Der Kleine sitzt vor dem Fernseher. Das Fernsehen ist der billigste Babysitter, der beste sicher nicht. Sie schaut mit einem Auge auf den Bildschirm — sie will nicht, dass er irgendwas anschaut, womöglich Werbung, Verkaufskanäle, gewalttätige Serien —, mit dem anderen Auge schaut sie auf ihren Computer und versucht zu arbeiten. Danach will sie duschen. Den Kleinen anziehen, zum Spielplatz gehen, zu Mittag essen. Dann wieder eine oder zwei Stunden arbeiten, während er sein Mittagsschläfchen hält. Danach ein kleiner Imbiss, einkaufen gehen, den Kleinen baden, der ewige Trott, die vertraute Leier.
Was ist los? Sie geht zu ihm, streicht ihm über die prallen Bäckchen. Willst du noch ein Fläschchen? Magst du dich ein bisschen in dein Bettchen legen? Der Mund des Kindes verzieht sich, die kleinen Mundwinkel senken sich, die Augen sind halb geschlossen. Bist du traurig? Er nickt, sein kleines Kinn bebt leicht. Was ist denn? Papa, flüstert das Kind, mein Papa. Was ist mit deinem Papa? Wo ist er, mein Papa?
Sie setzt sich zu dem Kind. Nimmt seine Hand. Er ist jetzt nicht da, dein Papa. Er ist nicht da, da können wir nichts machen. Du nicht und ich nicht.
Sie wünschte, sie fände die richtigen Worte, um ihn zu beruhigen, ihn zu trösten, aber sie hat irgendwo, vermutlich in einem Internetforum, gelesen, dass man ein Kind nicht mit falschen Versprechungen hinhalten, ihm keine falschen Hoffnungen machen solle. Doch diesmal tut sie es. Wenn dein Papa dich eines Tages sehen möchte, ruft er mich an, und ich werde es dir sagen. Ich werde es dir sofort sagen, du bist der Erste, der es erfährt. Wenn dein Papa anruft, werde ich mich euch nicht in den Weg stellen, ganz bestimmt nicht, ich weiß, wie wichtig ein Papa ist.
Sie darf nicht mit dem Kind in Trübsinn verfallen, nicht mit ihm weinen, sie kann Mitgefühl zeigen, darf aber nicht mitleiden. Sie darf auch seinen Kummer nicht unterschätzen, wenn er ihn schon mal zum Ausdruck bringt. Du bist nicht der Einzige, mein Schatz, es gibt so viele Kinder ohne Papa, sehr viele, das ist wirklich keine große Sache.
Sie wiegt das Kind in den Armen, es scheint sich zu beruhigen. Mein Kleiner, mein süßer kleiner Spatz. Nein, ich bin schon groß, protestiert das Kind. Gut, mein kleiner Großer. Was sollen wir spielen? Wir tun so, als wäre ich ein Krokodil, und du, was bist du? Ein Panther? Einverstanden, du bist ein Panther, rrrrr.