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Ian
Woche 5: Freitag, Abendessenszeit
Nachdem ich festgestellt habe, dass Lara immer noch im Schlafzimmer ist und mit ihren Eltern redet, nähere ich mich meiner Anwältin.
»Vanessa, haben Sie eine Sekunde Zeit?«
»Natürlich«, sagt sie und hebt einen Finger, um Sabrina zu bedeuten, dass sie gleich zurück sein werde. »Was ist los?«, fragt sie, als wir auf die andere Seite des Wohnzimmers schlendern.
Ich kratze mir die Wange und bin ein wenig unsicher wegen des Neulands, das ich betrete. Ich bin es nicht gewohnt, um Gefälligkeiten zu bitten – erst recht nicht um Gefälligkeiten für meine Freundin.
Oder die Frau, von der ich hoffe, dass sie zustimmen wird, meine Freundin zu sein.
»Es geht um Lara.«
»Ah, ja«, sagt Vanessa, nippt an ihrem Champagner und zieht die Brauen hoch. »Wissen Sie, ohne Lara … sagen wir einfach, sie war entscheidend dafür, dass diese Sache zu Ihren Gunsten ausgegangen ist.«
»Das weiß ich.« Ich bin dankbar dafür. Mehr als dankbar, und doch … nicht dankbar genug. Denn ich weiß sehr wohl, wie viel es Lara gekostet hat.
Ich habe genau das bekommen, was ich wollte. Sie hat die Arschkarte gezogen.
»Also, hören Sie zu.« Ich fahre mir mit einer Hand über den Nacken und versuche herauszufinden, wie ich meiner Anwältin sagen soll, dass ich mit der SEC-Ermittlerin geschlafen habe.
Vanessa erbarmt sich meiner und lächelt. »Ist schon gut, Ian. Ich war in Princeton. Ich denke, ich kann es erkennen, wenn zwei Menschen ineinander verliebt sind.«
Die Worte durchzucken mich. Sowohl deshalb, weil es das erste Mal ist, dass ich es laut ausgesprochen höre, als auch weil ich Angst davor habe, wie es sich anfühlt, nämlich …
Wahr.
»Wir sind nicht … es ist nur … Scheiße. Ich weiß nicht, was wir sind.«
Ich weiß nur, was ich mir wünsche, das sie sein soll – die Meine.
»Wussten Sie, dass sie wegen dieser ganzen Sache ihren Job verloren hat?«, frage ich Vanessa.
»Sabrina hat mir erzählt, sie hätte gekündigt.«
»Ja, weil sie integer ist«, blaffe ich, obwohl es nicht Vanessa ist, auf die ich sauer bin. Es sind diese Scheißkerle, die mir was anhängen wollten und die Lara gezwungen haben, zwischen ihrem Traum vom FBI und ihrem Gewissen zu wählen.
»Ich weiß«, antwortet Vanessa leise. »Was brauchen Sie von mir, Ian?« Sie mustert mich. »Ah. Sie wollen, dass ihre Freundin ihren Job zurückbekommt.«
»Ja!«, bestätige ich ein klein wenig zu enthusiastisch. »Ich meine, ja, falls das eine Möglichkeit ist …«
»Es ist nicht unmöglich«, sagt sie langsam. »Aber die SEC ist gespalten in der Sache. Selbst wenn Lara nicht wirklich etwas falsch gemacht hat, hat ihr Boss ihren Ruf doch gründlich in den Schmutz gezogen.«
»Aber er hat sich schuldig gemacht, er hat sich bestechen lassen und war ein absolutes Arschloch! Sein Wort gilt einen Scheißdreck.«
»Ich weiß das. Sie wissen das. Alle in diesem Raum wissen das. Aber so funktioniert diese Welt nicht, Ian. Es ist eine Frage der Wahrnehmung. Investmentbanker können sich von so etwas erholen. Hedgefondsmanager können sich davon erholen. Aber SEC-Ermittler, die im Verdacht stehen, mit der Zielperson geschlafen zu haben …«
Ich schüttele den Kopf. »Wir haben gewartet …«
»Niemand wird sich für das Timing interessieren«, unterbricht sie mich sanft. »Ich nehme an, Lara hat das von Anfang an gewusst. Es sagt viel über ihre Gefühle für Sie aus.«
Die Worte sollten mich mit Jubel erfüllen. Stattdessen habe ich mich noch nie so elend gefühlt.
Welchen Sinn hat es, meinen Namen reinzuwaschen, mein Leben zurückzubekommen, wenn sie kein Teil davon ist?
Doch das ist nicht einmal die schlimmste Möglichkeit, begreife ich, als ich zu der geschlossenen Tür meines Schlafzimmers schaue. Schlimmer als ein Leben ohne Lara wäre es, wenn sie wegen ihrer Beziehung zu mir weder bei der SEC noch beim FBI arbeiten könnte.
Ich schlucke und verspüre den Drang, meinen Drink an die Wand zu schleudern.
Jetzt erinnere ich mich, warum ich niemals eine Beziehung wollte.
Beziehungen machen einen fertig.