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Lara
Woche 2: Montagmorgen
»Es ist so, wie ich es Ihnen gesagt habe«, erklärt Kate Henley in einem glattzüngigen Geh-zur-Hölle-Ton. »Mr Bradley ist im Moment nicht zu sprechen.«
»Im Moment?«, frage ich entnervt. »Er ist seit fast einer Woche nicht zu sprechen.«
»Er hat extrem viel zu tun.«
»Das habe ich auch«, blaffe ich. »Mr und Mrs Wolfe haben mir versichert, dass ich die volle Kooperation dieser Firma haben würde.«
»Und Sie haben unsere volle Kooperation. Was kann ich für Sie tun?«
Die Worte sind purer Honig und strafen ihre Leck-mich-Miene Lügen, die mir sagt, dass ich abgespeist werde. Ich hole tief Luft, um nicht die Geduld zu verlieren. »Sie können mir einen Termin bei Mr Bradley machen.«
»Gern.« Sie tippt etwas auf ihrer Tastatur. »Wie klingt der nächste Donnerstag? Sechzehn Uhr?«
»Das klingt wie in anderthalb Wochen.«
Sie faltet die Hände auf ihrem Schreibtisch und zieht die Brauen hoch, eine deutliche Botschaft: Nehmen Sie es an oder lassen Sie es, aber das ist alles, was ich anbiete.
Wenn ich nicht so frustriert von der Frau wäre, würde ich sie bewundern. Nein, streichen Sie das. Ich bewundere sie. Kate ist nicht nur Ians Assistentin, sie arbeitet auch für Matt Cannon und Kennedy Dawson, und sie managt die drei starrköpfigen, egomanischen Investmentbanker mit mehr Elan, als ich jemals eine andere Assistentin auch nur einen einzigen habe managen sehen, und dabei
sieht sie die ganze Zeit aus wie ein erwachsenes Schulmädchen.
Kate frisiert sich ihr dunkelbraunes Haar mit einem einfachen Stirnband aus dem Gesicht. Ihre Augen sind groß und braun und frei von Make-up. Ihre Blusen sind sittsam bis obenhin zugeknöpft, und ihre Röcke enden immer kurz unter dem Knie. In der vergangenen Woche hat sie waschechte Mary-Janes getragen.
Ihr Erscheinungsbild ist vollkommen sanft und süß, ein unmittelbarer Kontrast zu ihrer Persönlichkeit, die man am besten als knallhart beschreiben kann.
Es besteht null Chance, dass sie mir in dieser Sache auf halbem Weg entgegenkommt.
»Nächsten Donnerstag wäre großartig«, sage ich mit einem erzwungenen Lächeln.
Sie nickt und vermerkt es in seinem Kalender. »In der Zwischenzeit werde ich mit Freuden jedwede Fragen beantworten, die Sie haben.«
»Ja, weil Sie so
hilfreich waren, als wir uns letzte Woche getroffen haben«, murre ich.
Am Freitagnachmittag hatte ich fast eine Stunde lang mit Kate zusammengesessen, und beeindruckenderweise war es ihr gelungen, jede einzelne Frage mit so wenigen Worten wie menschenmöglich zu beantworten.
Sie arbeiten seit fünf Jahren für Mr Bradley?
Ja.
Würden Sie sagen, dass er ein fairer Arbeitgeber ist?
Ja.
Haben Sie je mitbekommen, dass er mit irgendwelchen Angestellten von J-Conn korrespondiert hat?
Nein.
Hat Mr Bradley Sie je gebeten, für ihn zu lügen?
Nein.
»Wie sieht es bei Mr Cannon und Mr Dawson aus?« Als Ians engste Vertraute stehen Sie ganz oben auf meiner Verhörliste, aber bisher war es genauso schwierig, sie festzunageln wie Ian selbst.
Mir ist schon klar, dass sie einander beschützen. Also bin ich geduldig gewesen und habe abgewartet und sämtliche elektronischen Unterlagen und Aufzeichnungen auf Papier in der
letzten Woche mit einem feinen Kamm durchkämmt.
Ich habe rein gar nichts gefunden – keine einzige Kleinigkeit, die wir benutzen können, um Ian mit J-Conn in Verbindung zu bringen. Nicht dass mich das überrascht. Der Mann kommt mir unverschämt vor, aber nicht töricht. Er wird nichts Belastendes in Schriftform haben.
Er könnte jedoch bei einem Drink etwas zu seinen besten Freunden gesagt haben.
Kate klappert entspannt auf ihrer Tastatur herum. »Ich kann Ihnen am Dienstag einen Termin bei Mr Cannon geben. Mr Dawson …«
Ich sauge einen weiteren Atemzug ein, um mich in Geduld zu fassen, während sie sich alle Zeit der Welt nimmt, um die Terminpläne ihrer Bosse zu sichten. Ich habe dieses Spiel ungefähr so lange gespielt, wie ich es mir leisten kann. Wenn das so weitergeht, werde ich mich über sie hinwegsetzen müssen, wozu ich keine besondere Lust verspüre. Das Letzte, was ich brauche, ist noch mehr Feindseligkeit, wenn ich Fortschritte machen will. Ich kann den Bad Cop spielen, wenn es sein muss, aber mein Ruf ist, wie er ist, weil ich Finesse einsetze, keinen Holzhammer, um meinen Willen zu bekommen.
Kates Telefon klingelt, und sie hebt bittend einen Finger an die Lippen, als sie an den Apparat geht. Ich bin kurz davor, ihr selbst einen Finger zu zeigen – einen anderen –, als über Kates Kopf ein vertrauter brauner Haarschopf auftaucht. Ich sehe Kennedy auf sein Büro zugehen, einen weißen Starbucksbecher in der Hand.
Das ist die Chance, auf die ich gewartet habe.
Als Kate ihre Aufmerksamkeit auf ihren Computerbildschirm richtet, flitze ich zu dem Mann hinüber und schaffe es, vor ihn hinzutreten, kurz bevor er in sein Büro gehen kann. Kennedy Dawsons braune Augen sind kalt und gelangweilt, als er auf mich herabschaut. »Ja?«
»Mr Dawson«, sage ich und strecke eine Hand aus. »Wir hatten noch nicht das Vergnügen, einander kennenzulernen.«
»Weil da nichts Vergnügliches dran ist«, antwortet er und schüttelt mir widerstrebend die Hand.
Kennedy ist ein sehr attraktiver Mann. Zum einen hat er
Grübchen. Wirklich, wirklich tolle Grübchen. Nicht dass sie jetzt sichtbar wären, aber ich habe ihn neulich draußen vor dem Konferenzraum mit Ian lachen sehen. Er trägt meistens eine Brille, so wie heute, und sie betont seine stille, gelehrtenhafte Art. Seine Anzüge sind klassisch, seine Krawatten niemals protzig.
Meine Familie hat eine gewisse Obsession für klassische Filme, daher lassen Sie es mich so ausdrücken: Während Ian Cary Grants selbstbewussten Gang hat und Matt Paul Newmans Charme, ist Kennedy eine zugeknöpfte Grübelei eigen, ein wenig eine Mischung aus Humphrey Bogart und Clint Eastwood. Mmmmh.
Mit anderen Worten, ich sollte definitiv
etwas spüren, als unsere Handflächen sich berühren. Kennedy stellt ein Abbild des Mannes dar, von dem ich seit meiner Pubertät träume. Ruhig. Sensibel. Sicher. Er ist genau das Gegenteil von Ian Bradley, und daher genau das, wonach ich suche.
Ich warte auf die feminine Wahrnehmung, mit der ich rechne, und … nichts.
Kein Funke, kein Glimmen, nicht einmal ein Flattern.
Er lässt meine Hand los, sobald er das tun kann, ohne unhöflich zu sein, und nach dem Beinahegrinsen auf seinem Gesicht zu schließen, glaube ich, dass auch er nichts gespürt hat.
»Jedenfalls«, sage ich schnell, bevor Kate das Telefonat beenden und ihre gewohnte Wachhund-Einmischung starten kann. »hätte ich gern ein paar Minuten Ihrer Zeit.«
»Um über Ian zu sprechen.«
»Um über Ihre Kenntnisse zu sprechen, was Wolfe Investments Verbindung mit J-Conn betrifft.«
»Vereinbaren Sie mit meiner Assistentin einen Termin.«
Er versucht, um mich herumzugehen, aber ich vertrete ihm den Weg, was mir ein zorniges Funkeln einträgt. »Das habe ich versucht, aber ich habe den Eindruck, dass Sie genauso weit im Voraus ausgebucht sein werden wie Mr Bradley und Mr Cannon.«
»Nun, da haben Sie es. Wenn Sie mich bitte entschuldigen wollen …« Ein weiterer Schritt, und ich ziehe abermals gleich.
»Was machen Sie genau jetzt?«
»Ich habe ein Meeting.« Er ist ein guter Lügner, aber nicht gut genug. Er hat einen Tick zu lange mit seiner Antwort gewartet, was
mir verrät, dass es eine Ausrede ist.
Ich schaue auf meine Armbanduhr. »Es ist acht Uhr einundfünfzig. Ich nehme an, Ihr Meeting fängt um neun an, daher werde ich Ihnen bis dahin Gesellschaft leisten.«
»Ms McKenzie …«
»Ich könnte eine Vorladung erwirken, Mr Dawson. Oder Sie können mich davon überzeugen, dass ich keine benötige. Für nichts von alldem.«
Er wird ganz still und mustert mich ohne den Hauch einer Entschuldigung. »Fünf Minuten.«
»Das ist alles, was ich brauche.«
Er schließt die Tür zu seinem Büro auf und macht eine übertriebene Geste, um mich vorangehen zu lassen.
Ich muss mir ein Lächeln verkneifen, denn das Büro sieht genau so aus, wie ich erwartet habe. Während die allgemeinen Bereiche von Wolfe Investments alle glatt und modern sind, fühlt Kennedys Büro sich an wie ein Schritt zurück in der Zeit, als Männer Smokingjacken getragen haben und der einzige Job für Frauen in einer Firma der einer Schreibkraft war. Sein Schreibtisch ist aus dunklem Holz mit kunstvollen Details. Die Stühle sind aus Mahagoni und Leder und gerade sichtbar genug abgenutzt, um einladend zu sein statt spießig. Die Wände, an denen sich kein Fenster befindet, sind mit Bücherregalen bedeckt, und ich war in der vergangenen Woche in genügend Büros von leitenden Angestellten der Firma, um zu wissen, dass sie eine maßgefertigte Ergänzung sind.
»Gibt es ein Problem?«, fragt er, geht um seinen Schreibtisch herum und stellt seinen Kaffee auf einen Untersetzer.
»Nein. Ich versuche nur herauszufinden, wo Sie den Globus und das antike Schachbrett aufbewahren.«
Ich könnte schwören, dass seine Augen kurz erheitert aufleuchten, aber er macht sofort dicht und deutet auf einen Gästestuhl dem seinen gegenüber. »Fünf Minuten, Ms McKenzie.«
Richtig. Ich setze mich, schlage die Beine übereinander und wünschte, ich hätte etwas zum Schreiben dabei, aber das habe ich davon, dass ich dem Mann aufgelauert habe. »Wird Kate sauer sein?«, frage ich, zum Teil, um ihn sanft in das Gespräch hineinzuführen, aber auch weil ich wirklich neugierig darauf bin, wie
sehr ich für meine kleine Nummer werde büßen müssen.
Diesmal macht er sich nicht die Mühe, seine Erheiterung zu verbergen. »Wahrscheinlich. Könnte ihr ganz guttun.«
»Ja, sie ist sehr … streng.«
»So kann man es ausdrücken.« Er nippt an seinem Kaffee.
»Sie arbeitet für Sie, Mr Bradley und Mr Cannon?«
»Ja. Was Sie hätten herausfinden können, ohne meine Zeit in Anspruch zu nehmen.«
»Wie ist das gekommen, dass sie Sie alle drei übernommen hat?«, frage ich und ignoriere seinen mürrischen Kommentar.
Kennedy seufzt und trommelt mit den Fingern auf den Schreibtisch. »Als Ian, Matt und ich zu Direktoren ernannt wurden, haben wir die Chance bekommen, unsere eigenen Assistentinnen einzustellen. Kate hatte früher für einige von uns jüngeren Männern als Büroassistentin gearbeitet, und sie war einfach die Beste.«
»Sie alle wollten sie.«
»Wir wollten alle die Beste.«
»Also war es eine Konkurrenzsache?«
Er wirft mir einen verständnislosen Blick zu und nimmt einen weiteren Schluck von seinem Kaffee. »Sind Sie hergekommen, um die Einstellungsprozedur für Kate Henley zu erörtern oder um Ihren Job zu erledigen?«
»Das ist mein Job«, erwidere ich, nicht einmal ansatzweise gekränkt. Ich habe im Laufe meiner Karriere Schlimmeres gehört. So viel Schlimmeres.
»Ich dachte, Sie stellen Nachforschungen über Ian an, nicht über Kate oder mich.«
»Das ist richtig. Und um das zu tun, brauche ich Zugang zu seiner Welt. Soweit ich es bisher erkennen kann, sind das Sie, Ms Henley und Mr Cannon.«
»Beeindruckend. Sie machen den Job seit einer Woche, und Sie haben bereits den Code geknackt«, sagt er sarkastisch.
Ich hebe in einer Geste der Kapitulation die Hände. »Na schön. Sie wollen zur Sache kommen, das kann ich auch. Kennen Sie jemanden von J-Conn?«
»Ja.«
Ich richte mich ein wenig höher auf. »Wen?«
Er zuckt die Achseln. »Mein Dad spielt Golf mit einem der ehemaligen Geschäftsführer. Ray Clouse. Er war schon im Haus meiner Familie zum Abendessen. Meine Schwester hatte mal was mit einem Mann, der im Produktentwicklungsteam gearbeitet hat. Ich bin ihm ein oder zwei Mal begegnet. Der Vorname ist Brian, für den Nachnamen müsste ich herumsuchen. Einer meiner Collegefreunde war in ihrem Verkaufsteam. Curtis Linder. Ich denke, das sind alle.«
»Hat Mr Bradley jemals über Sie eine dieser Personen kennengelernt?«
»Nein.«
»Hat irgendeine dieser Personen irgendwann in den Tagen vor dem Bankrott angedeutet, dass die Firma in ernsthafter Schieflage ist?«
»Meine Klienten haben Millionen verloren, als J-Conn Pleite gemacht hat. Was denken Sie?«
»Ich denke, dass das keine Antwort auf meine Frage ist.«
»Nein«, blafft er mit einem vielsagenden Blick auf seine Armbanduhr. »Niemand hat mir irgendeinen Scheiß erzählt; ich habe seit Jahren mit keinem dieser Leute gesprochen. Ihre fünf Minuten sind fast um.«
»Wir wissen beide, dass Sie keinen Neunuhrtermin haben, Mr Dawson, also können wir ebenso gut weitermachen. Es liegt in Mr Bradleys bestem Interesse, dass Sie fortfahren.«
Er sieht mich mit zusammengekniffenen Augen an. »Warum sind Sie hinter ihm her?«
»Ich folge lediglich einer Spur. Es ist nicht so, als würde ich eine persönliche Vendetta gegen den Mann führen.«
Sein Daumen gleitet langsam an seinem Kaffeebecher auf und ab, während er mich mustert. »Sind Sie sich da sicher?«
»Wobei soll ich mir sicher sein?«
»Dass dies nichts Persönliches ist.« Kennedys Stimme ist leise und ruhig, aber der Seitenhieb hätte mich nicht direkter treffen können, wenn er ihn herausgeschrien hätte.
Ich bin nie etwas anderes als hundertprozentig professionell in einem Fall gewesen, aber ich bin gefährlich nahe daran zuzulassen, dass in diesen persönliche Motive hineinspielen. Nicht nur weil es meine Eintrittskarte ins FBI sein könnte, sondern weil ich ehrlich
nicht sagen kann, dass meine Gedanken über Ian Bradley ausschließlich mit der Arbeit zusammenhängen.
Trotzdem, ich werde das hier nicht zugeben, daher halte ich meine Stimme leidenschaftslos. »Man hat mir den Fall übertragen. Ich folge den Anschuldigungen, die die SEC mir übergeben hat.«
»Was ist mit dem Kläger?«, hakt er nach.
»Wie bitte?«
»Sie haben gesagt, Sie würden die Anschuldigungen kennen. Aber Sie wissen nicht, wer die Anschuldigungen vorgebracht hat, korrekt?«
»Das kann ich nicht beantworten.«
Er lächelt siegesgewiss. »Sie haben es gerade getan.«
Ich beiße mir in die Wange, um nicht zu reagieren. Krieg es unter Kontrolle, Lara. Das kannst du besser.
Ich wechsle unverzüglich zu dem, was Kennedy zu wissen glaubt. »Würden Sie sagen, dass Mr Bradley gut in seinem Job ist?«
»Ja.«
»Besser als Sie?«
»Nein.«
Ich beuge mich vor. »Und doch haben Sie Geld mit J-Conn verloren. Er nicht. Was glauben Sie, woran das liegt?«
»Weil dieses Business so ist, wie es ist, Ms McKenzie. Man gewinnt einiges, man verliert einiges. Wollen Sie, dass ich eine Liste von Aktien erstelle, mit denen ich gut gehandelt habe, während Ian verloren hat? Das kann ich tun. Von anderen Firmen, von denen er profitiert hat und ich nicht? Auch das kann ich machen. Das Einzige, was bei J-Conn anders ist, ist das Ausmaß der Verluste.«
»Aber das ist ein großer Unterschied. Sie haben selbst gesagt, Sie hätten Millionen verloren. Wie haben Ihre Klienten sich dabei gefühlt?«
»Wirklich fantastisch, danke, dass Sie es erwähnen«, sagt er mit einem gelangweilten Blick über meine Schulter, als würde ich seine Zeit verschwenden.
Was durchaus der Fall sein könnte. Gott weiß, dass sich dies zu einer Verschwendung meiner Zeit entwickelt. Hölle, was das betrifft, habe ich so langsam das Gefühl, dass dieser ganze Fall sich wie Zeitverschwendung anfühlt, und das kann ich wirklich nicht
gebrauchen. Mein Boss hat mir praktisch versichert, dass ich, wenn ich einen so großen Fisch wie Ian an den Haken bekomme, den Coup landen könnte, den ich brauche, um die Leute, die für die FBI-Ausbildung in Quantico auswählen, auf mich aufmerksam zu machen.
Nur dass der Fisch und seine Flotte nicht kooperieren. Entweder sind sie ein Schwarm verdammt beeindruckender Lügner und geschickter darin, Beweise zu vernichten und ihre Spuren zu verwischen als jedweder Mitarbeiter, der mir bisher untergekommen ist, oder der Tipp, den wir bekommen haben, war reine Erfindung.
Es ist nicht so, dass ich Ian nicht für fähig halte, das Gesetz zu brechen. Es ist vielmehr so, dass ich denke, dass er den Menschen um sich herum zu nahe steht, um sich nicht einem von ihnen anzuvertrauen oder Dinge zu sagen, die ihnen helfen, das Puzzle zusammenzusetzen. Und während Kate und Kennedy, und wie ich vermute auch Matt, Ian definitiv decken würden …
Ich habe nicht das Gefühl, dass sie das tun. Meine bloße Anwesenheit ärgert sie auf eine zu aufrichtige Weise.
Trotzdem, ich versuche es noch mit einer weiteren Frage, wohl wissend, dass meine Zeit begrenzt ist und seine Geduld am Ende. »Mr Dawson, mir ist klar, dass Mr Bradley ein Freund ebenso wie ein Kollege ist. Das respektiere ich. Und das ist der Grund, warum Sie verstehen müssen, dass Sie ihn am besten schützen können, wenn Sie ehrlich zu mir sind, was jede Verbindung betrifft, die er zu J-Conn haben könnte.«
Er schweigt einen Moment. »Sie wollen, dass ich ehrlich bin.«
Ich nicke. »Ja.«
»Sie wollen, dass ich Ihnen alles über ihn erzähle, was für Sie nützlich sein könnte.«
Ich widerstehe dem Drang, die Augen zu verdrehen. »Ja, absolut.«
»Na schön. Vielleicht wird das hier Ihnen weiterhelfen … ich glaube, ich habe ihn noch nie so sauer gesehen.«
»Wann?«, frage ich und beuge mich vor.
»Genau jetzt.«
Die schroffe Feststellung kommt nicht von Kennedy. Sie erklingt
hinter mir, und selbst wenn ich diese Stimme nicht nachts in meinen schmutzigen Träumen bereits hören würde, würde Kennedys immer breiter werdendes Grinsen mir verraten, wem sie gehört.
Mit einem tiefen Atemzug stehe ich auf und drehe mich zu einem sehr verärgert aussehenden Ian Bradley um.