Von falschen Worten und Spaghettisätzen
JENNIFER HECK
–
Per –
Per hasste die Sommerferien. Er hasste die Sommerhitze, die in Karlsruhe eigentlich immer von einer gewissen Schwüle begleitet war. Er hasste die Tatsache, dass das Turmbergbad in den Ferien hauptsächlich von Schülern bevölkert war, die einem jegliche Ruhe und Erholung raubten. Er hasste die Schnaken und Wespen, die nach dem milden Winter in diesem Jahr mal wieder besonders zahlreich waren, und einem jeden Ausflug zur Eisdiele verdarben. Dieses Jahr hasste Per die Sommerferien sogar noch ein klein bisschen mehr als sonst, denn sie hatten Baustellen mitgebracht. Baustellen, die dafür sorgten, dass seine Bahn sechs lange Wochen nicht mehr fuhr und er für seinen Weg in die Innenstadt den Bus nehmen musste. Und er hasste Busfahren. Besonders im Sommer. Besonders, wenn er mit seinem Kontrabass zum Unterricht fahren musste.
Unruhig trat er von einem Fuß auf den anderen. Ihm war jetzt schon zu heiß, dabei war es gerade mal Vormittag. Die Hitze wurde von Tag zu Tag unerträglicher. Ebenso der Gedanke, mit all den Menschen in diesem Bus eingepfercht zu sein. Nicht zum ersten Mal verfluchte sich Per dafür, dass er sich damals kein kleineres Streichinstrument hatte aussuchen können. Eine hübsche, handliche Violine zum Beispiel, oder eine Bratsche. Aber nein, für ihn war es immer schon der Kontrabass gewesen. Seit er ihn das erste Mal bei seinem Großvater stehen gesehen hatte, damals war das Musikinstrument noch um einiges größer
als er selbst gewesen. Nun trug er eben jenen Kontrabass sicher verwahrt auf seinem Rücken. Sein wertvollster Besitz. Sowohl im ideellen als auch im materiellen Sinn bemessen.
Der Bus kam, Per stieg ein und wappnete sich innerlich dafür, sich tausendmal für seinen Kontrabass entschuldigen zu müssen, der auf seinem Rücken sicherlich die Bekanntschaft mit einigen anderen Passagieren schließen würde. Einmal mehr war Per froh darüber, wie gut der Rucksack gepolstert war.
Schon beim Einsteigen schlug ihm stickige Luft entgegen, vermengt mit dem Geruch nach Schweiß und des Deos des Mannes, der vor Per stand; eine Hand oben in der Halteschlaufe, deutlich sichtbar feuchte Flecken unter den Armen. Per verstand nicht, warum manche Männer meinten, es wäre attraktiv, wenn sie rochen wie ein halber Kiefernwald. Oder nach Patschuli.
Per hasste den Geruch von Patschuli.
Per hasste den Sommer.
Per hasste diesen Tag.
Marianne wollte mit ihm über das Benefizkonzert reden. Seine Musiklehrerin hatte sich in den Kopf gesetzt, dass Per in diesem Jahr daran teilnehmen sollte – um vor Menschen zu spielen. Fremden Menschen. Per war kein Fan von dieser Idee.
Der Flyer, den sie ihm am Ende ihrer letzten Übungsstunde in die Hand gedrückt hatte, warb mit Jazz and Funk
, Fluch der Karibik
, West Side Story
und Frank Sinatra
. Nichts davon konnte Per bieten, nur seinen Kontrabass. Er war kein Teil des Orchesters der Musikschule, er spielte eigentlich immer allein. Marianne dachte für ihn an eine Version von Schuberts Sonate in a für Arpeggione und Klavier
. Das war ein schweres Stück, eigentlich eher für Violine oder Violoncello. Aber es existierten auch Transkriptionen der Melodiestimme für Kontrabass. Per liebte das Stück, seit er es das erste Mal gehört hatte, und er war stolz, es spielen zu können. Sein Kontrabass würde dabei im Vordergrund stehen. Leah, eine weitere Schülerin von
Marianne, würde ihn am Klavier begleiten. Alles war bereits abgemacht, bevor sie ihn überhaupt gefragt hatten. Per hasste das, weil sie ihn dadurch unter Druck gesetzt hatten. Wie sollte er da noch Nein sagen?
Dabei wusste er, dass es Marianne nicht böse gemeint hatte. Er mochte seine Privatlehrerin. Sie hatte ein warmes, freundliches Lächeln, und redete viel – aber nicht auf eine aufdringliche Art, um mehr Worte aus Per hervorzulocken. Nicht so wie seine Mutter es immer tat, wenn er sie in Wiesbaden besuchte. Worte, deren Aneinanderreihung allzu oft mit Fragezeichen endeten. Ein nichtendendwollender Sturm aus Fragen, die Per nicht beantworten wollte.
Was macht das Studium?
Wie sind die letzten Klausuren gelaufen?
Hast du was von deinem Vater gehört?
Kurz überlegte Per, ob er sich in den noch freien Vierer setzen sollte, den Kontrabass auf den Platz vor oder neben sich. Aber noch mehr Leute würden einsteigen. Leute, an denen er sich dann vorbeizwängen müsste, wenn er aussteigen wollte. Keine einfache Sache mit einem Ungetüm auf dem Rücken. Also blieb er stehen. In der Nähe der Tür – dem kürzesten Fluchtweg.
Es wäre eine schöne Gelegenheit, dass Freunde oder Familie dich mal spielen hören,
hatte Marianne über das Konzert gesagt. Aber niemand würde kommen. Seit sich seine Eltern hatten scheiden lassen, konnten sie sich kaum mehr im selben Raum aufhalten. Mit seinem Vater hatte Per im letzten Jahr ohnehin nur sporadisch Kontakt gehabt, da dieser sich mit einer neuen Frau gerade eine neue Familie aufbaute. Und seine Mutter war zu sehr damit beschäftigt, die Karriereleiter nach oben zu steigen. Was gut war – für sie. Und seine Kommilitonen, die erst allmählich zu Freunden wurden, wussten nicht einmal, dass er Kontrabass spielte. Also, wer sollte kommen, um ihn spielen zu hören?
Niemand.
Nur Fremde.
Ein Baby plärrte, zwei Mädchen lachten lautstark und beugten sich über ein Smartphone. Per spürte, wie ihm allmählich der Schweiß auf der Stirn stand. Er hasste Orte mit vielen Menschen, er hasste enge Räume. An der nächsten Haltestelle stieg eine Frau mit Kinderwagen zu, Per flüchtete weiter nach hinten in den Gang, stieß mit der Kontrabass-Tasche gegen das Knie eines Mannes.
»‹tschuldigung«, murmelte er und dachte dabei: Selbst schuld, wenn Mann immer so breitbeinig dasitzen muss
.
Der Mann brummte nur und warf ihm einen missmutigen Blick zu.
Nur noch fünf Haltestellen, dann würde er aussteigen können. Immerhin wohnte Marianne nur unweit vom Durlacher Tor entfernt.
»Du schleppst ja viel mit dir herum. Ist das ein Musikinstrument?«
Pers Kopf schoss herum, vor ihm stand ein junger Mann, die Hand in einer der Haltelaschen, dunkelbraune Locken und hellbraune Augen, denen wohl schon von Natur aus ein gewisses Glitzern anhaftete. Es gab Menschen, denen sah man an, dass sie gerne lachten, und dieser Junge war einer von ihnen. Er hatte Grübchen, ganz fein furchten sie sich in seine Wangen und schienen nur darauf zu warten, dass sich die vollen Lippen zu einem Lächeln verzogen. Per fand das sehr faszinierend, bis ihm bewusstwurde, dass er diesen Kerl nun schon seit einigen Augenblicken stumm anstarrte.
»Kontrabass.« Per räusperte sich. »Das ist ein Kontrabass.«
»Cool.« Der Fremde nickte anerkennend, runzelte dann die Stirn. »Ich weiß gar nicht, wie ein Kontrabass klingt, glaube ich.«
»Hm, dunkel«, antwortete Per, starrte auf den Boden.
»Wie kann etwas dunkel klingen?«, fragte sein Gegenüber, ein vorsichtiges Lächeln zupfte an seinen Mundwinkeln.
Per leckte sich nervös über die Lippen, zuckte mit den Schultern. »Je dunkler etwas klingt, desto tiefer dringt der Klang hier ein.« Er legte sich die rechte Hand aufs Herz. »Du spürst ihn tief unter der Haut. Finde ich zumindest«, fügte er rasch hinzu und spürte, wie er rot wurde. Was für einen Unsinn er da redete.
Mit einem Fremden.
Einem Fremden, der zu allem Überfluss auch noch gut aussah.
Eben jenen schien das aber gar nicht zu stören. »Spannend. Ich würde das gerne mal hören.«
»Kann man googeln«, sagte Per, merkte dann, wie unhöflich das klang und hätte seinen Kopf gern gegen die Fensterscheibe geschlagen. »Es gibt gute YouTube-Videos«, fügte er darum hinzu, auch wenn es das nur minimal besser machte.
»Okay«, sagte der Fremde.
Das war es dann wohl mit dem Gespräch. Toll gemacht, Per. Da spricht dich tatsächlich mal ein Kerl an, zeigt Interesse an dir – oder zumindest an deinem Kontrabass – und du verprellst ihn mit falschen Worten.
Der Bus hielt, noch mehr Menschen drängten sich hinein. Der junge Mann trat einen Schritt auf Per zu, brachte damit dessen Herz zum Poltern. Sicher wollte er nur Platz für die neuen Fahrgäste machen, oder … Per räusperte sich, als könnte er seiner Stimme dadurch Mut einhauchen. »Willst du vorbei?«
Der Fremde schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht. Ich muss zum Kronenplatz.«
Per nickte. Sollte er noch etwas darauf erwidern? Zum Beispiel, dass er am Durlacher Tor rausmusste? Aber warum sollte den Kerl das interessieren? Per versuchte es mit einem
leichten Lächeln, schaffte es dann aber nicht, den Blick seines Gegenübers zu erwidern und sah stattdessen aus dem Fenster.
Verdammte Unsicherheit!
»Ich bin übrigens Alessandro«, sagte der Fremde. »Also eigentlich Sandro, keine Ahnung, warum ich das gesagt habe, niemand nennt mich Alessandro. Außer vielleicht meine Mutter. Und das ist nie gut, wenn sie mich so nennt. Denn das bedeutet dann, ich hab was verbrochen.« Er lachte. »Wie ist dein Name?«
»Per.« Er überlegte, ob er noch einen Witz darüber machen sollte, dass ihn jeder Per nannte, selbst seine Mutter. Doch er brachte es nicht über die Lippen.
Alessandro – Sandro? – musterte ihn neugierig. Was hatten braune Augen an sich, dass sie so anziehend auf Per wirkten?
»Studierst du hier?«
Per konnte es kaum glauben, dass Sandro sich darum bemühte, dieses Gespräch weiterzuführen, obwohl sich Per gerade so dumm anstellte.
Rasch nickte er. »Maschinenbau.« Und ich hasse es,
würde er gerne dazufügen. Viel lieber würde ich Musik machen. Den ganzen Tag lang.
Das Studium interessierte ihn nicht, es langweilte ihn. Aber all das konnte er nicht sagen, das hatte er noch nie ausgesprochen, niemandem gegenüber.
Sandro lächelte. »Cool. Am KIT? Ich fange dort im Herbst meinen Master an. In Biologie. Ich will mich vor allem auf Molekularbiologie konzentrieren, das finde ich total spannend.«
Per runzelte die Stirn. Er wusste nichts über Molekularbiologie, nur dass das alles wohl sehr klein war – aber größer als bei Mikrobiologie? – vielleicht könnte er das sagen. Als Witz. Aber das klang dumm. Per wollte nicht dumm klingen. Er könnte ihn jedoch fragen, was genau er daran so spannend fand. Das wäre nicht dumm. Das würde ihn sogar interessieren. Aber inzwischen war die Pause bereits zu lang – oder? Wenn sein Herz aufhören würde so laut zu pochen, könnte er sich
zumindest ein bisschen besser konzentrieren. Warum war es eigentlich so heiß in diesem Bus? Warum machte man an solch einem heißen Tag keine Klimaanlage an? Pers Blick huschte zu Sandro, der weiterhin bei ihm stand, und da lag dieses Lächeln auf seinen Lippen. Es war freundlich, oder vielleicht amüsierte er sich auch einfach über Pers Unsicherheit. Wahrscheinlich eher Letzteres.
»Es ist heiß heute«, sprudelte es aus ihm heraus. Klasse Per, ein Gespräch über das Wetter, innovativer geht’s nicht.
»Und es soll die Woche noch heißer werden«, bestätigte Sandro. »Ich glaube, wir bekommen dieses Jahr wieder so einen Jahrhundertsommer. Am Wochenende soll es vierzig Grad geben. Kaum zu glauben, oder?«
Per nickte, und damit war dieses Thema eigentlich auch schon abgehakt. Wenn er wenigstens etwas Spannendes sagen könnte. Irgendetwas Interessantes.
»Und du bist unterwegs zum Unterricht? Oder … Bandprobe?« Sandro grinste, vermutlich über die Vorstellung, wie sich Pers Kontrabass in das Bild einer Band mit E-Gitarren und Schlagzeug einfügen würde. Dabei war es gar nicht so abwegig. Auch mit dem Kontrabass ließ sich moderne Musik machen. Vielleicht sollte Per ihm die deutsche Band Bukahara empfehlen.
»Unterricht«, antwortete Per. Nur Unterricht, kein Orchester, keine Band. Nur er und der Kontrabass.
»Na dann.« Sandro räusperte sich, sein Blick glitt an Per vorbei aus dem Fenster. »Ah, da ist ja die Uni. Ich freu mich schon sehr darauf, wenn es endlich anfängt. Ich bin erst vor ein paar Wochen nach Karlsruhe gezogen.«
Endlich ein gutes Thema. Per könnte ihm Tipps für den Start auf dem Campus geben, er könnte … Da fiel ihm auf, was es bedeutete, wenn sie von hier aus die ersten Uni-Gebäude sehen konnten.
»Oh, Shit, ich muss raus«, fluchte Per, drückte rasch auf den Knopf und stürzte geradezu aus den Türen des Busses, die sich bereits wieder schließen wollten. Er stieß mit seinem Kontrabass gegen ein junges Mädchen; ein Mann, der an der Haltestelle warte, konnte gerade noch zur Seite springen, als Per sich noch einmal zu Alessandro umdrehte.
Hatte er es sich eingebildet oder hatte dieser im letzten Moment vor Pers überstürzter Flucht seinen abrupten Abschied mit schade
kommentiert? Bestimmt hatte er sich das eingebildet. Es musste so sein.
Der Bus fuhr davon. Ohne, dass Per nach Sandros Nummer fragen konnte. Er hätte es vermutlich eh nie gewagt. Für so etwas fand Per nie die richtigen Worte. Die besten Gespräche fanden in seinem Kopf statt. Dort gab es keine falschen Worte, keine Unsicherheit. Warum bereitete es ihm manchmal so große Schwierigkeiten, mit anderen zu sprechen? Schließlich war der Mund doch eigentlich nichts anderes als ein Musikinstrument, das er nur zu spielen brauchte. Die richtigen Noten lagen da, in seinem Kopf, meistens zumindest, er müsste nur den Bogen ansetzen. Warum fiel ihm das so schwer?
~*~*~*~
–
Sandro –
So viele Möglichkeiten. Sandro wusste gar nicht, was er zuerst tun sollte. Einerseits hatte er noch Besorgungen zu machen. Für sein Zimmer in der neuen WG brauchte er dringend ein Bücherregal. Allerdings würden es seine Bücher auch noch ein, zwei Wochen länger in den Umzugskisten überleben. Viel wichtiger erschien es ihm, die Gegend zu erkunden. Karlsruhe sollte gleich mehrere Seen in der Umgebung haben, hatte ihm Lina verraten. Das wäre dann auch Möglichkeit Nummer drei. Sandro könnte Zeit mit seinen zwei neuen Mitbewohnerinnen
verbringen. Aber auch dazu war später noch genug Zeit. Sie könnten ja abends etwas trinken gehen. Und so entschied er sich nach seinem Besuch beim Copyshop einfach der Nase nach loszulaufen. Er befand sich schließlich in der Fächerstadt Karlsruhe: Die großen Straßen führten alle irgendwann zum Schloss.
Sandro liebte den Sommer. Nicht einmal die schwüle Hitze machte ihm viel aus. Er hatte den Sommer schon einmal in Rom verbracht, da war das hier nichts dagegen. Auf dem Schlossplatz spielte ein Mann Geige. Kurz blieb Sandro stehen, lauschte seiner Version von Ed Sheerans Perfect
und dachte an den nervösen Jungen mit dem Kontrabass. Man hatte ihm anmerken können, wie unangenehm ihm die Situation in diesem vollen Bus gewesen war. Vielleicht war das der Grund gewesen, warum Sandro ihn angesprochen hatte.
Etwas hatte ihn angezogen.
Etwas an diesem Kerl hatte ihn fasziniert.
Vielleicht war es die Verlorenheit, die er ausgestrahlt hatte. Der verzweifelte Versuch, mit diesem riesigen Instrument auf seinem Rücken in der Menge unterzugehen. Es hatte nicht funktioniert. Ganz eindeutig nicht.
Im Schlossgarten setzte sich Sandro unter einen Baum, steckte sich die Kopfhörer in die Ohren und gab Kontrabass bei YouTube ein – ganz so wie Per es ihm mehr oder weniger schroff empfohlen hatte. Kurz darauf eröffnete sich ihm eine neue Welt der Musik. Da gab es Männer mit Sonnenbrille und Hut, die neben diesem Ungetüm an Musikinstrument standen, gleichzeitig an den Saiten zupften und rhythmisch auf den Holzrahmen klopften. Dann gab es zwei Männer, angezogen wie Barockprinzen, die in einem Konzertsaal auf Schemeln saßen, mit einem Bogen ihrem Instrument zunächst sanfte Töne entlockten, das Tempo dann immer weiter anzogen, bis das Ganze in einer Musikexplosion endete. Sandro konnte es
nicht anders beschreiben. Je mehr Videos er sah, desto weniger begriff er dieses Instrument, dessen Klang majestätisch sanft und tief sein konnte und gleichzeitig unbeherrscht und wild.
Sandro versuchte Per auf diesem Spektrum einzuordnen, mit dem nervösen Blick, der durch den Bus eilte; den Fingern, die immer wieder zu den Schultergurten zuckten, als wollte er sich vergewissern, dass das Ungetüm sicher auf seinen Schultern saß.
Warum hatte er dieses Instrument gewählt?
Was fühlte er, wenn er es spielte?
Sandro wollte mehr erfahren. Über Per. Per mit dem Kontrabass. Er wollte ihn wiedersehen.
Vielleicht war es dumm. Sandro wusste, er schoss mit seiner Impulsivität öfter mal über das Ziel hinaus. Aber wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann zog er es durch. Handelte einfach aus einem Gefühl heraus. Und so stieg er eine Woche später zur gleichen Zeit wieder in den Bus, auf der Suche nach Per und seinem Kontrabass. Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass er einsteigen würde? Musikunterricht fand doch bestimmt immer zur gleichen Zeit statt. Und wenn nicht, tja, dann sollte es eben nicht sein. Dann hatte er es wenigstens versucht. Sandro musste in der Innenstadt ohnehin noch ein paar Besorgungen machen. Bestellte Bücher bei Thalia abholen zum Beispiel, Duschgel bei DM kaufen oder bei Karstadt nach einem günstigen Kochtopf suchen. Es wäre also keine verlorene Zeit. Dennoch wünschte er sich, an der nächsten Haltestelle einen blonden Jungen mit riesigem Rucksack auf dem Rücken stehen zu sehen. Sandro schüttelte grinsend den Kopf, als er bemerkte, dass er tatsächlich aufgeregt war. Sein Herz pochte stärker als sonst. Vielleicht steigerte er sich in die Sache zu sehr rein, manchmal tat er das. Aber er liebte es
einfach, wenn so viele Möglichkeiten in der Luft lagen. Wenn so viel passieren konnte.
Die nächste Haltestelle kam – und da stand er. Per trug ein blaues T-Shirt zu seiner Jeans, sein gesamter Rücken war abgedeckt von dem Kontrabass. Damit der obere Teil – Sandro hatte keine Ahnung wie man den Hals des Instrumentes nannte – nicht gegen den Rahmen der Bustür stieß, musste Per sich ducken, als er einstieg. Die anderen Fahrgäste wichen ihm und seinem riesigen Instrument aus.
»He, pass doch auf«, fauchte eine Frau, die mit vollen Einkaufstaschen in einem der Vierersitze saß. Per hatte mit seinem Kontrabass eine der Taschen umgestoßen. Durch ihren Ausruf war er jedoch herumgefahren, wodurch sein sperriger Rucksack mit wertvoller Fracht nun gegen die Knie eines Mannes im anderen Vierersitz knallte.
»Sorry«, hörte Sandro Per mit leiser Stimme sagen. Seine blassen Wangen färbten sich rot. Per schien überfordert zu sein, in welche Richtung er sich drehen sollte. Sandro musste sich zusammenreißen, nicht zu lachen, auch wenn er eigentlich Mitleid mit ihm hatte. Rasch schob er sich an anderen Buspassagieren vorbei und legte Per die Hand auf die Schulter.
»Du lebst ja echt gefährlich.« Sandro grinste. »Mit dem Kontrabass Bus zu fahren ist jedes Mal ein Abenteuer, oder?«
Erst lag ein erschrockener Ausdruck in Pers blau-grauen Augen, beinahe abweisend. Dann zuckten seine Mundwinkel leicht, als könnten sie sich nicht entscheiden, ob sie lächeln sollten oder nicht.
»Hi«, sagte Per und räusperte sich. Sein Blick ging gehetzt durch den Busraum. Es wirkte fast, als wollte er überall hinschauen, nur nicht zu Sandro.
Vielleicht mochte er es nicht, einfach so angesprochen zu werden.
Vielleicht erinnerte er sich nicht an ihn.
Vielleicht war er einfach nur schüchtern.
»Wieder unterwegs zum Unterricht?« Sandro trat einen Schritt zur Seite, damit der Mann rechts im Vierer neben ihnen aufstehen und vorbeigehen konnte. »Weißt du was«, sagte er zu Per, »ich hab das tatsächlich mal gegoogelt, deinen Kontrabass, und der klingt ja irre cool. Der Klang hat mich an das Intro von Game of Thrones
erinnert.«
»Cello«, erwiderte Per, sah dabei aus dem Fenster.
»Was?«, hakte Sandro nach.
»Im Game of Thrones
Intro dominiert das Cello.«
»Oh.« Sandro räusperte sich. »Das wusste ich nicht. Ich habe von Instrumenten echt keine Ahnung, sorry.« Er lachte, in der Hoffnung, Per würde mit einstimmen. Doch Per sah ihn nicht an, sondern blickte weiterhin an ihm vorbei aus dem Fenster. Ihre Blicke trafen sich immer nur für Millisekunden. Sandro wüsste gerne, was hinter den hellen blauen Augen vor sich ging. »Meine Mutter hat mal Klavier gespielt, glaube ich«, sagte er, um die Stille zu füllen. »Zumindest stand in unserer Wohnung früher lange Zeit eines herum. Ich hab sie aber nie spielen hören, keine Ahnung warum. Vielleicht sollte ich sie mal fragen. Na ja, aber sonst ist meine Familie echt total unmusikalisch. Ich kann nicht mal Noten lesen.«
Er wusste nicht, warum er das erzählte. Vermutlich, um aus Per irgendeine Reaktion hervorzulocken. Aber er schien nicht wirklich interessiert an einer Unterhaltung zu sein. So war das schon bei ihrer ersten Begegnung gewesen. Vielleicht hätte Sandro das als Zeichen sehen sollen. Aber so ganz aufgeben wollte er noch nicht.
»Wie lange spielst du schon?«, fragte er.
Auf die direkte Frage hin, sah ihn Per endlich an – wieder nur kurz allerdings. Seine Finger zupften an den Gurten seines Rucksackes. »Schon immer eigentlich. Mein Opa hat mir die
Grundlagen ganz früh beigebracht. Allein spielen durfte ich erst, als ich den Bass auch halten konnte.«
Sandro lachte und schaffte es damit, kurz Pers Blick an sich zu binden. Überraschung lag darin. Warum? Weil er lachte?
»Sorry«, sagte er rasch, damit Per nicht dachte, er würde über ihn lachen. »Ich stelle mir das nur vor. Ein kleiner Knirps mit solch einem Instrument.«
Da zuckten wieder die Mundwinkel – und Sandro setzte sich zum Ziel, ihn irgendwann richtig zum Lachen zu bringen.
»Ja, das war sicherlich ein interessanter Anblick.« Per schien sich ein bisschen zu entspannen, zumindest ließ er die Rucksackgurte los. »Ich weiß nicht, um wen mein Opa mehr Angst hatte, als ich das erste Mal gespielt habe. Um mich oder seinen Kontrabass. Er hat mir kurz darauf einen Kinderbass zum Üben geschenkt.«
»Ah, es gibt also auch kleinere? Macht eigentlich Sinn, Kinder können ja so ein Riesending kaum halten, geschwiege denn drumherum greifen. Ich habe darüber nie nachgedacht.« Sandro schüttelte den Kopf. Er lernte gerade so viel über ein Instrument, von dem er nie gedacht hätte, dass es ihn interessieren würde. »Sag mal, kann man dich mal spielen hören?«
Pers Daumen glitten unter die Rucksackschlaufen, die Finger rieben über den groben Stoff.
»Ich weiß nicht«, murmelte er.
»Du weißt nicht?«, hakte Sandro nach.
»Es gibt da ein Konzert.«
»Oh, cool, was für ein Konzert? Kann man da einfach hingehen? Oder muss man Karten kaufen?«
War er gerade zu aufdringlich? Per wich schon wieder seinem Blick aus, trat von einem Fuß auf den anderen. Das Ganze schien ihm unangenehm zu sein, und irgendwie versetzte diese Tatsache einen Stich in Sandros Brust. Per schien nichts mit ihm
zu tun haben zu wollen. Vermutlich sorgte er sich gerade darum, dass Sandro bei solch einem Konzert auftauchen würde. Mein Gott, hielt er ihn etwa für einen Stalker?
»Du musst es mir nicht erzählen«, sagte er rasch. »Ich war noch nie auf einem Konzert. Also auf einem Bandkonzert natürlich schon. Aber nicht von einem Orchester, verstehst du? Na ja, mit Ausnahme vom Schulorchester. Aber das war immer grauenhaft. Und da gab es auch keinen Kontrabass, wenn ich es mir recht überlege. Nein, ich erinnere mich nur an Geigen, und sehr viele Blockflöten.« Er lachte.
»Ich muss dann raus«, sagte Per leise.
In der Tat waren sie bereits am Durlacher Tor angekommen.
»Schade. War nett mit dir zu plaudern, schätze ich. Viel Glück bei deinem Konzert.«
Ein zaghaftes Lächeln huschte über Pers Gesicht und kurz wirkte es, als wollte er etwas sagen. Doch dann schob er sich an Sandro vorbei. Sandro sah ihm hinterher; von Per sah man nichts mehr, nur ein laufender Rucksack auf zwei Beinen.
Sandro ließ sich auf den freien Sitz des Vierers sinken, vor dem sie gestanden hatten.
»Idiot«, murmelte er und meinte damit sich selbst. Er hätte weniger sagen sollen. Manchmal war er zu aufdringlich, redete zu viel. Sandro wusste das. Das verprellte manchmal die Leute. Seine Mutter hatte das einmal mit Nudeln verglichen. Sandros Sätze glichen Spaghetti. Du musst manchmal schneller auf den Punkt kommen
, hatte sie gesagt und gelacht. Halt dich an Penne oder Rigatoni.
Kurze Nudeln, kurze Sätze.
Keine elendig langen Spaghettisätze.
Er hatte es verbockt. Oder Per hatte ganz klar kein Interesse an ihm.
~*~*~*~
–
Per –
Per war ein Idiot. Nachdem er schon gedacht hatte, Sandro nie wieder zu sehen, war dieser erneut aufgetaucht – und hatte ihn erneut
angesprochen. Ihn, Per. Obwohl er da ganz idiotisch mit seinem Kontrabass mitten im Bus gestanden hatte. Sandro hatte wegen ihm sogar Kontrabass-Videos angeschaut. Er hatte es schade gefunden, als Per aussteigen musste. Dieses Mal hatte er das ganz sicher gesagt.
Sandro, Alessandro – allein der Name klang schon wie Musik.
Und was hatte er, Per, getan? Nichts. Er hatte kaum einen Ton herausbekommen. Hatte es kaum geschafft, Sandro auch nur anzuschauen. Er hatte es vermasselt. Schon wieder.
Warum hatte er Sandro verbessern müssen, als dieser vom Game of Thrones
Intro gesprochen hatte? Warum hatte er ihn nicht etwas zum Klavier seiner Mutter fragen können? Warum hatte er nicht von dem Benefizkonzert erzählen können, bei dem er noch immer unsicher war, ob er daran teilnehmen wollte? Warum fiel ihm das so schwer?
Die Vorstellung, dass Sandro vielleicht zu seinem Konzert kommen wollte, hatte ihn überfordert. Denn warum sollte er das wollen? Würde ihn ein Benefizkonzert nicht furchtbar langweilen? Per stellte sich vor, wie er mit seinem Kontrabass auf der Bühne sitzen würde, vor ihm lauter fremde Gesichter – und ein vertrautes. Die warmen braunen Augen auf ihn gerichtet, die Lippen zu einem Grinsen verzogen. Würde Sandro wirklich kommen? Per konnte es sich kaum vorstellen. Aber Sandro hatte ihn zweimal angesprochen. Zweimal. Das musste doch etwas bedeuten – oder etwa nicht?
Er würde es tun. Nachdem ihm der Gedanke an Sandro und dessen Lächeln schon seit Tagen nicht mehr aus dem Kopf gegangen war, hatte Per für sich eine Entscheidung getroffen.
Er würde endlich mutiger sein, endlich etwas wagen. Das bedeutete, Per würde auf dem Benefizkonzert spielen. Obwohl ein Teil von ihm Angst davor hatte. Ein großer Teil sogar. Aber er würde es machen. Vor fremden Menschen spielen. In der Hoffnung, einen vertrauten unter ihnen zu finden. Denn komischerweise wollte er Sandro nicht länger zu den Fremden zählen. Er wollte ihn zu mehr zählen. Zu seinen Freunden – und vielleicht, ganz vielleicht sogar zu mehr als das.
Mit Aufregung im Magen wartete Per auf den Bus. Er würde Sandro einen Flyer geben und zum Benefizkonzert einladen. Er hatte sich die Worte zurechtgelegt. Er hatte einen Plan. Er brauchte nur zu fragen. Den Bogen am Instrument ansetzen und die Worte über die Zunge bringen, wie Klänge von den Saiten. Warum war das so verdammt schwer?
»Sei kein Feigling«, flüsterte er sich zu. »Nur dieses eine Mal nicht.«
Per betrachtete den Flyer in seiner Hand und dachte an Sandro, an die dunkelbraunen Locken, die Grübchen, an sein Lachen. Er würde ihn fragen, was konnte schon so schwer daran sein? Und wenn er nicht kommen wollte, war das auch in Ordnung. Vielleicht wollte er das ja auch gar nicht. Vielleicht hatte Per etwas missverstanden. Vielleicht hatte er eine Menge missverstanden. Vielleicht sollte er einfach heimgehen, nicht in diesen Bus einsteigen.
Aber da kam er schon, und Pers Aufregung stieg.
Was, wenn Sandro nicht drinsitzen würde?
Was, wenn er drinsitzen würde?
Der Bus war voll. Voller als sonst. Anscheinend war einer der vorherigen ausgefallen. Per bemerkte ein paar genervte Blicke von Mitfahrern, die nun für ihn Platz machen mussten, und er konnte sich denken, was sie dachten: Jetzt kommt auch noch dieser unverschämte Kerl mit seinem riesigen Instrument.
Verdammt. Wie sollte er so mit Sandro sprechen? Falls sich dieser überhaupt im Bus befand. Per reckte den Hals, suchte nach lockigen braunen Haaren, möglicherweise einem fröhlichen Grinsen samt Grübchen.
Doch als Per Sandro tatsächlich erblickte, sah dieser ihn nicht an, sondern aus dem Fenster. Kein Lächeln auf den Lippen, er wirkte ein bisschen angespannt.
Aber er war da.
Er war da.
Würde Sandro zu ihm kommen, wenn er ihn sah?
Würde er winken?
Oder würde einfach nichts geschehen?
Noch konnte Per so tun, als hätte er Sandro nicht gesehen. Er könnte stehenbleiben und warten.
Warten, ob Sandro wie die letzten beiden Male zu ihm kommen würde.
Warten, ob sich der Bus irgendwann leerte.
Warten, bis der Moment vorüber war.
Es wäre so einfach.
»Sei kein Feigling«, flüsterte er sich zu. Ja, der Bus war voll und manche könnten sich über ihn und seinen Kontrabass aufregen. Aber heute wollte sich Per nicht verstecken. Nicht heute.
»Entschuldigung, darf ich da mal durch?« Kurzentschlossen schob er sich an dem Mann vor ihm vorbei, kam Sandro ein kleines Stückchen näher. Ein weiteres Stück, als eine Frau aufstand, um an der nächsten Haltestelle auszusteigen. Der Kontrabass auf seinem Rücken war ein Hindernis, aber keines, durch das er sich aufhalten ließ.
»Du kannst hier jetzt nicht durch«, brummte ihn ein Mann an. Per spürte, wie ihm Hitze in die Wangen schoss. Normalerweise würde er jetzt stehen bleiben, sich entschuldigen, umkehren. Aber nicht heute.
Inzwischen hatte Sandro ihn gesehen. Blickte ihm entgegen, mit Überraschung im Blick und zu Pers Erleichterung zeichnete sich ein Lächeln auf seinen Lippen ab, während Per sich weiter durch die protestierende Menschenmasse kämpfte.
»Hi«, sagte er atemlos, als er endlich vor ihm stand.
»Hi«, erwiderte Sandro, in seinen Augen blitzte Belustigung auf. »Du und dein Kontrabass seid heute ja wirklich auf ein Abenteuer aus.«
»Ähm ja.« Per räusperte sich. Auf einmal hatten ihn die Worte verlassen. Er wollte Sandro einladen. Der Flyer lag in seiner Hand, ein bisschen zerknittert und möglicherweise leicht klebrig von seinen schwitzigen Handflächen. Er musste ihn nur reichen, die Sätze sagen, die er sich in seinem Kopf zurechtgelegt hatte. Doch – wo waren sie hin?
»Alles in Ordnung?« Sandro lachte, es klang etwas nervös. Er fuhr sich durchs Haar. »Hör zu, tut mir leid, wenn ich letztes Mal etwas aufdringlich war. Ich rede manchmal zu viel und bin manchmal etwas zu forsch, keine Ahnung. Ich folge einfach immer meinem Bauchgefühl, weißt du? Und irgendwie … mag ich dich und deinen Kontrabass. Ich wollte mehr über dich erfahren, aber … Siehst du, ich tu es schon wieder. Ich rede zu viel.« Sandro verzog das Gesicht, rieb sich über die Stirn.
Per konnte sehen, wie sich eine junge Frau hinter ihm kaum das Lachen verkneifen konnte. So viele Menschen waren in diesem Bus, hörten ihnen zu. Und Per bekam kein Wort heraus – obwohl Sandro gerade gesagt hatte, dass er ihn mochte.
O Gott
, hatte er das gerade wirklich gesagt?
Blut rauschte durch Pers Ohren und er wusste, dass er etwas sagen sollte – musste
. Das Instrument lag in seinen Händen, die Noten …
»Du kannst kommen«, platzte es aus ihm heraus. Das war nicht das, was er hatte sagen wollen. Das waren die falschen Worte. »Das Konzert. Ich meine nur, ich … Wenn du willst.
Wenn dich wirklich interessiert, wie mein Kontrabass klingt. Dann … dann kannst du gerne kommen. Wenn du willst, wenn du mich wirklich magst.« Die falschen Worte, in einer falschen Reihenfolge, aber doch irgendwie richtig? Per wäre am liebsten im Erdboden versunken.
»Du willst, dass ich zu deinem Konzert komme?«, fragte Sandro und blinzelte überrascht.
Per nickte, reichte ihm den Flyer.
Sandro blickte darauf und grinste so breit, dass sich die Grübchen tiefer in seine Wangen eingruben. »Fluch der Karibik
? Cool!«
»Das ist nicht das, was ich spiele«, sagte Per rasch. Warum konnte er nicht Fluch der Karibik
spielen? Oder etwas anderes Modernes, irgendetwas Cooles.
Sandro zuckte mit den Schultern. »Egal. Trotzdem cool. »
»Du musst nicht kommen«, sagte Per rasch. »Es wird bestimmt eh furchtbar. Ich spiele sonst nicht vor … anderen Leuten.«
»Ich komme gerne, wirklich. Wenn du das willst. Ich will mich nicht aufzwingen, wir kennen uns schließlich nicht. Auch wenn ich irgendwie das Gefühl habe, dich zu kennen. Oh, wow, das klingt jetzt irgendwie cheesy, oder?« Sandro lachte und kratzte sich an der Stirn. »So sollte das nicht klingen. Ich meine damit nur, keine Ahnung …« Er stockte, seufzte. »Meine Mutter hatte recht, ich muss echt schneller auf den Punkt kommen. Also, ich komme gerne zu deinem Konzert, Per. Wirklich.«
Per konnte Sandro nur anstarren. Er wollte also wirklich kommen.
Worte
.
Per brauchte Worte, um zu antworten. Nur – was sollte er darauf antworten?
»Okay«, sagte er.
»Okay«, wiederholte Sandro mit einem Schmunzeln. »Siehst du, du hast das mit dem auf den Punkt kommen deutlich besser drauf als ich«
»Nur sage ich immer das falsche«, erwiderte Per. »Oder zu wenig. Ich … ich bin nicht gut mit Worten.«
»Ach, wer ist das schon.« Sandro lachte. »Ähm, sag mal, musst du nicht raus? Wir sind an der Uni.«
Tatsächlich hielt der Bus gerade am Durlacher Tor. »Oh, Shit. Ähm, wir sehen uns?«
Sandro lachte. »Na klar, spätestens hier.« Er hielt den Flyer hoch.
Per nickte, spürte wie sich seine Lippen zu einem glücklichen Grinsen verzogen. »Alles klar.«
Der Kontrabass auf seinem Rücken schloss noch einmal Bekanntschaft mit mehreren Passanten, während Per sich durch den vollen Bus in Richtung Ausgang kämpfte. Einige schimpften, beschwerten sich. Per war es in diesem Moment ziemlich egal. Auf dem Bahnsteig drehte er sich noch einmal um und winkte Sandro zu.