Kapitel 10
Finola brach nach diesem Anruf extrem hastig auf, fand Laurie. Und sie war auf die Frage, ob etwas passiert war, äußerst kurz angebunden.
Mit einem kleinen Seufzer räumte Laurie den Tisch ab und rückte das Spitzendeckchen zurecht. Sie hatte sich gefreut, Finola wiederzusehen und ihr zeigen zu können, dass sie nicht so verpeilt war, wie sie bei ihrem Zusammenstoß wahrscheinlich gewirkt hatte.
Stolz betrachtete Laurie ihr Reich. Natürlich ließ sich in einem so kleinen Café mit den Gästen nicht wahnsinnig viel verdienen, vor allem, weil sie tendenziell ziemlich lange sitzen blieben. Aber das war ja auch ein Zeichen, dass es ihnen gefiel. Und die Laufkundschaft für ihre Cupcakes wurde immer größer. Das Risiko und ihre Investition in den Traum eines eigenen Cafés zahlten sich so langsam aus.
Eine Frau blieb draußen vor dem Fenster stehen und schaute herein. Laurie lächelte ihr zu, doch die Frau wandte den Blick ab und ging weiter. Na ja, besonders freundlich sah die sowieso nicht aus, dachte Laurie. Sie hatte gerne Gäste, die sich anfühlten wie Freunde. So wie Helen, die oft mit einem Buch in der Hand eine Teepause machte. Oder Trish und Rob. Die kehrten jeden Samstagnachmittag bei ihr ein, sie waren vielseitig interessiert, und es ergab sich immer ein nettes Gespräch. Zudem war Rob sehr geschickt darin, Leute auszuhorchen. Das war für Laurie äußerst praktisch, denn so musste sie nicht selbst fragen.
Ihre Gedanken kehrten unwillkürlich zurück zu Finola. Irgendetwas stimmte mit der jungen Frau nicht. So offen sie getan hatte, Laurie konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass sie eine ganze Menge verschwiegen hatte. Das mochte natürlich völlig harmlos sein, schließlich trug man bei einer ersten Begegnung nicht unbedingt das Herz auf der Zunge. Andererseits – seit sie so viele Krimis las, um sich abzulenken, weil die Trennung von Connor doch
schmerzhafter gewesen war, als sie zunächst gedacht hatte, war Laurie allen und jedem gegenüber misstrauisch geworden. Verbrecher schienen ja irgendwie überall zu lauern, und man sah ihnen nicht an, was sie planten.
Hatte Finola nicht ein wenig zu sehr betont, dass sie Physiotherapeutin war? War sie vielleicht etwas ganz anderes?
Und dann diese Sache mit Mrs Scott, bei der sie zur Untermiete wohnte. Nun, es war natürlich begrüßenswert, dass Mrs Scott noch ein bisschen was dazuverdienen konnte. Ihre Catering-Rechnung hatte sie so zögerlich bezahlt, dass zu vermuten war, dass sie trotz der Verlegung der Detektei ins eigene Haus ernsthafte Geldprobleme hatte.
Mrs Scott war sehr nett, aber war sie nicht eigentlich Malerin oder sonst was Künstlerisches? Dann war sie wahrscheinlich nicht unbedingt eine gute Geschäftsfrau. Hoffentlich hatte sie sich mit dieser Finola nicht noch eine Laus in den Pelz gesetzt.
»Ich hätte gerne zwei von den violetten Cupcakes und zwei von diesen mit den Röschen hier vorne«, sagte plötzlich eine Frauenstimme. »Zum Mitnehmen.«
Laurie zuckte zusammen, sie hatte doch tatsächlich nicht gemerkt, dass eine Kundin das Café betreten hatte. Sofort griff sie lächelnd nach einer der weißen Schachteln unter der Cupcakes-Theke.
»Sehr gerne«, sagte sie. Über Finola konnte sie ein anderes Mal nachdenken, spätestens, wenn sie sie wiedersah.