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Lara
Woche 5: Freitag, Abendessenszeit
»Verdammt, Ms Louis. Das ist guter Stoff«, sagt Matt, betrachtet anerkennend seine Champagnerflöte und beugt sich dann vor, um sich die Flasche anzusehen.
»Nennen Sie mich Vanessa«, fordert Ians Anwältin ihn auf und reicht Kate ein Glas Champagner. »Und ich habe den Champagner nicht gekauft. Das war Ian.«
Ian, der gerade an seinem Glas nippen wollte, hält inne. »Ach ja?«
»Er wird auf Ihrer Rechnung auftauchen.« Vanessa zwinkert ihm zu.
Matt lässt sein Glas gegen meins klirren und grinst.
Ich lächele automatisch zurück. Selbst inmitten meiner eigenen Probleme fällt es mir schwer, nicht über unseren Sieg über die Korruption zu jubilieren. Und ja, mir ist klar, dass das absolut wahnwitzig und gigantomanisch war, aber, tja … der gestrige Sieg hat sich gut angefühlt.
War unser Plan ein wenig außerhalb der regulären Grenzen? Definitiv.
Aber wenn Ian und seine Freunde mich eines gelehrt haben, dann dass ein Kampf um das, was richtig ist, nicht immer ein simples Befolgen der Regeln ist. Manchmal muss man einige Regeln verbiegen, um den bösen Buben zu erwischen.
Sabrina kommt durch Ians Wohnungstür gesegelt, wirft Kate und mir eine Kusshand zu und geht dann direkt zum Champagnerkühler. »Dom! Wir feiern ja wirklich.«
»Verdammt, ja, das tun wir«, sagt Vanessa und wechselt mit Sabrina einen Luftkuss. »Und darf ich hinzufügen, dass es für die beiden keine außergerichtliche Schlichtung geben wird? Der Höhepunkt meines Jahres.«
»Wieso haben sie sich eine Chance darauf ausgerechnet?«, fragte Kennedy
»Sie dachten, ein schriftliches, umfassendes Geständnis würde ihnen Bonuspunkte bringen«, berichtet Vanessa. »Aber da alle beide jeweils den anderen belastet haben, blieb ihnen keinerlei Spielraum, um einen Deal auszuhandeln.«
»Wissen Sie, was mich am meisten ärgert?« Matt lässt sich auf einen Stuhl an Ians Küchentisch fallen. »Wieso zur Hölle sind wir nicht auf die Idee gekommen, uns zuerst Ians Liebeleien anzusehen? Wir hätten wissen müssen, dass es sein Schwanz war, der ihn in Schwierigkeiten bringen würde.«
Ian zuckt zusammen, und ich lege ihm eine Hand auf den Arm. Er hat nicht viel darüber gesprochen, aber ich weiß, wie sehr es ihn umtreibt, dass jemand, den er für eine harmlose Affäre gehalten hat, nicht nur verheiratet war, sondern dass die Sache von damals ihn auf die schlimmstmögliche Weise eingeholt hat.
Ian zieht meine Hand an die Lippen und drückt einen Kuss darauf, während Sabrina Matt einen Klaps auf den Kopf gibt.
»Richtig, weil du ein so zölibatärer Mönch bist. Und das mit Whitney liegt lange zurück«, stellt sie fest und wirft mir einen vielsagenden Blick zu.
Ich lächele, weil ich ihr Eingreifen zu schätzen weiß, obwohl es nicht wirklich notwendig ist. Es erfüllt mich weder sonderlich mit Begeisterung, an Ians ausschweifende Vergangenheit zu denken, noch führe ich mir gern vor Augen, was das für seine Zukunft bedeutet, für unsere Zukunft …
Aber ich habe größere Probleme.
Ians Schlamassel ist behoben, und dafür bin ich dankbar. Ich bin begeistert.
Mein eigener Schlamassel fängt gerade erst an.
Ian zieht mich näher heran und drückt die Lippen auf eine Stelle direkt über meinem Ohr. »Ich bin froh, dass du hier bist«, flüstert er, bevor er sich zurückzieht, um in die Küche zu gehen.
Ich bin auch froh darüber. Nicht nur seinetwegen und unseretwegen, sondern auch wegen allen anderen hier. Ich glaube nicht, dass er ahnt, wie sehr ich mich nach Freunden gesehnt habe. Ich habe natürlich Gabby, aber wenn ich ganz ehrlich bin, war mir immer bewusst, dass sie und ich wahrscheinlich niemals Freundinnen geworden wären, wenn wir uns nicht eine Wohnung teilen würden.
Diese Gruppe fühlt sich anders an. Sie fühlt sich wie eine Gruppe von Menschen an, von der ich ein Teil sein könnte – eine Gruppe, zu der ich wirklich dazugehören könnte.
Wenn die Dinge anders lägen.
»Lara, dein Telefon klingelt«, ruft Ian aus der Küche.
Ich gehe zu ihm hinüber und stoße ein Kreischen aus, als er mir mein iPhone zuwirft. »Was machst du da? Sehe ich etwa so sportlich aus?«
»Du hast es gefangen, oder nicht?«, erwidert er mit einem trägen Lächeln.
Habe ich. Aber wahrscheinlich war das ein Zufall, der sich nicht wiederholen wird.
Ich betrachte das Telefon und ärgere mich, dass mich ein Stich des Grauens durchzuckt, statt meiner üblichen Aufregung angesichts des Namens auf dem Bildschirm.
»He, hast du was dagegen, wenn ich damit in dein Schlafzimmer gehe?«
Ian wedelt mit einer Ginflasche, um mir grünes Licht zu geben.
Ich trete in sein Zimmer und schließe die Tür. »Hallo Mom.«
»Lara. Es tut mir so leid, Schätzchen. Dad und ich haben gerade deine Nachricht bekommen. Du hast gekündigt? Erzähl uns alles. Du bist auf Lautsprecher.«
Ich lehne mich an die Tür, lasse mich zu Boden gleiten, blende die fröhlichen Stimmen auf der anderen Seite aus, beiße in den sauren Apfel und erzähle meinen Eltern endlich von dem absoluten Schlamassel, den ich mir eingebrockt habe.