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Lara
Woche 5: Donnerstagmittag
»Bist du nervös?«, fragt Sabrina, die mich im Spiegel beobachtet, während sie ihren Lippenstift auffrischt.
Ich halte ihrem Blick stand. »Kein bisschen.«
Sie lächelt und wirft den Stift zurück in ihre Handtasche. »Ich wusste doch, dass du Schneid hast.«
»Oder eine brodelnde Fehde«, murmele ich und unterziehe mich einer letzten Musterung im Spiegel. Die gewohnte Lara schaut mir entgegen. Große, blaue Augen. Ein Pferdeschwanz, der weder zu hoch noch zu tief sitzt, sondern einfach da ist – praktisch. Schwarz gerahmte Brille, minimales Make-up … und eine Rechnung zu begleichen.
»Tja, lass es dir von jemandem gesagt sein, der regelmäßig mit Racheplänen zu tun hat – das ist ein guter«, bemerkt Sabrina, kommt auf mich zu und öffnet einen Knopf an meiner Bluse.
»Hey.« Ich mache Anstalten, die Bluse wieder zuzuknöpfen, aber Sabrina schlägt meine Hand weg. »Nein. Das klappt besser, wenn er von ein wenig Dekolleté abgelenkt wird.
»Ich zeige kein Dekolleté.« Oder? Ich schaue hinab.
»Nein, aber da ist die Aussicht auf Dekolleté, und das ist noch verlockender«, sagt sie. Doch dann runzelt Sabrina die Stirn und legt mir ohne jede Scham die Hände unter den Busen und drückt ihn hoch. »Ernsthaft, was trägst du für einen BH? Einen von deiner Grandma?«
Diesmal bin ich diejenige, die ihre Hände beiseiteschlägt. »Tut mir leid, mir war nicht bewusst, dass diese Mission einen Push-up-BH beinhaltet.«
Sie wirft mir einen wissenden Blick zu. »Besitzt du überhaupt einen Push-up-BH?«
»Was spielt das für eine Rolle? Ich habe nicht die dazu«, sage ich und deute auf ihr eine Spur zu tief ausgeschnittenes Kleid.
Sie schaut auf ihre Brust hinab. »Du meinst für ein Tagesdekolleté?«
»Was zum Teufel ist ein Tagesdekolleté?«
Sie hebt Daumen und Zeigefinger an ihr Dekolleté, als würde sie etwas abmessen. »Nicht mehr als einen guten Zentimeter oder so, siehst du?«
»Was ist ein Abenddekolleté?«
Sie verbreitert die Lücke zwischen ihren Fingern. »Mindestens zweieinhalb.«
Ich schüttele staunend den Kopf. »Es ist, als würdest du von einem anderen Planeten stammen.«
»Tja, gewöhn dich daran, denn ich beabsichtige, regelmäßig mit dir zum Lunch zu gehen«, antwortet Sabrina mit einem Lächeln, das wärmer ist, als ich es je bei ihr gesehen habe.
»Weil ich Ian helfe?«
»Nein. Ich meine, sicher, das würde dir einen Dankeschönlunch bescheren. Vielleicht einen Dankeschönkaffee. Aber du tust das für dich. Und das genügt, um dich zu einem Stammgast in meinem Leben zu machen.«
»Danke«, sage ich unerwartet gerührt.
Sabrina hebt warnend einen Finger. »Keine Umarmung. Und keine Tränen. Spar dir die für den Tisch.«
»Richtig«, entgegne ich und schüttele die Hände aus. »Ich habe meine falschen Tränen auf Kommando geübt, wie du mir geraten hast.«
»Und?«
Ich wedele mit der Hand. »Für Wasser marsch steht es fünfzig zu fünfzig.«
»Das reicht. Wenn es schiefgeht, lass dein Kinn zittern, damit er denkt, du würdest versuchen, Tränen zurückzuhalten. Das ist fast genauso gut.« Sabrina schaut auf ihre Armbanduhr. »Okay. Es geht los.«
Seit zwei Tagen, in denen wir unseren Plan ausgeheckt haben, Jacob Houghton und Steve bei was auch immer sie im Schilde führen zu erwischen, warte ich auf die Nervosität – warte darauf, dass ich den Mut verliere.
Stattdessen bin ich … entschlossen.
Diese Männer haben mich meinen Job bei der SEC gekostet, sie haben mich meine Chance beim FBI gekostet, und sie versuchen, jemanden, der mir etwas bedeutet, ins Gefängnis zu bringen. Ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal sagen würde, aber das System funktioniert nicht. Ich könnte mich über Steve hinwegsetzen, klar, aber ohne Beweise …
»Danke, dass du bereit warst, dich so früh hier mit mir zu treffen«, sage ich.
Sie lächelt. »Das hätte ich getan, selbst wenn Ian es nicht verlangt hätte.«
»Er hat es verlangt?«
»Es bringt ihn um, dass er nicht in der Nähe sein darf, aber wenn Jacob ihn sieht, geht der Plan in die Hose. Jacob kennt mich nicht, daher« – sie wirft mir eine Kusshand zu – »werde ich am Tisch direkt hinter euch sitzen.«
Ich nicke. »Okay.«
»Dann bist du also bereit?«
Ich stoße den Atem aus. »Ja. Ja, ich bin bereit.«
»In Ordnung, geh voran. Wir haben unsere Tische für dieselbe Uhrzeit reserviert, aber ich werde mit standesgemäßer Verspätung an meinem eintreffen, damit du und Jacob zuerst Platz nehmt. Wenn du irgendetwas brauchst, bin ich da. Genau wie Matt und Kennedy.«
»Wir sind die Rächer«, sage ich mit einem kleinen Lächeln.
Sie tätschelt mir voller Zuneigung die Wange. »Ich finde es wunderbar, dass du so entschlossen bist.«
Kurz darauf stehe ich am Pult der Hostess und warte in der Schlange, um ihr meinen Namen zu nennen.
»Danke, dass Sie uns heute besuchen, Ms McKenzie«, begrüßt mich die gertenschlanke Frau. »Sieht so aus, als wären Sie als Erste eingetroffen. Möchten Sie auf den anderen Gast warten, bevor Sie Platz nehmen?«
»Nicht nötig!«, erklingt eine leutselige Stimme hinter mir.
Hätte ich diesen Moment nicht heute Morgen ein Dutzend Mal mit Ian geübt, hätte ich mich vielleicht versteift. Stattdessen setze ich ein bewusst schüchternes Lächeln auf und drehe mich zu ihm um.
Jacob Houghton, der Arsch.
Aus irgendeinem Grund habe ich erwartet, dass er anders aussehen würde, nachdem ich jetzt weiß, was ich weiß. Oder vielmehr vermute, was ich vermute. Aber er ist unverändert. Dasselbe nichtssagende Grinsen. Nichtssagende Gesichtszüge. Nichtssagender Anzug. Alles nichtssagend.
»Lara, wie geht es Ihnen?«, fragt er und küsst mich auf die Wange. »Alles klar?«
Nun, das beantwortet schon mal eine Frage, er weiß, dass ich nicht mehr in Diensten der SEC stehe.
Ich gestatte mir, die Hände zu ringen wie ein Fräulein in Nöten. »Na ja, ähm …«
Er legt mir eine Hand auf die Schulter. »Ich weiß. Setzen wir uns. Bestellen Sie sich einen Drink und irgendetwas Extravagantes zum Mittagessen. Ich lade Sie ein.«
»Vielen Dank, Mr Houghton«, antworte ich mit gespielter Erleichterung.
»Immer gern, Lara. Und bitte, nennen Sie mich Jacob. Ich denke, wir kennen einander gut genug dafür.«
Gerade als wir unseren Tisch erreichen, kommt Sabrina aus der Toilette, aber sie segelt an uns beiden vorbei, als hätte sie uns noch nie gesehen. Ich stelle fest, dass Jacob ihr »Tagesdekolleté« betrachtet, aber nicht interessierter als jeder andere heterosexuelle Mann, der sich einen tollen Busen ansieht. Er scheint sie jedenfalls nicht als die berüchtigt schwer fassbare Sabrina Cross zu erkennen, was für den Plan hervorragend ist.
Er zieht mir den Stuhl heraus, und wir nehmen beide Platz, breiten unsere Servietten aus und nehmen die Speisekarten zur Hand. Ich habe bewusst ein zwangloses Mittagslokal für Geschäftsleute für unser Treffen ausgewählt, das hübsch genug ist, dass er die Einladung annimmt, aber nicht so vornehm, dass er es für eine seltsame Wahl für eine arbeitslose Ermittlerin der SEC hält.
»Ich habe mich gefreut, von Ihnen zu hören«, sagt er, nachdem er eine Flasche Weißwein für uns beide bestellt hat. »Ich habe erst gestern Abend zu Whitney gesagt, wie leid es mir tut zu hören, dass Sie nicht mehr bei der SEC sind. Sie hat es so genossen, Sie bei Steves Hochzeit kennenzulernen. Das haben wir beide. Und Steve hat immer lobend von Ihrer Arbeit gesprochen.«
Ich spiele mit meiner Serviette herum und schaue auf meinen Teller, und aus dem Augenwinkel bemerke ich, dass Sabrina sich an den Tisch direkt hinter Jacob setzt, zusammen mit einer hochgewachsenen Frau mit einer Hakennase und einem scharfen Blick. Ich schenke ihnen bewusst keine größere Aufmerksamkeit, sondern warte stumm ab, während Jacob den Wein verkostet.
Nachdem der Kellner gegangen ist, hebt Jacob sein Glas. »Auf Neuanfänge.«
»Darauf trinke ich«, antworte ich und gebe acht darauf, ein klein wenig Verzweiflung in die Worte einfließen zu lassen. Ich nehme einen winzigen Schluck von dem Wein. Jacob trinkt ebenfalls – und zwar nicht wenig. Glänzend. Ein flüssiges Gleitmittel ist genau das, was dieses Gespräch braucht, damit der Plan funktioniert.
»Also, Lara«, sagt er, macht Anstalten, das Glas beiseitezustellen, nimmt aber stattdessen noch einen Schluck von dem Wein. »Ich gebe zu, Ihr Anruf hat mich überrascht. Ich habe Ihre Gesellschaft immer genossen, aber Sie waren so bedacht darauf, einen leichten Puffer zwischen uns aufrechtzuerhalten – verständlicherweise, wenn man bedenkt, was ich tue und was Sie tun.«
»Getan habe«, korrigiere ich ihn. »Was ich getan habe
»Stimmt.« Er schenkt mir ein mitfühlendes Lächeln.
Ich hole tief Luft, als müsse ich meinen Mut zusammennehmen. »Ehrlich gesagt ist es … nun, es ist Ihre Beziehung zu Steve, die mich auf die Idee gebracht hat, Kontakt zu Ihnen aufzunehmen.«
Er nickt ermutigend. »Mein Schwager war lange Zeit Ihr Chef. Ich glaube nicht, dass er etwas dagegen haben wird, wenn ich Ihnen sage, dass er sehr traurig darüber war, Sie zu verlieren, Lara.«
»Ich hoffe, dass das der Fall ist«, erwidere ich mit einem kleinen Lächeln. »Eigentlich hatte ich gehofft, dass Sie sich für mich einsetzen könnten.«
Er lehnt sich zurück und mustert mich. »Sie wollen Ihren Job zurückhaben.«
Hölle, nein. Aber was ist schon eine winzig kleine Lüge auf dem Weg zur Gerechtigkeit …
»Ich habe einen Fehler gemacht«, sprudele ich hervor. »Ich habe überstürzt gehandelt, und ich mache mir Sorgen, dass er mir nicht zuhören wird. Aber ich dachte, wenn Sie mit ihm reden, würde er vielleicht …«
Jacob schenkt mir ein freundliches Lächeln. »Warum erzählen Sie mir nicht, was passiert ist – Ihre Seite der Geschichte.«
Ich stütze die Ellbogen auf den Tisch und begrabe das Gesicht in den Händen. »Ich war eine Idiotin. Ich kann nicht einmal darüber reden.«
Er greift über den Tisch, um mich am Arm zu berühren. »Lara. Sprechen Sie mit mir. Vergessen wir nicht, dass Sie meiner Frau geholfen haben, bei Steves Hochzeit nach zu viel Pinot Grigio mit einer Sicherheitsnadel ihr Kleid zu befestigen. Was immer hier gesagt wird, bleibt unter uns.«
Das hättest du wohl gern, Arschloch.
Ich lasse die Hände wieder auf meinen Schoß sinken und atme noch einmal tief durch. »Okay, es hat mit dem Fall zu tun, an dem ich gearbeitet habe.«
»Ian Bradleys Fall.«
Ich sehe, wie Sabrina sich hinter Jacob ein klein wenig höher aufrichtet, als sie Ians Namen hört.
Ich nicke. »Es war … nun, ich sollte es wirklich nicht sagen, aber …«
»Ich weiß, dass es höchst schwierig war«, entgegnet er geringschätzig und nippt abermals an seinem Wein. Der Kellner kommt vorbei, um sein Glas wieder aufzufüllen. »Ist das der Grund, warum Sie gekündigt haben?«
Ich beiße mir auf die Unterlippe. »Okay, jetzt kommt der peinliche Teil … Während ich an dem Fall gearbeitet habe, habe ich irgendwie … nun, Ian – ich meine Mr Bradley … er hat so etwas an sich, und obwohl ich gegen ihn ermittelt habe …«
»Sie haben sich in ihn verliebt«, sagt Jacob, seine Stimme eine Spur vorsichtiger als zuvor.
Ich lächele schwach und ziehe die Schultern hoch, bevor ich sie wieder fallen lasse. »Ich dachte, ich hätte mich in ihn verliebt. Ich konnte kein Fehlverhalten finden und habe Steve das auch gesagt. Deshalb habe ich nicht empfohlen, eine offizielle Untersuchung zu beginnen. Ich wusste nicht, dass Steve eingreifen und den Fall trotzdem übernehmen würde.«
Jacob nippt an seinem Wein, sagt aber nichts, daher schwafele ich weiter.
»Die Sache ist die, ich dachte wirklich, ich täte das Richtige. Ich wollte so unbedingt glauben, dass Ian unschuldig ist. Aber jetzt …« Ich schließe die Augen. »Jetzt frage ich mich, ob ich nichts gefunden habe, weil ich mich habe ablenken lassen. Weil ich mich von ihm habe ablenken lassen.«
Die Ironie ist, dass das meiste, was ich gerade gesagt habe, wahr ist, auch wenn es Teil einer größeren Lüge ist. Ich hatte mir wirklich Sorgen gemacht, dass Ian versuchte, mich abzulenken. Ich hatte mir wirklich Sorgen gemacht, dass ich zuließe, dass er mir unter die Haut ging, auf eine Weise, wie das einer guten SEC-Ermittlerin nicht passiert wäre.
Aber ich habe außerdem gelernt, dass das nicht der Teil ist, der zählt. Was zählt ist, dass Ian einer von den Guten ist. Er hat das Gesetz nicht gebrochen, und er hat mich nicht betrogen.
Das würde er nicht tun. Dafür ist er ein zu guter Mann.
Jacob beugt sich vor und saugt meine Worte auf, wie wir es vorhergesehen hatten. »Was ist passiert?«
Showtime.
Ich atme zittrig ein, während ich wässrige Augen heraufbeschwöre. »Ich habe gerade herausgefunden, dass Ian mich betrogen hat. Ich habe für ihn meine Stellung aufgegeben, und der Mistkerl ist ein Lügner.«
»Oh, Lara.« Er seufzt. »Männer wie er sind unmoralischer Abschaum. Lassen Sie mich mit Steve reden. Er wird es verstehen, wenn ich ihm erzähle, dass Ian Sie verführt hat, um Ihren Fall auszubremsen.«
Ich zucke verlegen zusammen. »Aber ich will wirklich nicht, dass Steve erfährt, dass ich mit dem Mann geschlafen habe, gegen den ich ermittelt habe. Dann wird er mich nie wieder einstellen.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher.« Er schenkt mir ein kleines Lächeln. »Sagen wir einfach, er ist sich über Ian Bradleys Fehler gründlicher im Klaren, als Sie annehmen. Wie stehen die Dinge jetzt zwischen Ihnen und Ian? Haben Sie Schluss gemacht?«
Ich schüttele den Kopf und putze mir die Nase. »Er weiß noch nicht, dass ich von der anderen Frau weiß. Eine Freundin hat ihn gestern Abend gesehen, wie er irgendein Mädchen begrapscht hat. Ich weiß, ich muss ihn zur Rede stellen, aber …«
»Was wäre, wenn Sie es nicht täten?«
Ich blinzele. »Ich kann doch nicht mit einem Betrüger zusammen sein.«
»Sie könnten, wenn Sie sich an ihm rächen wollten.« Jacob zieht die Brauen hoch.
»Ich verstehe nicht.«
Er nimmt noch einen Schluck Wein. »Ich habe Ihnen gesagt, dass Sie mir vertrauen können. Kann ich Ihnen vertrauen?«
»Klar, natürlich«, antworte ich, der Inbegriff der Verwirrung.
»Ian Bradley ist kein guter Mann, Lara. Er entspricht dem schlimmsten Wall-Street-Klischee – ein arroganter Frauenheld, stinkreich selbst nach Wall-Street-Maßstäben …«
»Ja, aber ist er ein Krimineller?«
»Männer wie er kommen nicht dorthin, wo sie sind, indem sie sich die Finger nicht schmutzig machen. So naiv sind Sie doch nicht, ganz gleich, wie gut der Mann aussieht.« Er lächelt, als wolle er den Tadel abmildern, und nippt erneut an seinem Wein.
»Sie haben recht«, sage ich und lasse mutlos die Schultern sinken. »Die ganze J-Conn-Sache fühlte sich schmutzig an, aber ich konnte keine einzige Person dazu bringen, eine Aussage zu machen.«
Jacob beugt sich mit selbstgefälliger Miene vor. »Ach nein?«
Ich sehe ihn mit einem verwirrten Stirnrunzeln an. »Ich verstehe nicht. Wenn niemand redet …« Meine Augen weiten sich. »Ach du meine Güte. Sie waren Steves vertraulicher Informant.«
Er breitet mit einem kläglichen Lächeln die Arme aus. »Schuldig. Es tut mir leid, dass Steve es Ihnen nicht erzählen konnte. Wir hielten es für das Beste, das so lange wie möglich unter Verschluss zu halten, wenn man an unsere Verbindung denkt.«
Meine Gedanken überschlagen sich. Obwohl wir wussten – oder es wenigstens mit großer Sicherheit annahmen –, dass Jacob die Quelle war, beschert es mir eine leichte Übelkeit, es ihn zugeben zu hören. Ich schaue auf Sabrinas Hinterkopf, und ihre Reglosigkeit verrät mir, dass sie alles gehört hat. Noch besser, die Frau, mit der sie zusammen ist, scheint ebenfalls zuzuhören.
»Meinen Sie, dass es Bestand haben wird?«, frage ich. »Ihr Wort steht gegen seins …«
»Was wäre, wenn es nicht nur mein Wort wäre?« Wieder führt er sein Glas zum Mund. »Was ist, wenn es unser Wort wäre?«
»Aber ich habe nie etwas gefunden. Sie haben doch Informationen.«
»Hm.« Er schenkt mir ein Grinsen, von dem ich annehme, dass er es für charmant hält, und zieht eine Schulter hoch. »Ich habe das Ausmaß meines Wissens vielleicht übertrieben.«
»Weiß Steve das?«
»Natürlich. Er bekommt einen fetten Scheck dafür, dass er mitspielt.«
Ich befingere meine Serviette, um meinen kaum bezähmten Zorn auf den Mann mir gegenüber zu verbergen, ebenso wie auf den Mann, der mein Boss war. Mein Mentor. »Was soll ich tun?«
Er zuckt die Achseln. »Vielleicht haben Sie ihn bei einem Freund über die ganze Sache prahlen hören. Vielleicht taucht ein ehemaliger Angestellter von J-Conn mysteriöserweise auf seiner Kontaktliste auf, die Sie auf seinem Telefon finden.«
Ich starre ihn mit großen Augen an. »Das kann ich doch nicht machen.«
»Natürlich könnten Sie«, sagt er und füllt mein Glas auf, obwohl ich es kaum angerührt habe. »Sie bekommen Ihren Job zurück. Ian Bradley bekommt, was er verdient hat.«
Ich lehne mich mit einem kleinen Lachen auf meinem Stuhl zurück. »Ich kann es nicht glauben. In all dieser Zeit dachte ich, ich würde etwas übersehen, aber Sie haben tatsächlich nichts gegen ihn in der Hand, das ihn mit J-Conn verbindet, nicht wahr? Sie und Steve haben ihn reingelegt.«
Jacob zwinkert mir dreist zu. »Na klar. Der Mann ist aalglatt, aber nicht annähernd so schlau, wie er denkt.«
Der Moment ist so schnell, so subtil, dass ich denke, dass ich es vielleicht nur geträumt habe, aber die Art, wie Sabrina leicht den Kopf dreht, verrät mir, dass es kein Traum ist.
Jacob Houghton hat gerade gestanden, Ian vorsätzlich falsch eines Insidergeschäfts beschuldigt zu haben – mit Steves Hilfe.
Ich bewege die Beine und lasse absichtlich meine Serviette fallen.
Eine Minute später bricht die Hölle los.