Kapitel 4

Max stand mit seiner Clique in einer Ecke des Schulhofs. Die vier Jungen steckten die Köpfe zusammen. Schnell hatte Paul sie erspäht. Auf leisen Sohlen schlich er näher. Dabei achtete er sorgsam darauf, niemandem in die Quere zu kommen.

»Heute nach der Schule ist er dran, der kleine Streber! Wir verstecken uns hinter dem Wartehäuschen an der Straßenbahnhaltestelle. Und wenn er vorbeikommt, umzingeln wir ihn und verabreichen ihm eine Tracht Prügel, dem Feigling.« Max steigerte sich gerade in seine Wut hinein.

»Jawoll, Feigling! Wie der heute früh an uns vorbeigezischt ist«, sagte Alexander.

»Genau. Mit diesem Grinsen im Gesicht«, fügte Simon hinzu.

»Aber kein Wort zu den anderen! Nicht, dass uns jemand bei Lehrer Jablonski verpetzt«, warnte Julian und hob mahnend seinen rechten Zeigefinger.

Als Paul hörte, was die Maxbande Boshaftes ausheckte, stiegen ihm die Tränen in die Augen. Er hatte denen doch nichts getan! Nur weil er im Kopfrechnen so fit war, mussten die ihn doch nicht quälen!

Auf jeden Fall würde er heute nach der Schule einen Umweg machen.

Aber dann hatte Paul plötzlich eine bessere Idee.

Weil er unsichtbar war, konnte er noch während der Pause ohne Probleme in das Klassenzimmer zurückschleichen.

Super!

Jetzt schnell, bevor die Pause zu Ende ging!

Mit fliegenden Fingern riss Paul im Klassenzimmer ein Blatt von seinem Schreibblock und schrieb in fetten Druckbuchstaben darauf:

Kaum hatte er den letzten Buchstaben geschrieben, da läutete auch schon die Schulglocke. Gleich würden die anderen Kinder ins Klassenzimmer stürmen. Paul legte das Blatt auf Maximilians Tisch und lief auf den Gang hinaus. Draußen nahm er die Mütze vom Kopf und stopfte sie sich wieder in den Hosenbund. Dann wartete er, bis die ersten Kinder auftauchten. Unauffällig reihte er sich in die Schlange ein.

»Wo warst du denn die ganze Zeit?«, rief Philipp. »Wir haben überall nach dir gesucht.«

»War wieder irgendetwas mit Max?«, wollte Anna wissen.

Stumm schüttelte Paul den Kopf. Er war nun sehr gespannt, was für ein Gesicht Max machen würde, wenn er den Zettel auf seinem Tisch entdeckte.

In der nächsten Schulstunde sollten die Kinder still eine Geschichte im Lesebuch lesen und anschließend auf einem Arbeitsblatt Fragen zum Text beantworten. Paul behielt Max im Blick. Der hatte natürlich sofort den Zettel auf seinem Platz entdeckt. Seine Augen saugten sich an den fetten Buchstaben regelrecht fest. Das Blut stieg ihm in den Kopf. Hastig zerknüllte er das Blatt und steckte es in seine Hosentasche. Dann starrte er regungslos vor sich hin.

»Würdest du so freundlich sein und endlich auch dein Lesebuch aufschlagen? Oder brauchst du eine Extraeinladung?« Lehrer Jablonski hatte sich in voller Größe neben Max aufgebaut.

Dieser schreckte hoch und blätterte hektisch in seinem Lesebuch.

Paul versuchte verzweifelt, den Inhalt der Geschichte zu verstehen. Aber seine Gedanken schweiften immer wieder ab. Er musste dauernd zu Max hinüberschielen. Dieser flüsterte jetzt mit Alexander. Unter der Bank drückte er ihm den zerknüllten Zettel in die Hand. Als dieser die Botschaft entschlüsselt hatte, schüttelte er energisch den Kopf. Paul konnte von seinen Lippen ablesen, dass er beteuerte, er hätte nichts verraten.

»Was geht denn an diesem Tisch da hinten schon wieder vor sich? Was gibt es dort so Wichtiges zu besprechen? Jetzt wird gearbeitet, meine Herren!« Lehrer Jablonski steuerte mit Riesenschritten auf die beiden Störenfriede zu.

Alexander ließ rasch den Zettel auf den Boden fallen, aber es war bereits zu spät.

Herr Jablonski schnappte sich das zerknüllte Ding, strich es glatt und begann, laut vorzulesen: »Plan … Taten … geheime Macht …« Dann verstummte er für einen Augenblick, um gleich darauf mit gefährlich leiser Stimme zu fragen: »Wo habt ihr das her?«

Inzwischen hatten alle anderen Kinder auch bemerkt, dass irgendetwas nicht stimmte. Ans Weiterlesen war nicht mehr zu denken. Alle schauten neugierig zu Max und Alexander hinüber.

»Ich weiß auch nicht, was das mit dem Zettel auf sich hat. Nach der Pause lag er einfach auf meinem Tisch. Ich fand das irgendwie unheimlich, und deshalb habe ich ihn Alexander gezeigt.«

»Hm. So, so!« Nun richtete Lehrer Jablonski seine Aufmerksamkeit wieder auf die gesamte Klasse. »Sonst hat niemand von euch etwas zu berichten? Keiner hat etwas Ungewöhnliches beobachtet?«

Die Kinder saßen mucksmäuschenstill. Niemand sagte ein Wort.

Paul hätte sich am liebsten wieder unsichtbar gemacht. Stumm starrte er in sein Lesebuch. Von ihm würde Herr Jablonski nichts erfahren.

»Na gut! Wenn hier keiner reden will, dann muss den Zettel wohl ein Geist geschrieben haben. Ihr könnt sicher sein, dass ich der Sache nachgehen werde.«