Der Untergrund des Spielplatzes ist braun, weich und gummiert wie die Rennbahn in einem Olympiastadion. Nur sind hier Kinder die Athleten, und die Eltern machen einen auf Trainer. Klettere hoch, hochklettern! Spring! Klettere drüber! Runterrutschen! Bravo. Meine Süße. Mein Schatz. Mein Liebling.
Auf dem Spielplatz können Mütter sich in die Haare geraten, nur weil ein Kind sich auf einer Rutsche oder am Kettenkarussell vorgedrängt oder ein anderes Kind geschubst hat. Der Spielplatz ist ein Pausenhof-Crashkurs. Manche Eltern kennen sich schon und stehen zusammen. Ihre Kinder gehen in denselben Kindergarten, sind auf derselben Schule, sie sitzen in Gruppen auf den Bänken. Und plaudern. Dieses Jahr ist die Lehrerin wirklich nett. Ach ja, finden Sie? Netter als letztes Jahr, meine Kleine liebt sie heiß und innig. Offenbar ist ein Ausflug geplant, ich glaube, ich biete mich als Begleitperson an. Es sind immer dieselben Eltern, die sich engagieren. Das Essen in der Schulmensa sollte endlich auf bio umgestellt werden.
Der Kleine hat sich mit anderen in das Züglein gesetzt. Aus farbigen Holzpanelen gebaut und im Inneren mit einem Tisch und zwei winzigen Bänken ausgestattet, ein Erwachsener würde kaum hineinpassen. Das Lachen ihres Sohns vermischt sich mit dem der anderen Kinder. Er ist unglaublich gern unter Menschen, er ist kontaktfreudig, fröhlich, sie fragt sich, von wem er das hat.
Ihr Smartphone vibriert. Hektisch kramt sie in ihrer Tasche. Es ist Thierry, der Art Director einer Agentur, die ihr noch ab und zu einen Auftrag vermittelt. Sie nimmt das Gespräch entgegen. »Brauchst du jetzt Arbeit, ja oder nein? Der Kunde hat immer noch nichts von dir erhalten! Die müssen jetzt die Veröffentlichung verschieben!«
Und er macht weiter: »Weißt du, wie es bei der Konkurrenz läuft? Du wirst doch korrekt bezahlt, oder? Und du bist nicht die Einzige mit einem Kleinkind! Die Welt dreht sich schließlich weiter! Bis heute Abend will ich den Umschlag von Jerôme Chatelain, und das Handbuch über die Kunst der Sushi-Zubereitung bis Montag. Sonst setze ich jemand anderen daran. Und zu dem Januar-Meeting musst du unbedingt erscheinen, besorge dir einen Babysitter, mach es wie alle anderen, organisiere dich!«
Sie sollte sofort nach Hause zurückgehen. Den Kleinen bis zum Abendessen vor einen Zeichentrickfilm setzen. Aber der Kühlschrank ist leer, sie muss noch schnell in den Supermarkt. Kartoffeln und Käse kaufen, und auch Milch. Joghurt. Unbedingt die Regale mit Süßigkeiten meiden. Und das Kind an der Kasse ablenken. Damit es nicht wie letztes Mal einen Tobsuchtsanfall kriegt. Damit es sich nicht im Vorbeigehen etwas Süßes schnappt und wie am Spieß brüllt, wenn sie ihm das wegnehmen will. Dass es sich nicht brüllend auf den Boden wirft. Dass sie nicht schweißnass aus dem Geschäft fliehen muss, schamrot und ganz durcheinander, unter den Buhrufen der anderen Kunden, die sie sich natürlich nur einbildet. Noch so ein kleiner Tyrann und noch so eine ledige Mutter, die ihr Leben nicht auf die Reihe kriegt, eine arme, dumme Frau.
Der Kleine steht oben auf der Rutsche, er sucht sie mit dem Blick.
Sie braucht nicht groß zu rechnen. Ein Babysitter kostet zehn Euro die Stunde. Ihre Fahrt nach Paris zu der Agentur kostet mindestens hundert Euro. Das bisschen Geld, das sie dadurch einnimmt, geht komplett für die Miete drauf, für Einkäufe und Rechnungen.
Ein dumpfes Plumpsgeräusch auf dem elastischen Untergrund, Schreie.
»Zu wem gehört der? Zu wem gehört der Kleine, wo sind die Eltern?«
Der Chor der Mütter rennt zur Rutsche.
Sie lässt ihre Sachen liegen, eilt hinzu.
Der Kleine liegt benommen auf dem Boden. Erst als er sie herbeieilen sieht, fängt er an zu schreien. Tut es dir weh? Zeig her! Wo tut es dir denn weh?
Stimmen werden laut.
»Er ist von der Leiter gefallen, der Kleine …«
»Von ganz schön weit oben …«
»Hoffentlich hat er nichts am Kopf, eine Gehirnerschütterung, das geht ganz schnell.«
»Tja, das passiert eben, wenn man sie nicht ständig im Auge behält.«
»Klar, alle hängen lieber an ihrem Handy, heutzutage …«
Die auf der Parkbank liegengebliebenen Sachen holen und mit Würde den Spielplatz überqueren.
Das Kind auf der linken Schulter, den Buggy am ausgestreckten rechten Arm. Das Gefährt wie einen Rammbock vor sich herschieben. Und das Ausgangstor aufstoßen.