Was mir noch ganz wichtig ist

Wissen Se, ich habe Ihnen nun von vielen spaßigen Begebenheiten berichtet, die ich erlebt habe. Von schrulligen Lehrerinnen und Lehrern, von Eltern mit einem kleinen Hau und von vorlauten und gewitzten Schülern.

In dem ganzen Bildungsapparat krabbeln unendlich viele fleißige und engagierte Pädagogen wie in der Mäusetrommel rum und rackern sich bis zur Erschöpfung ab. Die haben wirklich oft die Nerven blank und sind »am Limit«, wie es so schön heißt. Sie kämpfen jeden Tag aufs Neue leidenschaftlich gegen Windmühlenflügel für unsere Kinder, damit die trotz aller Widrigkeiten die besten Chancen für einen guten Start in das Leben bekommen. Gleiches gilt für die allermeisten Eltern und auch für den Großteil der Politiker und zuständigen Beamten in allen möglichen Institutionen, die mit der Bildungsmaschinerie zu tun haben.

Bei allem Witz, mit dem ich das alles aufgeschrieben habe, verneige ich mich tief vor allen Menschen, die sich für unsere Kinder engagieren.

Jedenfalls so tief ich mit der operierten Hüfte runterkomme, ohne dass die Kugel rausspringt.

Ihre Renate Bergmann


Wissen Se, manchmal tippe ich einfach so vor mich hin und erzähle Ihnen von Leutchen aus meinem Leben. Für mich ist das selbstverständlich, aber Sie kennen die vielleicht gar nicht? Ich habe hin und her überlegt, und ich glaube, dass ich Ihnen mal ein Personenregister aufschreiben muss. Wenn Se beim Lesen im Text über einen Namen stolpern, zu dem ich nicht dazugeschrieben habe, wer das ist, dann können Se hier nachgucken. Na, und so eine Abc-Liste passt doch auch prima zum Thema »Abc-Schützen in der Schule!«

Also, lassen Se mich loslegen:


Ariane Winkler, geb. von Fürstenberg


Ich dachte schon, bei Stefan wird das nichts mehr mit dem Heiraten, und hatte ihn schon zu den Geburtstagen meiner Freundinnen mitgenommen, immer in der Hoffnung, dass ihm dort eine Tischdame zugewiesen wird, mit der er vielleicht romantische Bande schließen kann. Aber dann suchte sich der Bengel ganz still und heimlich doch noch eine Freundin! Die Ariane. Eine ganz reizende Person ist das, ein bisschen burschikos und frech, aber patent, gewitzt und mit beiden Beinen im Leben stehend. Sie kocht den Rotkohl nicht selbst, sondern macht nur Büchsen auf, aber alles in allem hat Stefan es gut mit ihr getroffen.


Agneta Winkler


Das ist die jüngere Tochter von Stefan und Ariane, unser Sonnenschein! Einen knappen Meter ist sie nun groß und plappert den lieben langen Tag vor sich hin wie ein Wasserfall. Jetzt, wo ihre große Schwester Lisbeth zur Schule geht, will sie auch lernen und besteht darauf, mit einer kleinen Schulmappe in den Kindergarten zu gehen. Goldig, sage ich Ihnen, goldig! Na, so ist das ja immer: Wenn sie noch nicht müssen, sind sie ganz verrückt nach der Schule, aber wehe, es klingelt erst mal der Wecker und die Pflicht ruft. Dann verfliegt das ganz schnell!


Manja Berber


Die Frau Berber wohnt bei mir mit im Haus. Eine burschikose, kräftig gebaute Person mit unanständig hohem Männerverschleiß ist das. Sie ist jetzt um die 40, kann nicht kochen und zeigt auch kein großes Interesse an der Hausarbeit. Bei der liegt der Kamm auf der Butter und der Pizzafahrer auf der Bettstelle. Man muss sich arrangieren als Nachbarn, aber die Dame macht es einem nicht leicht. Wenn die mit der Hausordnung dran war, muss ich regelmäßig nachwischen. Was ein Bohnerbesen ist, weiß die gar nicht.


Cornelia Schlode


Frau Schlode war erst Kindergärtnerin, ist jetzt aber im Schuldienst. Das ist ihr ganz egal, für sie ist nur wichtig, dass sie singen und dirigieren kann, egal mit wem. Das macht sie nämlich für ihr Leben gern! Sie kompensiert damit, dass sie keinen Mann hat. Obwohl, das kann auch nicht stimmen, selbst als sie das Techtelmechtel mit dem Herrn Pfarrer hatte, dirigierte sie ihre Chöre. Man muss sie auf Distanz halten, dann kommt man prima mit ihr zurecht.


Echt Kölnisch Wasser


Der Duft, der mich durch mein Leben begleitet, seit ich ein junges Mädchen bin. Stefan, der freche Lauser, sagt immer: »Es heißt 4711, weil man vier Minuten hustet, sieben Minuten nach Luft ringt und danach elf Stunden lüften muss.« So ein Flegel! Der Duft erfrischt und beruhigt zugleich.


Franz Hilbert


Franz war mein dritter Mann und ein Fehlgriff. Ein Hallodri, ein Springinsfeld, der jedem Rock nachlief und mich mit seinen Liebchen betrogen hat. Na, ich will nicht klagen, es hatte sich recht bald erledigt. Noch bevor ich die Scheidung einreichen konnte, hat der Schlag ihn getroffen. Ich habe mir nichts nachsagen lassen, er ist mit Anstand beerdigt worden, und ich gieße und harke ihn bis heute, genau wie alle meine Männer.

Aber manchmal gibt es keine frischen Blumen auf das Kopfende!


Gertrud Potter


Gertrud ist meine beste Freundin. Eine Seele von Mensch! Sie ist ganz anders als ich, etwas robuster und gemütlicher, aber wahrscheinlich liegt sie mir gerade deshalb so am Herzen. Gegensätze ziehen sich an und ergänzen sich. Gertrud ist 82, so wie ich. Wir waren uns immer nah, im Herzen und auch räumlich. Mit dem Bus brauche ich keine Viertelstunde bis zu ihr. Gertrud ist eine geborene Gans, verwitwete Potter und jetzt verheiratet mit Gunter Herbst. Sie heißt aber weiter Potter, damit der Steinmetz nicht noch mal an den Grabstein muss. Das kostet schließlich!


Gunter Herbst


Nach etlichen Jahren wilder Ehe hat Gertrud den Gunter vor einiger Zeit vor den Altar geschleppt und die Verhältnisse geordnet. Gunter ist ein sturer und schweigsamer Zeitgenosse, aber immer eine Stütze für Gertrud, und das trotz operierter Bandscheibe und 84 Jahren. Er fährt noch prima Auto und hat ein Händchen für Norbert, Gertruds Hund. Gunter ist der Einzige, auf den das wilde, ungestüme Tier halbwegs hört.


Günter Habicht


Der Habicht wohnt hier bei uns im Kiez. Im Grunde genommen gehört er nicht wirklich zu meiner Familie und meinen engeren Freunden, aber der läuft mir immer wieder über den Weg. Wo er nun Rentner und auch Großvater ist, werden wir wohl auch bald im Seniorenverein mit ihm rechnen können. Ilse will ihn jedenfalls schon mit einplanen. Wir haben immer Männermangel, insbesondere, wenn Tanz ist. Da musste ich innerlich schmunzeln über mein naives Ilschen, dass die wirklich glaubt, der Habicht würde tanzen! Nie, sage ich Ihnen, niemals! Da wette ich um eine Flasche Eierlikör!


Ilse Gläser


Ilse ist meine Herzensfreundin. Ich glaube, sie ist das, was man eine »feine alte Dame« nennt – zurückhaltend, immer um Contenance bemüht und sehr weise. Sie war früher Lehrerin und hat Deutsch und Englisch gegeben. Sie liebt Handarbeiten und hat die größte Sammlung von Mantelknöpfen in ganz Berlin! Mit ihren 82 Jahren hat sie noch immer Haushalt und Kurt alleine im Griff.


Jens-Dieter. Jamie-Dieter. Jeremy-Elias.


Was weiß ich, wie der Knabe genau heißt, ich kann mir das einfach nicht merken. Das ist der Sohn von der Berber, ein richtiger Rabaukenbengel. Er ist unehelich, der Vater zahlt aber. Mit den Manieren ist es schlecht bestellt bei dem Jungen, was ich ihm aber nicht zum Vorwurf mache. Das liegt an der Mutter. Es gibt aber Hoffnung: Wenn ich ihn im Hausflur sehe, grüßt er ab und an, und neulich, als es so kalt war, hat er sogar unaufgefordert sein langes Unterhemd vorgezeigt, noch bevor ich fragen konnte.


Kurt Gläser


Unser Kurt ist der Mann meiner lieben Freundin Ilse. Er war früher Elektriker. Die Gläsers, ach, so ein nettes Pärchen! Kurt ist 87 und noch prima in Schuss für einen Herrn seines Alters, das muss man wirklich sagen. Ilse macht ihn aber auch immer schnieke zurecht. Kurt geht stets gut gekleidet und fährt auch noch selbst Auto. Er sieht nicht mehr sehr gut, aber das ist für seine Jahre ganz normal. 40 Prozent Sehkraft sind es immerhin noch, und da Ilse und ich ein bisschen mitgucken, klappt es noch prima mit dem Autofahren. Außerdem ist das Gehör noch eins a, das zählt doch auch!


Knödelmädchen


So nenne ich diese jungen Frauen, die einen schludrig gebundenen Witwe-Bolte-Knoten auf dem Kopp tragen und den ganzen Tag von Wörkleif-Bällänz reden. Die sind klug und haben was Wichtiges gelernt oder sogar studiert, aber vom wirklichen Leben haben sie keine Ahnung. Die essen Kunstfleisch aus Erbsen und können nicht mal eine Gans richtig braten!


Kirsten von Mohrskötter


Kirsten ist meine Tochter. Sie ist … sie hat … nun. Sie hat Krankenschwester gelernt, sich aber nun eher auf das Esoterische verlegt. Sie redet viel über Klangräume, Wünschelruten, Waldbaden und Energiefluss durch Handauflegen. Bei Kleintieren. Sie isst nur rein pflanzlich und auch nur, wenn das Gemüse nicht leiden musste. Nun ja, aber sie ist eine freundliche, patente Person und immer für die Mutti da, wenn sie sie braucht.


Lisbeth Winkler


Lisbeth ist die älteste Tochter von Ariane und Stefan. Das Mädel ist nun ein Schulkind! Die Kleinen werden ja so schnell groß. Sie geht mir schon heute bis zur Brust, noch zwei, drei Jahre, und sie kann mir auf den Kopf spucken. Für die kleine Maus koche ich immer Pudding, wenn ich weiß, dass sie mich besuchen kommt. Den isst sie so gern. Ach, es ist eine so große Freude, das Kind zu erleben und zu sehen, wie es aufwächst und lernt!


Doris Meiser


Die Meiser wohnt mit bei uns im Haus. Eine ganz aparte Dame Ende vierzig ist das, mit dunklem, kurzem Haar. Keine Dauerwelle, wie unsereins sie machen lässt. Meine Mutter hat immer gesagt: »Mach Locken, sonst bleibste hocken!«, aber die Meiser kriegt ihren Männerbedarf auch ohne Krause auf dem Kopf gedeckt. Sie geht immer in Stöckelschuhen, in denen sie automatisch mit dem Steiß wackelt wie eine Ente. Immer auf Herrenbekanntschaften aus, die Dame. Im Haushalt kann sie nichts, wenn die kocht, dann nur mit dem Thermosmischer.


Norbert


Norbert ist der Hund meiner besten Freundin Gertrud. Sie hat ihn aus dem Tierheim, sie haben nämlich bei »Tiere suchen ein Zuhause« nach einem neuen Frauchen oder Herrchen für den Hund gesucht. Da hat sie einfach angerufen und ihn adoptiert, weil er so lieb guckte. Was man im Fernsehen nicht sah: Norbert ist ein junges, ungestümes und vor allem riiiiesiges Tier! Eine Doberdogge oder so was, jedenfalls frisst er jeden Tag zwei große Büchsen und noch Leckerli dazu, und er zerrt an der Leine und sabbert ganz furchtbar. Aber er ist auch eine treue Seele und kann wirklich sehr lieb gucken, das muss man sagen.


Otto Winkler


Otto war mein erster Mann. Er war um einiges älter, als ich ihn seinerzeit geheiratet habe. Wissen Se, genau genommen weiß ich nicht, warum ich den überhaupt genommen habe. Es war viel Trotz dabei und ein bisschen auch der Druck, dass ich nun langsam unter die Haube muss … na, ehe ich groß darüber nachdenken konnte, lag er dann auch schon da und rührte sich nicht mehr und ließ mich als junge Witwe zurück. Otto liegt in Moabit begraben. Schattig. Das spart Wasser, aber man hat das Laub auf dem Grab. Es hat alles sein Für und Wider!


Stefan Winkler


Der Stefan ist ein Großneffe meines verstorbenen ersten Mannes. Im Grunde keine enge Verwandtschaft, aber der beste Junge, den man sich denken kann. Er hilft mir immer mit Technik und Computer und solchen Dingen, und er hat mir auch den Telefonapparat für unterwegs gegeben. Dieses Tomatentelefon, wissen Se? Auf Stefan ist immer Verlass. Er ist ein bisschen blass, aber schon seit Jahren sträubt er sich dagegen, jeden Morgen einen Löffel Lebertran zu nehmen. Da muss man sich dann nicht wundern!


Torsten Rohde


Da rennt so ein Schnösel – früher habe ich immer »jungscher Schnösel« gesagt, aber der ist auch nicht mehr grün hinter den Ohren! – immer mal wieder zur Zeitung oder sogar ins Fernsehen und behauptet, er hätte mich erfunden. MICH ERFUNDEN! Eine Frechheit. Eine Renate Bergmann kann man gar nicht erfinden! Pah, wenn ich den mal erwische, dem ziehe ich aber die Hammelbeine lang!


von Fürstenberg, Monika und Manfred


Das sind die Eltern von Ariane. Sie leben in Leipzig und betreiben da einen Sanitärgroßhandel. Der Manfred ist ein feiner Kerl, da will ich gar nichts sagen. Und Monika ist auch nett. Doch, ja. Ein bisschen überdreht ist sie und spielt sich gern in den Mittelpunkt, aber meine Güte, ich sehe sie selten und komme deshalb prima mit ihr zurecht. Eine Renate Bergmann kann für ein paar Stunden durchaus mal den Mund halten und sich ihren Teil denken!


Walter Bergmann


Walter war mein vierter und bisher letzter Mann. Er ruht in Spandau, hier gleich um die Ecke, auf dem Friedhof. Er war eine Seele von Mensch, schon zu Lebzeiten, und macht bis heute kaum Arbeit: ein paar Kannen Wasser, harken, zack, bin ich fertig. Pflegeleicht wie Polyester, der Mann. Es ist wirklich schade, dass er so früh hat gehen müssen. Das Herz … Wir waren beide schon über die sechzig drüber, als wir uns kennenlernten, und ich hoffte, einen Begleiter für den Lebensabend gefunden zu haben. Es war dann aber doch wieder nur Kurzstrecke, da kann man nichts machen.


Wilhelm von Mohrskötter


Wilhelm war mein zweiter Mann und der Vater von Kirsten. Auch ein sehr netter Mensch, obwohl ich glaube, dass Kirsten ihren Hang zum Blödsinn von ihm geerbt hat. Ja, von wem denn sonst? Von mir bestimmt nicht! Das muss vom Vater kommen. Wir wohnten damals in Karlshorst, das ist ein ganzes Stück von Spandau. Dort habe ich ihn auch begraben lassen, es wusste damals ja niemand, wie es mal kommt. Wenn er mit Gießen dran ist, habe ich eine lange Tour von Spandau, das kann ich Ihnen sagen!