Kapitel 22

»Hallo, Craig«, meldete sich Anne. »Schön, dass ich dich erreiche.« Sie stellte das Telefon auf Lautsprecher und griff nach Kuli und Notizblock.

»Ist etwas mit Ernie?« Craigs Stimme klang besorgt. »Hat deine Detektivin ihn gefunden? Weiß Amanda Bescheid?«

»Bisher noch nicht, also, ich meine, bisher haben wir ihn nicht ausfindig gemacht. Ich wollte dich aber nun doch noch einmal direkt und ohne ihr Beisein fragen, ob du vielleicht irgendetwas etwas weißt.« Anne schrieb den Namen Craig auf ihren Block und begann, die Linien immer wieder nachzuziehen.

»Ich habe wirklich keine Ahnung, wo Ernie sein könnte. Und ehrlich gesagt, finde ich Amandas Aktion etwas übertrieben. Der Mann ist schließlich erwachsen und kann machen, was er will, ohne sich jedes Mal bei seiner Nichte abzumelden.«

»Ja, natürlich, aber ich würde Amanda doch gerne beruhigen.«

»Das wäre nicht schlecht.« Craig schien zu seufzen.

»Hast du vielleicht eine Ahnung, ob ihn etwas bedrückt hat? Oder sonst wie beschäftigt?«, setzte Anne noch einmal an.

»Mir ist nichts aufgefallen.«

»Er hat in Invertingle eine Frau besucht …«

»In Invertingle?«

»Kennst du den Ort?«

»Ich hör zum ersten Mal davon.«

Anne biss sich auf die Unterlippe. Konnte sie ihm glauben?

»Er war dort auch bei den Rechtsanwälten Barrett & Browning«, behauptete sie ins Blaue hinein.

»Auch noch nie gehört. Aber warum geht er an einem fremden Ort zu fremden Anwälten?«

»Genau das frage ich mich auch.«

»Sorry, Anne, da kann ich dir nicht weiterhelfen. Ich muss jetzt auch Schluss machen, bin noch in der Bank. Wir haben hier eine größere Sache zu klären.«

»Aber es ist fast sieben – machst du Überstunden? Das wusste ich nicht, sonst hätte ich dich natürlich nicht gestört.«

»Schon okay«, sagte Craig. Eine Stimme im Hintergrund fragte etwas, eine Frauenstimme, wie es Anne schien. Leider konnte sie nur den Tonfall hören, aber kein Wort verstehen.

»Moment, Maggie. Ich komme gleich. Anne, wir sind ja auch fertig, oder brauchst du noch was?«

»Nein, nein. Alles gut. Entschuldige die Störung. Bye!«

»Bye.«

Es klickte in der Leitung.

Anne blieb mit einem unbefriedigenden Gefühl zurück. Nicht wegen dieser Maggie – wenn sie den Namen aus der Akte richtig erinnerte, war das tatsächlich eine Arbeitskollegin. Und Finola würde es ja sehen, falls die beiden sich nicht in der Bank aufhielten, darum musste sie sich nicht selbst kümmern.

Das unbefriedigende Gefühl betraf immer noch Ernie, die Verbindung nach Invertingle und zu Barrett & Browning. Wenn sie Craig glaubte, dass er den kleinen Ort an der Westküste und die dort ansässigen Anwälte nicht kannte, war sie keinen Schritt weitergekommen. Im Grunde gab es nur eines – sie musste gleich morgen früh selbst nach Invertingle fahren.