass ich mich um unsere Eltern gekümmert habe. Ihr jüngstes Verhalten ist nicht nur peinlich, es gefährdet zudem mein Ansehen als Juristin wie auch Tonys Ansehen als namhafter Gastronom (für jene von euch, die es noch nicht wissen, Tony eröffnet nächsten Monat in Dearborn sein zweites Restaurant, das Antonelli’s II).

Ich weiß nicht, ob auch nur einem von euch klar ist, wie tief Mom und Dad abgestürzt sind. Als ich sie heute Nachmittag bat, mir die Kaution (1600 Dollar) zu erstatten, erklärten sie mir, dass sie keinen Cent mehr besäßen.

Nicht nur keinen Cent mehr von den Rücklagen für ihren Ruhestand, sondern ÜBERHAUPT KEIN GELD MEHR.

Sie haben bereits eine zweite Hypothek auf das Haus aufgenommen und sämtliche Kreditkarten überzogen, um (ein paar) Rechnungen zu bezahlen.

(Ich schreibe „ein paar“ Rechnungen, weil ich, als ich unsere Eltern nach Hause brachte, sah, dass der Briefkasten offenbar schon länger nicht mehr geleert worden war und vor Mahnungen überquoll. Darunter waren auch welche von hiesigen Geschäften, wie zum Beispiel Hayes Heimwerkerbedarf, wo Daddy offensichtlich eine neue Poolfolie gekauft hat.)

Mom wiederum hat in den letzten drei Monaten über 5000 Dollar für Rubbellose ausgegeben, die sie per Scheck bezahlt hat.

Als ich unsere Eltern damit konfrontierte, lachten sie und erklärten mir, ich bräuchte mir keine Sorgen zu machen, „weil sich alles regeln wird“.

Wollt ihr wissen, wie?

Anscheinend beruht der gesamte Altersvorsorgeplan unserer Eltern darauf, „Millionen“ zu machen durch den Verkauf weiterer Briefmarken wie jener, mit der sie gestern Abend das Shenanigans abzocken wollten, und darüber hinaus im Lotto zu gewinnen.

UNSERE ELTERN SIND GEBILDETE MENSCHEN. WIE KANN SO ETWAS PASSIEREN?

Ich habe versucht, den beiden zu erklären, dass selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass sie mit Daddys Briefmarken und Moms Rubbellosen ein Vermögen machen, immer noch Steuern auf die Verkäufe und Gewinne entrichtet werden müssen, und dass nach allen Abzügen sicher nicht genügend übrig sein wird für folgende Dinge:

Die anderweitige Unterbringung von über einem Dutzend Katzen, die derzeit im Haus und auf dem Grundstück leben.

Die Hypothek(en).

  1. Die zwei Autos (kann mir jemand erklären, warum unsere Eltern zwei nagelneue Mercedes geleast haben, wenn sie sich nicht einmal einen leisten können?)

  2. Die amerikanische Regierung, der Daddy mehrere Tausend Dollar Steuern schuldet (was er, wie er mir erklärte, nicht als Verpflichtung betrachtet, weil sein Steuerberater vor fünf Jahren starb. Laut Daddy braucht man nämlich keine Steuern mehr zu entrichten, wenn der Steuerberater stirbt. Was für ein wunderbares Gesetz, von dem ich bis dato gar nichts wusste! Warum fangen wir nicht alle an, unsere Steuerberater umzubringen? Dann bräuchten wir nie wieder Steuern zu bezahlen).

Ein Glück, dass Daddy mir damals die Kanzlei überschrieben hat, als Geschenk zu meinem bestandenen Jura-Examen, anderenfalls würde ihr bald die Zwangsversteigerung drohen.

Ich habe Daddy erklärt, dass er sich täuschen würde und dass es nun wirklich an der Zeit sei, dass er und Mom mir eine Vorsorgevollmacht geben, damit ich Ordnung in dieses Chaos bringen kann (als Testamentsvollstreckerin bin ich erst nach beider Tod befugt, die Schuldenregulierung zu organisieren), worauf er erwiderte, ich solle ihm „den Buckel runterrutschen“.

Und als ich ihm ganz freundlich vorschlug, dass er und Mom vielleicht einmal einen anderen Arzt konsultieren sollten als Dr. Jones, um eine zweite Meinung zu ihrer geistigen Gesundheit einzuholen, da es ja klar auf der Hand liegt – jedenfalls für mich –, dass die beiden nicht mehr richtig fit in der Birne sind, befahl er mir unmissverständlich, das Haus zu verlassen.

Selbst meine Empfehlung, dass er und Mom nach Kalifornien umziehen könnten, in ein nettes Seniorenheim, so wie Onkel Lyle es getan hat, und ihr Haus verkaufen sollten (oder zumindest versuchen, es zu verkaufen, bevor die Bank es sich unter den Nagel reißt – nicht dass jemals irgendjemand diesen übelriechenden, baufälligen alten Kasten kaufen würde), stieß auf scharfe Ablehnung. Daddy antwortete mir, es gebe nur eine einzige Möglichkeit, wie er Bloomville jemals verlassen würde: „In einem Holzsarg“.

Ich wende mich daher auf diesem Weg an euch, um euch viel Glück zu wünschen. Ich habe meinen Part erfüllt, und mehr werde ich nicht tun. Mein Mann und ich haben unsere eigenen Geschäfte, um die wir uns kümmern müssen, und dazu zwei Teenager, die wir großziehen. Ich habe weder Zeit noch Lust, mit diesen zwei Bekloppten, die sich unsere Eltern nennen, Spielchen zu spielen.

Für den unwahrscheinlichen Fall, dass es euch gelingen sollte, die beiden zur Vernunft zu bringen, hoffe ich, dass ihr nicht vergesst, dass Mom mir das ganze Tafelsilber und die Waterford-Kristallgläser versprochen hat, und natürlich auch den venezianischen Kronleuchter aus dem Esszimmer. Carly, ihr habt kein offizielles Esszimmer, der Kronleuchter würde bei euch gar nicht reinpassen, und außerdem sind eure Kinder noch zu jung, um Stielgläser zu würdigen.

Und Reed, keiner dieser Gegenstände würde zu deinem Lebensstil passen.

Offen gesagt, als Testamentsvollstreckerin – und nach allem, was ich heute durchgemacht habe – ist es das Mindeste, was ich verdient habe.

Viele Grüße

Trimble

Trimble Stewart-Antonelli

Anwältin

Kanzlei Stewart & Stewart

1911 South Moore Pike

Bloomville, IN 47401

(812) 555-9721

www.stewart&stewart.com