Kapitel 14

Pauls Mutter staunte nicht schlecht, als ihr Sohn mit einer Ratte auf der Schulter von der Schule nach Hause kam.

»Heute bist du aber sehr spät dran! Ich wollte gerade bei Anna anrufen, um mich zu erkundigen, ob dir etwas passiert ist. Und was, um alles in der Welt, schleppst du denn da mit dir herum?«

Natürlich konnte Paul nicht alle Einzelheiten seines Abenteuers preisgeben. Die Probleme mit Max wollte er lieber für sich behalten. Auch, dass er nun mit einer sprechenden Ratte befreundet war, würde seine Mutter nicht verstehen. Also sagte er nur: »Das arme Tier lag halbtot im Schulhof. Ich habe es gefunden und mit dem Rest meines Pausenbrotes gefüttert. Dadurch kam es wieder zu Kräften, und danach ist es mir nicht mehr von der Seite gewichen. Bitte, bitte, darf ich die Ratte behalten?«

Pauls Mutter schüttelte stumm den Kopf und murmelte: »Was sind das nur wieder für Geschichten! Also meinetwegen. Solange das Tier nicht überall in der Wohnung herumläuft und du es zuverlässig versorgst, will ich es dir erlauben. Nur zur Probe, wohlgemerkt.«

Geschafft! Paul atmete auf.

Als er nach dem Mittagessen mit Zäkary in seinem Zimmer über den Hausaufgaben saß, beglückwünschte dieser ihn zu seiner blühenden Fantasie.

»Von wegen halbtot! Einer war tatsächlich halbtot. Halbtot vor Angst. Und das warst du. Aber die Geschichte, die du deiner Mutter aufgetischt hast, war gut. Kompliment! Wie soll’s denn jetzt weitergehen mit uns beiden?«

Paul erklärte Zack, dass er nach den Hausaufgaben heute seine Freunde im Räuberwäldchen treffen würde.

»Da nimmst du mich doch mit, oder?«, wollte Zack wissen.

»Natürlich«, sagte Paul. »Kannst du mich jetzt mal für eine halbe Stunde in Ruhe lassen? Sonst werde ich nie fertig.«

Tatsächlich blieb Zäkary ganz ruhig auf Pauls Schulter sitzen und gab keinen Mucks von sich, bis der Junge alle Utensilien in den Rucksack packte und stöhnte: »Endlich! Wir können.«

Auf der Fahrt hinaus zum Wald überlegte Paul, wie viel von dem heutigen Abenteuer er seinen Freunden erzählen durfte. Außerdem war er sehr gespannt, was sie zu Zäkary sagen würden.

Der Rattenmann saß während der ganzen Fahrt auf Pauls Schulter und kreischte vor lauter Begeisterung. Damit er nicht abstürzte, krallte er sich am Halsausschnitt von Pauls T-Shirt fest. Auf einmal begann er, laut zu singen:

»Hallihallo!
Ich bin so froh,
ich freu mich so
aufs Nirgendwo.«

»Toll!«, rief Paul. »Du kannst ja dichten.«

»Ja, aber nur, wenn ich gute Laune habe. Gerade habe ich sehr gute Laune. Außerordentlich gute Laune! Fantastische Laune! Fahrradfahren ist das Allerschärfste. Können wir das bitte ganz, ganz oft machen?«

»Ja, klar«, sagte Paul. »Aber jetzt müssen wir absteigen. Den Rest des Weges gehen wir zu Fuß.«

Philipp, Lukas und Anna saßen schon in der Burg und warteten ungeduldig auf ihren Freund. Sie machten große Augen, als sie Paul entdeckten.

»Sag bloß! Was hast du denn da aufgegabelt?!«

Philipp sprang so plötzlich auf, dass Zäkary erschrak und wie der Blitz an Pauls Rücken hinunterglitt. Mit einem Satz hechtete er ins hinterste Eck des Unterstandes. Dort kauerte er und guckte abwartend in die Runde.

»Iiiih, eine Ratte!«, kreischte Anna. »Mit der zusammen setze ich mich auf keinen Fall da rein.« Sie fuchtelte wild mit den Armen und kroch eilig ins Freie.

»Beruhigt euch doch! Das ist mein Freund Zack, und er hat mich heute gerettet. Vor ihm müsst ihr euch nicht fürchten. Bitte seid nett zu ihm!«

»Gerettet? Was, wieso, warum und wo?«, riefen Philipp, Lukas und Anna wie aus einem Munde.

Paul kroch in den Unterstand, setzte sich Zäkary aufs Knie und begann zu erzählen. Noch etwas zögernd gesellten sich seine Freunde wieder zu ihm. Ihre Augen wurden größer und größer, je länger sie zuhörten.

»Dieser Max! Dem geben wir’s jetzt ordentlich!«, rief Philipp.

»Und du redest wirklich mit dieser Ratte?«, wollte Lukas wissen.

»Und verstehst auch, was die sagt? Was sagt sie denn zum Beispiel jetzt gerade?«, fragte Anna neugierig.

»Zack sagt, dass er lautes Kreischen nicht ausstehen kann! Ihr sollt euch gefälligst gesittet benehmen«, übersetzte Paul.

»Also, das ist doch …«, kam es von Anna.